Aktenzeichen 4 AZR 231/20
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Frankfurt, 7. September 2018, Az: 23 Ca 8515/17, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 20. Januar 2020, Az: 17 Sa 1375/18, Urteil
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Januar 2020 – 17 Sa 1375/18 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass – unter Aufhebung der Berufungsentscheidung im Kostenpunkt – von den Kosten des Rechtsstreits jede Partei die Hälfte zu tragen hat.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit tariflicher Übergangs- und Altersversorgungsregelungen auf ihr Arbeitsverhältnis.
2
Die Klägerin, die im gesamten Jahr 2013 Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di (ver.di) war sowie seit dem 1. Juni 2016 wieder ist, war bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, vom 17. Mai 1983 bis zum 30. April 2018 als Flugbegleiterin beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag vom 11. Mai 1983 heißt es ua.:
„4.
Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den jeweils gültigen Tarifverträgen für das Bordpersonal, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der DLH.“
3
Die Beklagte war zunächst Mitglied der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH). Diese schloss mit ver.di sowie der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation e.V. (UFO) am 1. Juli 2003 einen Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter der Deutschen Lufthansa AG (TV LH ÜV). Danach besteht ein Anspruch auf eine „Firmenrente für Flugbegleiter“, wenn die tarifvertragliche Altersgrenze erreicht wird, ohne dass bereits ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und auf die Betriebsrente gegeben ist. Ebenfalls am 1. Juli 2003 vereinbarten dieselben Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag Lufthansa Betriebsrente für das Kabinenpersonal (TV LH Betriebsrente). Dieser sieht eine betriebliche Altersrente für die „Mitarbeiter des Kabinenbereichs“ vor, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet haben und das Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft beendet ist. Am 10. März 2009 schloss die AVH mit beiden Gewerkschaften ferner gleichlautende Manteltarifverträge für das Kabinenpersonal (jeweils MTV Nr. 1b), die am 1. Januar 2009 in Kraft traten. Der MTV Nr. 1b (ver.di) ist bislang von keiner der Tarifvertragsparteien gekündigt worden.
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Mit Datum vom 14./22. Oktober und 2. November 2010 vereinbarten der Arbeitgeberverband Luftverkehr e.V. (AGVL), dessen Mitglied die Beklagte inzwischen geworden war, die AVH und die Gewerkschaft ver.di die Übernahme sämtlicher zwischen der AVH und ver.di bestehender Tarifverträge durch den AGVL zum 1. Januar 2010. Eine inhaltsgleiche Vereinbarung wurde zwischen den genannten Arbeitgeberverbänden und der UFO abgeschlossen.
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Am 20. Dezember 2011 schloss der AGVL mit der UFO, nicht jedoch mit ver.di, einen Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal mit Wirkung zum 16. Januar 2011, der mit Tarifabschluss vom 31. Juli 2013 die Fassung vom 1. Januar 2013 erhielt (MTV Nr. 2 [UFO]).
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Der AGVL und die Beklagte kündigten den TV LH ÜV und den TV LH Betriebsrente jeweils gegenüber den vertragschließenden Gewerkschaften zum 31. Dezember 2013.
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Am 17. März 2017 schlossen der AGVL und UFO rückwirkend zum 1. Januar 2014 den Tarifvertrag zur beitragsorientierten Versorgung für das Kabinenpersonal der Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft: Betriebliche Altersversorgung mit Leistungen zum vorzeitigen Ausscheiden (TV LH Rente Kabine [UFO]). Dieser sah die Ablösung ua. des TV LH Betriebsrente und des TV LH ÜV mit bestimmten Maßgaben ab dem 5. Juli 2016 (Umstellungsstichtag) vor. Weiterhin vereinbarten die Tarifvertragsparteien am selben Tag den Tarifvertrag zur Ablösung der Übergangsversorgung für das Kabinenpersonal der Deutschen Lufthansa AG (TV Ablösung ÜV Kabine [UFO]) sowie weitere begleitende Tarifverträge.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der TV LH ÜV und der TV LH Betriebsrente würden für ihr Arbeitsverhältnis nach wie vor sowohl kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gelten als auch – hilfsweise – aufgrund vertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Der Arbeitsvertrag verweise auf den MTV Nr. 1b sowie den TV LH ÜV und den TV LH Betriebsrente, nicht hingegen auf den TV LH Rente Kabine (UFO). Abgesehen davon sei die Stichtagsregelung dieses Tarifvertrags unwirksam, weil es für sie keinen sachlichen Grund gebe. Zudem seien durch die Neuregelung die Grenzen des Vertrauensschutzes für die Leistungen der Übergangsversorgung nicht eingehalten worden. Schließlich sei UFO bei Abschluss der Vereinbarungen im Jahr 2017 nicht tariffähig gewesen, weil es ihr an der erforderlichen Gegnerunabhängigkeit und Durchsetzungsfähigkeit gefehlt habe.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt
1.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Leistungen der Firmenrente wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze gemäß dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter, geschlossen zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) und der ver.di sowie der UFO, vom 1. Juli 2003 seit dem 1. Mai 2018 zu gewähren;
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab Eintritt des Versorgungsfalls Versorgungsleistungen gemäß dem Tarifvertrag Lufthansa Betriebsrente für das Kabinenpersonal, geschlossen zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) und der ver.di sowie der UFO, gültig ab dem 1. Januar 2002, zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die von der Klägerin genannten Tarifverträge fänden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung mehr. Die Bezugnahmeklausel stelle eine sog. Tarifwechselklausel dar. Soweit für die Beklagte unterschiedliche Tarifverträge gelten würden, sei die Bezugnahmeregelung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu vervollständigen, dass jeweils auf den zeitlich jüngsten für die Arbeitgeberin geltenden Tarifvertrag verwiesen werde. Dies sei nunmehr der TV LH Rente Kabine (UFO).
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin mit der Begründung stattgegeben, der TV LH ÜV sowie der TV LH Betriebsrente würden für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund von Verweisungen in § 24 MTV Nr. 1b (ver.di) weiterhin unmittelbar und zwingend iSv. § 4 Abs. 1 TVG gelten. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht hat die Klägerin ihr auf die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien gestütztes Klagebegehren mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.