Strafrecht

Verurteilung wegen Raubmordes nach Jugendstrafrecht

Aktenzeichen  71 KLs 1107 Js 1116/17

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47878
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 25 Abs. 2, § 52,§ 211 Abs. 2, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) u. Buchst. c), Abs. 2 Nr. 1 u. Nr. 3, § 251
JGG § 17, 18, 105 Abs. 1 u. Abs. 3 S. 2 JGG

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Angeklagte H. und der Angeklagte A. sind schuldig des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge.
2. Der Angeklagte H. wird deswegen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
3. Der Angeklagte A. wird deswegen zu einer Jugendstrafe von 12 Jahren verurteilt.
4. Die Schuld des Angeklagten H. wiegt besonders schwer.
5. Im Übrigen werden die Angeklagten freigesprochen
6. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit sie verurteilt wurden. Soweit sie freigesprochen wurden, fallen die Verfahrenskosten und ihre notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.

Gründe

A. Vorbemerkung
Die Angeklagten sind aus Syrien stammende Asylbewerber. Der ältere Angeklagte H. war zum Tatzeitpunkt 22 Jahre alt, der jüngere Angeklagte A. war zum Tatzeitpunkt 19 Jahre und 2 Wochen alt und mithin Heranwachsender. Gegenstand des Verfahrens sind zwei Taten zum Nachteil von zwei Asylsuchenden, die in derselben Unterkunft in U. wie der Angeklagte H. wohnten.
Die Angeklagten hatten zunächst den festen Plan gefasst, in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 2017 den Nebenkläger EL. in der genannten Asylbewerberunterkunft gemeinsam umzubringen und auszurauben. Hierzu hatten sie sich zwei Messer besorgt. Als das anvisierte Opfer EL. sie nicht in sein Zimmer ließ, sahen die Angeklagten zunächst von einer Tatausführung zu seinem Nachteil ab. Die Angeklagten, die in der Tatnacht Alkohol und Haschisch konsumiert hatten, ohne dass dadurch ihre Einsichtsund/oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt worden wäre, modifizierten daraufhin ihren Tatplan dahingehend, dass sie zunächst einen anderen Asylbewerber, ihren Landsmann A., gemeinschaftlich töten und ausrauben; anschließend sollte ihr ursprüngliches Vorhaben zum Nachteil des Nebenklägers EL. ausgeführt werden. Im Folgenden begaben sich die Angeklagten unter einem Vorwand in das Zimmer des Syrers A., der nicht mit einem Angriff rechnete, und brachten ihn im bewussten und gewollten Zusammenwirken auf brutale Art und Weise arbeitsteilig um, indem sie ihm insgesamt 18 Messerstiche in Hals, Brust, Bauch und Flanke beifügten, ihm hiernach Schnittwunden an Unterarmen und einem Unterschenkel zufügten und ihn sodann knebelten und fesselten. Anschließend wurde der Getötete ausgeraubt und das erlangte Bargeld (etwa 1.260,- EUR) unter den Angeklagten hälftig aufgeteilt. Nach dieser Tat sahen die Angeklagten von ihrer ursprünglichen Verabredung, auch noch den Nebenkläger EL. umzubringen und auszurauben, aus freiwilligen Gründen ab.
Die Angeklagten haben sich deswegen wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge in mittäterschaftlicher Begehungsweise zum Nachteil des A. strafbar gemacht, während sie vom Vorwurf der Verbrechensabrede zum Nachteil des EL. infolge strafbefreienden Rückstritts freizusprechen waren. Die Kammer sah im Hinblick auf den verurteilten „Raubmord“ bei beiden Angeklagten die Mordmerkmale der Habgier, Heimtücke und Ermöglichungsabsicht verwirklicht.
Ihre Überzeugung von der Schuld der Angeklagten bildete sich die Kammer in einer umfangreichen mehrtägigen Beweisaufnahme, in deren Rahmen 44 Zeugen und 5 Sachverständige angehört sowie zahlreiche Lichtbilder in Augenschein genommen und diverse Schriftstücke verlesen wurden. Die ausführlichen Einlassungen der Angeklagten, die bereits im Ermittlungsverfahren umfangreiche Angaben zur Sache gemacht hatten, zeichneten sich dadurch aus, dass sie eine Tatbeteiligung als solche zwar einräumten, ihren eigenen Tatbeitrag indes als untergeordnet darstellten und den jeweils anderen als den Haupttäter belasteten. Letztlich folgte die Kammer nach einer eingehenden Analyse der beiden Darstellungen unter Berücksichtigung sämtlicher weiterer Beweismittel weitgehend der Einlassung des Angeklagten A., zumal diese weit überwiegend widerspruchsfrei und in mehrfacher Hinsicht mit weiteren Beweismitteln in Einklang zu bringen war. Der Einlassung des Angeklagten H. zur Rollenverteilung beim Kerntatgeschehen folgte die Kammer demgegenüber nicht, da sie diese für bewusst wahrheitswidrig erachtete.
Beim zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten A. wendete die Kammer – in Übereinstimmung mit der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe – Jugendstrafrecht an, da er nach einer Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG.
In Bezug auf beide Angeklagte kam die Kammer nach einer umfassenden Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis, dass insbesondere mit Blick auf die Verwirklichung dreier Mordmerkmale und das brutale Tatbild ihre Schuld besonders schwer wiegt. Dies führte beim Angeklagten H. zu einer entsprechenden Tenorierung, beim Angeklagten A. zur Strafrahmenerweiterung des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG.
B. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten (…)
C. Sachverhalt
I. Allgemeines Vortatgeschehen
Die Angeklagten sind beide aus Syrien stammende Asylsuchende, die sich im Raum Bamberg kennenlernten. Sie waren beide zunächst in nahegelegenen Unterkünften in der Gemeinde Z. untergebracht. Sie lernten sich Anfang 2016 über einen damaligen Mitbewohner des Angeklagten H. in der Asylbewerberunterkunft S-Str. im Ortsteil U. der Gemeinde Z., den Zeugen M., kennen. Der Angeklagte A. besuchte dort des Öfteren seine beiden Landsleute. Zwischen den Angeklagten entstand ein freundschaftliches Verhältnis. Zusammen mit ihrer aus mehreren jungen syrischen Asylsuchenden bestehenden „Clique“ konsumierten sie regelmäßig Alkohol und Haschisch und gingen oft gemeinsam „feiern“.
Die beiden Geschädigten, gleichermaßen Asylsuchende, bewohnten ebenfalls die vorbezeichnete Asylbewerberunterkunft in U., in der der Angeklagte H. wohnte. Der 1962 geborene Nebenkläger EL., Spitzname „S.“, stammt aus Libyen und stand in unregelmäßigem Kontakt zum Angeklagten H.. Er hatte diesem mindestens einmal einen geringeren Geldbetrag geliehen, den er von H. wieder zurückerhalten hatte. Der Geschädigte M. Al. (im Folgenden auch „nur“ M. oder AL.) stammte aus Syrien und teilte sich Ende 2015 bis Anfang 2016 mit dem Angeklagten H. für wenige Monate ein Zimmer in der genannten Unterkunft. Wegen der unterschiedlichen Lebensstile (einerseits H.: unregelmäßiger Besuch von Deutschkursen, häufiger Konsum von Alkohol und Haschisch, regelmäßiges „Feierngehen“; andererseits AL.: gläubiger Moslem, der ein pflichtbewusstes Leben führte und weder Alkohol noch Drogen konsumierte) zog der AL. alsbald in ein anderes freigewordenes Zimmer. Der am x.1990 in E./Syrien geborene Syrer AL. war im August 2015 nach Abschluss seines Journalistikstudiums in Damaskus nach Deutschland eingereist und suchte hier Schutz, um nicht vom syrischen Militär zum Wehr- und Kriegsdienst eingezogen zu werden. Er wuchs in Syrien zusammen mit seiner Schwester und seinem jüngeren Bruder bei seinen Eltern, die noch leben, auf. Er war ein freundlicher, hilfsbereiter und fleißiger Mensch, der verantwortungsbewusst Integrations- und Deutschkurse besuchte und dem das Erlernen der deutschen Sprache ein großes Anliegen war. Er lieh dem Angeklagten H. mindestens einmal einen Geldbetrag in Höhe von etwa 50,- EUR, den dieser zurückgezahlte. Der Angeklagte H. hegte gegen seinen Landsmann AL. eine Abneigung.
Der Angeklagte A. stand zu den Geschädigten in keiner Beziehung; er kannte sie allenfalls „vom Sehen“ aus seinen Besuchen in der betreffenden Asylbewerberunterkunft.
II. Näheres Vortatgeschehen
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt wenige Tage vor dem 19.01.2017 schlug der Angeklagte H. dem Angeklagten A. erstmals vor, den Asylbewerber EL. umzubringen und zu bestehlen. Spätestens im Verlauf des 19.01.2017 vor dem frühen Abend fassten die Angeklagten im Raum B. den ernstlichen Entschluss, den im 3. Stock der Asylbewerberunterkunft S-Str. 2 in Z./U. wohnenden EL., von dem sie annahmen, dass er sich im Besitz von Bargeld, Handy und Laptop befindet, im bewussten und gewollten Zusammenwirken zu töten und auszurauben. Die Idee hierzu kam abermals vom Angeklagten H.. Der Angeklagte A. war hiermit einverstanden. Die Angeklagten wollten den EL. in seinem Zimmer töten, indem sie ihn jeweils mit einem Messer bewaffnet angreifen und ihn arbeitsteilig erstechen, um anschließend seine Wertgegenstände unberechtigt zu entwenden und untereinander aufzuteilen. Ihre Tat zum Nachteil des EL. beabsichtigten die Angeklagten in der Nacht vom 19. auf den 20.01.2017 auszuführen.
Am Nachmittag des 19.01.2017 hielten sich die Angeklagten in einer Gruppe junger syrischer Männer, mindestens mit den Zeugen B., W. und M., in B. im Bereich des Bahnhofs auf. In der Gruppe konsumierten die Angeklagten zwei bis drei Joints mit Haschisch, die reihum gereicht wurden. In einem nahegelegenen Supermarkt erwarben sie eine 0,5 Liter-Wodka-Flasche der Marke „Jelzin“ (Alkoholanteil 37,5%), deren Genuss am Abend vorgesehen war.
Am frühen Abend des 19.01.2017 gegen 17.45 Uhr fuhren die Angeklagten mit dem Zug zur Wohnung des Angeklagten A. in die T.-Str. in L.. Dort rauchten sie zusammen mit drei anderen jungen Syrern (den Zeugen M., AB. WA. und ALM.) maximal zwei Joints, die aus vom Angeklagten H. zur Verfügung gestellten Haschisch „gebaut“ worden waren. In der Wohnung nahm der Angeklagte H. zur Ausführung der beabsichtigten Tat ein Küchenmesser, Marke Laguiole, mit einer Gesamtlänge von 23 cm und einer Klingenlänge von 11 cm, an sich. Gegen 21.15 Uhr verließen die Angeklagten die Wohnung, um ihre Tat zum Nachteil des EL. auszuführen, unter dem Vorwand, dass sie sich in U. mit Mädchen treffen wollten. Anschließend fuhren sie mit dem Zug nach Z.. Vom Bahnhof in Z. gelangten sie mit Fahrrädern in die circa 3 Kilometer entfernte Asylbewerberunterkunft S-Str. in U., wo sie gegen 21.45 Uhr eintrafen.
III. Unmittelbares Vortatgeschehen
Dort hielten sie sich zunächst in dem im Erdgeschoss gelegenen Zimmer Nr. 5 des Angeklagten H. auf, tranken von der am Nachmittag in B. erworbenen 0,5 Liter-Flasche Wodka gemischt mit Orangensaft und rauchten gemeinsam einen Joint mit Haschisch. Der Angeklagte H. nahm nicht ausschließbar eine 200mg-Tablette Tramadol zu sich.
Im Zimmer des H. befand sich bereits ein feststehendes Messer mit Horngriff mit einer Gesamtlänge von 32,5 cm und einer Klingenlänge von 19,5 cm, das dieser am 08.01. oder 09.01.2017 aus der Wohnung des Angeklagten A. in L. mitgenommen hatte, wobei nicht aufklärbar ist, ob er das Messer bereits zum Zweck der Ausführung eines Raubmordes besorgt hatte. Mit Blick auf die beabsichtigte Tat zum Nachteil des EL. vereinbarten die Angeklagten, dass dieser zunächst nach einem Handy-Ladekabel für ein iPhone gefragt werden sollte, um sich unter diesem Vorwand Einlass in sein Zimmer zu verschaffen. Nach dem Betreten des Zimmers sollte zunächst der Angeklagte A. mit einem Messer zustechen, sodann würde der Angeklagte H. seinerseits auf den Angegriffenen mit dem anderen Messer einstechen. Nach der Tötung des EL. sollte alles Stehlenswerte, insbesondere jedoch Bargeld, aus seinem Zimmer an sich genommen und untereinander zur eigennützigen Verwendung aufgeteilt werden. Dabei war den Angeklagten klar, dass sie keinen Anspruch auf die anvisierten Wertgegenstände des EL. hatten.
Zwischen 23.00 Uhr und 23.15 Uhr begaben sich die Angeklagten mit den beiden Messern in ihren Hosentaschen, der Angeklagte A. mit dem kleineren (Küchen-)Messer, der Angeklagte H. mit dem größeren Messer mit Hirschhorngriff, zu dem im 3. Stock gelegenen Zimmer Nr. 2 des EL., um ihn ihrem Tatplan entsprechend zu erstechen und auszurauben. Als der EL., der gerade telefonierte, auf das Klopfen der Angeklagten hin seine Zimmertüre nicht öffnete, gingen die Angeklagten unverrichteter Dinge zurück in das Zimmer des H. im Erdgeschoss und nahmen dort weiteren Wodka zu sich. Ca. 20 bis 30 Minuten später erschienen sie erneut an der Zimmertür des EL. im Dachgeschoss der Unterkunft, um nunmehr ihren Plan in die Tat umzusetzen. Als der EL. nun seine Zimmertüre teilweise öffnete und auf Nachfrage des Angeklagten H. nach einem Ladekabel für das iPhone des Angeklagten A. erklärte, dass er ein solches Ladekabel nicht besitze, und die Angeklagten nicht in sein Zimmer ließ, sahen diese, die während des allein von H. geführten Gesprächs nebeneinander auf dem Gang standen und sich gegenseitig Blicke zuwarfen, zunächst erneut von einer weiteren Tatausführung ab. Sie gingen zurück in das Zimmer des Angeklagten H..
