Erbrecht

Kindesunterhaltsverpflichtung endet nicht bei Volljährigkeit

Aktenzeichen  34 Wx 19/16

Datum:
29.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2016, 1775
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
BGB BGB § 133, § 157, § 779, § 1589, § 1601

 

Leitsatz

Die in einem gerichtlich protokollierten Vergleich titulierte Verpflichtung zur Leistung von monatlich fällig werdendem Kindesunterhalt ohne Angabe eines Enddatums kann die Auslegung dahingehend erlauben, dass die Zahlungspflicht nicht mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes endet.

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten gegen die je am 17. Dezember 2015 im Grundbuch des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck von XXX Bl. 9560, Dritte Abteilung, vollzogenen Eintragungen von Zwangssicherungshypotheken zu je 2.200,00 € für M. K. (lfde. Nr. 20) und für M. M. (lfde. Nr. 21) wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Der Beteiligte ist Eigentümer von Grundbesitz. Gemäß dem am 30.5.2011 gerichtlich protokollierten Vergleich hat er an seine Töchter … und …. jeweils einen monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines Monats zu entrichtenden Kindesunterhalt von 100 € zu zahlen (Ziff. 1 des Vergleichs). Zur Sicherung des bis einschließlich Februar 2014 fällig gewordenen Unterhalts sind aufgrund des am 23.12.2013/11.2.2014 unter Vorlage der vollstreckbaren Titelausfertigung vom 8.6.2011 nebst Zustellungsnachweis gestellten Eintragungsantrags zugunsten beider Gläubigerinnen Zwangssicherungshypotheken im Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 24.11.2015 (Eingang beim Grundbuchamt am 30.11.2015) und 15.12.2015 (Eingang am 17.12.2015) beantragte die Mutter und Betreuerin der am 27.5.2015 volljährig gewordenen Gläubigerinnen . . für diese die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken wegen der im Zeitraum März 2014 bis Dezember 2015 fällig gewordenen Unterhaltszahlungen von jeweils 100,00 € monatlich, insgesamt somit in Höhe von 2.200,00 € für jede Berechtigte. Beigefügt war die weitere vollstreckbare Ausfertigung des gerichtlich protokollierten Vergleichs vom 5.3.2013.
Das Grundbuchamt hat am 17.12.2015 unter Bezugnahme auf den bezeichneten Titel zugunsten jeder der Gläubigerinnen und im Gleichrang untereinander eine Zwangssicherungshypothek in Höhe von 2.200 € im Grundbuch eingetragen (lfde. Nrn. 20 und 21) und dies dem Beteiligten mitgeteilt.
Mit dem als „Einspruch gegen die Eintragungsbekanntmachung nach § 55 GBO“ bezeichneten Schreiben vom 27.12.2015 wendet dieser gegen die Eintragung ein, die Töchter hätten seit Erreichen der Volljährigkeit keinen Anspruch mehr gegen ihn. Seit dem 27.5.2015 bestehe kein Urteil und keine Vereinbarung zur Unterhaltslage. Die Zwangssicherungshypothek sei daher für unzulässig zu erklären.
Das Grundbuchamt hat der als Beschwerde gegen die Eintragung behandelten Eingabe nicht abgeholfen.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Schreiben des Beteiligten ist als Beschwerde gegen die vorgenommenen Eintragungen auszulegen, denn ersichtlich will der Beteiligte die Eintragungen nicht hinnehmen.
Gegen eine Eintragung im Grundbuch kann der Betroffene nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 GBO Beschwerde mit dem Ziel einlegen, gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der beanstandeten Eintragung oder gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO deren Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit herbeizuführen. Darüber hinaus ist die Eintragung einer inhaltlich zulässigen Zwangshypothek ausnahmsweise mit dem Ziel der Löschung nach § 22 GBO angreifbar, wenn nach dem konkreten Inhalt des Grundbuchs die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft rechtlich ausgeschlossen ist (Demharter GBO 29. Aufl. § 71 Rz. 45; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2199; Bittmann in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 57) oder wenn die Eintragung nichtig ist (BayObLGZ 1992, 13/14; Bittmann in Wieczorek/Schütze § 867 Rn. 42; MüKo/Eickmann ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 51).
Die Beschwerde nach § 71 GBO – und nicht die Erinnerung nach § 766 ZPO oder die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO – ist daher auch dann der zutreffende Rechtsbehelf gegen eine Zwangshypothek, wenn der Eigentümer – wie hier – das Fehlen von Vollstreckungsvoraussetzungen beanstandet (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 71; Schöner/Stöber Rn. 2199; Demharter § 71 Rn. 55; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 36. Aufl. § 765 Rn. 8b).
2. Mit dem Ziel der Löschung kann die Beschwerde nicht durchdringen.
a) Unzulässig im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO sind nur Eintragungen, die nach ihrem Inhalt einen Rechtszustand oder -vorgang verlautbaren, den es aus Rechtsgründen nicht geben kann (BGH NJW-RR 2005, 10/11; BayObLG DNotZ 1988, 784/786; BayObLGZ 2001, 301/305; OLG Karlsruhe FGPrax 2014, 49/50; Hügel/Holzer § 53 Rn. 56). Dabei muss sich die Unzulässigkeit der Eintragung aus dem Eintragungsvermerk selbst oder den zulässig in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen ergeben (BayObLGZ 1975, 398/403).
