Arbeitsrecht

Mietvertrag über das Führen einer Apotheke als Arbeitsverhältnis

Aktenzeichen  5 Sa 452/16

Datum:
9.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121260
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 97 Abs. 1, § 519, § 520
ArbGG § 64 Abs. 1, Abs. 2b, Abs. 2c, Abs. 6, S. 1, § 66 Abs. 1, § 72 Abs. 1, Abs. 2, § 72a

 

Leitsatz

1. Kläger und Beklagte haben einen Mietvertrag über das Führen einer Apotheke abgeschlossen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat der Kläger geltend gemacht, er habe als Apotheker in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden. Klage und Berufung erwiesen sich als erfolglos.
2. Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist, dass der Verpflichtete aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (Bestätigung BAG BeckRS 2008, 54092). Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist. Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden. Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können (Bestätigung BAG BeckRS 9998, 150869). (Rn. 44) (red. LS Thomas Ritter)
3. Verantwortlichkeit zur Einweisung, Kontrolle und Motivierung des Personals sind wesentliche Merkmale einer selbständigen Tätigkeit (Bestätigung BAG BeckRS 9998, 151054; BAG BeckRS 2001, 30226097). (Rn. 48) (red. LS Thomas Ritter)
4. Ein mittelbares Arbeitsverhältnis würde voraussetzen, dass ein Mittelsmann, der selbst Arbeitnehmer eines Dritten ist, im eigenen Namen Hilfskräfte einstellt, die mit Wissen des Dritten unmittelbar für diese Arbeitsleistung erbringen (Bestätigung BAG BeckRS 9998, 150948). (Rn. 48) (red. LS Thomas Ritter)

