Zivil- und Zivilprozessrecht

Schadensersatzanspruch wegen Filesharings gegen Minderjährigen

Aktenzeichen  27 C 4750/15

Datum:
14.1.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135908
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 19a, § 97 Abs. 1
BGB § 828 Abs. 3

 

Leitsatz

Der zum Tatzeitpunkt 14-jährige Beklagte haftet für die von ihm durch Filesharing verursachten Schäden; es ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher normaler 14-Jähriger in der Lage ist, zu erkennen, dass das Herunterladen von sonst kostenpflichtigen Vorgängen trotz Verbotes der Eltern Schadensersatzansprüche auslösen kann. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.07.2015 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Teilschadensersatz in Höhe von 500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.07.2015 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist der Klägerin die Kosten zu ersetzen, die dieser in dem Rechtsstreit Amtsgericht Nürnberg … entstanden sind oder noch entstehen.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist oder noch entsteht, dass der Beklagte die Datei The.Witcher.2.Assassins.of.Kings-SKIDROW (Hashwert: ECLI:BTH:065f60abe875b3a9d4b9bcac0b1bcc9e0e684584) mit dem Computerspiel der Klägerin „Witcher 2“ Dritten über Filesharingbörsen im Internet zum Download bereitgehalten hat.
5. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 15% und der Beklagte zu 85% zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.280,20 € festgesetzt.