Auf ihrem (zweifach zurückgelegten) Weg vom Zimmer des H. im Erdgeschoss über das Treppenhaus hoch in den dritten Stock zum Zimmer des EL. sowie jeweils auf dem Rückweg passierten die Angeklagten den gleichfalls im Erdgeschoss gelegenen Gemeinschaftsraum, in welchem der Asylbewerber M. AL. gemeinsam mit einem äthiopischen Asylbewerber (Zeuge KAL.) vor dem laufenden Fernseher saß. Die Angeklagten hatten ihren Landsmann und den Äthiopier jeweils im Gemeinschaftsraum wahrgenommen, wobei sie zwar einmal den Äthiopier, nicht jedoch den AL. grüßten.
Während die Angeklagten im Zimmer des H. weiter Wodka tranken und gemeinsam einen weiteren Joint mit Haschisch rauchten, änderten sie auf Betreiben des Angeklagten H. ihren Tatplan dahingehend ab, zunächst im bewussten und gewollten Zusammenwirken den M. AL. zu erstechen und auszurauben. Der Angeklagte H. nahm an, dass sein Landsmann AL. von dem geplanten Überfall der Angeklagten auf den EL. etwas mitbekommen (haben) könnte, weswegen er diesen als möglichen Belastungszeugen für die noch zu begehende Tat zum Nachteil des EL. ausschalten wollte. Außerdem „hasste“ er AL. ohnehin. Weiterhin zielte der Angeklagte H., der früher einige Zeit mit AL. ein gemeinsames Zimmer bewohnt hatte und annahm, dass dieser über Bargeld und Wertgegenstände verfügt, maßgebend darauf ab, sich in Besitz von Bargeld und anderen stehlenswerten Gegenstände des AL. zu bringen. Seinen Plan, zunächst den AL. umbringen zu wollen, sowie seine zugrunde liegenden Erwägungen eröffnete er dem Angeklagten A., der sich mit der gemeinschaftlichen Tötung des AL. einverstanden erklärte, um hierdurch in den Besitz seiner Wertgegenstände zu gelangen. Im Anschluss an die Tötung des AL. – so der gemeinsame Tatplan – sollte dann noch das ursprüngliche Vorhaben, den Geschädigten EL. zu töten und auszurauben, in die Tat umgesetzt werden. Im Hinblick auf das Vorhaben der Tötung des AL. vereinbarten die Angeklagten, dass sie sich wiederum unter dem Vorwand, ein Handy-Ladekabel für das iPhone des A. zu benötigen, Zutritt zum Zimmer des AL. verschaffen wollten. Anschließend sollte zunächst der Angeklagte A., während der ahnungslose Geschädigte AL. vom Angeklagten H. abgelenkt würde, auf dessen Hals einstechen, sodann würde auch der Angeklagte H. diesen mit einem Messer angreifen, um das Opfer arbeitsteilig zu überwältigen und zu erstechen. Nach der Tötung des Geschädigten würde alles Stehlenswerte, insbesondere Geld, an sich genommen und untereinander aufgeteilt werden. Die Angeklagten wussten genau, dass sie hierauf keinen Anspruch hatten.
In Ausführung dieses Tatentschlusses begaben sich beide Angeklagte, nachdem sie seit ihrer Ankunft in U. jeweils circa 0,25 L Wodka getrunken und maximal zwei Joints mit Haschisch gemeinsam geraucht hatten, wenige Minuten nach Mitternacht mit den beiden Messern in ihren Hosentaschen zum Zimmer Nr. 4 des AL. im 1. Obergeschoss der Asylbewerberunterkunft. Dabei führten wiederum der Angeklagte H. das größere Messer (Gesamtlänge 32,5 cm, Klingenlänge 19,5 cm) und der Angeklagte A. das kleinere Messer (Gesamtlänge 23 cm, Klingenlänge 11 cm) – jeweils in ihrer Kleidung versteckt – mit sich. Auf ihr Klopfen und ihre Nachfrage nach einem Handyladekabel für das iPhone des A. hin, gewährte ihnen der Geschädigte M. AL. Einlass in sein Zimmer.
IV. Tatorträumlichkeit
Im ca. 10 qm großen Zimmer des AL. befand sich auf der linken und auf der rechten Seite ein Bett. Die beiden Betten grenzten jeweils mit ihrer Fußseite an der – mit einem Fenster versehenen – Außenwand sowie mit einem Seitenstück an den Raumzwischenwänden an. Unmittelbar nach der Zimmertüre befanden sich – von der Tür aus gesehen – auf der linken Raumseite zunächst ein Waschbecken und rechts daneben ein Kühlschrank sowie auf der rechten Raumseite ein Kleiderschrank. Zwischen Kühlschrank und linkem Bett war ein kleiner Zwischenraum, an den gegenüberliegenden Kleiderschrank schloss das rechte Bett nahezu an. Insgesamt waren die räumlichen Verhältnisse beengt, mit nur einer geringen freien Fläche in der Mitte zwischen den Einrichtungsgegenständen (linke Seite: Waschbecken, Kühlschrank, Bett; rechte Seite: Kleiderschrank, Bett).
V. Größenverhältnisse der Beteiligten
Der Geschädigte AL., dessen körperlicher Allgemeinzustand gut war, war 181 cm groß und wog 73 kg, der Angeklagte A. ist 172 cm groß und wog seinerzeit etwa 63 kg, der Angeklagte H. ist 180 cm groß und wog damals zwischen 60 und 65 kg.
VI. Unmittelbares Tatgeschehen
1. Stichverletzungen
Im Zimmer angekommen nahmen der Angeklagte H. auf dem linken Bett und der Geschädigte AL. gegenüber auf dem rechten Bettplatz. Der Angeklagte A. setzte sich zunächst neben den Angeklagten H. auf das linke Bett und steckte das ihm vom Geschädigten zur Verfügung gestellte Ladekabel in sein iPhone und eine Steckdose. Im weiteren Verlauf stand der Angeklagte A. auf und ging in Richtung Fenster. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan verwickelte der Angeklagte H. den Geschädigten AL., der nicht mit einem Angriff rechnete, in ein belangloses Gespräch und gab dem Angeklagten A. durch Kopfnicken und Augenzwinkern mehrmals das Zeichen, wie vereinbart nunmehr als Erster zuzustechen. A. stand zwischenzeitlich seitlich rechts neben dem noch auf dem rechten Bett sitzenden Geschädigten AL., der sich keines Angriffs versah, was die Angeklagten wussten und für ihr Vorhaben ausnutzen wollten. Der Angeklagte A. trat sodann in Ausführung des gemeinsamen Tatplans unvermittelt von hinten an den M. AL. heran, hielt dem Geschädigten mit der linken Hand den Mund zu, riss dabei dessen Kopf nach hinten und stach währenddessen mit dem kleineren der beiden Messer, das er in seiner rechten Hand führte, von rechts hinten wuchtig mindestens einmal, möglicherweise sechsmal mittigrechts in die Halsvorderseite des Geschädigten, um ihn zu töten. Der unterdessen aufgesprungene Angeklagte H. stach dem Geschädigten sogleich seinerseits mit dem größeren Messer von vorne in den Bauch, gleichermaßen, um ihn zu töten. Als der Geschädigte nach den ersten Stichen aufstand und versuchte, in Richtung Zimmerausgang zu flüchten, stieß ihn der Angeklagte H. zurück, so dass er auf das linke Bett im Zimmer fiel. Im Folgenden wurde der auf dem linken Bett halbsitzende bzw. liegende Geschädigten vom Angeklagten H. mit beiden Messern mit zahlreichen weiteren Messerstichen attackiert. Auch drückte H. mit seinen Fingern in die Halswunde, um den Widerstand des Geschädigten zu überwinden.
Der Ablauf der nachfolgenden weiteren tödlichen Auseinandersetzung bleibt dahingehend unaufklärbar, dass zum Teil nicht festbestellbar ist, mit welchem Messer der Angeklagte H. wie oft und in welcher Reihenfolge auf den Geschädigten einstach. Fest steht jedoch, dass die Angeklagten – entsprechend ihrem Tatplan – den Geschädigten arbeitsteilig überwältigten, um seinen Tod herbeizuführen und ihn anschließend auszurauben. Der Angeklagte A. beteiligte sich mindestens dergestalt an der weiteren unmittelbaren Kampfhandlung, dass er den auf dem linken Bett befindlichen Geschädigten AL. für die Dauer von etwa einer Minute festhielt, indem er ihm ein weiteres Mal von hinten den Mund zuhielt, um seinen Widerstand zu brechen, währenddessen der Angeklagte H. mit Kenntnis und Billigung des A. mehrfach auf den Geschädigten weiter einstach. Soweit einer der Angeklagten nicht selbst handelte, billigte er das Tun des anderen wie sein eigenes.
Im Verlauf des Kampfgeschehens erlitt der Geschädigte mit beiden Messern INSGESAMT 18 Einstiche, namentlich sieben Stiche in die Halsvorderseite, vier Stiche in den Brustbereich, sechs Stiche in den Bauch und einen Stich in die rechte Rumpfseite. Im Einzelnen wurden dem Geschädigten infolge des arbeitsteilig ausgeführten Angriffs der Angeklagten folgende aus dem unmittelbaren Kampfgeschehen herrührende Verletzungen zugefügt, wobei die Stichverletzungen zum Teil extrem schmerzhaft waren:
a) Sechs nahbeieinanderliegende Stiche in die rechte Halsvorderseite, zentral, mit nach unten in Richtung Halswirbelsäule weisenden Stichkanälen, jeweils mehrere Zentimeter tief. Durch diese Stiche erlitt das Opfer zwei Einstichverletzungen am Kehlkopf, einen dreifachen Durchstich des rechten Schilddrüsenlappens, der Luftröhre und der Speiseröhre. Drei der Stichkanäle endeten im Weichgewebe vor der Halswirbelsäule.
b) Eine Stichverletzung in die linke Halsvorderseite, zentral, mit annähernd horizontal nach hinten führendem Stichkanal, mehrere Zentimeter tief. Hierdurch erlitt das Opfer eine Verletzung des linken Schilddrüsenlappens und eine Ankerbung des sechsten Halswirbelkörpers.
c) Vier Stichverletzungen im Brustbereich, drei an der linken, eine an der rechten Brustkorbseite. Die mehrere Zentimeter tiefen Stiche durchdrangen den Rippenraum und trennten teilweise Rippenanteile durch. Drei der Stiche verletzten überdies die Lunge. Der weitere Einstich in die Brust (linke Brustkorbseite) wurde als letzter Stich in den Brustbereich gesetzt, als die Lunge bereits in sich zusammengefallen war.
d) Sechs Stichverletzungen im Bauchbereich (zwei am Oberbauch, zwei am Mittelbauch, eine am Unterbauch und eine an der rechten Flanke), wobei die mehrere Zentimeter tiefen Stiche jeweils in die Bauchhöhle eindrangen und auch Teile des Darms verletzten, der hierdurch teilweise ausdrang. Der längste Stichkanal (Stich in den rechten Mittelbauch) wies eine Länge von ca. 10 bis 11 cm auf.
e) Eine Stichverletzung an der rechten Körperseite des Opfers, am Übergang der rechten Flanke zur rechten Rumpfrückenseite, die mehrere Zentimeter tief ist. Das Messer drang dabei bis in die Bauchhöhle und durchstach den unteren Pol der rechten Niere.
f) Darüber hinaus erlitt das Opfer drei weitere, oberflächliche schnitt- bzw. stichartige Defekte an der Halshaut ohne Einstiche sowie eine oberflächliche ritzartige Verletzung am rechten Brustkorbrand.
g) Weiterhin erlitt der Geschädigte schnittartige Hautdefekte am Daumengrundgelenk und am Grundglied des Zeigefingers seiner rechten Hand sowie glattrandige Hautdurchtrennungen an der Beugeseite des Grundgliedes des Zeigefingers sowie des Grund- und Mittelgliedes des Mittelfingers seiner linken Hand.
h) Schließlich erlitt das Opfer eine geringe Kopfschwarteneinblutung mit korrespondierender Unterblutung der Knochenhaut im Bereich des rechten Scheitelbeines.
Die Reihenfolge der in kurzer zeitlicher Abfolge gesetzten Stichverletzungen ist zum Teil nicht feststellbar. Fest steht indessen, dass die an der rechten Halsvorderseite ausgeführten sechs Stiche (a) mit dem kleineren Messer ausgeführt wurden, wobei angesichts ihrer unmittelbaren Nähe und der gleichgelagerten Stichkanäle, -größen und -tiefen viel dafür spricht, dass sie von dem selben Täter in rascher zeitlicher Abfolge gesetzt wurden. Fest steht zudem, dass die Stichverletzung an der linken Halsvorderseite (b) von dem größeren Messer herrührt. Ebenso steht fest, dass die vier Einstiche im Brustbereich (c) von dem kleineren Messer stammen, sowie, dass mindestens ein Stich in den Bauch, nämlich zumindest derjenige (in den rechten Mittelbauch) mit dem längsten Stichkanal von 10 bis 11 cm (vgl. d), und der Stich in die rechte Körperseite (e) mit dem größeren Messer erfolgten. Die oberflächlichen Verletzungen an Hals und Brustkorb (f) sind die Folge von misslungenen Einstichversuchen. Fest steht des Weiteren, dass sich der Geschädigte gegen die von den Angeklagten ausgeführten Messerangriffe heftig wehrte. Dabei versuchte der Geschädigte auch, die Angriffe abzuwehren, indem er gegen die Messerklinge griff. Hierbei zog er sich die vorbezeichneten Verletzungen an den Händen (g) zu. Die kleinere Platzwunde am Kopf (h) zog sich der Geschädigte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu, als er sich während der Kampfhandlung mit dem Kopf an einem Einrichtungsgegenstand anstieß.
Fest steht hiernach zusammengefasst, dass der Angeklagte A. jedenfalls den ersten Stich, möglicherweise die ersten sechs Stiche, mit dem kleineren Messer in die Halsvorderseite mittigrechts (a) ausführte, während der Angeklagte H. die weiteren Stiche setzte (also mindestens 12, maximal 17). H. führte mit dem kleineren Messer die vier Stiche in den Brustbereich (c) aus, mit dem größeren Messer führte er mindestens einen Stich in den Bauchbereich aus, nämlich mindestens den Stich in den rechten Mittelbauch mit dem Stichkanal von 10 bis 11 cm (vgl. d), welcher der erste von H. gesetzte Stich ist, den Stich in die Halsvorderseite mittiglinks (b) sowie den Stich in die rechte Rumpfseite (e), der der letzte mit dem großen Messer gesetzte Stich ist. Offen, da nicht aufklärbar, bleibt demnach, ob der Angeklagte H. (mit dem kleineren) Messer auch die fünf weiteren Stiche in die Halsvorderseite mittigrechts (was eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist) setzte und ob die weiteren fünf Stiche in den Bauch von H. mit dem kleineren oder mit dem größeren Messer verursacht wurden.
