Zivil- und Zivilprozessrecht

Arglistiges Verschweigen von Schimmel und Durchfeuchtungen beim Verkauf eines Hauses

Aktenzeichen  42 O 2327/17

Datum:
8.12.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41469
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 323, § 346, § 434, § 446

 

Leitsatz

Wird bei einem Hausverkauf durch den Verkäufer auf die Vorbelastungen in Bezug auf Schimmel und Durchfeuchtungen nicht angemessen hingewiesen, hat dies zur Folge, dass hierin ein arglistiges Verschweigen gesehen werden kann. Dies führt unter Annahme der Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses gemäß § 446 BGB zur Anwendbarkeit der Vorschriften über die Sachmängelhaftung nach §§ 434 ff. BGB. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 170.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.02.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung des im Grundbuch des Amtsgerichts Kelheim, Grundbuch von T… Blatt …rstück-Nr. 2… eingetragenen Grundbesitzes zu 1.277 m².
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen weiteren, derzeit nicht bezifferbaren Schaden aus den von dem Notar Dr. Jo… in Kelheim beurkundeten Kaufvertrag vom 09.10.2013, URNr. 1… aus dem Rechtsgrund des Schadensersatzes statt der Leistung zu ersetzen hat.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 15.210,74 € zu bezahlen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.Beschluss
Der Streitwert wird auf 170.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Regensburg ist sachlich und örtlich zuständig.
Ein Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) der Klägerin erkennt das Gericht an. Denkbar sind weitere, derzeit noch nicht abschließend bezifferbare Schäden aufgrund des Vertragsschlusses, insbesondere in Bezug auf Spätfolgen in Bezug auf mögliche Erkrankungen durch die Schimmelbildung in dem von der Klägerin seit Jahren bewohnten Haus. Es wird hierzu insbesondere auf die mit Schriftsatz vom 12.11.2020 vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen verwiesen.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1. Zur Haftung dem Grunde nach:
Die Klägerin kann von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen sowie Erstattung der im Zuge des Kaufvertrags angefallenen Nebenkosten als Schadensersatz. Die Klägerin kann diese Ansprüche auf die Vorschriften der Sachmängelhaftung nach §§ 434 ff. BGB stützen. Diese Vorschriften finden vorliegend Anwendung. Der im notariellen Kaufvertrag vorgesehene Haftungsausschluss ist gemäß § 444 BGB unwirksam, weil den Beklagten arglistig das Ausmaß der Feuchtigkeitsschäden vor Abschluss des Kaufvertrages nicht offenbart worden ist. Der Umfang der in den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. F. dokumentierten Schimmelvorbelastungen übersteigt die im Rahmen der Verkaufsgespräche und Besichtigungen besprochenen Mängel und Vorbelastungen erheblich.
Der vorgerichtlich bestellte Privatsachverständige Ho… hat eine Schimmelvorbelastung festgestellt, die laut seiner Auffassung bereits seit mehreren Jahren vorhanden gewesen seien. Diese Aussagen wurden im gerichtlich erholten Sachverständigengutachten der Sachverständigen F. bestätigt. Wie die Sachverständige in ihrem Gutachten nachvollziehbar aufgrund eines Ortstermins herausgearbeitet hat, liegt im Keller und 1. OG ein starkes Durchfeuchtungsbild vor; das Bild der Durchfeuchtungen lege nahe, dass diese bereits seit mindestens 10 Jahren vorhanden seien. Als Ursache seien fehlende Abdichtungen im horizontalen und vertikalen Bereich gegeben. Als Ursache für die Durchfeuchtungen im Keller sei eine Wärmebrücke anzusehen, die sich aufgrund des Alters des Hauses bauartbedingt erklären lasse. Für das 1. Obergeschoss gelten die Ausführungen entsprechend, ergänzend sei hierzu eine Verwendung unzureichender Baumaterialien bei Aufstockung als ursächlich anzusehen. Ein falsches Heizen könne als alleinige Ursache für die vorhandene Schimmelbelastung ausgeschlossen werden, ebenso die Positionierung der Möbel. Im Gegensatz zu den Feststellungen des Zeugen H. handelte es sich bei demjenigen Teil der Wände, bei dem ein lilafarbener Anstrich festgestellt wurde, nicht um Schimmelschutzfarbe, sondern um Schimmel selbst. Es wird hierzu auf das Gutachten der Sachverständigen F. hingewiesen. Von den zugrunde liegenden Umständen konnte die Klägerin beim Kauf das Hauses jedenfalls keine hinreichende Kenntnis haben und diese auch nicht im Rahmen örtlicher Besichtigungen erlangen. Für das Gericht ergibt sich anhand der Ausführungen eine Offenbarungspflicht der Beklagten in Bezug auf die vorhandenen Vorschäden und – beeinträchtigungen. Gerade Durchfeuchtungen durch eine Wärmebrücke sind auch für Dritte im Zuge von Besichtigungen regelmäßig nicht ohne Weiteres zu erkennen und bedürfen daher einer Aufklärung des Verkäufers, dem regelmäßig die dem Mangel zugrunde liegende Symptombildung nicht verborgen bleiben kann, insbesondere wenn die Mängel – wie hier – bereits seit Längerem vorhanden sind.
