Aktenzeichen 14 T 7607/17
Leitsatz
Eine Stundung der Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren bzw. das Restschuldbefreiungsverfahren kommt nur infrage, wenn das Insolvenzverfahren in seiner Gesamtheit Erfolgsaussichten verspricht. Kann der Zweck des Restschuldbefreiungsverfahrens, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen, nicht erreicht werden, weil die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden, ist der Einsatz von staatlichen Mitteln im Rahmen der Stundung nicht gerechtfertigt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
1504 IK 700/17 2017-05-03 Bes AGMUENCHEN AG München
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 03.05.2017 (Az. 1504 IK 700/17) wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1,- € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit Eigenantrag vom 03.03.2017 beantragte die Beschwerdeführerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Im Eröffnungsantrag wird eine Eigentumswohnung der Schuldnerin in Kassel angegeben, der Verkehrswert soll nach Angabe der Schuldnerin 60.000,- € betragen. Die Verbindlichkeiten der Schuldnerin belaufen sich auf 91.300,- €, davon 90.000,- € aus 2 Darlehen, welche dinglich abgesichert sind.
Mit weiterem Antrag vom 03.03.2017 begehrt die Beschwerdeführerin weiterhin die Stundung der Verfahrenskosten.
Mit Verfügung vom 17.03.2017 wies das Amtsgericht München darauf hin, dass eine Stundung der Verfahrenskosten wohl nicht in Betracht kommt, da hinsichtlich eines Betrages von 90.000,- € eine Restschuldbefreiung aufgrund der dinglichen Absicherung nicht möglich ist. Damit könne jedoch der Zweck des Insolvenzverfahrens, einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen, nicht erreicht werden.
Der Schuldnervertreter nahm mit Schriftsatz vom 13.04.2017 Stellung.
Mit Beschluss vom 03.05.2017 wurde die beantragte Stundung der Verfahrenskosten abgelehnt. Der Beschluss wurde der zuständigen Postanstalt am 04.05.2017 übergeben.
Mit Schriftsatz vom 13.05.2017 legte die Schuldnerin gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein.
Dieser Beschwerde half das Amtsgericht München mit Beschluss vom 22.05.2017 nicht ab und legte diese dem Landgericht München I zur Entscheidung vor.
II. Die zulässige Beschwerde, §§ 4 d Abs. 1, 4 InsO, 567 ff. ZPO, ist in der Sache nicht begründet, das Amtsgericht München hat dem Schuldner zu Recht die Stundung der Verfahrenskosten abgelehnt.
1) Eine Stundung der Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren bzw. das Restschuldbefreiungsverfahren ist nur dann zu gewähren, wenn das Insolvenzverfahren in seiner Gesamtheit Erfolgsaussichten verspricht. Erfolg des Insolvenzverfahrens ist dann gegeben, wenn nach Abschluss des Verfahrens der Schuldner die Restschuldbefreiung erlangt, er also von seinen Schulden befreit wird. Die Durchführung des Insolvenzverfahrens über einen längeren Zeitraum unter Einsatz öffentlicher Mittel ist dann nicht geboten, wenn nach Abschluss dieses Verfahrens die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Gläubigers zu verweigern wäre. Entsprechend normiert § 4 a Abs. 1 S. 4 InsO, dass beim Vorliegen bestimmter Versagungsgründe die Stundung nicht zu bewilligen ist. In der obergerichtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist darüber hinaus anerkannt, dass die Stundung nicht nur bei Vorliegen eines der in § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO genannten Versagungsgründen ausscheidet, sondern darüber hinaus auch in anderen Fällen des § 290 Abs. 1 InsO, sofern die Versagung der Restschuldbefreiung bereits im Stundungsverfahren zweifelsfrei gegeben ist (vgl. BGH NJW-RR 2005, 697). Darüber hinaus entspricht es weiterhin der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Vorschrift des § 4 a Abs. 1 S. 4 InsO keine abschließende Regelung trifft. Eine Stundung braucht nach dieser Rechtsprechung auch dann nicht gewährt zu werden, wenn die Restschuldbefreiung aus anderen Gründen, die nicht unter § 290 InsO fallen, offensichtlich nicht erreicht werden kann (BGH NZI 2006, 712; 2014, 231). