Aktenzeichen 2 B 8/11
§ 3 DG SN 2007
Art 103 Abs 1 GG
§ 108 Abs 1 S 2 VwGO
Verfahrensgang
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 23. September 2010, Az: D 6 A 611/09, Urteil
Gründe
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Die Beschwerde der Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO und § 70 SächsDG an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil beruht auf einem von der Beklagten geltend gemachten Verstoß gegen die aus § 3 SächsDG und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Pflicht zur Angabe der Gründe im Urteil, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Damit hat das Oberverwaltungsgericht zugleich, wie von der Beklagten gerügt, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 SächsDG und § 108 Abs. 2 VwGO).
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Die Beklagte steht als Justizobersekretärin im Dienst des Klägers. Sie wird beim Finanzgericht als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verwendet. Im Jahr 2008 wurde die Beklagte wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit Computerbetrug verurteilt. Sie hatte an ihrer Arbeitsstätte einer Kollegin die EC-Karte entwendet und mit dieser unter Angabe der ausgespähten Geheimnummer vom Konto der Kollegin 1 000 € abgehoben. Gegenstand der Disziplinarklage ist zum einen dieser durch einen Strafbefehl geahndete Sachverhalt und zum anderen der Umstand, dass die Beklagte im unmittelbaren Anschluss an die erste erfolgreiche Abhebung auf dieselbe Art versucht hatte, weitere 1 000 € vom Konto der Kollegin abzubuchen. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 70 SächsDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine – vom Beschwerdeführer zu bezeichnende – grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ). Das ist hier nicht der Fall.
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Als Frage von grundsätzlicher Bedeutung nennt die Beklagte zunächst:
Liegt bei objektiv feststehendem intakten Betriebsklima und nicht nachhaltig vergiftetem Betriebsfrieden in der Dienststelle noch ein typisierter Fall des Kollegendiebstahls vor, bei dem im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig, d.h. im Sinne eines Indizienschlusses, die Entfernung aus dem Dienst die angemessene disziplinarrechtliche Sanktion ist oder handelt es sich bei feststehender nicht eingetretener nachhaltiger Störung des Arbeitsfriedens in der Dienststelle um einen typisierten Fall des “minder schweren” Kollegendiebstahls, für den eine Entfernung aus dem Dienst – anders als im typischen Fall – nicht indiziert ist?
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Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht, weil sie sich – soweit sie über den Einzelfall hinausgehende Aspekte überhaupt aufweist – an Hand der gesetzlichen Regelung und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten lässt.
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Hat das Gericht im Einzelfall ein Dienstvergehen festgestellt, richtet sich die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SächsDG nach der Schwere des Dienstvergehens; das Persönlichkeitsbild des Beamten ist ebenso angemessen zu berücksichtigen wie das Ausmaß der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Den Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat in seiner Rechtsprechung näher bestimmt (Urteile vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – BVerwGE 124, 252 , vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3, vom 29. Mai 2008 – BVerwG 2 C 59.07 – Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 und vom 28. Juli 2011 – BVerwG 2 C 16.10 – ZBR 2011, 414, Rn. 29 ).
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Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SächsDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 SächsDG aufgeführten Maßnahme zugeordnet werden. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens. Hiervon ausgehend lassen sich, anknüpfend an die Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts, Fallgruppen von Dienstvergehen bestimmen, denen aufgrund ihrer Schwere jeweils eine der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen im Sinne einer Regeleinstufung zuzuordnen ist.
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Nach der Rechtsprechung des Senats gelten diese Grundsätze auch für die disziplinarische Ahndung eines im Dienst zum Nachteil eines Kollegen begangenen Diebstahls (“Kollegendiebstahl”; Urteile vom 25. Oktober 2007 – BVerwG 2 C 43.07 – juris Rn. 19 und vom 29. Mai 2008 juris Rn. 21 m.w.N.). Hinsichtlich der Schwere ist ein solcher Diebstahl nach der ständigen Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts im Grundsatz der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar. Denn auch hier gilt, dass sich der Dienstherr auf die Ehrlichkeit seiner Bediensteten verlassen können muss. Ein Diebstahl zum Nachteil eines Kollegen vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise (Urteile vom 9. August 1995 – BVerwG 1 D 7.95 – juris Rn. 18 und vom 29. September 1998 – BVerwG 1 D 82.97 – juris Rn. 11). Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die Beträge – wie hier einschließlich des Versuchs mit insgesamt 2 000 € – die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen.
