Aktenzeichen 31 O 2072/15
Leitsatz
Verkauft eine Gemeinde ein von dem Erwerber mit einem Eigenheim zu bebauendes Grundstück, so verstößt eine Allgemeine Geschäftsbedingung in dem Kaufvertrag, die dem Erwerber eine von einer Verkehrswertsteigerung des Grundstücks unabhängige Zuzahlung bei dessen Weiterverkauf innerhalb von acht Jahren nach Errichtung des Eigenheims auferlegt, nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung. Das Interesse der Gemeinde, eine baldige, theoretisch gewinnbringende, Weiterveräußerung zu verhindern, überwiegt die Interessen des Erwerbers auch dann, wenn das Grundstück durch die Gemeinde zum Verkehrswert veräußert wird. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.712,50 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Regelung unter VII 5 e des notariellen Vertrags vom 28.07.2009 stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die Nachzahlungsforderung der Beklagten dar; der Kläger kann daher die von ihm geleistete Zahlung von 10.712,50 € von der Beklagten nicht zurückfordern.
Die genannte Bestimmung ist, was zwischen den Parteien nicht streitig ist, als von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 307 Abs. 1 BGB zu überprüfen. Sie wäre unwirksam, wenn durch sie der Kläger unangemessen benachteiligt würde. Eine solche Benachteiligung ist hier nicht gegeben, wie eine umfassende Würdigung der Interessen der Parteien ergibt. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Parteien ist zu berücksichtigen, dass durch die Vertragsgestaltung im notariellen Vertrag vom 22.03.2006 dem Kläger zur Vermeidung finanzieller Nachteile auferlegt ist, das erworbene Grundstück zu bebauen und selbst über einen längeren Zeitraum zu bewohnen. Dem steht das Interesse der Beklagten gegenüber, Spekulationsgeschäfte mit im Gemeindebereich gelegenen Grundstücken zu vermeiden. Dieses Interesse der Beklagten ist zum einen naheliegend, auch wenn es nicht im konkreten Vertragstext erwähnt wird, zum anderen ist das Gericht aufgrund der Angaben des Bürgermeisters der Beklagten davon überzeugt, dass Zweck der Regelung vorrangig nicht eine etwaige Gewinnerzielung der Beklagten, sondern eben die Beeinflussung des Grundstücksmarkts im Gemeindegebiet ist. Die im Vertrag gefundene Regelung berücksichtigt in angemessener Weise die Interessen beider Parteien. Im Regelfall wird es einem Grundstückserwerber zumutbar sein, das errichtete Wohnhaus für die Dauer von acht Jahren selbst zu bewohnen. Für diesen Zeitraum überwiegt daher das Interesse der Beklagten, eine baldige, theoretisch gewinnbringende, Weiterveräußerung zu verhindern. Kürzere Fristen wären kaum geeignet, Spekulationsgeschäfte zu verhindern.
Nicht entscheidungserheblich ist dabei, ob der vom Kläger und seiner damaligen Ehefrau an die Beklagte gezahlte Grundstückspreis marktgerecht war. Für eine solche Preisgestaltung spricht, dass nach den glaubhaften Angaben des Bürgermeisters der Beklagten die hierfür ausgewiesenen Grundstücke im Jahr 2006 problemlos verkauft werden konnten und die Beklagte sich veranlasst sah, in der Folgezeit weitere Baugebiete, für die entsprechende Nachfrage bestand, auszuweisen. Ein weiteres Indiz für die Angemessenheit des im Jahr 2006 vereinbarten Kaufpreises ist, dass der Kläger vor dem Umzug in das auf dem erworbenen Grundstück errichtete Haus in …, also in unmittelbarer Nähe zum Gemeindebereich …, wohnhaft war und ihm somit die regionalen Grundstückspreise bekannt sein konnten. Wieso unter diesen Umständen der Kläger überhöhte Preisvorstellungen der Beklagten hätte akzeptieren sollen, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn jedoch der im notariellen Vertrag vom 28.07.2009 vereinbarte Preis über dem Marktwert des veräußerten Grundstücks gelegen haben sollte, würde dies nicht die Unwirksamkeit von Nr. VII 5 e des notariellen Vertrags nach sich ziehen. Die Preisgestaltung obliegt den Vertragsparteien in ihrer Vertragsfreiheit. Auch bei höheren Grundstückspreisen bleibt das Interesse der Beklagten, Spekulationsgeschäfte zu erschweren, bestehen.
Dass die Beklagte von der ihr im notariellen Vertrag eingeräumten Möglichkeit („kann“), einen Aufschlag von 25,00 € pro m² auf den bereits bezahlten Kaufpreis zu verlangen, Gebrauch gemacht hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Beklagte sich des ihr insoweit eingeräumten Ermessens bewusst war. Ein Anspruch des Klägers auf eine Ermessensausübung der Beklagten dahingehend, den Aufschlag nicht zu verlangen, besteht jedenfalls nicht. Von einem solchen Anspruch könnte bei dem Vorliegen eines „Härtefalls“ für den Kläger ausgegangen werden. Der dem Kläger obliegende Nachweis einer entsprechenden Notsituation ist jedoch nicht geführt. Dabei zweifelt das Gericht nicht an der klägerischen Darstellung der finanziellen Lage des Klägers. Der Kläger mag also tatsächlich mit seiner Ehefrau durch den Hausbau Ausgaben gehabt haben, die den vom Kläger und seiner Ehefrau erzielten Verkaufserlös übersteigen. Hinzukommt, dass auch das Scheidungsverfahren des Klägers finanziell belastend war. Dies vermag aber nicht eine Verpflichtung der Beklagten zum Absehen von der Nachforderung von Zahlungen zu begründen. Nach seinem eigenen Vortrag ist dem Kläger nach der Veräußerung des Hauses und der Durchführung des Scheidungsverfahrens noch ein Vermögen von 66.000,00 € verblieben. Das allein zeigt, dass der Kläger zwar erhebliche Verluste erlitten haben mag, aber dennoch nicht derart verarmt ist, dass es schlechthin unzumutbar wäre, ihn mit der von der Beklagten begehrten Nachzahlung zu belasten. Hinzu kommt, dass die nachteilige Entwicklung des Vermögens des Klägers ihre Ursachen allein in der Sphäre des Klägers hat. Die mit dem Scheidungsverfahren des Klägers verbundenen Kosten und das damit einhergehende Erfordernis, Grundeigentum zu veräußern, stellen keinen so ungewöhnlichen Geschehensablauf dar, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, von ihren im mit dem Kläger geschlossenen Vertrag begründeten Rechten keinen Gebrauch zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.