Verwaltungsrecht

Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsandrohung nach einer Unzulässigkeitsentscheidung

Aktenzeichen  AN 17 S 18.50337

Datum:
21.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 425
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 58 Abs. 2, § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35, § 36 Abs. 1, § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 75 Abs. 1

 

Leitsatz

Auch wenn eine gesetzte 30-tägige Ausreisefrist im Fall der Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG objektiv rechtswidrig ist, besteht kein Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die mit Schreiben vom 29. März 2018 gestellten Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der mit gleichem Schriftsatz erhobenen Klagen (AN 17 K 18.50338) gegen die Abschiebungsandrohung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 19. März 2018 bleiben ohne Erfolg. In Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides forderte die Antragsgegnerin die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung – im Fall der Klageerhebung 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens – zu verlassen, drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung insbesondere nach Griechenland an und stellte fest, dass die Antragsteller nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen. Dem Bescheid beigefügt war eine Rechtsbehelfsbelehrung:dahingehend, dass gegen den Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage erhoben werden kann.
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind bereits unzulässig. Zwar sind sie statthaft und fristgerecht erhoben, ihnen fehlt jedoch das Rechtschutzbedürfnis, da eine Abschiebung aufgrund des antragsgegenständlichen Bescheids bis zum Ablauf der in Ziffer 3 des Bescheids genannten Ausreisefrist nicht in Frage kommt und ein weitergehendes Ziel mit dem Eilverfahren nicht durchgesetzt werden kann.
Nach § 75 Abs. 1 AsylG kommt asylrechtlichen Klagen nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 und §§ 73, 73b und 73c AsylG aufschiebende Wirkung zu. Fälle gemäß § 36 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bzw. nach § 35 AsylG, also die Konstellation, dass ein Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union bereits internationalen Schutz erhalten hat und er dorthin abgeschoben werden soll, wie es vorliegend der Fall ist, gehören nicht hierzu. Den Klagen kommt damit keine aufschiebende Wirkung zu. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind deshalb statthaft.
Sie sind auch fristgerecht innerhalb der Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO erhoben worden. Diese gilt, da die Rechtsmittelbelehrungdes Bescheides im Hinblick auf die genannte Klagefrist fehlerhaft war (vgl. VG Ansbach, B.v. 27.11.2018 – AN 14 S 18.50864 – juris, U.v. 19.9.2019 – AN 17 K 50504 – nicht veröffentlicht). Richtigerweise galt die Wochenfrist nach §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 Alt. 2 AsylG, nicht aber die Zwei-Wochen-Frist nach § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG.
Den Anträgen fehlt jedoch das allgemeine Rechtschutzbedürfnis, weil er den Antragstellern keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringt, auf den sie sich im Eilverfahren berufen können. Eine Abschiebung der Antragsteller vor Abschluss des Klageverfahrens kommt nach dem angefochtenen Bescheid vom 19. März 2018 nicht in Betracht. Vor Ablauf der in Ziffer 3 des Bescheids festgesetzten Ausreisefrist von 30 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung über die Klage dürfen die Antragsteller nicht abgeschoben werden. Eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO bedarf es zur Erreichung von – vorübergehendem – Abschiebungsschutz nicht. Mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann kein anderer oder längerer Abschiebungsschutz erreicht werden. Es ist auch weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in Verkennung dieser Rechtslage von der Möglichkeit einer Abschiebung vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung ausgeht. Vielmehr hat das Bundesamt die Frist wohl bewusst abweichend von § 36 Abs. 1 AsylG festgesetzt und will vor Ablauf dieser Frist auch nicht vollstrecken.
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind weiter auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 37 Abs. 1 AsylG zulässig. Danach wird die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam und das Asylverfahren ist durch das Bundesamt fortzuführen, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwischenzeitlich geklärt, dass eine Unwirksamkeit nach § 37 AsylG nicht zu einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrages im nationalen Verfahren zwingt, sondern das Bundesamt nur verpflichtet, das Verfahren in dem Stadium fortzuführen, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat. Bei dieser Fortführung muss sich das Bundesamt mit den vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren geäußerten ernstlichen Zweifeln auseinandersetzen, ist aber an dessen Bewertung nicht gebunden. So ist auch eine erneute Unzulässigkeitsentscheidung möglich. Zwar ist der Ansatz des Bundesamtes, einer “Endlosschleife” im Verfahren damit zu begegnen, dass unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG eine 30-tägige Ausreisefrist nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens anstatt der im Fall der Unzulässigkeit des Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gesetzlich vorgeschriebenen Wochenfrist nach § 36 Abs. 1 AsylG gesetzt wird, objektiv rechtswidrig (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2019 – 1 C 15.18 – juris). Ein Schutzsuchender wird hierdurch jedoch nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2019 – 1 C 51/18 – juris 21; Berlit, jurisPR-BVerwG 16/2019 Anm. 6). Eine Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung wäre dementsprechend abzuweisen.
Das Eilrechtsverfahren gegen die Abschiebungsandrohung muss folglich ebenfalls erfolglos bleiben. Der asylrechtliche Eilrechtschutz ist nach der gesetzlichen Konzeption zum einen allein auf die Verhinderung der Vollziehung der Abschiebung beschränkt und kann nach Ansicht der Kammer nicht auf eine mittelbare Folge, die sich aus Art. 37 Abs. 1 AsylG ergäbe, berufen (vgl. VG Ansbach, B.v. 8.5.2018 – AN 17 S 18.50410 – juris Rn. 19, B.v. 28.11.2019 – AN 18 S 19.50363 – juris). Ein dauerhafter und echter (mittelbarer) Rechtsvorteil (etwa im Sinne einer Entscheidung im nationalen Verfahren) ergibt sich für den Antragsteller nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 15.1.2019 und U.v. 25.4.2019, a.a.O.) aus der Umgehung der Regelung des § 37 Abs. 1 AsylG aber auch nicht (vgl. VG Ansbach, U.v. 12.9.2019 – AN 17 K 18.50204 – juris Rn. 40, B.v. 28.11.2019 – AN 18 S 19.50363 – juris).
Die Kostenentscheidung der erfolglosen Anträge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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