Aktenzeichen RN 5 K 16.32429
Leitsatz
Eine drohende Genitalverstümmlung, die als geschlechtsspezifische Verfolgung nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG auf der Stufe des “Flüchtlingsschutzes” zu prüfen ist, kann nicht mehr hilfsweise auf der niedrigeren Schutzstufe der nationalen Abschiebungsverbote geprüft werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage beschränkt sich auf die Verpflichtung, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot festzustellen. Abschiebungsverbote in diesem Sinn sind in § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG geregelt. Die Klägerin begehrt demnach die Zuerkennung nationalen Schutzes.
Die Ablehnung der Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie subsidiären Schutzes ist zwischenzeitlich unanfechtbar geworden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin berief sich in der mündlichen Verhandlung vor allem auf die der Klägerin drohende Genitalverstümmelung. Aufgrund der Systematik des asylrechtlichen Schutzes ist jedoch im Rahmen des nationalen Schutzes die Berufung auf eine drohende Genitalverstümmelung nicht zulässig.
Das abgestufte Schutzsystem weist auf der obersten Stufe die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf. Auf der Stufe darunter (hilfsweise) wird subsidiärer Schutz gewährt. Noch eine Stufe darunter (weiter hilfsweise) geht es schließlich um die Gewährung nationalen Schutzes. Das Schutzsystem beruht darauf, dass die gewichtigsten Schutzgüter des Asylrechts einen höherwertigen Schutz erhalten als weniger wichtige. Sachverhalte, welche Gegenstand der Prüfung des Schutzes auf einer höher liegenden Stufe sind, sind nicht mehr hilfsweise bzw. weiter hilfsweise auf einer niedrigeren Schutzstufe zu prüfen. Auf den niedrigeren Stufen sind Sachverhalte zu prüfen, welche nicht in den Anwendungsbereich einer höheren Schutzstufe fallen, d.h. andere Sachverhalte und nicht Sachverhalte, bei denen wegen Nichterfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen die Schutzgewährung auf einer höheren Stufe abzulehnen ist. Die Genitalverstümmelung stellt eine geschlechtsspezifische Verfolgung dar (vgl. § 3 b Abs. 1 Nr. 4, letzter Halbsatz AsylG) und ist deshalb auf der Stufe „Flüchtlingsschutz“ zu prüfen. Eine nochmalige Prüfung auf der untersten Stufe „nationaler Schutz“ ist nicht mehr veranlasst.
Hinsichtlich des nationalen Schutzes im Übrigen folgt das Gericht den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Die Klägerin wird in Nigeria im Familienverband mit ihren Eltern und Geschwistern leben.
Rechtliche Bedenken gegen die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehen nicht.
Kosten: §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.