Fest steht schlussendlich, dass der Angeklagte A. im Rahmen des Kampfgeschehens den Geschädigten jedenfalls ein weiteres Mal festhielt und ihm mit seiner Hand den Mund zuhielt, um den Widerstand des Angegriffenen zu überwinden und dem Angeklagten H. ein mehrfaches weiteres Einstechen zu ermöglichen.
2. Schnittverletzungen
Hiernach befand sich der Geschädigte AL., der infolge der insgesamt erlittenen 18 Messerstiche, von denen jeder einzelne für sich genommen potentiell tödlich war, schwer gezeichnet war, in einem tödlich verletzten, wehrlosen Zustand, wobei er weiterhin auf dem linken Bett lag. Dass sie dem Geschädigten schwerste, naheliegend zum Tod führende Stichverletzungen zugefügt hatten, erkannten die Angeklagten, ebenso, dass dieser nicht mehr in der Lage war, Widerstand zu leisten oder gar zu flüchten. In diesem Zustand brachte der Angeklagten H. mit dem kleineren Messer dem Geschädigten die nachfolgenden Schnittverletzungen an beiden Unterarmen im Bereich des Übergangs zu den Handgelenken sowie am linken Unterschenkel bei, da er dadurch den Eintritt seines Todes („Ausblutenlassen“) beschleunigen wollte. Die von H. zugefügten Schnittverletzungen wurden vom Angeklagten A., der dabei zusah, jedenfalls mitgetragen. Nicht feststellbar ist, ob der Geschädigte zum Zeitpunkt der Zufügung dieser Schnittverletzungen noch in der Lage war, (zusätzliche) Schmerzen zu empfinden, oder ob nicht die bereits zuvor erlittenen extrem schmerzhaften Stichverletzungen die weiteren Schmerzen überlagert hatten. Fest steht demgegenüber, dass der Kreislauf des Geschädigten zu diesem Zeitpunkt noch intakt war. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Schnittverletzungen:
– am rechten Unterarm: drei quer und parallel zueinander verlaufende Schnittverletzungen in Form von glattrandigen, schnittartigen Hautdurchtrennungen in einer Länge von ca. 5 cm, oberhalb der rechten Handgelenksbeuge, mit Ankerbungen sowie einer Durchtrennung oberflächlicher Beugesehnen und Durchtrennung der rechten Speichenvene,
– am linken Unterarm: zwei glattrandige Hautdurchtrennungen (ca. 1 cm lang) am linken Unterarm (an der Beugesehne bzw. an der Streckseite) und eine horizontal ausgerichtete Schnittverletzung (ca. 7,5 cm lang) mit oberflächlichen ritzerartigen Hautdefekten im Randbereich am linken Handgelenk mit Ankerbungen und einer Durchtrennung von oberflächlichen Beugesehnen,
– am linken Unterschenkel: oberflächliche, schnittartige Hautdurchtrennung an der Rückseite des linken Unterschenkels, glattrandig und quer ausgerichtet, insgesamt 7 cm lang und im inneren Bereich 1 cm klaffend, zur Außenseite hin seicht auslaufend.
3. Knebelung und Fesselung
Anschließend kam der Angeklagte H. auf die Idee, den noch lebenden Geschädigten zu knebeln und zu fesseln, um die Tötung des Geschädigten möglichst „schändlich“ aussehen zu lassen. Der Angeklagte A. billigte jedenfalls die beabsichtigte Knebelung und Fesselung. Sodann knebelten und fesselten die Angeklagten, die erkannt hatten, dass sich der wehrunfähige Geschädigte in fluchtunfähigem Zustand im Todeskampf befand, aber noch lebte, letzteren arbeitsteilig mit im Zimmer vorgefundenen Fesselungsmaterial. Sie banden einen grauen Schal fest um Augen- und Nasenpartie sowie Hinterkopf des Geschädigten und knoteten ein Hemd straff um den Hals, über das Kinn und die Unterlippe, so dass es teilweise im Mundraum steckte. Hierdurch wurde – von den Angeklagten erkannt und gebilligt – die Atemtätigkeit des Geschädigten erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus fesselten sie die Handgelenke des Geschädigten mit einer sehr straff angezogenen weißen Kordel und die Fußgelenke mit einem ebenfalls sehr fest angezogenen schwarzen Schal. Auch insoweit ist jedoch nicht aufklärbar, ob der im unmittelbaren Todeskampf befindliche Geschädigte zum Zeitpunkt der Fesselung und Knebelung noch in der Lage war, damit einhergehende weitere Leiden (insbesondere erhebliche Behinderung seiner Atemtätigkeit) bewusst zu empfinden Zum Zeitpunkt der Fesselung und Knebelung befand sich der Geschädigte halbsitzend oder liegend auf dem Rücken mit dem Kopf in Richtung linke Zimmerwand auf dem linken Bett.
4. Entwendung von Wertgegenständen
Anschließend durchsuchte der Angeklagte H. – mit Wissen und Wollen des Angeklagten A. – das Zimmer nach stehlenswerten Gegenständen und nahm im Rahmen des vorgefassten gemeinsamen Tatplans unter anderem das Mobiltelefon, einen Zimmerschlüssel, ein Zugmonatsticket mitsamt einer Schutzhülle und Bargeld (Scheingeld) des Geschädigten in Höhe von etwa 1.260,00 EUR an sich. Das erbeutete Bargeld sollte anschließend aufgeteilt werden. Dass sie hierauf keinen Anspruch hatten, war beiden Angeklagten bewusst.
Währenddessen verstarb der Geschädigte infolge der erlittenen Verletzungen, namentlich durch Verbluten in Verbindung mit einem Atemversagen infolge eines beidseitigen Hämatopneumothorax sowie einer durch Knebelung und Umschlingung der Atemöffnungen behinderten Atemtätigkeit.
Bevor die Angeklagten das Zimmer verließen, beseitigte der Angeklagte H. vor Ort Spuren, indem er unter anderem Fingerabdrücke abwischte. Zum Zeitpunkt des Verlassens des Zimmers befand sich der Geschädigte weiterhin auf dem linken Bett liegend.
Insgesamt dürften sich die Angeklagten etwa eine halbe Stunde im Zimmer des Geschädigten aufgehalten haben, längstens eine Stunde, wobei die Zeitspanne vom ersten Angriff auf das Leben des Geschädigten bis zu seinem Ableben nur wenige Minuten betrug.
VII. Unmittelbares Nachtatgeschehen
Nachdem sie das Zimmer des Geschädigten verlassen und abgesperrt hatten, begaben sich die beiden Angeklagten, deren Kleidung jeweils blutverschmiert war, in das Zimmer des Angeklagten H. im Erdgeschoss, wobei dieser die „normale“ Innentreppe benutzte, während der Angeklagte A. den Weg über eine Außentreppe (Feuerschutztreppe) wählte.
Im Zimmer des H. angekommen, fiel den Angeklagten, die lediglich das kleinere Tatmesser mitgenommen hatten, ein, dass sie das größere Messer am Tatort vergessen hatten. Die Angeklagten gingen daher über die Innentreppe zurück in das Zimmer des mittlerweile verstorbenen Geschädigten, um auch das größere Tatmesser zu holen. Dieses fanden sie noch im rechten Rumpf des Getöteten steckend vor. Beim Umdrehen der Leiche durch den Angeklagten H. fiel diese zu Boden in den Zwischenraum zwischen den Betten. Der Angeklagte A. zog daraufhin das Messer aus dem Körper des Getöteten heraus. A., der beim erneuten Betreten der Tatorträumlichkeit keine Schuhe trug, zog überdies ein Paar Flipflop des Geschädigten an und nahm dieses unberechtigt mit. Entweder beim ersten oder zweiten Aufenthalt im Zimmer des Geschädigten nahm einer der Angeklagten außerdem eine Wollmütze an sich, um darin ein Tatmesser zu verstecken.
Anschließend verließen die Angeklagten mit dem größeren Messer das Zimmer und sperrten dieses abermals ab. Der unverändert im Gesicht geknebelte und an Händen und Beinen gefesselte Körper des Verstorbenen lag zum Zeitpunkt des Verlassens des Zimmers durch die Angeklagten auf dem Boden zwischen den Betten auf seiner rechten Seite mit dem Haupt in Richtung Zimmertür.
Sodann gingen die Angeklagten über die Innentreppe in das Zimmer des H. zurück. Im Zimmer angekommen sprach sich der Angeklagte H. dafür aus, ihren ursprünglichen Tatplan, nunmehr auch noch EL. zu erstechen und auszurauben, auszuführen. Die Angeklagten setzten diesen Plan im weiteren Verlauf jedoch nicht mehr in die Tat um, weil der Angeklagte A. dies aufgrund der vorangegangenen Tat zum Nachteil des AL. nicht mehr wollte und der Angeklagte H. allein die Tat nicht durchführen wollte, obwohl die Angeklagten nach ihrer Vorstellung zur Durchführung dieses Vorhabens noch in der Lage gewesen wären. Sie gaben ihren Plan eines „Raubmordes“ zum Nachteil des EL. endgültig auf.
Anschließend zogen die Angeklagten ihre blutverschmierte Kleidung aus und duschten in der gegenüber dem Zimmer des H. gelegenen Gemeinschaftsdusche. Hiernach teilten die Angeklagten das erbeutete Bargeld auf, wobei jeder den nahezu hälftigen Betrag in Höhe von 630,- EUR erhielt. Die entwendete Zugfahrkarte behielt der Angeklagte H.. Dieser wickelte die beiden Tatmesser in die entwendete Wollmütze ein und steckte diese zusammen mit der blutverschmierten Kleidung beider Angeklagter, den Flipflops, der Zugtickethülle und dem Handy des Geschädigten in einen Rucksack. Sodann legten sich die Angeklagten im Zimmer des H. Schlafen.
VIII. Voll erhaltene Schuldfähigkeit
Trotz des vorangegangenen Drogen- und Alkoholkonsums war die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit der Angeklagten zu keinem Zeitpunkt erheblich vermindert oder gar aufgehoben im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Zum Zeitpunkt der Tatbegehung wies die Blutalkoholkonzentration der beiden alkoholgewöhnten Angeklagten maximal 1,7 Promille auf. Andere Schulminderungsgründe sind nicht ersichtlich.
IX. Weiteres Nachtatgeschehen
Am nächsten Morgen, 20.01.2017, verließen die beiden Angeklagten mitsamt dem genannten Rucksack gegen 11.00 Uhr die Unterkunft in U., um mit dem Zug nach B. zu fahren. Am Abfahrtsbahnhof in Z. warf der Angeklagte H. in der Nähe des Gleitbetts den zum Zimmer des Getöteten gehörigen Schlüssel weg.
Nach einem kurzen Aufenthalt in B. fuhren die Angeklagten mit dem Bus nach BU. zur Unterkunft ihres Freundes B.. Auf dem Fußweg von der Bushaltestelle zu der von B. bewohnten Unterkunft entsorgte der Angeklagte H. im Beisein des Angeklagten A. und mit dessen Billigung die in die Wollmütze eingewickelten Tatmesser, die Flipflops, die Zugtickethülle und das Handy des Getöteten, indem er diese Gegenstände von einer Brücke in den kleinen Bach „M.“ warf. Im Wohnheim des B. schaltete der Angeklagte H. eine Waschmaschine mit der blutverschmierten Tatkleidung beider Angeklagter an. Sodann schnitten sich die Angeklagten und der Zeuge B. gegenseitig die Haare, bevor die drei mit dem Bus zurück nach B. fuhren.
Zwischenzeitlich war am späten Nachmittag des 20.01.2017 des Leiche des Getöteten A. vom Zeugen Z. (Hausmeister der Unterkunft) aufgefunden und die Polizei informiert worden.
In B. trafen sich die Angeklagten am früheren Abend des 20.01.2017 am Bahnhof mit einer Gruppe junger syrischer Männer, um den Geburtstag des Zeugen W.I zu feiern. Beide Angeklagte konsumierten Alkohol, wobei sich der Angeklagte A. betrank. Im stark alkoholisierten Zustand wollte er seinem Freund M. die tatrelevanten Geschehnisse anvertrauen, was der Angeklagte H. verhinderte. Gegen 21.30 Uhr fuhren die Angeklagten zusammen mit den Zeugen B. und M. in die Wohnung des Angeklagten A. nach L., wo die Gruppe gemeinsam übernachtete. Im Verlauf des Abends hatte die Gruppe erfahren, dass der M. AL. in der Unterkunft tot aufgefunden wurde. Der Angeklagte H. beschimpfte hierauf den „Mörder“, da AL. so ein guter Mensch gewesen sei. Kurz darauf rief der Angeklagte H. den Zeugen EL. an und fragte ihn nach Einzelheiten zum Tod des AL. und den Vorgängen im Asylbewerberheim U..
Den Folgetag, 21. Januar 2017, verbrachte der Angeklagte A. zusammen mit dem Zeugen M. und weiteren Bekannten mit Schlittenfahren und dem Besuch einer Kirche auf dem nahegelegenen S.-Berg, während der Angeklagte H. als Bewohner der Unterkunft, in der A. verstarb, von der Polizei in Bamberg als Zeuge vernommen wurde. Den Abend und die Nacht vom 21. auf den 22. Januar 2017 verbrachten beide Angeklagte wieder gemeinsam mit den Zeugen B. und W. in einer Diskothek im Stadtgebiet B., wo sie Alkohol tranken und ausgelassen feierten. Der Angeklagte H. bezahlte für seine Begleiter den Großteil des Eintritts in die Diskothek und die dort konsumierten Getränke.