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Ausgehend vom dargelegten Bedeutungsgehalt des Begriffs der Schwere des Dienstvergehens sind – unter Umständen – entlastende Umstände des konkreten Einzelfalles auf der Ebene der Zuordnung einer Disziplinarmaßnahme nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SächsDG nicht von Bedeutung. Die durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmte Zuordnung einer Maßnahme hat lediglich Indizwirkung. Diese Wirkung entfällt, wenn sich im Einzelfall aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beamten Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis noch nicht vollständig zerstört (Urteile vom 29. Mai 2008 juris Rn. 21 und vom 25. März 2010 – BVerwG 2 C 83.08 – BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 jeweils Rn. 18, stRspr). Denn nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SächsDG hat das Disziplinargericht für die von ihm zu treffende Bemessungsentscheidung die genannten Kriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Gesamtabwägung einzustellen. Nach dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die gegen den Beamten ausgesprochene Maßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalles in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens stehen, die maßgebend auch vom Verschulden das Beamten abhängt.
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Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.
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Auch die beiden weiteren von der Beklagten aufgeworfenen Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht.
Sind die subjektiven Vertrauensbekundungen von Kollegen des Beamten und des Opfers im Rahmen der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme beim Kollegendiebstahl ein objektiver Umstand, der zumindest dann, wenn sich daraus ergibt, dass das Betriebsklima und der Arbeitsfrieden trotz des Kollegendiebstahls in der Dienststelle nicht nachhaltig vergiftet bzw. gestört ist, die Unverhältnismäßigkeit der Regelmaßnahme Entfernung aus dem Dienst (gegen)indiziert?
Kann der endgültige Vertrauensverlust seitens des Dienstherrn bei der Anwendung des § 13 Abs. 2 Satz 1 SächsDG auch dann angenommen werden, wenn ein Beamter objektiv das Vertrauen derjenigen Dienststelle genießt, bei der er derzeit tätig ist? Ist mithin als Maßstab für die Feststellung des endgültigen Vertrauensverlustes des Dienstherrn oder der Allgemeinheit die Gesamtheit der hypothetisch möglichen Einsatzorte beim Dienstherrn heranzuziehen oder genügt vielmehr zur Widerlegung des endgültigen Vertrauensverlustes der Beweis, dass im Rahmen des unmittelbaren Dienstumfeldes des Beamten jener das volle Vertrauen der Angehörigen dieser Dienststelle – einschließlich ihres Leiters – genießt?
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Diese Fragen lassen sich ebenfalls an Hand des Wortlauts des Gesetzes und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantworten, dass es nicht auf die Umstände bei der derzeitigen Dienststelle des Beamten ankommt.
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§ 61 Abs. 2 Satz 2 SächsDG überträgt dem Gericht die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Im Falle der Berufung ist das Oberverwaltungsgericht nicht auf die Überprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts beschränkt, sondern trifft eine eigenständige Zumessungsentscheidung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 SächsDG).
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Der Bezugspunkt für diese Zumessungsentscheidung ist im Gesetz vorgegeben. Nach § 13 Abs. 1 Satz 4 SächsDG kommt es auf die Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit an, nicht auf die Verhältnisse bei der konkreten Dienststelle. Hat der Beamte dieses Vertrauen durch ein schweres Dienstvergehen endgültig verloren, so ist er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 SächsDG).
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Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit künftig wieder so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. dazu Urteil des Disziplinarsenats vom 20. Januar 2004 – BVerwG 1 D 33.02 – BVerwGE 120, 33 ), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung, z.B. als Polizei- oder Zollbeamter, und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z.B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Beamten (Art. 3 Abs. 1 GG) die Frage, inwieweit der Dienstherr oder die Allgemeinheit bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird (Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O. S. 260 und vom 25. August 2009 – BVerwG 1 D 1.08 – juris Rn. 78 ). Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde.
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Die Prüfung, ob der betreffende Beamte im Beamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein Amt als Ganzes und nicht nur auf einen begrenzten Tätigkeitsbereich (Amt im funktionellen Sinne) zu beziehen. Denn das Disziplinargericht kann einer Behörde nicht eine eingeschränkte Verwendung eines disziplinarisch in Erscheinung getretenen Beamten vorschreiben (Urteil vom 22. Mai 1996 – BVerwG 1 D 72.95 – Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 6 S. 17 m.w.N.).
