Zivil- und Zivilprozessrecht

Zwangsvollstreckung, Kostenentscheidung, Auflage, Zinsen, Gerichtskosten, Aufrechterhaltung, Beklagte, Hauptforderung, Betrag, Terminierung, Berufungserwiderung, Wiedervorlage, zustellen, Richterin

Aktenzeichen  7 U 6610/20

Datum:
1.6.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13413
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

14 HK O 18917/19 2020-11-13 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

Der Antrag der Beklagten vom 22.04.2022, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 13.11.2020, Az. 14 HK O 18917/19, vorläufig einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 13.11.2020, Az. 14 HK O 18917/19, die Beklagte zur Zahlung von 89.985,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2019 sowie zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Das Landgericht hat sein Urteil „gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweiligen Betrages (für) vorläufig vollstreckbar“ erklärt.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 02.02.2021 durch Überweisung 15.635,10 € erlangt. Darüber hinaus habe die Klägerin die Pfändung eines Kontoguthabens der Beklagten bei der Stadtsparkasse M. in Höhe von 99.549,44 € erwirkt. Dadurch sei eine Übersicherung erfolgt, da die Klägerin durch die durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen bereits einen Betrag erhalten habe, der die Höhe des im landgerichtlichen Urteil titulierten Anspruchs überschreite. Aufgrund dieser Übersicherung sei die Zwangsvollstreckung vorläufig einzustellen.
II.
Der nach §§ 719 Abs. 1 S. 1, 707 ZPO statthafte und zulässige Antrag ist unbegründet.
Im Rahmen der nach §§ 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 1 S. 1 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen. Dabei hat es die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt. Da sich aus § 709 Satz 1 ZPO ergibt, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist, kommt in Fällen, in denen das angefochtene Urteil (wie hier) nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.07.2009 – 2 U 51/08, Rdnr. 2).
Solche liegen hier nicht vor. Zwar kann eine bereits vollzogene Pfändung den Gläubiger in Ausnahmefällen bereits so weit gesichert haben, dass die Aufrechterhaltung einer Sicherheitsanordnung zur Übersicherung führen würde (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 17 zu § 707 ZPO). Jedoch hat die Beklagte schon nicht glaubhaft gemacht, dass eine solche Übersicherung vorliegt.
Glaubhaft gemacht ist durch die Beklagte nämlich durch Anlage AS 2 nur die Pfändung einer Erstattungsforderung der Beklagten gegen das Finanzamt Mü. in Höhe von 15.635,10 € durch die Klägerin und die Auskehrung dieses Betrages durch das Finanzamt an die Klägerin. Aus der von der Beklagten vorgelegten Bestätigung der Stadtsparkasse M. vom 07.12.2021 (Anl. AS 3) ergibt sich dagegen nicht, dass die dort erwähnte „Sperrung“ (was auch immer darunter zu verstehen sein mag) der 99.549,99 € zu Gunsten der Klägerin veranlasst wurde (was diese auch mit Nichtwissen bestreitet), sodass schon unklar ist, welchen Betrag die Klägerin aus einer Vollstreckung erlangt hat.
Eine Übersicherung läge im streitgegenständlichen Fall aber auch bei Unterstellung des Vortrags der Beklagten nicht vor. Denn nach dem Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar nicht nur die Hauptforderung in Höhe von 89.985,00 €, sondern auch Zinsen hieraus seit 12.11.2019. Diese Zinsen machen bis heute bereits einen Betrag von 18.657,32 € aus. Hinzu kommen noch die von der Beklagten der Klägerin nach der Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils zu erstattenden Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 6.960,35 € (4.242,35 € + 2.718,00 €). Nach alledem kann die Klägerin nach heutigem Stand gegen die Beklagte einen Betrag in Höhe von insgesamt 115.602,67 € vollstrecken, dem ein bereits (unterstellt) vollstreckter Betrag in Höhe von lediglich 115.184,54 € gegenübersteht. Auf die Frage, ab wann eine im Rahmen der §§ 719, 707 ZPO einstellungsrelevante Übersicherung vorliegt (nach Meinung der Klägerin erst ab 150% des titulierten Betrages), kommt es damit nicht an.
Der Antrag der Beklagten ist daher unbegründet und war deshalb abzuweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.


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