Steuerrecht

Kein Anspruch auf die Gewährung von Beihilfeleistungen wegen Versäumnis der Antragsfrist

Aktenzeichen  M 17 K 17.1542

Datum:
22.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 31 Abs. 1, Art. 96 Abs. 3a
BayBhV BayBhV § 48 Abs. 6 S. 1
VwGO VwGO § 60
BGB BGB § 162, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193, § 242
BayVwVfG BayVwVfG Art. 31 Abs. 1, Art. 32

 

Leitsatz

1 Der Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen erlischt wegen Versäumnis der Jahresfrist (Rn. 18). (redaktioneller Leitsatz)
2 Obwohl es sich um eine materielle Ausschlussfrist handelt, ist von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auszugehen (Rn. 19). (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei einer Ausschlussfrist, auf die die Wiedereinsetzungsregeln ohnehin nur ausnahmsweise Anwendung finden, sind diese restriktiv zu handhaben, so dass an eine Entschuldigung der Fristversäumnis erhöhte Anforderungen gestellt werden dürfen  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 26. April 2017 bzw. 15. Mai 2017 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe hat (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Bescheide vom 26. Januar 2017 und 9. März 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Da beihilferechtliche Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird, zu beurteilen sind (vgl. z.B. BVerwG, U. v. 08.11.2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12), richtet sich die Beihilfefähigkeit hier nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015 (GVBl S. 497), und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352, ber. S. 447), weil die streitgegenständliche Rechnung vom 22. Januar 2016 datiert.
2. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Gewährung von Beihilfeleistungen für die streitgegenständliche Rechnung ist wegen der Versäumnis der Antragsfrist erloschen.
2.1 Nach Art. 96 Abs. 3a BayBG und § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV in der oben genannten Fassung wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Bei dieser Antragsfrist handelt es sich um eine sogenannte Ausschlussfrist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 8.7.2009 – 14 C 09.1567 – juris Rn. 2).
2.2 Entgegen der Auffassung des Klägers ist für den Fristbeginn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 48 Abs. 6 BayBhV nicht der Zugang der Rechnung, sondern das Datum der Rechnungsausstellung maßgeblich. Denn der Tag des Zugangs der Rechnung lässt sich nachträglich regelmäßig nicht mehr bzw. nicht ohne unpraktikablen Aufwand feststellen (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2012 – 14 ZB 11.2592 – juris Rn. 4; VG Bayreuth, U.v. 16.9.2014 – B 5 K 12.546 – juris Rn. 20; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1,1,2017, § 48 BayBhV, Anm. 10 (1), Anm. 11 (2)). Eine andere Beurteilung würde auch dem Sinn der Fristenregelung, Beihilfeansprüche in Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung öffentlicher Haushaltsmittel möglichst zügig zu klären und abzuwickeln, widersprechen (vgl. OVG Saarland, B.v. 26.9.2012 – 1 A 137/12 – juris Rn. 31ff.). Fristbeginn war somit der 22. Januar 2016.
2.3 Für die Feststellung der Einhaltung der einjährigen Antragsfrist kommt es auf das Datum des Eingangs des Beihilfeantrags bei der Festsetzungsstelle an (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2012 – 14 ZB 11.1379 – juris Rn. 5 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ging der Beihilfeantrag für die Rechnung vom 22. Januar 2016 unstrittig erst am 25. Januar 2017 bei der Beihilfestelle ein. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV endete gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, § 193 BGB jedoch bereits mit Ablauf des 23. Januar 2017 (Montag), so dass der Beihilfeantrag zu spät gestellt wurde.
Demnach ist der Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen für die streitgegenständlichen Aufwendungen wegen Versäumung der Jahresfrist gemäß Art. 96 Abs. 3a BayBG und § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV erloschen.