Am frühen Morgen des 22. Januar 2017 fuhren sie mit dem Zug wiederum in die Wohnung des A. nach L., ehe sie im Verlauf des Sonntags nach B. zurückkehrten und dort am späten Nachmittag mit den Zeugen B. und WALI eine Schischa-Bar besuchten. Der Angeklagte A. traf sich überdies mit einer nicht näher bekannten jungen Frau, mit der er Geschlechtsverkehr hatte. Gegen 22.00 Uhr am Sonntagabend begaben sich die Angeklagten mit den Zeugen B. und W. zum Bahnhof Bamberg, wo sie den Zeugen S., einen weiteren Freund der Angeklagten, trafen. Diesem schenkte der Angeklagte H. einen Geldbetrag in Höhe von circa 50,- EUR sowie ein Zugmonatsticket – beides jeweils aus der Tatbeute stammend – mit den Worten, dass er (H.) das Zugticket von jemandem erhalten habe, der nach Syrien zurückgegangen sei. Anschließend fuhren die Angeklagten mit dem Zug zur Wohnung des A. nach L., wo sie die Nacht verbrachten.
Am Vormittag des 23. Januar 2017 wurden die Angeklagten mit ihren Freunden M.; B. und W. von der Polizei in der Wohnung in L. angetroffen und zur Dienststelle der Kriminalpolizei Bamberg verbracht, um zunächst als Zeugen vernommen zu werden. Im weiteren Verlauf des Montags wurden sie als Beschuldigte geführt und festgenommen. Bei der Festnahme führten der Angeklagte H. Scheingeld in Höhe von 360,- EUR und der Angeklagte A. Scheingeld in Höhe von 520,- EUR mit sich, das aus der Beute stammte. Den Rest der vom Geschädigten AL. jeweils erlangten 630,- EUR hatten sie zwischenzeitlich ausgegeben.
X. Folgen der Tat
Die Eltern des Getöteten M. AL. sind tief erschüttert über den Verlust ihres ältesten Sohnes. Sie haben trotz der von den deutschen Behörden ausgestellten Todesbescheinigung Schwierigkeiten, den Tod ihres ältesten Sohnes gegenüber den syrischen Behörden nachzuweisen, was erforderlich ist, um zu vermeiden, dass ihr jüngster Sohn, der jüngere Bruder des Verstorbenen, von der syrischen Armee zum Wehr- und Kriegsdienst eingezogen wird.
Der weitere Geschädigte EL. erlitt infolge des Bekanntwerdens des zu seinem Nachteil beabsichtigten „Raubmordes“ eine posttraumatische Belastungsstörung (u.a. diffuse Ängste und Schlafstörungen) und befindet sich deswegen seither in psychotherapeutischer Behandlung.
D. Beweiswürdigung
In der Hauptverhandlung hat keine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 257c StPO stattgefunden. Die getroffenen Feststellungen der Kammer beruhen auf dem Beweisergebnis der durchgeführten Hauptverhandlung (..).
E. Rechtliche Würdigung
Die Angeklagten haben sich daher wegen der unter C.VI. geschilderten Tat des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 2, 251, 25 Abs. 2, 52 StGB schuldig gemacht (unten I.), wobei beide Angeklagte jeweils die Mordmerkmale der Habgier, Heimtücke und Ermöglichungsabsicht verwirklichten (unten II.). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die täterbezogenen (subjektiven bzw. persönlichen) Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe des § 211 StGB – hier Habgier und Ermöglichungsabsicht – bei jedem Mittäter selbst vorliegen müssen (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 86 m.w.N.; BGH, NStZ 2009, 627 f.; BGH, NStZ-RR 2014, 203), da allein die tatbezogenen Mordmerkmale der 2. Gruppe des § 211 Abs. 2 StGB -hier Heimtücke – über § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können (Eschelbach, in: BeckOK, StGB, 37. Edition Stand: 01.02.2018, § 211 Rn. 99; BGH, NStZ 1996, 434).
I. Mittäterschaftlich begangene Tötung samt Raub mit Todesfolge
1. Tatbestandsmäßigkeit
Indem die Angeklagten jeweils in Tötungsabsicht den Geschädigten AL. mit Messern attackierten und ihn anschließend fesselten und knebelten, wodurch sie seinen Tod verursachten, um ihm anschließend unberechtigt Geld und weitere Wertgegenstände wegzunehmen, verwirklichten sie die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 211 Abs. 2, 212 Abs. 1 StGB sowie der §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 a) und c), Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3, 251 StGB. Die von Zueignungsabsicht getragene Wegnahme der Wertgegenstände des Geschädigten nach seiner Tötung stellt einen Raub im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB dar, weil die zuvor angewandte, in der Tötung liegende Gewalt entsprechend der Vorstellung beider Täter Mittel zur Wegnahme war und damit ein finaler Zusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme zu bejahen ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.10.2002 – 3 StR 249/02 – Rn. 2 mw.N., juris = NStZ-RR 2003, 44). Durch die tatbestandliche Gewalt des Raubes wurde der Tod des Opfers unmittelbar verursacht, so dass auch Raub mit Todesfolge im Sinne von § 251 StGB gegeben ist. Der Tatbestand des § 251 StGB ist ausweislich des Wortlauts („wenigstens leichtfertig“) auch dann erfüllt, wenn – wie hier – der Tod vorsätzlich herbeigeführt wird (vgl. BGHSt 39, 100 ff.). Dabei ist gleichgültig, ob die Wegnahme vor oder nach dem Eintritt des Todes des Opfers vollzogen wurde (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 17.10.2002 – 3 StR 249/02 – Rn. 2 mw.N., juris = NStZ-RR 2003, 44).
2. Mittäterschaftliche Begehungsweise
Soweit einer der Angeklagten im Zusammenhang mit der Tötung des Geschädigten AL. und dem dadurch ermöglichten Raub nicht selbst handelte, muss er sich jeweils das Tun des Handelnden gemäß § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen, ohne dass die Kammer verkennt, dass es auf die Zurechnungsnorm des § 25 Abs. 2 StGB nicht ankommt, wenn ein Beteiligter alle Tatbestandsmerkmale in der eigenen Person verwirklicht (vgl. dazu Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 25 Rn. 24).
a) Mittäterschaft liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung erfasst sind, in wertender Betrachtung zu entscheiden. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (statt vieler BGHSt 37, 289, 291; BGH, StV 1998, 540 m.w.N.; BGH, Urteil vom 17.08.2004 – 5 StR 591; 03 – Rn. 23, juris = StV 2005, 19 f.).
b) Vorliegend verwirklichten die Angeklagten die Tötung des Geschädigten AL. und den damit einhergehenden Raub mit Todesfolge nach Auffassung der Kammer unfraglich als Mittäter.
aa) Der Angeklagte H. verwirklichte bereits im Ausgangspunkt sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person (von Tötungsabsicht getragener Angriff auf das Leben des AL. in Form von zahlreichen Messerstichen und -schnitten sowie Knebelung und Fesselung, anschließende Entwendung von Wertgegenständen). Der Angeklagte H. leistete demnach einen entscheidenden Beitrag zur Tötung des Angegriffenen AL., indem er ihm mindestens 12 Messerstiche in Hals, Brust, Bauch und Flanke versetzte, die jeweils für sich genommen potentiell tödlich gewesen wären, ihm Schnittverletzungen zufügte und ihn anschließend knebelte und fesselte. Anschließend durchsuchte er das Zimmer des Opfers und entwendete diverse Gegenstände, wobei er letztlich die Hälfte des erlangten Geldes und das erbeutete Zugmonatsticket für sich behielt bzw. sich insoweit (Verschenkung des Zugtickets) wie ein Berechtigter gerierte. H. fiel demzufolge maßgebende Tatherrschaft zu sowohl im Hinblick auf den Teilakt der Tötung als auch im Hinblick auf den Teilakt der durch die Tötung ermöglichten Entwendung von Wertgegenständen des Opfers in rechtswidriger Zueignungsabsicht. Dadurch, dass er jedenfalls die Hälfte des erbeuteten Geldes (sowie das Zugticket) behielt und für sich verwendete (teilweises Ausgeben des Bargeldes), wird sein originäres eigenes Interesse am Erfolg der Tat offenkund. Infolgedessen muss sich H. nach § 25 Abs. 2 StGB auch die Tathandlungen des A. zurechnen lassen (insbesondere den von A. tatplangemäß ausgeführten ersten Stich in den Hals des Geschädigten, als dieser sich keines Angriffs versah).
bb) Auch dem Angeklagten A. kommt maßgebliche Tatherrschaft und genuines eigenes Interesse am Erfolg der Tat zu, so dass auch er als Mittäter zu qualifizieren ist. Der Angeklagte A. führte unter Ausnutzung des Überraschungsmomentes den den Angriff auf des Leben des Geschädigten initiierenden ersten Stich in seinen Hals aus, der für sich genommen bereits potentiell tödlich war und das nachfolgenden todbringende Kampfgeschehen auslöste („Dammbrucheffekt“). Während der weiteren Kampfhandlungen hielt er den Angegriffen ein weiteres Mal fest, um seinen Widerstand zu überwinden, währenddessen sein Tatgenosse H. vereinbarungsgemäß auf den Geschädigten einstach. Sodann wirkte A. an Fesselung und Knebelung des Opfers mit. Im weiteren Verlauf übernahm und behielt er die Hälfte des von H. entwendeten Bargeldes des Opfers, das er in den Folgetagen teilweise ausgab. Unter diesen Umständen trug auch der Angeklagte A. wesentlich dazu bei, den Erfolg der Tat herbeizuführen, nämlich durch den arbeitsteiligen Angriff, der die Abwehrmöglichkeiten des Geschädigten AL. massiv erschwerte, seinen Tod hervorzurufen, um hierdurch die Wegnahme seiner Wertgegenstände zu ermöglichen. Auch wenn A. die wesentlichen Wertgegenstände nicht eigenhändig entwendete, so wird sein Interesse am Teilakt der Erlangung fremder Sachen in rechtswidriger Zueignungsabsicht dadurch deutlich, dass ihm letztlich die Hälfte des erbeuteten Bargeldes zur eigennützigen Verwendung zufiel. Weiterhin entwendete er jedenfalls die Flipflops des Geschädigten eigenhändig. Mit Blick auf die für das Gelingen des Taterfolgs wesentlichen Beiträge des A. sind ihm daher gemäß § 25 Abs. 2 StGB die – sich im Rahmen des gemeinsamen Tatplans bewegenden – Tatbeiträge des H. zuzurechnen.
II. Mordmerkmale
1. Habgier
Beide Angeklagten töteten den Geschädigten AL. aus Habgier nach § 211 Abs. 2 Gruppe 1 StGB.
a) Habgier in diesem Sinne liegt vor, wenn der Tötung ein noch über die Gewinnsucht hinaus gesteigertes abstoßendes Gewinnstreben um jeden Preis zugrunde liegt. Das Gewinnstreben braucht dabei nicht das einzige Motiv des Täters zu sein, es muss aber tatbeherrschend und bewusstseinsdominant sein. Im Falle eine Motivbündels muss das Motiv der Gewinnerzielung im Vordergrund stehen (vgl. dazu Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 10 mit zahlreichen Nachweisen aus der stRspr des Bundesgerichtshofs). Bei Begehung eines „Raubmordes“ liegt die Annahme von Habgier nahe (vgl. dazu Fischer, a.a.O. Rn. 11; BGH, Urteil vom 09.03.1993 – 1 StR 870/92 – Rn. 2 und 8, juris = BGHSt 39, 159 = NJW 1993, 1724 f.; BGH, Urteil vom 08.10.2008 – 4 StR 354/08 – Rn. 9, juris = NStZ 2009, 203 f.).
b) Hier töteten die Angeklagten den Geschädigten AL. – der Angeklagte H. maßgeblich, der Angeklagte A. ausschließlich (oben C.III., VI.4.) -, um sich hierdurch in den unberechtigten Besitz von Bargeld und anderen stehlenswerten Gegenständen des AL. zu bringen, was die nachfolgende hälftige Aufteilung des erbeuteten Bargeldes dokumentiert. Die Angeklagten begingen mithin einen „klassischen“ Raubmord und verwirklichten hierbei jeweils (auch) das Mordmerkmal der Habgier.
2. Heimtücke
Beide Angeklagten verwirklichten zudem das Mordmerkmal der Heimtücke § 211 Abs. 2 Gruppe 2 StGB. Der Angeklagte A. griff den Geschädigten AL. heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB an. Das tatbezogene Mordmerkmale der Heimtücke ist gemäß § 25 Abs. 2 StGB dem Angeklagten H. zuzurechnen, da sich der heimtückische Angriff auf das Leben des AL. im Rahmen des gemeinsamen Tatplans bewegt.
a) Heimtückisch in diesem Sinne handelt nach ständiger Rechtsprechung, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arglosigkeit kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Täter dem Opfer zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 34 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der stRspr des Bundesgerichtshofs). Der Täter muss dabei die Arglosigkeit des Opfers bewusst für seinen Angriff auf dessen Leben ausnutzen. Hierzu genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die Lage der angegriffenen Person erkennt, so dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit schutzlosen Menschen zu überraschen (siehe Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 44 m.w.N.).
b) Indem A. unter bewusster Ausnutzung des Überraschungsmoments von hinten an den in ein Gespräch mit H. verwickelten AL., der mit keinem Angriff rechnete, herantrat und ihm unvermittelt in Tötungsabsicht mit dem Messer in den Vorderhals stach, während er ihm mit der anderen Hand den Mund zuhielt (oben C.VI.1.), startete er unter Ausnutzung der auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit des Attackierten den Angriff auf dessen Leben. Er handelte mithin unfraglich heimtückisch.
Da es dem vorgefassten gemeinsamen Tatplan entsprach, dass A. den Angriff auf das Leben des AL. durch einen Stich in den Hals in einem Moment „eröffnen“ sollte, in dem der Geschädigte von H. abgelenkt würde (oben C.III.), hat sich der Angeklagte H. die heimtückische Begehungsweise des A. gemäß § 25 Abs. 2 StGB zurechnen zu lassen.