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies z.B. dann der Fall, wenn der Schuldnerantrag unzulässig ist oder – sowie im hier vorliegenden Fall – die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst sind. Der wesentliche Teil der Forderung der Schuldnerin, 2 Darlehen im Gesamtwert von 90.000,- €, sind dinglich gesichert, womit den Gläubigern, 2 Banken, ein Absonderungsrecht im Sinne des § 49 InsO zusteht. Entsprechend nehmen diese beiden Gläubiger als Insolvenzgläubiger nur nach der Vorschrift des § 52 InsO am Verfahren teil, wenn also auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet wird oder ein Ausfall der Befriedigung erfolgt. Beides ist vorliegend nicht der Fall, dies wird von Seiten der Beschwerde auch nicht vorgebracht. Damit sind diese oben genannten 90.000,- € jedoch von der Restschuldbefreiung ausgenommen, geht man weiterhin davon aus, dass die Schuldnerin selbst einen Verwertungserlös von 60.000,- € angibt, liegen die Voraussetzungen des vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vorgebrachten Umstandes vor, dass der Zweck des Restschuldbefreiungsverfahrens, nämlich dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen, nicht erreicht werden kann. Selbst im bestmöglichen Fall der Verwertung mit einem Erlös von 60.000,- € verbleiben zu Lasten der Schuldnerin ein Betrag in Höhe von 30.000,- € aus den Darlehen, welche nicht am Restschuldbefreiungsverfahren teilnehmen. Unter Berücksichtigung der Einkommenssituation der Schuldnerin, ist somit bei Verbleib dieser 30.000,- € Forderungen aus den Darlehen ein wirtschaftlicher Neustart nicht möglich. Es würden der Schuldnerin ein Anteil von ca. 1/3 der Gesamtforderungen verbleiben, wobei, wie bereits oben ausgeführt, insoweit insbesondere zu berücksichtigen ist, dass der verbleibende nominelle Teil unter Berücksichtigung der Einkommenssituation der Schuldnerin und dem Umstand, dass Immobilienrechte verwertet sind, nicht besser stellt als vor Einleitung des Insolvenzverfahrens. Die Schuldnerin würde mit einer Forderung von 30.000,- € verbleiben, mit einer Tilgung aus eigener Kraft ist nicht zu rechnen. Der Zweck des Insolvenzverfahrens ist damit nicht erreicht, der Einsatz von staatlichen Mitteln im Rahmen der Stundung daher nicht gerechtfertigt.
2) Soweit von Seiten der Beschwerde angeboten wird, etwaige Rechte aus den Grundstücken der Justizkasse verfügbar zu machen, sehen dies die Stundungsvorschriften gerade nicht vor, wie auch die Beschwerde ausführt. Damit kann für die Kammer auch offen bleiben, inwieweit eine derartige Zurverfügungstellung im Hinblick auf die bestehenden Absonderungsrechte der Darlehensgläubiger überhaupt möglich erscheint.
3) Auch der Verweis von Seiten der Beschwerde auf die neu geschaffene Vorschrift des § 287 a InsO führt nicht zu einer anderen Bewertung. Diese Vorschrift soll eine Vorabprüfung des gestellten Antrags auf Restschuldbefreiung ermöglichen. Ein Zusammenhang mit dem Stundungsverfahren besteht vorliegend nicht, da sich, wie sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts München deutlich ergibt, der Schuldnerin keine Gründe zur Versagung der Restschuldbefreiung entgegenstehen, vielmehr die Stundung deshalb abgelehnt wird, da der Zweck der Restschuldbefreiung nicht erreicht werden kann. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche, im Rahmen des § 4 a InsO, zu berücksichtigende Umstände, lediglich der Umstand der Versagung der Restschuldbefreiung wird von § 287 a InsO erfasst. Eine Auswirkung dieser Vorschrift auf das Stundungsverfahren besteht somit nicht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gem. §§ 47, 58 GKG festgesetzt.