Arbeitsrecht

Gehaltsgruppen II, III und IV des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern

Aktenzeichen  5 TaBV 27/20

Datum:
24.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15263
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
GTV § 2 Ziff. 2

 

Leitsatz

1. Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe III. Die vom Betriebsrat genannten Gründe für die Verweigerung seiner Zustimmung sind nicht zutreffend, da die Voraussetzungen für eine höhere Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe IV des GTV nicht vorliegen. Weder ist eines der Tätigkeitsbeispiele der Beschäftigungsgruppe IV erfüllt, noch übt die Erstkraft Kasse eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende selbstständige und verantwortliche Tätigkeit aus. Vielmehr handelt es sich um eine selbstständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen, die in die Beschäftigungsgruppe III des GTV fällt. (Rn. 59)
2. Abweisung des Antrags der Arbeitgerin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitrbeiter des Kassenserviceteams in die Beschäftigungsgruppe II. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu Recht verweigert, da es sich nicht lediglich um Kassierer/Kassiererinnen mit einfacher Tätigkeit handelt, sondern durch den Einsatz an einer Servicekasse für den Omnichannel Prozess Click &Collect um Kassierer/Kassierinnen mit Sammelkassenfunktion und damit ein Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe III des GTV. (Rn. 82 – 83)

Verfahrensgang

3 BV 31/19 2020-03-16 Bes ARBGREGENSBURG ArbG Regensburg

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg vom 16.03.2020, 3 BV 31/19 wird die Entscheidung in Ziff. 2) abgeändert:
Die vom Betriebsrat und Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters E. in die Gehaltsgruppe G III nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
2. Auf die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligen zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg vom 16.03.2020, 3 BV 31/19 wird die Entscheidung in Ziff. 1) abgeändert:
Der Antrag zu 2) vom 02.10.2019 wird zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde für die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) gegen die Antragsabweisung wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Umgruppierung von zuletzt noch dreizehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Kassenserviceteam und über die Eingruppierung eines Beschäftigten als Erstkraft Kasse.
Die Beteiligte zu 1) (Arbeitgeberin) ist im Einzelhandel tätig und betreibt bundesweit Warenhäuser, unter anderem die Filiale am Y-Platz in C-Stadt. Der Beteiligte zu 2) ist der dort gewählte Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin war auf Grund Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des Einzelhandels zwischen dem Handelsverband Bayern e.V. (HBE) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) gebunden, bis sie im Jahr 2019 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung wechselte. Die tariflichen Regelungen finden seither unstreitig auf dem Stand von 2017 (letzter Tarifabschluss) auf Grund individualarbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Entsprechend dem Integrations- und Überleitungstarifvertrags A.- Ergänzungstarifvertrag zu den Tarifverträgen des Einzelhandels vom 20.01.2019 werden ab 01.01.2020 alle Flächentarifverträge, die zwischen Ver.di und den jeweiligen regionalen Arbeitgeberverbänden des Einzelhandels abgeschlossen wurden, anerkannt und gelten in ihrer jeweils aktuellen Fassung.
Am 15.05.2019 kam zwischen dem Arbeitgeber und dem Gesamtbetriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan „Restrukturierung 2019“ zustande (Bl. 17 f. d. A.). Teil des Sanierungskonzepts war eine Spezialisierung der in den Warenhäusern beschäftigten Mitarbeiter. Es wurde die Einführung von Warenserviceteams (WST) und Kassenserviceteams (KST) geregelt, die keine Verkaufstätigkeiten mehr wahrnehmen.