3. Ermöglichungsabsicht
Außerdem erfüllten die Angeklagten jeweils das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2 Gruppe 3 StGB.
a) Danach ist Mörder, wer die Tötungshandlung vornimmt, um eine andere Straftat zu ermöglichen, wobei die Tötung des Opfers nicht notwendiges Mittel zur Ermöglichung der Tat sein muss. Insoweit genügt, dass sich der Täter deshalb für die zum Tod führende Handlung entscheidet, weil er glaubt, auf diese Weise die andere Straftat schneller oder leichter begehen zu können. Eine andere Tat in diesem Sinne kann selbst dann vorliegen, wenn die Tötung der Verwirklichung einer gegen ein anderes Rechtsgut desselben Opfers gerichteten Straftat dient, die zur Tötungshandlung in einer Handlungseinheit steht. Namentlich wird eine „andere“ Straftat auch dann angenommen, wenn die Tötungshandlung gerade die für den Raub eingesetzte Gewalteinwirkung darstellt und dadurch noch ein weiterer Teilakt (Wegnahme des Geldes) ermöglicht werden soll (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 64 bis 66; BGH, Urteil vom 09.03.1993 – 1 StR 870/92 – Rn. 9 ff., juris = BGHSt 39, 159, 161 = NJW 1993, 1724 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17.10.2002 – 3 StR 249/02 – Rn. 2 mw.N., juris = NStZ-RR 2003, 44; BGH, Urteil vom 08.10.2008 – 4 StR 354/08 – Rn. 9, juris = NStZ 2009, 203 f.).
b) Hier töten beide Angeklagte den Geschädigten AL. gemeinschaftlich, um hierdurch die Wegnahme und Zueignung der Wertgegenstände des Opfers, insbesondere seines Geldes, zu erleichtern, mithin um einen schweren Raub zu ermöglichen (oben Auch die Ermöglichungsalternative des § 211 Abs. 2 Gruppe 3 StGB ist daher jeweils verwirklicht.
4. Nicht: Grausamkeit
Hingegen vermochte sich die Kammer keine abschließende Überzeugung davon zu bilden, dass die Angeklagten auch das tatbezogene Mordmerkmal der Grausamkeit gemäß § 211 Abs. 2 Grupp 2 StGB verwirklichten.
a) Grausam tötet hiernach, wer seinem Opfer in gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Nicht tatbestandsmäßig sind jedoch Handlungen, deren grausame Wirkung das Tatopfer, etwa wegen Eintritts von Bewusstlosigkeit oder Tod, nicht (mehr) empfindet. Subjektiv muss bei objektiv festgestellter Grausamkeit der Tötungsvorgang von einer gefühllosen und mitleidlosen Gesinnung getragen sein (vgl. abermals Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 56 bis 58 mit zahlreichen Nachweisen aus der stRspr des Bundesgerichtshofs).
b) aa) Hier gehen die den beiden Angeklagten über § 25 Abs. 2 StGB zurechenbaren (dreiaktigen) Tötungshandlungen,
– 18 Messerstiche in Hals, Brust, Bauch und Körperseite, wobei jeder Messerstich bereits für sich genommen potentiell tödlich war und insbesondere die Stiche in den Bauch extrem schmerzhaft waren,
– Zufügung zahlreicher Schnittverletzungen an Unterarmen und einem Unterschenkel und
– erheblich atmungsbeeinträchtigende Knebelung und Fesselung des Opfers in schwer verletztem Zustand (oben C.VI.1.-3.)
in der Gesamtwürdigung nach Stärke und Dauer über das zur Tötung erforderliche Maß objektiv betrachtet hinaus.
Allerdings ist nicht feststellbar, ob der Geschädigte AL. zum Zeitpunkt der Zufügung der Schnittverletzungen sowie zum Zeitpunkt der Knebelung und Fesselung noch in der Lage war, (zusätzliche) Schmerzen zu empfinden, oder ob nicht die bereits zuvor erlittenen extrem schmerzhaften Stichverletzungen die weiteren Schmerzen überlagert hatten. Allein die in relativ kurzer zeitlicher Abfolge zugefügten, äußerst schmerzhaften 18 Messerstichverletzungen vermögen aus Sicht der Kammer indes noch nicht das zur Tötung erforderliche Maß nach Stärke und erst recht nicht nach Dauer zu überschreiten, vergegenwärtigt man sich die Größen- und Kräfteverhältnisse der Beteiligten, wonach der Angegriffene AL., der nach den Angaben beider Angeklagter nicht unerheblichen Widerstand leistete, diesen für sich genommen körperlich nicht unterlegen war. Da jedoch nicht aufklärbar ist, ob der Geschädigte zum Zeitpunkt der – in der Gesamtschau zur Begründung der objektiven Grausamkeit heranzuziehenden – Zufügung der Schnittverletzungen und Knebelung und Fesselung noch in der Lage war, die damit einhergehenden zusätzlichen Schmerzen zu empfinden, fehlt es in Anwendung des Zweifelssatzes bereits an der Feststellbarkeit objektiver Grausamkeit im Rechtssinne.
bb) Weiterhin ist in dubio pro reo nicht feststellbar, dass die dreiaktigen Tötungshandlungen von einer gefühllosen und mitleidlosen Gesinnung der Angeklagten getragen waren. Die Zufügung der insgesamt 18 Messerstiche diente naheliegend in erster Linie der vom Tötungsentschluss getragenen Überwindung des Widerstandes des Angegriffenen (vgl. dazu etwa die Einlassung des A.: „H. stach auf A. ein, bis dieser keinen Widerstand mehr geleistet hat.“). Die Zufügung der Schnittverletzungen zielte nach dem maßgeblichen Vorstellungsbild der Angeklagten auf die Beschleunigung des Todeseintritts des erkanntermaßen bereits tödlich Verletzten ab (oben C.VI.2.). Nach dem festgestellten Vorstellungsbild (allein) des Angeklagten H. diente indes die Knebelung und Fesselung des Schwerverletzten dazu, die Tötung des AL. möglichst „schändlich“ aussehen zu lassen (oben C.VI.3.) und mithin diesen herabzuwürdigen. Hieraus ist jedoch nicht der zwingende Schluss zu ziehen, dass H. die Knebelung und Fesselung auch deshalb anstrebte, um dem Opfer besondere Schmerzen und Qualen zuzufügen. Letztlich ist daher auf subjektiver Seite eine auf die Zufügung besonderer Schmerzen oder Qualen gerichtete unbarmherzige Gesinnung der Angeklagten im Zusammenhang mit der Tötung des AL. nicht belegbar.
5. Nicht: Verdeckungsabsicht
Allein in Bezug auf den Angeklagten H., dessen – vom Angeklagten A. nicht geteiltes -Begleitmotiv für die Tötung des AL. war, dass dieser von dem geplanten Überfall der Angeklagten auf den Nebenkläger EL. etwas mitbekommen (haben) könnte, weswegen er ihn als möglichen Belastungszeugen für die noch zu begehende Tat zum Nachteil des EL. ausschalten wollte (oben C.III.), stand weiterhin das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2 Gruppe 3 StGB im Raum.
Indessen fehlt es insoweit bereits an der Tatbestandsmäßigkeit – Absicht der Verdeckung einer bereits begangenen anderen Straftat -, da nach dem festgestellten Vorstellungsbild des H. die Tötung des AL. nicht der Verdeckung einer bereits begangenen Straftat (Verbrechensabrede zum Nachteil des EL.), sondern der Verdeckung einer erst noch zu begehenden zukünftigen Straftat („Raubmord“ zum Nachteil des EL.) dienen sollte. Nach dem Vorstellungshorizont des H. sollte AL. als möglicher Belastungszeuge nicht im Hinblick auf die noch nicht greifbar nach außen zutage getretene Verbrechensabrede zum Nachteil des EL., sondern als möglicher Belastungszeuge im Hinblick auf die erst noch sukzessive zu begehende Tötung des EL. „vorweggenommen“ ausgeschaltet werden.
Zudem war im Zusammenhang mit der Tötung des AL. das Verdeckungsmotiv in der Vorstellung des H. in keinem Fall handlungsleitend, sondern untergeordnet, da es (auch) H. maßgebend darauf ankam, den Geschädigten umzubringen, um ihn anschließend auszurauben, d.h. in den Besitz von Bargeld und Wertgegenständen des AL. zu gelangen. Erfährt der Tötungsentschluss durch das Vedeckungsmotiv indes nicht seine wesentliche Kennzeichnung, kann das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht angenommen werden (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 68a a.E. m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Im Übrigen wäre nach dem Vorstellungsbild des H. die Begehung des beabsichtigten „Raubmordes“ zum Nachteil des EL. durch die „vorgezogene“ Tötung des hiernach als Belastungszeuge in Betracht kommenden AL. nicht erleichtert worden, so dass insoweit auch nicht das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht in Rede steht.
6. Nicht: sonstige niedrige Beweggründe
Schließlich greift in Bezug auf den Angeklagten H. mit Blick auf dessen untergeordnete Begleitmotive (Ausschaltung des AL. als einen möglichen Belastungszeugen für den Fall der beabsichtigten Tötung des EL., allgemeine Abneigung des H. gegen AL.) auch nicht das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe nach § 211 Abs. 2 Gruppe 1 StGB durch.
Niedrige Motive liegen vor, wenn die Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehen, insbesondere wenn sich ein eklatantes Missverhältnis zwischen Anlass und Tat aufdrängt (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 14a ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der stRspr des Bundesgerichtshofs).
Zwar kann auch anlassloser Hass, sofern dieser seinerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruht, sonstige niedere Beweggründe begründen und kommt das weitere Begleitmotiv des H. (Ausschalten des AL. als denkbarer Belastungszeuge in Bezug auf eine noch zu begehende künftige Straftat) dem speziell geregelten Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht als Unterfall der niedrigen Beweggründe mit Blick auf die Verwerflichkeit des deliktischen Ziels der Tötung nahe.
Jedoch kann im Falle mehrerer Tatmotive („Motivbündel“) das Mordmerkmal der sonstigen niederen Beweggründe nur dann angenommen werden, wenn die „niedrigen“ die Hauptmotive sind (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211 Rn. 18 m.w.N.). Vorliegend war indes das handlungsbestimmende Hauptmotiv (auch) des H. „Habgier“, nämlich den Geschädigten A. umzubringen, um ihn anschließend auszurauben.
Soweit eines der positiv geregelten speziellen (und deshalb auch vorrangig zu prüfenden) Motiv- oder Absichtsmordmerkmale – hier: Habgier und Ermöglichungsabsicht – gegeben ist, kann darin freilich nicht zugleich auch noch ein „sonstiger“ niedriger Beweggrund erblickt werden (so explizit Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014, § 211 Rn. 14 m.w.N.).
III. Konkurrenzen
Mord und Raub mit Todesfolge stehen im Verhältnis der Tateinheit zueinander (vgl. nur BGHSt 39, 100 ff. = NJW 1993, 1662 ff.; BGH NStZ-RR 2003, 44). § 212 Abs. 1 StGB wird von § 211 Abs. 2 StGB, §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 a) und c), Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 StGB werden von § 251 StGB verdrängt.
F. Rechtsfolgen
1. Angeklagter H.
Gegen den Angeklagten H. war deshalb gemäß § 211 Abs. 1 StGB eine lebenslängliche Freiheitsstrafe auszusprechen (unten 1.). Zudem war in Bezug auf den Angeklagten H. festzustellen, dass die Schuld besonders schwer wiegt, § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB (unten 2.). Demgegenüber liegen die Voraussetzungen einer Maßregel der Besserung und Sicherung nicht vor, insbesondere nicht die Voraussetzungen des § 64 StGB und des § 66a Abs. 2 StGB (unten 3.). (…)
II. Angeklagter A.
In Bezug auf den Angeklagten A., der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, ist Jugendstrafrecht nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG anzuwenden (unten 1.) und die Verhängung einer Jugendstrafe geboten (unten 2.). Hiernach erachtet die Kammer unter Heranziehung der Strafrahmenerweiterung des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG die Verhängung einer Jugendstrafe von 12 Jahren zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten A. für geboten sowie tat- und schuldangemessen (unten 3.). Auch in Bezug auf den Angeklagten A. liegen die Voraussetzungen einer Maßregel der Besserung und Sicherung nicht vor (unten 4.).
1. Anwendung von Jugendstrafrecht
Nach Auffassung der Kammer ist auf den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre und 2 Wochen alten Angeklagten A. Jugendstrafrecht anzuwenden, da eine Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Tatzeit nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG (unten b), während demgegenüber mit Blick auf den Organisationgrad der Tat eine Jugendverfehlung im Sinne von § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG nicht vorliegt (unten a).
Vorauszuschicken ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht nicht im Verhältnis von Regel und Ausnahme zueinander steht, sondern es sich um gleichrangige Alternativen handelt, zwischen denen zu entscheiden ist. Nur wenn das Gericht nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten Zweifel nicht beheben kann, ist Jugendrecht anzuwenden (BGHSt 12, 116, 119; 36, 37, 40; stRspr).
§ 105 Abs. 1 JGG sieht für die Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende wiederum zwei selbständige Voraussetzungen vor, die jeweils zu prüfen sind, nämlich den Entwicklungsgleichstand mit einem Jugendlichen (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) und die „Jugendverfehlung“ (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG). Während die erste Betrachtung gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG persönlichkeitsorientiert ist, erfolgt die zweite Bewertung gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG tatorientiert.
a) Keine jugendtypische Verfehlung, § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG
Die Annahme einer solchen Jugendverfehlung ist nicht auf bestimmte Deliktstypen beschränkt, sondern kommt stets – auch bei schweren Gewaltdelikten – in Betracht, wenn die Tat – entweder im Hinblick auf die Umstände der Tatbegehung oder die Tatmotivation – von jugendlichem Leichtsinn, Unüberlegtheit oder sozialer Unreife bzw. durch einen Mangel an Ausgeglichenheit, Besonnenheit und Hemmungsvermögen geprägt ist. Nur Straftaten, deren Begehung sich durch ein hohes Maß an Organisationsvermögen auszeichnen, fallen nicht in diese Kategorie (BGH, NStZ 2001, 102; NStZ 2008, 696; NStZ 2014, 408/409).
Hier handelte der Angeklagte A. mitnichten leichtsinnig und unüberlegt, sondern überlegt, präpariert und mit Kalkül, indem er zusammen mit dem Angeklagten H. einen detaillierten Tatplan zum Nachteil des AL. entwickelte und umsetzte (oben C.III.).
Die Kammer ist daher überzeugt, dass es sich nach der Art, den Umständen und den Beweggründen des „Raubmordes“ zum Nachteil des AL. nicht um eine Jugendverfehlung handelte.