Verfahrensgang

12 Ca 816/16 2016-09-02 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.09.2016, Aktenzeichen: 12 Ca 816/16, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, c ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist sachlich nicht begründet.
1. Das Erstgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da aus dem Sachvortrag der beiden Parteien nicht der Schluss gezogen werden kann, der Kläger sei als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig geworden. Es kann insoweit auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden. Im Hinblick auf das weitere Berufungsvorbringen waren noch folgende Ausführungen veranlasst:
a) Soweit der Berufungsführer in seiner Berufungsschrift anführt, das Arbeitsgericht Nürnberg habe Zweifel an der Wahrheit der Einwendungen der Beklagten gehabt und dies mit mehreren Fundstellen aus dem Ersturteil (insbesondere Seite 7 und 8) begründet, kann dies von der erkennenden Kammer nicht nachvollzogen werden. Es handelt sich bei den zitierten Stellen um die Darstellung des streitigen Sachvortrages der Parteien im Tatbestand des Endurteils, der vom Erstgericht entsprechend lege artis im Präsens und Konjuktiv dargestellt wurde.
b) Der Kläger ist nicht als Arbeitnehmer der Beklagten zu qualifizieren. Die Prüfung des Status des Klägers nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Abgrenzungskriterien ergibt, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits kein Vertragsverhältnis bestanden hat, das rechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses wäre, dass der Verpflichtete aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. statt vieler: BAG vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06, zitiert nach Juris). Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist. Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden. Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können (BAG vom 12.09.1996 – 5 AZR 104/95, zitiert nach Juris).
Der Kläger stand nach Ansicht der erkennenden Kammer ab September 2003, nachdem er die Leitung der P.-Apotheke im M.-Center in N. übernommen hat, nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis/Dienstverhältnis zur Beklagten.
In diesem Zusammenhang hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass der Kläger seit Beginn seiner Tätigkeit nicht als Arbeitnehmer in Diensten der Beklagten beschäftigt gewesen ist, sondern seine Tätigkeit allenfalls als Dienstverhältnis angesehen werden kann. Dieses Dienstverhältnis endete jedoch spätestens mit der Übernahme der P.-Apotheke im September 2003. Selbst wenn man, wie der Kläger davon ausgeht, dass bis zu diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den beiden Parteien bestanden hat, haben die Parteien mit Abschluss des Mietvertrages und den entsprechende Rahmenvereinbarungen ihre rechtliche Beziehung auf eine neue Grundlage gestellt und inhaltlich so verändert, dass nicht mehr von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen werden kann.
c) Der Kläger hat die von ihm übernommenen Apotheken als Selbständiger betrieben.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Kläger seine von ihm behauptete vertraglich geschuldete Leistung nicht in Person erbringen musste, sondern hierfür Vertreter (für Urlaubszeiten) sowie Hilfskräfte (Apothekenpersonal) einsetzen konnte und musste. Aufgrund der Einlassung des Klägers in der Niederschrift vor dem Arbeitsgericht Nürnberg am 02.09.2016 ist unstreitig, dass der Kläger mit seinen Angestellten in eigenem Namen ein Arbeitsverhältnis begründet hat. Offensichtlich konnte der Kläger das Personal, das er einstellte, in der Regel auch frei auswählen. Lediglich die ersten Mitarbeiter habe er, so der Kläger, unter Aufsicht von Herrn Pa. eingestellt. In der Folge aber die Einstellungsgespräche mit seinen Mitarbeitern auch selbst geführt (Niederschrift vom 02.09.2016, Bl. 580 d. A.). Im Verhältnis zu diesen Mitarbeitern war der Kläger Arbeitgeber. Er war, und hier gibt es keinen anderweitigen Sachvortrag, verantwortlich das Personal einzuweisen, zu kontrollieren und zu motivieren. Das sind wesentliche Merkmale eines selbständigen Tätigkeitwerdens (so das BAG schon am 16.7.1997 – 5 AZR 312/06 und BAG vom 12.12.2001, 5 AZR 253/00, zitiert nach Juris). Darüber hinaus liegen auch keine Anzeichen vor, die es rechtfertigen würden damit man von mittelbaren Arbeitsverhältnissen ausgehen könnte. Ein mittelbares Arbeitsverhältnis würde voraussetzen, dass ein Mittelsmann, der selbst Arbeitnehmer eines Dritten ist, im eigenen Namen Hilfskräfte einstellt, die mit Wissen des Dritten unmittelbar für diese Arbeitsleistung erbringen (BAG vom 20. Juli 1982 – 3 AZR 446/80, zitiert nach Juris). Im vorliegenden Fall behauptet jedoch selbst der Kläger nicht, dass die von ihm angestellten Arbeitnehmer in Kenntnis gesetzt worden seien, dass der wahre Arbeitgeber die Beklagte sei und der Mitarbeitervertrag nur ein Scheinvertrag sein soll. Darüber hinaus reklamiert der Kläger auch nicht, dass die Beklagte Weisungsrechte gegenüber den vom Kläger eingestellten Beschäftigten ausgeübt habe. Es ist daher festzustellen, dass der Kläger in eigenem Namen und für eigene Rechnung von ihm frei ausgewählte Arbeitskräfte regelmäßig eingestellt hat, denen er gegenüber auch allein weisungsberechtigt gewesen ist. Rechtsbeziehungen der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer zur Beklagten werden vom Kläger nicht behauptet und sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger war damit auch nicht in eine Betriebsorganisation der Beklagten eingegliedert, sondern hat eine solche Betriebsorganisation durch Führung seiner eigenen Mitarbeiter selbst vorgegeben.
Schon aus diesem Grund heraus ist die Berufung zurückzuweisen.
d) Im Übrigen ist auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zu verweisen. Soweit sich der Berufungsführer hiermit in seiner Berufungsschrift auseinandersetzt, ist festzuhalten, dass der Sachvortrag diesbezüglich unpräzise, unstrukturiert nicht nachvollziehbar erfolgt. Insbesondere ist trotz der umfangreichen Bemühungen in der Berufungsschrift nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen der Kläger behaupten möchte, er sei weisungsgebunden in eine Betriebs-/Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden gewesen. Alleine die Vorgaben bezüglich des Erscheinungsbildes der Apotheke und der Inneneinrichtung reichen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht aus, sondern sind zwanglos auch im Rahmen eines Mietverhältnisses möglich und tauglicher Vertragsgegenstand. Auch dass eine Einkaufsgemeinschaft bestanden hat und der Kläger diese auch für die Besorgung seiner Arzneimittel genutzt hat, spricht nicht notwendigerweise für eine persönliche Abhängigkeit, sondern allenfalls für eine vertragliche Bindung der Apotheke gegenüber der Beklagten. Auch die Behauptung des Klägers, er sei verpflichtet gewesen, mit der Beklagten verbundene Unternehmen mit Dienstleistungen zu beauftragen, hat die Kammer ebenso wie das Erstgericht nicht überzeugt, da insoweit völlig offen bleibt, wie ein Verstoß gegen eine solche Verpflichtung durch die Beklagte hätte geahndet werden sollen. Dass der Kläger die Möglichkeit hatte, seine für sich tätigen Dienstleister auszuwechseln, ergibt sich schon aus der Kündigung gegenüber der Eu. und der nachfolgenden Beauftragung eines vom Kläger frei gewählten Steuerberaters. Bei Betrachtung aller vom Kläger vorgebrachten Argumente kam die erkennende Kammer damit zum Ergebnis, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht bestanden hat. Die Berufung war daher insgesamt zurückzuweisen.
III.
1. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
2. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 72 Abs. 1 und 2 ArbGG).

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