Gründe

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Zahlunganspruch in Höhe von 1.000,00 € zu. Darüberhinaus muss der Beklagte die Kosten des Verfahrens … tragen sowie etwaige weitere noch festgestellte Schäden.
I. Die Abmahnkosten gegen den Beteiligten B. P. sind vom Beklagten zu tragen, §§ 19 a, 97 Abs. 1 UrhG, § 249 BGB.
1. Der Internetanschluss des Beteiligten … wurde korrekt ermittelt da von diesem Anschluss aus Urheberrechtsverstöße im Zeitraum 22.11.2011 bis 27.11.2011 begangen wurden, in diesem Zeitraum lagen Uploadvorgänge für das Spiel „The Witcher 2“ vor. Insgesamt wurden 5 Verstöße festgestellt. Der Beklagte räumte in seiner Anhörung im vorliegenden Verfahren wie auch als Zeuge in dem Vorverfahren ein, dass er über einen gewissen Zeitraum das Spiel The Witcher 2 über eine Torrent-Datei genutzt habe, er habe in verschiedene Taskelemente hineingeschaut und letztlich auch festgestellt, dass man den Upload verhindern könne. Das habe er dann nach einer gewissen Zeit getan. Der Beklagte konnte nicht mehr angeben, ob diese Suche über verschiedene Vorgänge über Stunden oder Tage gelaufen sei, in Hinblick auf die Angaben des Beklagten erscheint ein Zeitraum von etwa 5 Tagen durchaus nachvollziehbar. Die Schilderungen des Beklagten lassen es jedenfalls nachvollziehbar erscheinen, dass dieser nicht nur einmalig kurz einen Uploadvorgang vorgenommen hat, sondern über einen gewissen Zeitraum sich das Spiel angesehen hat, bis er dann feststellte, wie er den Upload verhindern konnte. Insoweit geht das Gericht aufgrund der Einlassung des Beklagten, der äußeren Umständen und der festgestellten Ermittlungen davon aus, dass hier fünf Verstöße in einem Zeitraum von fünf Tagen vorgelegen haben.
2. Aus dem Parallelverfahren geht hervor, dass dem Beteiligten … tatsächlich eine Abmahnung geschickt wurde, sodass hier eine rechtsanwaltliche Tätigkeit der Klägervertreter vorgelegen hat. Für diese sind dann auch Gebühren entstanden. Das Gericht geht aufgrund seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass der Gegenstandswert für ein Spiel, das immerhin in den Charts als meistverkaufte Spiele aufgenommen wurde und zu einem Einzelkaufpreis von 30,00 € bis 40,00 € verkauft wurde, jedenfalls mit einem Gegenstandswert anzunehmen ist, der über einen Gegenstandswert von 6.500,00 € liegt, der bereits einen Anspruch von 500,00 € begründen würde. Insoweit kann dahinstehen, ob die Kläger möglicherweise einen höheren Gebührenanspruch geltend hätten machen können, wenn nicht die anwaltliche Gebührenvereinbarung über 500,00 € vorgelegen hätte. Auch ist davon auszugehen, dass bei einer möglichen ungültigen Gebührenvereinbarung jedenfalls die gesetzlichen Gebühren angefallen wären. Dies ist in jedem Fall mit mindestens 500,00 € anzusetzen.
3. Grundsätzlich ist dem Beklagten der Folgeprozess und die darin entstandenen Kosten auf die Tätigkeit der Klägervertreter gegenüber dem Anschlussinhabe … zuzurechnen.
Der Beklagte war zum Tatzeitpunkt zwar erst 14 Jahre alt, sodass insoweit davon auszugehen ist, dass eine Haftung des Beklagten im Schadensrecht nur gemäß § 828 Abs. 3 BGB zuzurechnen ist. Vorliegend war der Beklagte noch nicht 18 Jahre alt, aber älter als 10 Jahre.
Eine Verantwortlichkeit ist dann nicht anzunehmen, wenn er für den Schaden, den er einem Anderen zufügte nicht Verantwortlich war, insbesondere weil er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erförderliche Einsicht hatte.
Bei der Einvernahme des Beklagten sowohl als Zeuge als auch vorliegend als Partei ist festzustellen, dass dieser normal entwickelt ist insoweit jedenfalls keine Rückstände hinsichtlich der üblichen Entwicklung anzunehmen ist. Auch seine Schilderung über die Vorgänge zum Zeitpunkt der Uploadvorgänge zeigen, dass der Beklagte in Computerhinsicht durchaus Kenntnisse hatte, er gab an, dass er zum Zeitpunkt der Uploadvorgänge auch wusste, was ein Filesharing-Programm ist, insgesamt geht das Gericht davon aus, dass ein durchschnittlicher normaler 14-Jähriger jedenfalls in der Lage ist, zu erkennen, dass das Herunterladen von sonst kostenpflichtigen Vorgängen trotz Verbotes der Eltern Schadensersatzansprüche auslösen kann, im vorliegenden Fall geht das Gericht nach der Anhörung des Beklagten davon aus, dass dieser zumindest durchschnittlich oder noch weiter entwickelt war, wenn es hier um die vorliegenden Computerprogramme geht. Ihm war nach dem Vortrag der Eitern auch ausdrücklich bekanntgegeben worden, dass er keine kostenpflichtigen Vorgänge herunterladen dürfte, insoweit war ihm klar, dass dieses Verhalten jedenfalls Verboten war, auch wenn ihm etwaige konkrete rechtliche und computertechnische Kentnisse gefehlt haben sollten. Darüber hinaus ist festzusetzen, dass nicht erforderlich ist, dass dem Beklagten jede Konsequenz hinsichtlich Höhe und Rechtsfolge bekannt war, es reicht aus, dass ihm laienhaft bewusst war. dass hier finanzielle Schadensersatzansprüche auf ihn oder den Anschlussinhaber zukommen könnten.