Es kam daher vorliegend auf die persönlichkeitsorientierte Betrachtung gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG an.
b) Entwicklungsgleichstand mit einem Jugendlichen, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG
Im Übereinstimmung mit der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe hat die Jugendkammer bei dem Heranwachsenden A. kein Erwachsenstrafrecht, sondern gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewandt.
aa) Nach dieser Vorschrift ist Jugendrecht anzuwenden, wenn die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand. Maßgebend kommt es dabei darauf an, ob der Heranwachsende sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet, ob also noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind. Maßstab für die Reifebeurteilung ist nicht das Zurückbleiben hinter einem imaginären Durchschnitt Gleichaltriger, weil es keinen bestimmten, sicher abgrenzbaren Typ des Jugendlichen oder Heranwachsenden gebe. Auch das äußere Erscheinungsbild ist nicht ausschlaggebend, sondern eben die Tatsache, ob noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirksam sind (BGHSt 12, 116, 118 f.; 22, 41, 42 f.; 36, 37, 39 f.; BGH, NStZ-RR 2011, 218; BGH, NStZ 2013, 289; stRpsr).
bb) Die Kammer ist davon überzeugt, dass der zur Tatzeit 19 Jahre und 2 Wochen alte Angeklagte H. zu diesem Zeitpunkt in seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, weil bei ihm noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirksam waren und er sich in einem für Jugendliche typischen noch unausgereiftem Entwicklungsprozess befand. Hierfür spricht bereits die spezifische, entwurzelte Lebenssituation des A., der seine Heimat Syrien und seine Familie im Alter von 17 Jahren verließ, um nach Deutschland überzusiedeln und dort Asyl zu beantragen. Damit ging eine abrupte Herauslösung aus dem bislang erlebten familiären und kulturellen Umfeld (A. hatte bisher ausschließlich in der Wohnung seiner Eltern zusammen mit seinen Geschwistern gelebt) einher. Im für ihn fremden Deutschland hatte A. erhebliche Anpassungsschwierigkeiten, er vermisste seine Familie und Heimat sehr und hatte große Schwierigkeiten, sich auf die Unterstützungsangebote der Jugendhilfe sowie Integrationshilfen einzulassen. Auch seine schulische und berufliche Entwicklung war von großen Reifedefiziten geprägt, er besuchte die Schule ohnehin nur unregelmäßig, zuletzt kaum mehr und hatte keinerlei berufliche Perspektiven. Ein ihm vermitteltes berufliches Praktikum brach er nach wenigen Tagen unentschuldigt ab. Bis zu seiner Inhaftierung zeigte er auch am Erlernen der deutschen Sprache kein Interesse. Stattdessen wandte er sich einer Gruppe etwa gleichaltriger syrischer Männer zu und lebte mit diesen ein genuin jugendtypisches, pflichtfreies Leben in der Clique ohne feste Strukturen. Er kochte fast nie und verrichtete auch nie Hausarbeiten. Oft übernachtete er bei seinen Freunden. Er ging zusammen mit seinen syrischen Freunden regelmäßig bis spät in die Nacht „feiern“ und konsumierte häufig Alkohol und Drogen, was seit etwa Frühjahr 2017 zu eine Abhängigkeit von multiplen Substanzen (Cannabis, gegebenenfalls Alkohol und Opioide) führte und für seine Entwicklung zusätzlich destabilisierend wirkte. Terminen mit Behörden oder pädagogischen Fachkräften blieb er häufig unentschuldigt fern. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass die geistige und sittliche Entwicklung des Angeklagten A. mit Blick auf die gänzlich fehlende perspektivische Lebensplanung erheblich verzögert und die Anwendung von Jugendstrafrecht angezeigt war.
cc) Für eine der Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht entgegenstehende Entwicklungsunfähigkeit wegen unbehebbarer Entwicklungsrückstände und Unmöglichkeit der Nachreifung (vgl. BGHSt 22, 41 f.; BGH, NJW 2002, 73 ff., BGH, NStZ-RR 2003, 186; BGH, NStZ 2004, 294; BGH, NStZ-RR 2011, 218 f.) spricht vorliegend nichts, zumal der Angeklagte A. durchschnittlich intelligent ist und nach dem Eindruck, den er in Hauptverhandlung auf die Kammer gemacht hat, gerade in der Lage ist, sich positiv zu entwickeln (selbstkritische Reflexion eigenen Fehlverhaltens vor der Inhaftierung, Erwerb von Grundkenntnissen der deutschen Sprache in der Haft).
2. Verhängung von Jugendstrafe, § 17 Abs. 2 JGG
Die Voraussetzungen der §§ 105 Abs. 1, 17 Abs. 2 JGG liegen vor, wonach Jugendstrafe verhängt wird, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Heranwachsenden, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Sowohl das Vorhandensein schädlicher Neigungen (unten a) als auch die Schwere der Schuld (unten b) gebieten hier die Verhängung einer Jugendstrafe.
a) Schädliche Neigungen
Nach Überzeugung der Kammer sind beim Angeklagten A. schädliche Neigungen in der Tat sowie in seinem weiteren (Vortat-)Verhalten erkennbar, also Anlage- oder Erziehungsmängel, die bereits vor Tatbegehung bestanden und darauf Einfluss hatten, zum Urteilszeitpunkt noch vorhanden sind und ohne längere Gesamterziehung die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten in sich bergen (statt vieler BGH, NStZ-RR 2015, 154 f.; stRspr).
Der Angeklagte A. ist zwar nicht vorbestraft. Jedoch erwog er bereits vor der Begehung der gegenständlichen Tat mit dem Angeklagten H. illegale Möglichkeiten (Handeltreiben mit Betäubungsmittel und Sprengung eines Zigarettenautomaten), um seine finanzielle Lage zu verbessern. Zudem fasste er gemeinsam mit H. den ernstlichen Plan, einen weiteren „Raubmord“ zum Nachteil des EL. gemeinschaftlich zu begehen, und suchte den EL. zu diesem Zweck sogar bewaffnet auf, ohne dass verkannt wird, dass dieses Vorhaben nicht das Versuchsstadium erreichte und letztlich aufgegeben wurde. Weiterhin wirkte die bei ihm festgestellte Abhängigkeit von multiplen Substanzen (Cannabis, gegebenenfalls Alkohol und Opioide) erheblich destabilisierend.
Eingedenk der schwerwiegenden gegenständlichen Tat zum Nachteil des AL. (Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge unter Verwirklichung dreier Mordmerkmale) weisen nach Auffassung der Kammer die aufgezeigten Gesamtumstände daraufhin, dass beim Angeklagten A. Persönlichkeitsmängel vorliegen, die ohne längere Gesamterziehung des Strafvollzugs die Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten in sich bergen.
b) Schwere der Schuld
Die Kammer sieht auch die zweite Voraussetzung für die Verhängung von Jugendstrafe gemäß § 17 Abs. 2 JGG, nämlich die Schwere der Schuld, als erfüllt an.
Sie ist sowohl nach dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat, dem aber keine selbständige, sondern nur indizielle Bedeutung zukommt, als auch maßgeblich nach der inneren Tatseite (Persönlichkeit, Tatmotivation, Bezug zur Tat, Grad der Schuldfähigkeit) zu bewerten. Dabei sind zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld auch die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts einschließlich etwaiger gesetzlich vertypter Milderungsgründe als Maßstab heranzuziehen, weil darin die gesetzgeberische Einstufung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt (BGH, NStZ-RR 2014, 119 f.; BGH, NStZ-RR 2015, 155 f.). Von dem teilweise verlangten Erfordernis einer darüber hinaus noch bestehenden Notwendigkeit und Möglichkeit der besonderen erzieherischen Einwirkung (z.B. BGHSt 16, 261, 263) hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 06.05.2013 – 1 StR 178/13 -, Rn. 9, juris = NStZ 2013, 658 f.) inzwischen Abstand genommen, weil weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des § 17 Abs. 2 JGG eine Stütze hierfür ergäben.
In jedem Fall bejaht die Kammer vorliegend bei dem Angeklagten A. sowohl die Notwendigkeit und die Möglichkeit einer besonderen erzieherischen Einwirkung (oben a) und 1.b) als auch die sonstigen Voraussetzungen für die Annahme der „Schwere der Schuld“.
Das äußere Tatbild und die Tatumstände begründen einen ausgesprochen schwerwiegenden äußeren Unrechtsgehalt (Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge unter Verwirklichung dreier Mordmerkmale; brutale Tötung). Dieser erlaubt einen Rückschluss auf die innere Tatseite und eine unzulängliche charakterliche Haltung, die ebenso gravierend ist. Auch in den konkreten eigenhändigen Tatbeiträgen des A. (mindestens erster Stich von hinten in den Hals des Attackierten; weiteres Festhalten, um dem Tatgenossen ein weiteres Einstechen zu ermöglichen; Mitwirkung an Knebelung und Fesselung des erkanntermaßen tödlich Verletzten) kommt eine besonders niedrige Hemmschwelle zum Ausdruck, zumal es keine Beziehung zwischen ihm und dem Opfer AL. gab. Dem entsprechen die für Mord und Raub mit Todesfolge im allgemeinen Strafrecht vorgesehenen, sehr weit reichenden Strafrahmen (§ 211 Abs. 1 StGB sieht für den Mord als absolute Strafdrohung lebenslange Freiheitsstrafe vor, § 251 StGB eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren).
3. Strafrahmenwahl, § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG
Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG, § 105 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 JGG beträgt – für Heranwachsende bei Anwendung von Jugendstrafrecht – der reguläre Strafrahmen der Jugendstrafe sechs Monate bis zu 10 Jahren.
Durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Erweiterung der jugendrechtlichen Handlungsmöglichkeiten vom 04.09.2012 (BGBl. 2012 I S. 1854 ff.), in Kraft getreten am 08.09.2012, wurde § 105 Abs. 3 Satz 2 neu in das JGG eingefügt: Danach beträgt das Höchstmaß der Jugendstrafe 15 Jahre, wenn es sich bei der Tat um Mord handelt und wegen der besonderen Schwere der Schuld das Höchstmaß von 10 Jahren nicht ausreicht.
Aus Sicht der Kammer ist vorliegend der erweiterte Strafrahmen des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG heranzuziehen, da es sich bei der abzuurteilenden Tat um einen Mord handelt (oben E.I., II.1.-3.), die Schuld auch des Angeklagten A. besonders schwer wiegt (unten a) und deswegen das allgemeine Höchstmaß von 10 Jahren nicht mehr ausreicht (unten b). Der Feststellung der besonderen Schuldschwere im Rahmen von § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG im Urteilstenor bedarf es mangels Bedürfnisses hierzu indes nicht, weil der zu einer Jugendstrafe von über zehn Jahren verurteilte Heranwachsende auch ohne ausdrückliche Feststellung der besonderen Schuldschwere in der Urteilsformel anhand der verhängten Strafe sowohl deren Länge als auch den Umstand ermessen kann, dass das Jugendgericht die besondere Schwere der Schuld angenommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 08.11.2016 – 5 StR 390/16 – Rn. 11, juris = BGHSt 61, 302 ff. = NJW 2017, 1252 f.)
a) Besondere Schwere der Schuld
Die individuelle Schuld des Angeklagten A. wiegt besonders schwer.
aa) Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, ist unter Abwägung aller im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2016 – 5 StR 524/15 -, Rn. 9 m.w.N., juris = BGHSt 61, 193 ff. = NJW 2016, 2674 f.; oben I.2.a). Die von der Rechtsprechung zu § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB entwickelten Maßstäbe sind gleichermaßen auf § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG anzuwenden. Hierfür spricht bereits der insoweit identische Wortlaut der beiden Vorschriften. Darüber hinaus steht diese Auslegung im Einklang mit dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Die Begründung des Koalitionsentwurfs führt hierzu aus: „Auch wenn das Jugendstrafrecht vom Erziehungsgedanken geleitet wird und insbesondere bei seiner Anwendung im Einzelfall erzieherische und spezialpräventiv behandlungsorientierte Aspekte im Vordergrund stehen, bleibt es vom Ausgangspunkt her Strafrecht und muss deshalb angemessene Reaktionsmöglichkeiten auf strafrechtlich vorwerfbares Unrecht bereitstellen“ (BT-Drucks. 17/9389 S. 8). Durch § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG soll demnach in Fällen des Mordes einer besonders schweren Schuld Rechnung getragen werden können, wenn das allgemeine Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende von zehn Jahren dafür im Einzelfall auch unter Berücksichtigung des das Jugendstrafrecht leitenden Erziehungsgedankens nicht ausreicht (vgl. BT-Drucks. a.a.O. S. 8 f., 20). Aufgrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung kommt hier dem Gebot gerechten Schuldausgleichs gegenüber dem Erziehungsgedanken Vorrang zu. Dieser ist im Übrigen Grund dafür, dass im Unterschied zum allgemeinen Strafrecht das Höchstmaß der Jugendstrafe zeitlich begrenzt ist (BGH, Urteil vom 22.06 2016 – 5 StR 524/15 -, Rn. 11 m.w.N., juris = BGHSt 61, 193 ff. = NJW 2016, 2674 f.; BGH, Beschluss vom 08.11.2016 – 5 StR 390/16 -Rn. 8, juris = BGHSt 61, 302 ff. = NJW 2017, 1252 f.).
bb) Auch unter Berücksichtigung des das Jugendstrafrecht beherrschenden Erziehungsgedankens (vgl. §§ 105 Abs. 1, 18 Abs. 2 JGG) überwiegen nach einer Gesamtwürdigung der Tat und Täterpersönlichkeit, insbesondere einer Abwägung aller im Einzelfall für und gegen den Angeklagten A. sprechenden Umstände, die schuldsteigernden Aspekte derart, dass seine individuelle Schuld besonders schwer wiegt.
Schuldmildernd war dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass
– der Angeklagte A. nicht vorbestraft ist,
– er zu einem frühen Zeitpunkt des Ermittlungsverfahrens weit überwiegend geständig war und seine eigenen gewichtigen Tatbeiträge einräumte (etwa erster Stich von hinten in den Hals des Geschädigten A.; Festhalten während des Kampfgeschehens, um dem Tatgenossen H. ein weiteres Einstechen zu erleichtern; Mitwirkung an Knebelung und Fesselung; Erlangung der Hälfte des erbeuteten Bargeldes),
– sein Lebenslauf von ungünstigen Umständen geprägt ist (Entwurzelung und Heimweh nach Verlassen seiner syrischen Heimat im jugendlichen Alter von 17 Jahren; starke Anpassungsschwierigkeiten in Deutschland; weitere Destabilisierung durch Alkohol- und Drogenabhängigkeit seit etwa Frühjahr 2016),
– er zur Tatzeit alkohol- und drogenbedingt enthemmt war, ohne dass dies seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in relevanter Weise beeinträchtigte,
– er zur Tatzeit erst 19 Jahre und 2 Wochen und zum Zeitpunkt der Verurteilung erst 20 Jahre und 7 Wochen alt war und als relativ junger Mensch, dessen Reifeentwicklung unfraglich noch nicht abgeschlossen ist, durch die langfristige Einwirkung des Jugendstrafvollzugs in besonderem Maße positiv geprägt werden kann,
– er in der Hauptverhandlung sein Bedauern über seine Beteiligung an der Tat zum Nachteil des Geschädigten A. und der Verabredung der beabsichtigten Tat zum Nachteil des Nebenklägers EL. verbal bekundete
– er nicht die „treibende Kraft“ im Hinblick auf die Idee und die Auswahl des Geschädigten AL. als „geeignetes“ Opfer war (ebenso wie mit Blick auf den beabsichtigten „Raubmord“ zum Nachteil des Nebenklägers EL.), und
– er sich mit der Freigabe des aus der Tatbeute stammenden, bei ihm sichergestellten restlichen Geldes (520,- EUR) zugunsten der Berechtigten sowie mit der form- und ersatzlosen Einziehung der Tatmesser und seines sichergestellten Mobiltelefons einverstanden erklärte.