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2. Begründet ist jedoch die Verfahrensrüge des Verstoßes gegen die aus § 3 SächsDG und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Pflicht zur Angabe der für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe im Urteil und des Verstoßes gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 SächsDG und § 108 Abs. 2 VwGO).
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Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, deren Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Davon ist zwar grundsätzlich auszugehen; dies setzt aber voraus, dass die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen jedenfalls in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 , vom 10. Mai 1990 – 2 BvR 1236/89 – InfAuslR 1990, 280 , vom 29. Januar 1991 – 2 BvR 513/90 – InfAuslR 1991, 179 , vom 14. Januar 1992 – 2 BvR 472/91 – InfAuslR 1992, 222 und vom 13. November 1992 – 1 BvR 708/92 – NJW 1993, 1461). Dementsprechend verlangt die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat (Urteil vom 18. Februar 1981 – BVerwG 6 C 159.80 – BVerwGE 61, 365 ). Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, jedes rechtliche Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber dann verletzt, wenn sich im Einzelfall eindeutig ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen des Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (Beschluss vom 26. Mai 1999 – BVerwG 6 B 65.98 – NVwZ-RR 1999, 745). Nach diesen Grundsätzen liegt der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil auch beruhen kann.
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Diesen Anforderungen ist das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend gerecht geworden. Es ist zwar im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats zu den Zugriffsdelikten entwickelten Milderungsgründe nicht als abschließender Kanon der allein beachtlichen Entlastungsgründe anzusehen sind (Urteil vom 29. Mai 2008 juris Rn. 23 m.w.N. ). Eine Zumessungsentscheidung nach § 13 SächsDG, die vor dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bestand haben soll, setzt voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 260 f. und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 20 f.). Dementsprechend sind entlastende Umstände auch dann beachtlich und in die Gesamtabwägung einzustellen, wenn sie die Voraussetzungen eines anerkannten Milderungsgrundes nicht erfüllen. Das Tatsachengericht hat zu entscheiden, ob die bemessungsrelevanten mildernden Umstände in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines anerkannten Milderungsgrundes kompensieren können. Dabei bieten die anerkannten Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Handlungen und der Begehung von “Begleitdelikten” und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt (Urteile vom 3. Mai 2007 juris Rn. 23 und vom 29. Mai 2008 juris Rn. 23 ).
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Bei der konkreten Zuweisung der Disziplinarmaßnahme hat sich das Oberverwaltungsgericht jedoch mit dem Vorbringen der Beklagten zu sonstigen Milderungsgründen nicht hinreichend beschäftigt. Im Anschluss an die Erörterung, ob anerkannte Milderungsgründe vorliegen, hat es sich nur kurz mit der Motivation der Beklagten für das schwere Dienstvergehen befasst und diese als nicht aufklärbar bezeichnet. Im Übrigen beschränken sich die Ausführungen auf die Bewertung der Vertrauensbekundungen von 22 Beschäftigten des Finanzgerichts. Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Würdigung sämtlicher Gesichtspunkte aber nicht mit dem von der Beklagten in der Berufungsbegründung herausgehobenen – und auch im Tatbestand wiedergegebenen – Umstand befasst, dass sie auch noch nach Aufdeckung ihres Dienstvergehens im August 2007 mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Berufungsverhandlung auf ihrem bisherigen Dienstposten in der Geschäftsstelle des Gerichts verwendet worden ist. Dies beruhte darauf, dass der Dienstherr nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom Dezember 2008 keine erneute Ermessensentscheidung nach § 38 SächsDG getroffen hat. Auch die Vertrauensbekundung der Geschädigten, die mit der Beklagten weiterhin in einem gemeinsamen Dienstzimmer zusammengearbeitet hat, hätte besonders erörtert werden müssen. Ihre Bedeutung mag über die derjenigen Stellungnahmen hinausgehen, die sonstige Mitarbeiter der derzeitigen Dienststelle der Beklagten abgegeben haben. Unabhängig von der Frage, ob diesen Umständen nach der Rechtsprechung des Senats rechtliche Relevanz zukommt, sind sie im Vorbringen der Beklagten von zentraler Bedeutung und hätten deshalb erkennbar und nachvollziehbar im Urteil gewürdigt werden müssen.