Für das Kassieren gibt es ein ausführliches Benutzerhandbuch (Bl. 343 ff. d. A.). In der Stellenbeschreibung für die Mitarbeiter Kasse (Bl. 42 ff. d. A.) ist unter anderem folgendes geregelt:
1.1 Ziel der Stelle
Der Stelleninhaber unterstützt den Abteilungsleiter und die Erstkräfte in seinem Zuständigkeitsbereich darin, einen optimalen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. …
1.2 Einordnung der Stelle im Unternehmen
Der Stelleninhaber untersteht dem Abteilungsleiter Kasse oder dem kaufmännischen Leiter. Disziplinarvorgesetzter des Stelleninhabers ist die Geschäftsleitung der Filiale.
1.4 Aufgaben
Die Aufgabe des Kassierens wird durch ein Etagen- und abteilungsübergreifend organisiertes Kassenteam unter einheitlicher Führung war genommen.
Durch die Konzentration der Kassiertätigkeiten in einem Team werden zum einen die effiziente, professionelle Abwicklung an der Kasse sowie ein schneller und durchgehender Informationsfluss (Kassenfunktionen, Sonderabläufe, Aktionen, etc.) sichergestellt. Die Mitarbeiter im Verkauf werden von Kassiertätigkeiten entlastet und können sich auf das aktive Bedienen und Beraten fokussieren.
Unter Ziff. 1.4.1 Kassiervorgang und Ziff. 1.4.2 sind sodann die wesentlichen Aufgaben geregelt, die unter anderem beinhalten:
– An- und Abmelden an der Kasse mit dem personalisierten PIN und Sperren der Kasse
– Überprüfung des Wechselgeldbestandes, eventuell Anforderung von Wechselgeld
– Abkassieren von Kunden mit dem Einscannen des Artikels
– Berücksichtigung von Rabatt- und Nachlassaktionen
– Erfassung entsprechender Coupons der Kunden
– Vereinnahmung von Barbeträgen
– Bargeldloser Zahlvorgang
– Berücksichtigung von Kundenkarten
– Entsicherung und Verpackung der gekauften Ware
– Annahme von Warenrücklagen
– Umtausch von Waren und Warenrückgaben
– Durchführung der Kassenabrechnung sowie Geldentsorgung
– Ausstellung sogenannter TAX-free-Belege
– selbstständige Gewährung von Rabatten auf mangelhafte Artikel (Nachlass bis 15,00 €)
– Vermarktung der neuen Kundenkarte
– Sicherstellung ausreichender Menge von benötigtem Material (Tragetaschen, Bonrollen)
Aufgrund der Umstrukturierung gibt es künftig nicht mehr in allen Geschossen Kassen, vielmehr werden die Kassenbereiche auf das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss beschränkt. Es werden dort jeweils zwei Kassenblöcke mit insgesamt zehn Kassen eingerichtet. Daneben gibt es in der Schmuckabteilung weiterhin zwei zusätzliche Kassen. Die Funktionalität aller eingesetzten Kassen ist grundsätzlich identisch. Es könne Waren aus dem gesamten Sortiment bezahlt werden und nicht nur Waren einer Abteilung oder eine Etage. Hinzu kommen die Tätigkeiten aus dem Bereich Omnichannel. Die Abholung von online bestellten Waren ist auf die Kassen im ersten Obergeschoß (Servicekasse) beschränkt. Die Aufgaben der Mitarbeiter des KST im Zusammenhang mit „Click & Collect“ ergeben sich aus dem entsprechenden Handbuch (Bl. 765 d.A.). Die Mitarbeiter des KST, die an der Servicekasse eingesetzt sind, betreuen die Abholung und die Rücksendung der Pakete und nutzen hierzu die zur Verfügung gestellten Applikationen. Je nachdem, ob es sich um einen Selbstabholer oder Bevollmächtigten handelt, ist nur eine Unterschrift notwendig oder auch eine Ausweisnummer, die erfasst werden muss. Ist eine Zahlung bereits erfolgt, ist der Abholvorgang damit abgeschlossen. Ist die Zahlung noch ausstehend, erfolgt diese an der Kasse. Auch Sonderfälle, Fehler und Hinweise sind in der Anwendung hinterlegt. Auch für die Rücksendung der verschiedenartigen Sendungen, sind konkrete Anweisungen hinterlegt.
Auch die Tätigkeit der Erstkraft Kasse wird in einer Stellenbeschreibung (Bl. 33 ff. d. A.) vorgegeben. In dieser Stellenbeschreibung heißt es unter anderem:
1.1 Ziel der Stelle
Der Stelleninhaber unterstützt den Abteilungsleiter in seinem Zuständigkeitsbereich darin, einen optimalen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.