Schulderschwerend wirkt sich hingegen insbesondere aus, dass
– der Angeklagte A. durch eine tatbestandliche Handlungseinheit zugleich zwei schwerwiegende Straftaten (Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge) und in seiner Person drei Mordmerkmale (Habgier, Heimtücke und Ermöglichungsabsicht) verwirklichte, ohne dass verkannt wird, dass sich beim Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und „Raubmord“, welcher regelmäßig mit der gleichzeitigen Erfüllung der Mordmerkmale der Habgier und Ermöglichungsabsicht einhergeht, der Unrechtskern beider Tatbestände weitgehend überschneidet (vgl. BGH, NStZ 2014, 212 sowie BGH, Urteil vom 08.10.2008 – 4 StR 354/08 – Rn. 9, juris = NStZ 2009, 203 f.), so dass sich insoweit in erster Linie die verwerfliche „heimtückische“ Ausführung des Raubmordes schuldsteigernd auswirkt,
– er sich mit dem Angeklagten H. dazu verabredete, einen weiteren „Raubmord“ zum Nachteil eines weiteren Menschen (Nebenkläger EL.) zu begehen, und sich in Ausübung dieses Vorhabens gemeinsam mit A. bewaffnet zum Zimmer des EL. in einer Weise begab (oben C.III.), so dass die geplante Tat die Nähe des Versuchsstadiums erreichte, ohne dass verkannt wird, dass die Angeklagten von der Verbrechensverabredung strafbefreiend zurückgetreten sind (unten G.III.2.), so dass sich allein schuldsteigernd auswirken kann, die darin zum Ausdruck kommende gleichgültige Einstellung des A. gegenüber dem Lebensrecht anderer Menschen,
– der Angriff auf das Leben des Geschädigten AL. gemeinschaftlich ausgeführt wurde, was die Gefährlichkeit des Angriffs wegen der damit verbundenen eingeschränkteren Abwehrmöglichkeiten des Attackierten von vornherein und tatsächlich erhöhte (etwa erster Stich in den Hals durch AL., daraufhin sogleich Stich in den Bauch durch H. bzw. Festhalten des AL. durch A., währende H. weiter auf ihn einstach),
– die Tatausführung ausgesprochen brutal und extrem schmerzhaft war und in objektiver Hinsicht dem Mordmerkmal der Grausamkeit nahe kommt (18 Messerstiche in Hals, Brust, Bauch und Körperflanke; zahlreiche Messerschnitte an Unterarmen und einem Unterschenkel, als sich der Geschädigte AL. erkanntermaßen bereits in einem schwer verletzten, wehrunfähigen Zustand befand; Knebelung und Fesselung des Opfers, was erkanntermaßen seine Atemtätigkeit erheblich beeinträchtigte, als er sich bereits im Todeskampf befand), wobei der Angeklagte A. zwar allein den (wuchtigen) ersten Stich von hinten in den Hals des Attackierten eigenhändig ausführte, dieser jedoch den Beginn des todbringenden Angriffs auf das Leben des AL. markierte („Dammbrucheffekt) und für sich genommen bereits potentiell tödlich war, mithin eine erhebliche Hemmschwelle von A. eigeninitiativ überschritten wurde und er sich auch am weiteren Kampfgeschehen sowie am Raubelement in erheblicher Weise eigenhändig beteiligte (Festhalten des AL., um seinen Widerstand zu brechen und H. ein weiteres Einstechen zu ermöglichen; Mitwirkung an der Knebelung und Fesselung des bereits tödlich Verletzten; Erhalt nahezu der Hälfte des erbeuteten Bargeldes), sowie
– dass er sich in den Folgetagen nach der Tatbegehung – bis auf den „Offenbarungsversuch“ in alkoholisiertem Zustand am Abend des 20.01.2017 gegenüber seinem Freund M. – in einer Weise unbeeindruckt gerierte („Feierngehen“ und „Spaßhaben“ mit Freunden, Geschlechtsverkehr mit Freundin, als ob nichts passiert wäre, oben C.IX), die auf eine besondere Gleichgültigkeit gegenüber dem Lebensrecht des Getöteten schließen lässt, was auch dem Eindruck entspricht, den sämtliche Vernehmungspersonen einschließlich Kammer auch vom Angeklagten A. gewannen, der die tatrelevanten Geschehnisse stets sachlichnüchtern und distanziert schilderte, ohne irgendeine Form von Betroffenheit oder Emotion zu zeigen; Anzeichen von Betroffenheit und Emotionen legte der A. nur dann an den Tag, als es um seine Situation (Inhaftierung, Trennung von und Enttäuschung der Familie) ging.
Nach Auffassung der Kammer überwiegen die schulderschwerenden Umstände, insbesondere die gleichzeitige Verwirklichung nicht nur der regelmäßig mit der Begehung eines Raubmordes verbundenen Mordmerkmale der Habgier und Ermöglichungsabsicht, sondern auch des Mordmerkmals der Heimtücke sowie das überaus brutale Tatbild, die schuldmildernden Aspekte derart, dass die individuelle Schuld auch des Angeklagten A. besonders schwer wiegt im Sinne von § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG. Zudem lassen auch in Bezug auf A. in der Gesamtschau
– die in der Nähe von objektiver Grausamkeit anzusiedelnden Tatmodalitäten (insbesondere Stich von hinten in den Hals des arg- und wehrlosen Opfers; weiteres Festhalten des Attackierten, um seinen Widerstand zu brechen und dem Tatgenossen ein weiteres Einstechen zu ermöglichen; Mitwirkung an Knebelung und Fesselung eines bereits Schwerverletzten),
– die Motivlage („Habgier“),
– die zunächst ernstliche Verabredung zur Begehung eines „Raubmordes“ zum Nachteil einer weiteren Person (Nebenkläger EL.) sowie
– das Nachtatverhalten des A. (weit überwiegende Unbeeindrucktheit) seine außerordentlich gleichgültige Einstellung gegenüber dem Lebensrecht anderer Menschen erkennen, welche ihrerseits die besondere Schwere seiner Tatschuld unterstreicht.
b) Allgemeines Höchstmaß von 10 Jahren nicht ausreichend
Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände reicht auch unter Berücksichtigung des leitenden Erziehungsgedankens nach Ansicht der Kammer das allgemeine Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende von 10 Jahren nicht mehr aus, um der soeben dargestellten besonders schweren Schuld Rechnung zu tragen. Vielmehr erschien die Anwendung des besonderen Strafrahmens aus § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG, der Jugendstrafe bis zu 15 Jahren vorsieht, geboten, zumal eine langfristige erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten A. erforderlich sein wird.
aa) Zunächst hat die Kammer folgende Strafzumessungsgrundsätze zugrunde gelegt: Auch dann, wenn die Jugendstrafe nicht (nur) wegen schädlicher Neigungen, sondern (auch) wegen der Schwere der Schuld verhängt wird, ist bei der Bemessung der Dauer der Jugendstrafe zuvorderst der jugendrechtliche Strafrahmen zu betrachten. Daneben sind wertungsmäßig die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts, insbesondere mit Blick auf etwaige gesetzlich vertypter Milderungsgründe zu berücksichtigen und dann die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und der Erziehungsbedarf zu gewichten. Denn dem Erziehungsgedanken (vgl. § 18 Abs. 2 JGG) muss die ihm zukommende Beachtung geschenkt und das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafverbüßung für die weitere Entwicklung des Täters abgewogen werden. Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe bemisst sich ihre Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten (vgl. BGH, StV 2013, 37 f.; BGH StV 2014, 742 f.; BGH, NStZ 2014, 407 f.; BGH, Beschluss vom 19.04.2016 – 1 StR 95/16 – Rn. 5 m.w.N., juris = NStZ 2016, 683; BGH, NStZ-RR 2017, 231). Neben der Erziehungswirksamkeit sind aber auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen insbesondere auch der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten (BGH, StV 1994, 598 f.; BGH, Urteil vom 04.08.2016 – 4 StR 142/16 – Rn. 13 m.w.N., juris = NStZ-RR 2016, 325 f.).
bb) In concreto hat die Kammer sämtliche unter a) bb) aufgeführte Kriterien nochmals gegeneinander abgewogen und ein deutliches Überwiegen der schulderschwerenden Umstände ausgemacht. Zudem hat die Kammer mit Blick auf die in den Tatmodalitäten und Begleitumständen (Erfüllung von drei Mordmerkmalen; gewichtige eigenhändige Beiträge an der Tötung des Opfers, insbesondere Initiierung des unmittelbaren Angriffs auf das Leben des Opfer durch den ersten Stich von hinten in den Hals; ernstliche Verabredung eines „Raubmordes“ zum Nachteil eines weiteren Menschen; annähernde Unbeeindrucktheit in den Folgetagen nach der Tat) zutage getretenen grundlegenden charakterlichen Mängel des Angeklagten A. einen langfristigen Erziehungsbedarf festgestellt Letztlich reicht auch unter Beachtung des erzieherischen Leitbildes des Jugendstrafrechts das Höchstmaß von 10 Jahren nicht mehr aus, um eine dem verwirklichten Tatunrecht angemessene punktuelle Strafe zu finden. Dabei hat die Kammer auch nicht verkannt, dass der Angeklagte A. bei Verhängung einer Jugendstrafe von über 10 Jahren im Falle ihrer Vollverbüßung über 30 Jahre alt sein wird und damit in wesentlichen Jahren seines jungen Erwachsenalters nicht die Möglichkeit haben wird, sich unter realitätsnahen freiheitlichen Bedingungen zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Allein die besondere Schwere der Schuld lässt dies als verhältnismäßig erscheinen, zumal dem Angeklagten A. die Konsequenzen seines gravierend sozialund individualschädlichen Fehlverhaltens nachhaltig vor Augen zu führen sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten A., der in Deutschland bislang weder schulische noch berufliche Perspektiven entwickelt hatte, im Rahmen der langjährigen beschützenden Umgebung des (Jugend-)Strafvollzugs werthaltige Angebote der schulischen und beruflichen (Aus-)Bildung sowie des Erwerbs vertiefter Kenntnisse der deutschen Sprache zur Verfügung stehen werden, deren Wahrnehmung eine beachtliche Nachreifung bewirken können
4. Bemessung der Dauer der Jugendstrafe, § 18 Abs. 2 JGG, § 46 StGB
Innerhalb des hiernach maßgeblichen Strafrahmens des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG hat die Kammer bei der Abwägung der für und gegen den Angeklagten A. sprechenden Umstände unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens der §§ 105 Abs. 1, 18 Abs. 2 JGG und der Grundsätze des § 46 StGB alle zuvor im Rahmen der Strafrahmenwahl genannten Strafzumessungskriterien sowie die Folgen der Strafverbüßung für seine Entwicklung nochmals herangezogen, geprüft, und bewertet. Im Einzelnen wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen (oben 3.a) bb) und 3.b) bb).
Nach Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten A. sprechender Umstände, nach Abwägung zwischen Tatunrecht und Folgen der Strafverbüßung für die Entwicklung des Angeklagten und unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens erschien der Kammer für die gegenständliche Tat zum Nachteil des Geschädigten A. die Verhängung einer Jugendstrafe von 12 Jahren für tat- und schuldangemessen, erzieherisch geboten und verhältnismäßig (§ 18 Abs. 2 JGG).
5. Keine Maßregel der Besserung und Sicherung
Die Voraussetzungen einer Maßregelung der Besserung und Sicherung liegen auch hinsichtlich des Angeklagten A. nicht vor. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach den §§ 105 Abs. 1, 7 Abs. 1 JGG, § 63 StGB scheidet von vornherein mangels (überdauernder) psychischer Störung des Angeklagten A. aus.
a) Nicht: Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Eine Unterbringung in eine Entziehungsanstalt nach §§ 105 Abs. 1, 7 Abs. 1 JGG, § 64 Satz 1 StGB kam trotz der Abhängigkeit des Angeklagten A. von multiplen Substanzen (Cannabis, gegebenenfalls Alkohol und Opioide) und des Umstandes, dass er die Tat im Zustand eines (mittelgradigen) Alkohol- und Cannabisrausches beging, nicht in Betracht. In Übereinstimmung mit der Würdigung des Sachverständigen Prof. Dr. V. kommt die Kammer auch in Bezug auf den Angeklagten A. zu dem Ergebnis, dass ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Rauschmittelmissbrauch und Anlasstat ebenso wenig wie eine hangbedingte negative Gefahrenprognose sicher feststellbar sind. Insoweit greifen gleichermaßen die entsprechenden – den Angeklagten H. betreffenden – Erwägungen Platz, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen wird
b) Nicht: Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung
Aus den entsprechenden vorstehenden Erwägungen betreffend H., die gleichermaßen (erst recht) für den Angeklagten A. Geltung beanspruchen, kommt auch in Bezug auf diesen die Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach §§ 105 Abs. 1, 7 Abs. 2 Satz 1 JGG bereits tatbestandlich nicht in Betracht. In Übereinstimmung mit der diesbezüglichen Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. V. kommt die Kammer auch hinsichtlich des Angeklagten A., der im Gegensatz zum Angeklagten H. vor der gegenständlichen Tatbegehung noch nicht einmal polizeilich in Erscheinung getreten ist, zu dem Ergebnis, dass mangels belastbarer tatsächlicher Anknüpfungspunkte eine „Hangtäterschaft“ im Sinne der §§ 105 Abs. 1, 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JGG nicht feststellbar ist. Auch nach einer Gesamtwürdigung der Person des A. und der hiesigen Tat kann – zumal in Anwendung des Zweifelssatzes – nicht davon ausgegangen werden, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut gewichtige Gewaltstraftaten begehen wird.