Der Umfang der im Vorfeld des Kaufvertrags durchgeführten Aufklärung wird dem sich in Ansehung dieser Vorbelastungen geschuldeten Maß an Aufklärung nicht mehr gerecht. Die Beklagte hat sich hierzu des Zeugen Zi… zur Vermittlung als Makler bedient und muss sich dessen Angaben nach § 166 BGB zurechnen lassen.
Zur Feuchtigkeit im Keller hat der Zeuge Z. angegeben:
„Im Keller waren wir auch. Der Keller war damals feucht. Ich habe die Beklagte hierzu gefragt, die mir mitgeteilt hat, dass eine Leitung vom Wasserhahn getropft hat. Dies war zum Zeitpunkt, als ich den Keller dort aber gesehen habe, bereits behoben. Man hat aber die Feuchtigkeit noch gesehen und gemerkt.
Der Umfang dieser Aufklärung genügt nicht mehr den in Ansehung der Durchfeuchtungen erforderlichen Aufklärungen, zumal diese tatsächlich nicht nur auf eine tropfende Leitung vom Wasserhahn zurückzuführen waren.
Auch im Übrigen wurde hinsichtlich der Schäden in der Wohnung nur in Bezug auf zwei oder drei Stellen über Schimmel gesprochen. Auch insofern lässt sich eine Aufklärung über den genauen Umfang der Vorbelastung anhand der Beweisaufnahme nicht feststellen.
In Bezug auf die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2019 und die Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. F. Bezug genommen.
Im Ergebnis gibt sich daher nach der Beweisaufnahme ein dahingehendes Bild, dass die Klägerin die Beklagte über den Umfang von vorhandenen Vorbelastungen nicht vollständig aufgeklärt hat. Die Ursachen, insbesondere in Bezug auf nicht klar erkennbare Wärmebrücken, waren auch für die Klägerin nicht erkennbar. Das Gericht gelangt daher zum rechtlichen Bewertung, dass auf die Vorbelastungen in Bezug auf Schimmel und Durchfeuchtungen nicht angemessen hingewiesen wurde mit der Folge, dass hierin ein arglistiges Verschweigen gesehen werden kann (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2013, 1523 und OLG München, Urteil vom 31.08.2016, Az.: 3 U 4850/15, juris). Dies führt unter Annahme der Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses gemäß § 446 BGB zur Anwendbarkeit der Vorschriften über die Sachmängelhaftung nach §§ 434 ff. BGB.
Das Gericht zieht hier vorrangig die Ansprüche aus §§ 434 ff. BGB heran. Auf die Frage, ob die an sich vorrangig erklärte Anfechtung somit fristgerecht binnen Jahresfrist (§ 124 BGB) ab Kenntniserlangung erklärt wurde, kommt es daher nicht mehr an. Im Ergebnis ist die dogmatische Einordnung der Anspruchsgrundlagen für den Ausgang des Rechtsstreits ohne weitere Bedeutung. Bei wirksamer Anfechtung käme für Ziffer 1.) des Tenors § 812 BGB in Betracht, für die übrigen Schäden ein Anspruch aus §§ 280, 311 BGB (Palandt, 79. Aufl. 2020, BGB, § 123 Rn. 26 ff.). Im Übrigen ist für Ziffer 1.) ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB gegeben, für die übrigen Schäden § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 BGB. Letztere Anspruchsgrundlagen tragen für das Gericht die geltend gemachten Ansprüche umfassend.
Auf die Frage, inwieweit eine Offenbarungspflicht in Bezug auf einen im Haus begangenen Suizid bestanden hat, kommt es somit im Ergebnis nicht mehr an.
2. Zum Schaden:
Mit Ziffer 1.) des Tenors wird die beantragte Rückabwicklung des Kaufvertrags vollzogen. Der gezahlte Kaufpreis von 170.000,00 € ist Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums zurückzugewähren. Der Anspruch folgt aus §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB.
Mit Ziffer 2.) wird der Feststellungsantrag in Bezug auf künftige Schäden, die über die bezifferbaren Schäden im Rahmen des Kaufvertragsschlusses hinausgehen, für begründet erachtet. Dies bezieht sich insbesondere auf mögliche gesundheitliche Schäden, die in Anbetracht der Umstände entstehen können. Die von den behandelnden Ärzten der Klägerin vorgelegten Atteste belegen Befunde, dass bei dieser Erkrankungen gegeben sind, die mit einem Schimmelbefall im Wohnanwesen vereinbar sind. Mithin besteht ein Anspruch auf Feststellung künftiger Ansprüche. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung wäre nicht von einem Vertragsschluss auszugehen gewesen, so dass diese Umstände auch ursächlich sind für die vorgetragenen medizinischen Befunde.
Mit Ziffer 3.) des Tenors werden die übrigen materiellen Schäden der Klägerin (Ziffern 3.) – 6.) der Klageschrift) zusammengefasst. Die geltend gemachten Beträge für Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Maklerprovision und Kosten für das Grundbuchamt stehen als Nebenkosten im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Erwerb der Immobilien. Sie wären bei Nichterwerb der Immobilie ebenfalls nicht angefallen und stellen somit einen ersatzfähigen Schaden auf Grundlage von § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 BGB dar. Die Höhe der Schäden ergibt sich nachvollziehbar aus den klägerseits vorgelegten Anlagen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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