Er wirkt bei der Umsetzung von Konzepten aktiv mit und unterstützt neue Ideen.
1.2 Einordnung der Stelle im Unternehmen
Der Stelleninhaber untersteht dem Abteilungsleiter Kasse. Disziplinarvorgesetzter des Stelleninhabers ist die Geschäftsleitung der Filiale.
1.3 Befugnisse und Pflichten
Im Rahmen der vom Abteilungsleiter übertragenen Befugnisse und zur Erfüllung seiner Tätigkeit erteilt er Anweisungen. Die vom Abteilungsleiter übertragenen Befugnisse müssen bezogen auf die Aufgabe „verhältnismäßig“ sein. …
1.4 Aufgaben
Die Aufgabe des Kassierens wird durch ein Etagen- und abteilungsübergreifend organisiertes Kassenteam, unter einheitlicher Führung, wahrgenommen.
Durch die Konzentration der Kassiertätigkeiten in einem Team werden zum einen die effiziente, professionelle Abwicklung an der Kasse sowie ein schneller und durchgehender Informationsfluss (Kassenfunktionen, Sonderabläufe, Aktionen, etc.) sichergestellt. Die Mitarbeiter im Verkauf werden von Kassiertätigkeiten entlastet und können sich auf das aktive Bedienen und Beraten fokussieren. …
Unter Ziff. 1.4.1 Kassiervorgang, Organisation und Prozesse sind sodann die wesentlichen Aufgaben geregelt, die unter anderem beinhalten:
– Unterstützung der Mitarbeiter beim Kassiervorgang
– Überprüfung der Prozesse und Vorschriften im Kassenbereich
– Unterstützung bei der Umsetzung von neuen Prozessen
– Koordination des Personaleinsatzes
– Koordination aller notwendiger kassenrelevanter Manipulationsvorschriften für Aktionen, Werbungen, Events
– Durchführung von Kontrollen (Kassendifferenzen, Frequenzanalysen) in den einzelnen Bereichskassen zusammen mit dem Abteilungsleiter
– Unterstützung des Abteilungsleiters bei Veränderungsprozessen
Information aller Mitarbeiter des KST über relevante Themen
– Kontrolle der Kassen bezüglich Umtauschbelege, Nullkäufe und Warenrücknahmen
Die Erstkraft Kasse übt neben ihren Sonderaufgaben auch Kassiertätigkeiten mit etwa der Hälfte Arbeitszeit aus. Aufgrund der Umstrukturierung bei der Arbeitgeberin gibt es aufgrund des Umsatzes der Filiale am Y-Platz keinen Abteilungsleiter Kasse mehr, vielmehr übernimmt die kaufmännische Leiterin F. für beide Filialen in C-Stadt neben der Vertretung der Filialgeschäftsführer auch die Leitung und Führung des Kassenteams, des Warenserviceteams und des Filialbüros und damit auch die Aufgaben eines Abteilungsleiters Kasse. Die Aufgaben des Abteilungsleiters KST gehen aus der Stellenbeschreibung (Bl. 593ff d.A.) hervor.
Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Anhörungsbögen vom 02.10.2019 (Bl. 47 ff. d. A.) über die beabsichtigten Versetzungen und Eingruppierungen der Mitarbeiter Kassenteam in der Abteilungsgruppe KST in die Beschäftigungsgruppe II des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern vom 08.08.2017 zwischen dem HBE und ver.di (im Folgenden GTV) unterrichtet und um dessen Zustimmung gebeten. Die betroffenen Mitarbeiter waren zuvor als Verkäufer/Verkäuferin bereits in die Beschäftigungsgruppe II (G II) eingruppiert. Ebenfalls mit Anhörungsbogen vom 02.10.2019 (Bl. 45 f d.A.) hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die beabsichtigte Versetzung und Umgruppierung des Mitarbeiters E., der zuvor als Erstverkäufer tätig war, als Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe III des GTV (G III) unterrichtet und um dessen Zustimmung gebeten.
Der Betriebsrat stimmte den beabsichtigten Versetzungen zu, verweigerte jedoch mit Schreiben vom 02.10.2019 seine Zustimmung zu den beabsichtigten Eingruppierungen (Bl. 85 ff. d. A.). Für die Kassierer und Kassiererinnen im KST hielt der Betriebsrat die bisherige Beschäftigungsgruppe II für unzutreffend und machte geltend, dass diese als Kassierer und Kassiererinnen mit SammelPacktisch- oder Versandkassenfunktion nach Beschäftigungsgruppe III vergütet werden müssten. Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind und an denen Kasserinnen ausschließlich beschäftigt werden, seien Sammelkassen. Der Tarifvertrag unterscheide nach der Größe der Beschäftigungseinheit. Die Kassen seien für die im Haus befindlichen fünf Etagen und ca. 50 verschiedene Abteilungen zuständig und hätten zudem im Hinblick auf den Onlineshop Versandkassenfunktion. Hinsichtlich der Eingruppierung des Mitarbeiters E. als Erstkraft Kasse verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe III und hielt eine Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe IV für richtig.
Im einschlägigen Gehaltstarifvertrag vom 08.08.2017 für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern zwischen dem HBE und ver.di lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 2 Gehaltsregelung Maßgebend für die Eingruppierung sind die jeder Beschäftigungsgruppe vorangestellten Tätigkeitsmerkmale. Die aufgeführten Beispiele sind weder erschöpfend, noch für jeden Betrieb zutreffend.

