Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf aufschiebende Wirkung

Aktenzeichen  M 21 S 17.42124

Datum:
24.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 38 Abs. 1, § 75 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, wenn der erhobenen Klage bereits nach § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung zukommt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist am 23. Juli 2015 in Rosenheim geboren. Am 7. August 2015 zeigten seine Eltern, ebenfalls nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 14a Abs. 2 AsylG gegenüber der Stadt R. die Geburt des Antragstellers an. Mit Schreiben vom 14. September 2015 wies das Bundesamt die Mutter des Antragstellers auf die Regelung des § 14a Abs. 3 AsylVfG hin. Danach könne der gesetzliche Vertreter des Kindes bis zur Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichten, indem er erkläre, dass für das Kind keine Gründe geltend gemacht werden, die das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaften nach § 3 Abs. 1 AsylVfG rechtfertigten bzw. dem Kind in seinem Heimatland kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 AsylVfG drohe. Allein der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind schließe die Erteilung eines Aufenthaltstitels z.B. aus humanitären Gründen durch die Ausländerbehörde nicht aus.
Mit Schreiben vom 25. August 2015 erklärte die Mutter des Antragstellers schriftlich gegenüber dem Bundesamt, dass für den Antragsteller auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet werde. Dieses Schreiben ist lediglich von der Mutter des Antragstellers unterzeichnet.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2017 stellte das Bundesamt fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist (Nr. 1) und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Falls der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalte, werde er nach Nigeria abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Mutter des Kindes mit einer Erklärung vom 25. August 2015 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet habe.
Der Antragsteller hat am 24. Mai 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17.42121), mit der er beantragt, den Bescheid vom 18. Mai 2017 aufzuheben.
Gleichzeitig beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen Zur Begründung führt er aus, sein Vater habe dem Verzicht nicht zugestimmt. Auch seien die Eltern nicht ausreichend über die Folgen einer solchen Erklärung belehrt worden. Die humanitären Verhältnisse in Auffanglagern in Nigeria seien katastrophal.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 9. August 2017 die Akten vorgelegt und sich weder zu der Klage noch zu dem Eilantrag geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist unzulässig, weil ihm das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Das Rechtsschutzbegehren, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen, ist überflüssig, weil der erhobenen Klage bereits nach § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung zukommt. Nach dieser Vorschrift hat die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz u.a. in den Fällen des § 38 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung. Hierbei handelt es sich um sonstige, also in den §§ 31 bis 37 AsylG nicht geregelte Fälle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Ausreisefrist bei einem erklärten Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylG in Anwendung des § 38 Abs. 1 AsylG festzusetzen (BVerwG, U. v. 17.8.2010 – 10 C 18/09 – NVwZ-RR 2010,938). Klagen gegen Entscheidungen im Asylverfahren haben gemäß § 75 Abs. 1 AsylG in den Fällen des § 38 Abs. 1 AsylG, also auch im vorliegenden Fall, aber aufschiebende Wirkung, so dass der vorliegende Antrag ins Leere geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 4 VwGO, 83b AsylG. Obwohl der Antrag ohne Erfolg bleibt, fallen die Kosten ausnahmsweise nicht dem unterlegenen Antragsteller, sondern der Antragsgegnerin zur Last. § 155 Abs. 4 VwGO bestimmt, dass Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können. Als vorprozessuales Verschulden einer Behörde kommt die Erteilung einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung:in Betracht (vgl. VG Minden, Beschluss vom 18.10.2016 – 10 L 1586/16.A –, Rn. 20, juris).
Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Antragsteller unzutreffend belehrt. Denn sie hat in ihrer Rechtsbehelfsbelehrung:ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hingewiesen. Auf die Richtigkeit dieses Hinweises durfte sowohl der Antragsteller als auch sein Prozessbevollmächtigter vertrauen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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