Die mit der Beschwerde angegriffene Eintragung ist nicht in diesem Sinne unzulässig. Das Gesetz sieht die Eintragung von Zwangshypotheken mit dem in der Eintragung verlautbarten Inhalt vor, §§ 866, 867 Abs. 1 und 2 ZPO. Der als Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) geeignete, gerichtlich protokollierte (§ 160 Abs. 3 Ziff. 1, § 162 Abs. 1 ZPO) und vollstreckbar ausgefertigte (§§ 724, 725 ZPO) Vergleich, auf den in den Eintragungen Bezug genommen ist (§ 1115 Abs. 1 BGB), weist die konkret bezifferten Vollstreckungsforderungen (§ 1113 BGB) aus.
b) Die Vollstreckungsmaßnahme der Grundbucheintragung ist auch nicht wegen Fehlens eines Vollstreckungstitels nichtig und deshalb zu löschen, denn der Vergleich vom 30.5.2011 tituliert Unterhaltsforderungen nicht nur für den Zeitraum bis zur Volljährigkeit der Gläubigerinnen.
aa) Zur Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen sind das Grundbuchamt und an dessen Stelle im Beschwerderechtszug das Beschwerdegericht in eigener Zuständigkeit berechtigt und verpflichtet. Das mit der Beschwerde geltend gemachte Fehlen eines Vollstreckungstitels („Urteil oder Vereinbarung“) wäre daher – läge es vor – von Amts wegen zu beachten.
bb) Eine wegen Gesetzesverstoßes fehlerhafte Vollstreckungsmaßnahme ist ausnahmsweise ohne Rechtswirkung und deshalb nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer wiegt und für einen mit sämtlichen Gegebenheiten vertrauten „Insider“ offenkundig ist (BGHZ 114, 315/327 f.; 121, 98/103; Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. vor § 704 Rn. 34). Das ist unter anderem dann der Fall, wenn ihr kein wirksamer Titel zugrunde liegt (BGHZ 70, 313/317; 112, 356/361; 114, 315/328; 121, 98/101; NJW-RR 2008, 1075/1076 Rn. 8).
cc) Der gerichtlich protokollierte Vergleich weist monatlich fällig werdende Unterhaltsforderungen und den Beteiligten als Schuldner sowie Katharina und Magdalena M. als Gläubigerinnen derselben aus. Der eine Laufzeitbegrenzung geltend machende Einwand des Beteiligten greift nicht durch. Eine zeitliche Begrenzung auf die Dauer der Minderjährigkeit der Gläubigerinnen kommt in dem Titel nicht zum Ausdruck. Eine solche folgt auch nicht durch Auslegung aus der gewählten Forderungsbezeichnung als „Kindesunterhalt“. Weder nach allgemeinem noch nach juristischem Sprachgebrauch bezeichnet dieser Begriff eine nur gegenüber minderjährigen Kindern bestehende Unterhaltsverpflichtung. Mit diesem Begriff ist vielmehr allgemein die aus der – mit der Volljährigkeit der Kinder nicht endenden – Verwandtschaft (§ 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB) folgende Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem bedürftigen Kind (§ 1601 BGB) ausgedrückt (vgl. Palandt/Brudermüller BGB 76. Aufl. § 1601 Rn. 3).
dd) Ob die titulierte Unterhaltsverpflichtung materiellrechtlich fortbesteht, wofür im Hinblick auf die eingerichtete Betreuung (§ 1896 BGB) einiges spricht, ist im Stadium der Vollstreckung nicht zu überprüfen.
3. Auch mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Die Eintragung eines Amtswiderspruchs setzt gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist (Hügel/Holzer § 53 Rn. 24). Dabei müssen die Gesetzesverletzung feststehen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft sein (Demharter § 53 Rn. 28).
a) Bei der Eintragung hat das Grundbuchamt nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen.
Die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der Zwangshypotheken (Schöner/Stöber Rn. 2169 – 2179) waren gegeben. Dem Grundbuchamt lag eine weitere vollstreckbare Ausfertigung des Titels vor (§ 733 ZPO). § 751 Abs. 1 ZPO ist beachtet, denn die Sicherungshypotheken wurden nur in Höhe der zum Eintragungszeitpunkt bereits fälligen Forderungen eingetragen. Die Titelzustellung als Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO) geht aus dem Inhalt der Grundakte hervor. Ihre Befugnis zur Antragstellung (§ 867 Abs. 1 Satz 1 ZPO) für die mittlerweile volljährigen Gläubigerinnen hat die Betreuerin durch Vorlage der Betreuerausweise (§ 290 FamFG) nachgewiesen.
Auch die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der Zwangshypotheken (Schöner/Stöber Rn. 2180 – 2183) waren gegeben.
b) Gemäß § 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind die Zwangshypotheken daher mit Eintragung im Grundbuch entstanden. Für eine Grundbuchunrichtigkeit besteht kein Anhaltspunkt.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, denn die Pflicht des Beteiligten zur Tragung der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt schon aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1 GNotKG.
Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht den addierten Hauptsachebeträgen der beanstandeten Hypothekeneintragungen (§ 79 Abs. 1 Satz 2, § 53 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 29.02.2016.


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