Aktenzeichen 5 StR 467/19
§ 250 Abs 3 StGB
§ 255 StGB
Verfahrensgang
vorgehend LG Bremen, 29. Mai 2019, Az: 7 KLs 19/19
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 29. Mai 2019 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Als Entschädigung für überlange Verfahrensdauer hat es vier Monate der Freiheitsstrafe als vollstreckt erkannt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts plante der unbestrafte, zur Tatzeit 22-jährige Angeklagte gemeinsam mit einem Mittäter, einen Kiosk zu überfallen, um Geld für eine Silvesterfeier zu erlangen. Sie hatten den Hinweis erhalten, dass der Inhaber des Kiosks aufgrund eines Drogenverkaufs etwa 12.000 Euro in einem Umschlag unter der Kasse lagere. Während sein Komplize als Fluchtfahrer agieren sollte, wollte der Angeklagte den Kiosk maskiert betreten und von der Angestellten unter Vorhalt einer ungeladenen Schreckschusspistole insbesondere die Herausgabe des Umschlags mit vermeintlichem Drogengeld verlangen.
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Nachdem der Angeklagte am Abend des 28. Dezember 2014 den Kiosk betreten hatte, erkannte er in dem zu dieser Zeit wider Erwarten dort beschäftigten Mitarbeiter seinen ehemaligen Klassenkameraden wieder. Er überlegte kurz, ob er so tun solle, als ob es sich um einen scherzhaften Überfall handele, um so von dem Überfall Abstand nehmen zu können. „Letztlich entschied er sich jedoch unter Berücksichtigung, dass er nun schon einmal so weit sei und das Geld für die Silvesternacht brauche, zur weiteren Durchführung der Tat“ (UA S. 7). Er richtete seine ungeladene Pistole auf den Mitarbeiter und forderte ihn zur Herausgabe des Bargelds aus der Kasse, des Geldumschlags unter der Kasse und von Zigaretten auf. Der um sein Leben fürchtende Geschädigte legte in eine vom Angeklagten mitgeführte Tüte der Kasse entnommenes Bargeld, zehn Zigarettenschachteln und den Umschlag, in dem sich entgegen der Erwartung des Angeklagten allerdings nur etwa 100 Euro Wechselgeld befanden. Nach anschließender kurzer Flucht, bei der sein Komplize das Fluchtfahrzeug in eine Sackgasse gesteuert hatte, beschloss der Angeklagte, sich der Polizei zu stellen.
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2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch und hinsichtlich der Kompensation für den Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrensgestaltung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.
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Das Landgericht hat zur Begründung der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 255, § 250 Abs. 3 StGB unter anderem ausgeführt: „Zu Lasten des Angeklagten sprach auch, dass er die Tat trotz des Umstandes, dass er den Mitarbeiter zwar als ehemaligen Schulkameraden erkannte und aufgrund dessen kurzfristig erwog, sein bisheriges Vorgehen als scherzhaftes Verhalten auszugeben, (…) gleichwohl fortsetzte, obwohl er alternative Handlungsmöglichkeiten zur weiteren Tatfortsetzung für sich erkannte“ (UA S. 35). Bei der konkreten Strafzumessung ist die Strafkammer erneut von allen bei der Prüfung des minder schweren Falles berücksichtigten Umständen ausgegangen.
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Die vorgenannte Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht schon bei der Strafrahmenwahl fehlerhaft dem Angeklagten entgegen § 46 Abs. 3 StGB zur Last gelegt hat, dass er die Tat überhaupt vollendete, anstatt davon Abstand zu nehmen und damit vom Versuch der räuberischen Erpressung zurückzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 – 5 StR 299/19; Beschlüsse vom 25. August 1989 – 3 StR 286/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 14; vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 530/01, NStZ-RR 2002, 106; vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 332/03, BeckRS 2003, 9605; vom 7. September 2015 – 2 StR 124/15, NStZ-RR 2016, 74; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 692 mwN).
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3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich bereits dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung ausgewirkt hat, zumal die Strafkammer bei der Prüfung, ob die von dem bis dahin und auch in der Folgezeit unbestraften Angeklagten begangene, mehrere Jahre zurückliegende Tat als minder schwerer Fall zu werten ist, eine Vielzahl gewichtiger Strafmilderungsgründe angeführt hat.
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Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, ob auch der als ein Anzeichen krimineller Energie strafschärfend gewertete Gesichtspunkt, dass er bereit gewesen sei, sich „für eine rauschende Silvesternacht“ mit einem vermeintlichen Drogendealer anzulegen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Bei dieser Erwägung hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass der zum Tatzeitpunkt noch junge Angeklagte, dem es ohnehin eine „gewisse Unreife“ attestierte (UA S. 34), nach den Feststellungen bei dem geplanten Überfall nicht mit einer Anzeige rechnete, da bei illegal erworbenem Drogengeld als Beute sich der Inhaber des Kiosks andernfalls selbst der Strafverfolgung aussetzen würde (UA S. 5). Damit trug das Vorstellungsbild des Angeklagten von dem durch seine Tat Geschädigten eher zu einer Senkung seiner Hemmschwelle bei.
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4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler bei der Strafzumessung nicht betroffen und haben daher Bestand. Weitergehende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, können getroffen werden.
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5. Die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch lässt die Kompensationsentscheidung unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 137 f.; Beschlüsse vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 950, und vom 16. März 2016 – 1 StR 402/15, wistra 2016, 357).
Sander
König
Berger
Mosbacher
Köhler