2. Angestellte mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung
… Beschäftigungsgruppe II
Tätigkeitsmerkmale:
Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten.
Beispiele:
Verkäufer/Verkäuferin, auch solche mit Kassiertätigkeit; Angestellte mit einfacher Tätigkeit in Warenannahme, Lager und Versand, … Fakturist/Fakturistin, Kassierer/Kassiererin mit einfacher Tätigkeit; … Beschäftigungsgruppe III Tätigkeitsmerkmale:
Angestellte mit selbstständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen.
Beispiele:
Erster Verkäufer/Erste Verkäuferin, Lager, …, Bereichsaufsicht; Verkäufer/Verkäuferin mit geforderter Fremdsprache; Kassierer/Kassiererin mit Sammel-, Packtisch- oder Versandkassen-Funktion; … Beschäftigungsgruppe IV Tätigkeitsmerkmale:
Angestellte mit selbstständiger und verantwortlicher Tätigkeit.
Beispiele:
Erste Verkaufskräfte mit Einkaufsbefugnis; Stellvertreter/Stellvertreterin des Abteilungsleiters/der Abteilungsleiterin, Substitut/Substitutin; … Kassen-, Etagen- und Verkaufsaufsicht; …“
Mit ihrem Antrag vom 02.10.2019 hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Eingruppierung von Herrn E. in die Gehaltsgruppe G 3 nach Maßgabe des GTV und von 19 Mitarbeiterinnen in die Gehaltsgruppe G 2 (zzgl. Kassierzuschlag) nach Maßgabe des GTV beantragt.
Die Arbeitgeberin hat ausgeführt, die von den Beschäftigten im KST zu erbringenden Tätigkeiten seien einfache kaufmännische Tätigkeiten im Sinne der Beschäftigungsgruppe II des GTV, die dem Tätigkeitsbeispiel „Kassierer/Kassiererin mit einfacher Tätigkeit“ entsprechen. Die Arbeitsaufgabe sei aufgrund einer bloßen Veränderung der Kassiervorgänge unter Einführung einer geänderten Software an den Kassen nicht schwieriger und komplexer geworden. Aufgrund der identischen Funktionalität der Kassen gebe es keine übergeordneten Kassen im Sinne einer Sammel- oder Versandkassenfunktion entsprechend dem Tätigkeitsbeispiel für die Beschäftigungsgruppe III. Dafür genüge auch nicht, dass derzeit die Ausgabe von Online bestellten Artikeln von den Kunden nur an den Kassen im ersten Obergeschoss abgeholt werden könnten. Auch die Kompetenz, bis zu einem Höchstbetrag von 15,00 € über einen Nachlass für den Kunden entscheiden zu können, führe zu keiner selbstständigen Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe III. Aufgrund der detailliert geregelten Vorgaben für den Kassiervorgang nach dem Arbeitshandbuch und Benutzerhandbuch liege keine selbstständige Tätigkeit vor, vielmehr nur eine einfache kaufmännische Tätigkeit.
Hinsichtlich der Erstkraft Kasse hat die Arbeitgeberin geltend gemacht, die zu erbringende Tätigkeit sei eine selbstständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen gemäß Beschäftigungsgruppe III. Die Erstkraft sei nicht für die Kassen zuständig und verantwortlich i.S. einer Leitung und Führung des Kassenteams, weshalb eine selbstständige und verantwortliche Tätigkeit i.S. der Beschäftigungsgruppe IV nicht vorliege. Die Erstkraft unterstütze die kaufmännische Leiterin bei der Personalplanung lediglich, sei aber dafür nicht verantwortlich. Die Kontrollaufgaben hinsichtlich der Kassen beschränken sich auf die Überprüfung der Bonstorni, der Warenrücknahme und der sogenannten Null-Bons. Die geforderte Selbstständigkeit für die Beschäftigungsgruppe IV ergebe sich auch nicht aus dem Fehlen eines Abteilungsleiters Kasse, da die kaufmännische Leiterin diese Aufgaben in vollem Umfang wahrnehmen könne.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,
1. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters E. in die Gehaltsgruppe G 3 nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
2. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter
– G.
– H.
– I.
– J.
– K.
– L.
– M.
– N.
– O.
– P.
– Q.
– R.
– S.
– T.
– U.
– V.
– W.
– X
– Y.