2.3 Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer solchen materiellen Ausschlussfrist bestehen keine Bedenken (BVerwG, U.v. 28.6.1965 – VIII C 334.63 – BVerwGE 21, 258). Die Ausschlussfrist dient aus haushaltstechnischen Gründen dazu, eine baldige Klärung etwa noch bestehender Beihilfeansprüche herbeizuführen und ist mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist sie jedenfalls dann unbedenklich, wenn die Möglichkeit besteht, im besonderen Einzelfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 5.4.1990 – 3 B 89.2831 – juris Rn. 14; VG München, U.v. 9.6.2016 – M 17 K 15.66 – UA S. 7 f.). Obwohl es sich bei der Jahresfrist nach § 48 Abs. 6 BayBhV um eine materielle Ausschlussfrist handelt, gehen Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Dies ist auch in den entsprechenden Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat zu § 48 BayBhV ausdrücklich vorgesehen (vgl. Hinweis Nr. 1 zu § 48 Abs. 7 [= jetziger Abs. 6] BayBhV).
2.4 Die Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung in die abgelaufene Ausschlussfrist sind im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt.
a) Nach Art. 32 BayVwVfG ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Abs. 1). Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs. 2).
b) Der Kläger war hier aber nicht ohne Verschulden darin gehindert, die Jahresfrist einzuhalten.
aa) Verschuldet ist eine Fristversäumnis dann, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (BVerwG, U.v. 8.3.1983 – 1 C 34/80 – BayVBl 1983, 476). Rechtsunkenntnis kann die Fristversäumnis grundsätzlich nicht entschuldigen, ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger muss sich vielmehr bei ihm nicht geläufigen juristischen Problemen grundsätzlich in geeigneter Weise juristischen Rat einholen (zum insoweit wortgleichen § 60 VwGO vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 60 Rn. 6; BVerwG U.v. 13.1.1989 – NVwZ-RR 1989, 519).
bb) Der klägerische Vortrag ergibt nicht, dass dieser seine ihm zumutbare Sorgfalt hat walten lassen, um eine rechtzeitige Antragstellung sicherzustellen. Bei einer Ausschlussfrist, auf die die Wiedereinsetzungsregeln ohnehin nur ausnahmsweise Anwendung finden (vgl. oben), sind diese restriktiv zu handhaben, so dass an eine Entschuldigung der Fristversäumnis erhöhte Anforderungen gestellt werden dürfen. Es kommt darauf an, ob dem Beteiligten nach den Umständen des Falls ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 32 Rn. 21).
Der Kläger macht hier lediglich geltend, dass er bei seiner privaten Krankenversicherung den Leistungsantrag jährlich stelle, um beurteilen zu können, ob die Leistung oder die Beitragsrückerstattung günstiger sei, und er entsprechend bezüglich der Beantragung von Beihilfe verfahren sei. Es besteht jedoch keinerlei Veranlassung, Beihilfeanträge nur einmal im Jahr zu stellen, da – wie der Beklagte und das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat zutreffend ausführen – ein Beihilfeantrag bereits ab Aufwendungen in Höhe von 200,- € bzw. unter Umständen sogar 15,- € gestellt werden kann (vgl. § 48 Abs. 2 BayBhV) und mangels der Möglichkeit von Beitragsrückerstattungen ein Abwarten der gesamten Jahresaufwendungen nicht zielführend ist. Der Kläger hat somit durch dieses Abwarten nicht sorgfaltsgerecht gehandelt, so dass die Fristversäumnis auch nicht unverschuldet i.S.v. Art. 32 BayVwVfG ist.
2.6 Schließlich wurde auch weder vorgetragen noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte die Wahrung der Antragsfrist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert hat und er sich ausnahmsweise nach dem Rechtsgedanken der §§ 242, 162 BGB nicht auf das Versäumnis einer die Rechtsverfolgung hindernden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen darf (BVerwG, U.v. 18.4.1997 – BVerwG 8 C 38.95 – NJW 1997, 2966 m.w.N.).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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