G. Freispruch im Übrigen
Soweit den Angeklagten zur Last gelegt wurde, sich mit Blick auf den von ihnen spätestens im Verlauf des 19.01.2017 ernstlich gefassten Tatplan, gemeinschaftlich den Nebenkläger EL. umzubringen und auszurauben, wegen der Verabredung eines Verbrechens gemäß § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht zu haben, waren sie aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da sie von der erwiesenen Verbrechensabrede jeweils gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB freiwillig und mithin strafbefreiend zurückgetreten sind.
I. Tatvorwurf
Die Staatsanwaltschaft legte den Angeklagten in der Anklageschrift – über die Begehung eines Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zum Nachteil des M. A. – Folgendes zur Last:
„Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt etwa eine Woche vor dem 19.01.2017 fassten die Angeklagten im Fastfood-Restaurant M. in der Nähe des Bahnhofes in B. den Entschluss, den im 3. Stock der Asylbewerberunterkunft S-Str. 2 in Z./U. wohnenden Asylbewerber El., Spitzname „St.“, von dem sie annahmen, dass er sich im Besitz von Bargeld, Handy und Laptop befindet, im bewussten und gewollten Zusammenwirken gemeinsam zu töten und auszurauben. Der Angeklagte H., von dem die Idee kam, hatte sich zu diesem Zweck bereits am 08.01. oder 09.01.2017 ein feststehendes Messer mit Horngriff mit einer Gesamtlänge von 32,5 cm und einer Klingenlänge von 19,5 cm besorgt. In Ausführung des gefassten Tatentschlusses fuhren beide Angeklagte am frühen Abend des 19.01.2017 zur Unterkunft des Angeklagten A., T.-Str. 3 in L., und nahmen dort ein weiteres Messer, Marke Laguiole, mit einer Gesamtlänge von 23 cm und einer Klingenlänge von 11 cm, an sich. Nachdem sie dort zusammen mit anderen Asylbewerbern mehrere Joints geraucht hatten, fuhren sie zwischen 21.30 Uhr und 22.00 Uhr zur Asylbewerberunterkunft in U., wo sie im Zimmer Nr. 5 des Beschuldigten H. im Erdgeschoss einige Gläser Wodka mit Orangensaft tranken.
Zwischen 23.00 Uhr und 23.45 Uhr begaben sich die Angeklagten mit den beiden Messern in ihren Hosentaschen zum Zimmer des El., um diesen zu erstechen und auszurauben, wobei sie vereinbart hatten, dass der Geschädigte zunächst nach einem Handy-Ladekabel gefragt und dann vom Angeklagten H. festgehalten werden sollte. Anschließend sollte der Angeklagte A. mit dem Messer zustechen. Da El. die Zimmertüre nicht öffnete, gingen die Angeklagten unverrichteter Dinge, erschienen jedoch ca. 20 bis 30 Minuten später erneut an der Tür des El. im Dachgeschoss der Unterkunft. Als der Geschädigte nun öffnete und auf Frage erklärte, dass er ein solches Ladekabel nicht besitze, sahen die Angeklagten zunächst erneut von einer weiteren Tatausführung ab und gingen zurück in das Zimmer des Angeklagten H. im Erdgeschoss.
Auf dem Weg dorthin sahen sie im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss des Anwesens den Asylbewerber M. AL., gegen den der Angeklagte H. eine Abneigung hegte und den er schon seit längerem nach vorangegangenem eigenem Alkoholkonsum in eine Auseinandersetzung verwickeln und dann „schlagen“ wollte, gemeinsam mit einem weiteren äthiopischen Asylbewerber vor dem Fernseher sitzen. Die Angeklagten änderten daraufhin im Zimmer des Angeklagten H. auf dessen Betreiben hin ihren Tatplan dahingehend, zunächst im bewussten und gewollten Zusammenwirken M. AL. zu erstechen und auszurauben, zumal sie annahmen, dieser könne von ihrem Vorhaben hinsichtlich Bassam El. etwas mitbekommen haben. Zudem ging der Angeschuldigte H., der früher einige Zeit mit M. AL. ein gemeinsames Zimmer bewohnte, davon aus, dieser sei ebenfalls im Besitz von Bargeld und anderen stehlenswerten Gegenständen. Im Anschluss -so der gemeinsame Tatplansollte dann noch das ursprüngliche Vorhaben, den Geschädigten El. zu töten und auszurauben, in die Tat umgesetzt werden (…).
Anschließend (Anmerkung: Nach der gemeinschaftlichen Tötung des AL. durch die Angeklagten) durchsuchte der Angeklagte H. das Zimmer nach stehlenswerten Gegenständen und nahm unter anderem das Mobiltelefon des Geschädigten, dessen Zimmerschlüssel, Zugfahrkarten und Bargeld in Höhe von etwa 1.260,00 € an sich, bevor sich beide zurück ins Zimmer des H. im Erdgeschoss begaben. Ihren ursprünglichen Tatplan, nunmehr auch noch Bassam El. zu erstechen und auszurauben, setzten die Angeklagten nicht mehr in die Tat um, weil der Angeklagte A. psychisch und körperlich aufgrund der vorangegangenen Tat -der Angeklagte A. musste sich nach der Ermordung des M. AL. übergeben und zitterte am ganzen Körperdazu nicht mehr in der Lage war und H. allein die Tat nicht wie geplant durchführen konnte.
Von dem entwendeten Bargeld übergab der Angeklagte H. dem Angeklagten A. den hälftigen Betrag in Höhe von 630 €.“
In Bezug auf EL. erachtete die Staatsanwaltschaft die Angeklagten für schuldig der Verabredung eines Verbrechens nach § 30 Abs. 2 StGB, die im Verhältnis zum vollendeten Tötungsdelikt zum Nachteil des A_. in Tatmehrheit stehe. An einem strafbefreienden Rücktritt gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB würde es jedenfalls mangels Freiwilligkeit fehlen, da die verabredete Tat allein deshalb nicht mehr ausgeführt worden sei, weil der Angeklagte A. aufgrund seines psychischen und körperlichen Zustandes nicht mehr dazu in der Lage gewesen wäre und die Tat vom Angeklagten H. allein -nach dem verabredeten Tatplan – nicht begangen werden hätte können.
II. Feststellungen der Kammer
Im Hinblick auf den von der Kammer festgestellten, den Nebenkläger EL. betreffenden Sachverhalt wird zur Vermeidung von Redundanz auf die Wiedergabe unter C.II., III. und VII. verwiesen (.).
III. Rechtliche Würdigung
Danach geht die Kammer davon aus, dass sich die Angeklagten zur Begehung eines Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge (unter jeweiliger Verwirklichung mindestens der Mordmerkmale der Habgier und Ermöglichungsabsicht) in strafrechtlich relevanter Weise gemäß § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB verbredeten (unten 1.). Ihnen kommt jedoch jeweils (vgl. § 28 Abs. 2 StGB) ein persönlicher Strafaufhebungsgrund zugute, da sie von der Verbrechensabrede jeweils in strafbefreiender Weise gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB freiwillig zurückgetreten sind (unten 2.).
1. Verabredung eines Verbrechens
Die Angeklagten verwirklichten zunächst den Versuch der Beteiligung an einem Verbrechen in Form der Verabredung eines „Raubmordes“ zum Nachteil des EL. im Sinne von § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB.
a) Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen Verabredung eines Verbrechens nach § 30 Abs. 2 Variante 3 StGB ist, dass eine vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei tatsächlich zur Tatbegehung entschlossenen Personen zustande gekommen ist, an der Verwirklichung eines hinreichend konkretisierten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (BGH, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 StR 260/16 – Rn. 9 m.w.N., juris = NJW 2017, 2134 ff.).
b) Indem beide Angeklagten spätestens im Verlauf des 19.01.2017 den ernstlichen Entschluss fassten, in der Nacht vom 19.01.2017 auf den 20.01.2017 den Nebenkläger EL. arbeitsteilig zu erstechen, um ihn ausrauben und die Beute untereinander aufzuteilen (oben C.II. und C.III.), einigten sie sich nachdrücklich, an der beabsichtigten Begehung eines Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zum Nachteil des EL. mittäterschaftlich mitzuwirken, wobei sie jeweils das Mordmerkmal der Habgier und Ermöglichungsabsicht verwirklichten.
c) Der im Verhältnis zur Haupttat subsidiäre Versuch der Beteiligung an einem Verbrechen nach § 30 Abs. 2 StGB, der verdrängt wird, sobald auch nur das Versuchsstadium der Haupttat erreicht wird (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 30 Rn. 17)., trat vorliegend auch nicht mit Blick auf das Erscheinen der Angeklagten vor der Tür des EL. zur Ausführung der Haupttat zurück (oben C.III.). Am Abend des 19.01.2017 begaben sich zwar beide Angeklagte mit Messern bewaffnet zum Zimmer des EL., der beim zweiten Erscheinen auch die Zimmertüre öffnete und vom Angeklagten H. – tatplangemäß – nach einem Handyladegerät gefragt wurde, um sich unter diesem Vorwand Einlass in das Zimmer des EL. zu verschaffen, wo A. mit dem (Messer-)Angriff auf sein Leben beginnen sollte. Da EL. jedoch die Nachfrage verneinte und die Angeklagten nicht in sein Zimmer ließ, gingen sie unverrichteter Dinge in das Zimmer des H. zurück, ohne dass einer der Angeklagten Anstalten machte, den EL. tätlich anzugreifen. Unter diesen Umständen setzten sie noch nicht unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung des EL. im Sinne des § 22 StGB an, da bislang keiner der Angeklagten die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ im Sinne eines tätlichen Angriffs auf das Leben des EL. überschritten und das bloße Fragen nach einem Ladekabel noch nicht das Vorbereitungsstadium verlassen hatte. Die beabsichtigte Tat zum Nachteil des Nebenklägers hatte aus Sicht der Kammer demnach zwar die Nähe zum Versuch erreicht, die Versuchsschwelle letztlich aber noch nicht überschritten.
2. Rücktritt von der Verbrechensabrede
Beide Angeklagte sind nach der Begehung der Tat zum Nachteil des M. A. indessen noch in der Tatnacht gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB freiwillig von der Verabredung des „Raubmordes“ zum Nachteil des EL. zurückgetreten.
a) Ausweislich § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird nach § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB nicht bestraft, wer freiwillig, nachdem er ein Verbrechen verabredet hatte, die Tat verhindert. Dafür reicht im Einzelfall Nichterbringen des erforderlichen eigenen Tatbeitrags und bloßes Untätigbleiben, insbesondere wenn nach der Vorstellung des Beteiligten die Tat ohne sein Mitwirken nicht begangen wird und die Tat daraufhin unterbleibt (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 31 Rn. 5 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 13.03.1997 – 4 StR 39/97 – Rn. 5 m.w.N., juris = NStZ-RR 1997, 289 f.; BGH, Urteil vom 22.04.1999 – 4 StR 76/99 -Rn. 10 a.E., juris = NStZ 1999, 395 f.). Das Merkmal der Freiwilligkeit ist im Rahmen von § 31 Abs. 1 StGB in gleicher Weise auszulegen ist wie bei § 24 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 23.04.1998 – 4 StR 150/98 – Rn. 6 m.w.N., juris = NStZ 1998, 510). Ob der Täter freiwillig zurückgetreten ist, ist als subjektives Element aus der Sicht des Täters zu beurteilen und hängt nach ständiger Rechtsprechung davon ab, ob er noch “Herr seiner Entschlüsse“ blieb und ob er die Ausführung seines Tatplanes noch für möglich hielt, also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert war, noch durch einen seelischen Druck unfähig wurde, die Tat zu vollbringen (BGH, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 13.01.1988 – 2 StR 665/87 – Rn. 7 m.w.N., juris = BGHSt 35, 184, 186; BGH, Beschluss vom 24.06.1992 – 3 StR 187/92 – Rn. 4 m.w.N., juris = NStZ 1992, 536 f.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beteiligte aus sittlich billigenswerten Motiven oder aus anderen Gründen von der Tatausführung Abstand nahm (BGH, Beschluss vom 12.08.1992 – 2 StR 252/92 – Rn. 4 m.w.N., juris = StV 1993, 189 f.).
b) Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Angeklagten mit Blick auf den vereinbarten Tatplan, der die gemeinschaftliche Überwältigung des Nebenklägers beinhaltete, ihre Mitwirkung an der beabsichtigten Tat zum Nachteil des EL. – jedenfalls nicht ausschließbar unter Anwendung des Zweifelsatzes – in der Vorstellung aufgaben, dass die Tat ohne ihre Mitwirkung nicht begangen würde. Dies liegt in Bezug auf H. auf der Hand, der sich maßgeblich dafür aussprach, auch den ursprünglichen Tatplan umzusetzen, was A. ablehnte. In Bezug auf beide Angeklagte spricht hierfür, dass das Vorhaben zum Nachteil des EL. im Folgenden tatsächlich nicht ausgeführt wurde.
Weiterhin wären beide Angeklagte nach ihrem Vorstellungshorizont zur Durchführung dieses Vorhabens noch in der Lage gewesen, als sie es endgültig aufgaben. Der Angeklagte A. war weder physisch noch psychisch hieran gehindert; auch der Angeklagte H. nahm aus freien Stücken hiervon Abstand, zumal es ihm möglich gewesen wäre das Vorhaben auch alleine durchzuführen (oben C.VII.). Da der Ausführung des Verbrechensplans mithin nach dem insoweit maßgeblichen Vorstellungsbild der Angeklagten – eingedenk des Zweifelssatzes – weder ein unabweisbarer seelischer Druck noch zwingende äußere Hindernisse entgegenstanden, ist jeweils ein freiwilliger Rücktritt im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB aus selbstgesetzten Gründen anzunehmen.
I. Kostenentscheidung
Soweit die Angeklagten verurteilt wurden, beruht die Kostenentscheidung auf den §§ 464 Abs. 1, Abs. 2, 465 Abs. 1 StPO. In Bezug auf den Angeklagten A. betätigte die Kammer das ihr nach den §§ 109 Abs. 2 Satz 1, 74 JGG eingeräumte Ermessen dahin, dass der Verurteilte als Heranwachsender die Kosten und Auslagen zu tragen hat. Als nunmehr Volljähriger muss er erzieherisch an ein verantwortliches Denken auch insoweit herangeführt werden. Ihm muss und kann vermittelt werden, dass eigenes, noch dazu inakzeptables Fehlverhalten im sozialen Zusammenleben finanzielle Folgen auslöst.
Soweit die Angeklagten freigesprochen wurden, beruht die Kostenentscheidung auf den§§ 464 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.

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