Dies war vorliegend offensichtlich der Fall.
II.
Hinsichtlich der Abmahnung selbst wurde der Klageantrag zurückgenommen, die Zustimmung gemäß § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO liegt vor.
III.
Der Beklagte ist auch zur Zahlung von Schadensersatz hinsichtlich des von ihm durchgenommenen Urheberrechtsverstoßes verpflichtet.
Dass der Beklagte Uploadvorgänge angeboten hat, ist aufgrund seiner eigenen Einlassung unstreitig. Dass das Spiel zum Tatzeitpunkt der Klägerin zuzurechnen ist, steht aufgrund dieser umfangreichen und konkret dargelegten Rechteabfolge durch die Klägervertreter im Schriftsatz vom 29. Sept. 2015 fest, dieser konkrete Sachvortrag wurde seitens des Beklagten auch nicht mehr konkret bestritten. Ein allgemeines Bestreiten reicht nicht aus. wenn hier konkret der Ablauf begründet wurde. Soweit irrtümlich einmal die Firma … im Abmahnschreiben genannt wurde, entkräftet dies den Sachvortrag nicht, nachdem hier dieser Irrtum offen gelegt wurde.
Aufgrund der allgemeinen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass ohne weiteres bei einem Spiel, das mit ca. 30,00 € bis 40,00 € angeboten wird und das stark in den Medien vertreten ist, nicht davon ausgegangen werden Kann, dass hier kein oder praktisch kein Schaden entstanden ist. Vielmehr wird von der Rechtsprechung allgemein bei einem Werk grundsätzlich etwa das zwanzigfache des Verkaufpreises angenommen, so dass hier ein Schaden im Bereich von etwa 600,00 € bis 800,00 € ohne Weiteres angenommen werden kann. Es handelt sich bereits hier um einen eher im geringeren Bereich angesetzten Schaden, wobei berücksichtigt wird, dass der konkrete Schaden letztlich niemals ermittelt werden kann, sondern geschätzt werden muss. Nachdem Torrent-Dateien grundsätzlich dazu gedacht sind, sich in einer Vielzahl und sehr schnell zu verbreiten, ist hier mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Mitnutzem zu rechnen, die wegen der kostenlosen Mitnutzmöglichkeit über die Torrentfunktion auf den Ankauf des Spieles verzichten. Bei der Berechnung des Schadens ist auch nicht von den für den Beklagten günstigsten Fail auszugehen, sondern eine durchschnittliche Situation anzunehmen. Dass das Spiel von vornherein keinerlei Interesse in der Medienwelt fand, widerspricht den Veröffentlichungen, die dem Gericht aufgrund der Vielzahl der Verfahren bekannt ist.
IV. Der Beklagte hat auch die Kosten aus dem Verfahren Amtsgericht Nürnberg … in Höhe von geschätzten 682,60 € zu tragen, sobald diese durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt und bezifferbar sind.
Ein Feststellungsinteresse liegt vor, da die Klägerin letztlich die Kosten dieses Verfahrens noch nicht konkret beziffern kann, weil ein entsprechendes Kostenfestsetzungsverfahren . noch nicht durchgeführt wurde. Diese Verzögerung ist der Klägerin auch nicht zuzurechnen, da es hier an dem Kostenantrag der Beklagtenvertreterin fehlt. Nachdem die Kosten durch eine Kostenfestsetzung in einem bestimmten Verfahren festgesetzt werden, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Klageantrag unbestimmt formuliert wäre, da ein konkreter Kostenansatz sich jedenfalls aus diesem Kostenfestsetzungsbeschluss ergeben wird.
Dem Beklagten sind aus den oben unter Ziffer 1 genannten Gründe auch diese Kosten zuzurechnen, da er durch das zunächst vorliegende Nichteinräumen und Bestreiten der Täterschaft jedenfalls diese Kosten verursacht hat. Das Klageverfahren wäre jedenfalls nicht durchgeführt worden, wenn die Täterschaft des Beklagten von vomerhein nach Erhalt des Abmahnschreibens an die Klägerin genannt worden wäre.
V.
Grundsätzlich könnte ein weiterer Schaden entstanden sein, wobei für das Gericht aufgrund der Einlassung des Beklagten über den Zeitraum der Verstöße und der tatsächlich festgestellten Verstöße die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schadens als äußerst gering anzusetzen ist. Insoweit ist hier von einem Feststellungsinteresse hinsichtlich eines Streitwertbetrages von etwa 50,00 € auszugehen. Das Feststellungsinteresse kann aber nicht deswegen verneint werden, nur weil der Schaden als sehr gering anzusetzen ist.
VI.
Grundsätzlich sind die Ansprüche der Klägerseite noch nicht verjährt, da die Identität des Beklagten als Täter der Klägerseite erst im Jahr 2015 bekannt wurde, sodass hier die Verjährungsfrist noch nicht einmal zu laufen begonnen hat.
VII.
Die Zinsforderung beruht auf §§ 280, 288 BGB.
VIII.
Die Kostenentscheidung erging gemäß §§ 92, 269 III. 91a ZPO, hinsichtlich der Klagerücknahme und der Erledigung wurden die Kosten der Beklagtenseite auferlegt, wobei das Gericht den Streitwert für den Auskunftsanspruch auf 200,00 € festsetzt. Die Entscheidung zur vorläufigen Volistreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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