in die Gehaltsgruppe G 2 (zzgl. Kassierzuschlag) nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
Der Betriebsrat hat beantragt,
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, er habe die Zustimmung zu den beabsichtigten Eingruppierungen zu Recht verweigert, da die von der Arbeitgeberin vorgesehen Eingruppierungen gegen die tarifvertraglichen Regelungen verstießen. Die Beschäftigten im KST müssten in die Beschäftigungsgruppe III eingruppiert werden. Die vorhandenen Kassen seien sowohl als Sammelkassen, als auch als Kassen mit Versandkassenfunktion anzusehen. Eine Sammelkasse im Sinne der tarifvertraglichen Vorschriften sei eine über die einzelne Abteilungskasse hinausgehende Kasseneinrichtung eines Warenhauses, die auch als Zentralkasse bezeichnet wird, was nunmehr für alle eingesetzten Kassen gelte. Bloße Abteilungskassen, die nur für einzelne Abteilungen im Warenhaus zuständig wären, gebe es nicht mehr. Die tatsächliche Tätigkeit gehe über die Stellenbeschreibung und über den der Beschäftigungsgruppe II des GTV hinaus.
Es handle sich vorliegend um Sammelkassen, was sich aus der Systematik des Tarifvertrages ergebe. Während als Beispiel für „einfache kaufmännische Tätigkeiten“ unter anderem „Verkäufer/Verkäuferin mit Kassiertätigkeit“ genannt seien, falle unter die „selbstständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen“ der „Kassierer mit Sammelkassenfunktion“. Die Tarifvertragsparteien hätten dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass Kassierer an Sammelkassen übergeordnete Aufgaben wahrnähmen, die über das bloße Kassieren hinausgingen. Diese Beschäftigten würden deshalb gerade keine einfachen kaufmännischen Tätigkeiten ausüben.
Der Betriebsrat hat geltend gemacht, es müsse zudem berücksichtigt werden, dass die Beschäftigten im KST weitere Aufgaben zu übernehmen hätten. Es seien Umtausche und Retouren zu bearbeiten, TAX-free-Belege auszustellen und Warenrücklagen der Kunden anzunehmen. Zudem seien jeweils wechselnde Rabatte aufgrund aktueller Aktionen zu berücksichtigen und anzuwenden. Es soll darüber hinaus auch die neue Kundenkarte beworben und entsprechende Anträge der Kunden sollen entgegengenommen werden. Die Kompetenz der Beschäftigten zur Gewährung eines Preisnachlasses von bis zu 15,00 € verdeutliche das selbstständige Handeln der Beschäftigten.
Der Betriebsrat hat außerdem die Ansicht vertreten, die Erstkraft Kasse müsse in die Beschäftigungsgruppe IV eingruppiert werden, da sie für sämtliche Kassen zuständig sei. Sie erledige ihre Aufgaben selbständig und verantwortlich und übernehme zudem aufgrund des Fehlens eines Abteilungsleiters dessen Aufgaben, die vor Ort anfallen. Dazu gehöre auch die Führung und Leitung des KST. Die Erstkraft Kasse erstelle außerdem den Personaleinsatzplan und teile die Mitarbeiter ein, auch wenn der Plan noch von der kaufmännischen Leiterin genehmigt werden müsse.
Das Arbeitsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 16.03.2020, Az.: 3 BV 31/19, auf den hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen und Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, die Zustimmung des Betriebsrats hinsichtlich einer Eingruppierung der Mitarbeiter des KST in die Beschäftigungsgruppe II ersetzt und den Antrag der Arbeitgeberseite hinsichtlich der begehrten Zustimmung zu einer Eingruppierung des Mitarbeiters Herrn E. als Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe III zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die von der Arbeitgeberseite beantragte Eingruppierung nur hinsichtlich der Mitarbeiter des KST mit den tariflichen Regelungen übereinstimme, nicht jedoch hinsichtlich der Erstkraft Kasse, da diese ihre Aufgaben selbständig und verantwortlich i.S. der Beschäftigungsgruppe IV erledige.
Der Betriebsrat habe seine Zustimmungsverweigerung form- und fristgerecht mitgeteilt und inhaltlich ausführlich und hinreichend begründet. Die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe III sei unzutreffend. Der Betriebsrat habe insoweit seine Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerinnen zu Recht verweigert.
§ 2 Ziff. 2 des GTV setze für die Beschäftigungsgruppen II bis V (mit einer Ausnahme für Stenotypisten) entweder eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung mit bestandener Abschlussprüfung oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem artverwandten, auch gewerblichen, Beruf mit bestandener Abschlussprüfung, wenn die Tätigkeit im Zusammenhang mit dieser Berufsausbildung stehe oder anstelle der kaufmännischen Ausbildung eine kaufmännische Berufstätigkeit von drei Jahren voraus.
In die Beschäftigungsgruppe II seien Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten, in die Beschäftigungsgruppe III Angestellte mit selbstständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen und in die Beschäftigungsgruppe IV Angestellte mit selbstständiger und verantwortlicher Tätigkeit einzugruppieren. Die Beschäftigungsgruppe II sei die Ausgangsvergütung für Angestellte nach abgeschlossener einschlägiger Berufsausbildung. Die Beschäftigungsgruppe III verlange darüber hinaus eine selbstständige Tätigkeit, wenn diese auch im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausgeübt wird. Eine solche Einschränkung enthalte die Beschäftigungsgruppe IV nicht; vielmehr komme zum Merkmal der Selbstständigkeit noch die Verantwortung hinzu.
Die Selbstständigkeit erfordere eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung seiner Leistungen jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches, ohne dass dadurch die fachliche Anleitung oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen werde (BAG 23.09.2009, NJOZ 2010, 1311).
Unter Verantwortung sei die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, dass in dem ihm übertragenen Arbeitsbereich die dort – auch von anderen – zu erledigenden Arbeiten sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig ausgeführt werden. Je nach Lage des Einzelfalles könne sich die geforderte Verantwortung auf andere Mitarbeiter oder Dritte, Personen, Sachen oder Arbeitsabläufe beziehen (BAG 21.06.2000, 4 AZR 389/99).
Die Arbeitsaufgabe der Erstkraft Kasse mit Kassiertätigkeit stelle einen Arbeitsvorgang im tarifvertraglichem Sinne dar. Die Arbeitsaufgabe der Erstkraft Kasse sei die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Kassenabläufe als ein Arbeitsvorgang, der sich aus einer Vielzahl einzelner Arbeitsschritte zusammensetzt. Daneben wird bei Bedarf noch die Kassiertätigkeit ausgeübt, das heißt insoweit sei die Erstkraft noch an den Kassen „mitarbeitend“. Es komme aber nicht darauf an, in welchem Umfang der Fall sei, da sie jederzeit und sofort in der Lage sein müsse, aktiv die Aufgabe der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Kassenabläufe, beispielsweise bei der Klärung von Problemen bei Kassenvorgängen, wahrzunehmen.
Grundsätzlich gälten die Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe als erfüllt, wenn eine Tätigkeit entsprechend einem tariflichen Beispiel tatsächlich ausgeübt wird (BAG vom 27.09.2000, 10 ABR 48/99). Die Tätigkeit als Erstkraft Kasse lasse sich jedoch nicht eindeutig einem bestimmten Tätigkeitsbeispiel zuordnen. Nach der von der Arbeitgeberin vorgegebenen Organisationsstruktur (Bl. 36 d. A.) gehöre die Erstkraft bzw. ein Teamleiter ebenso wie der Erstverkäufer zur unteren Ebene. Übergeordnet sei der Abteilungsleiter Kasse, den es aufgrund der Umsatzzahlen in der Filiale ebenso wenig gebe, wie eine Stellvertretung. Die Aufgaben des Abteilungsleiters lägen für beide Filialen der Arbeitgeberin in C-Stadt bei der kaufmännischen Leiterin F. Gem. Ziffer 2.4 der Kontrollanweisungen des Arbeitgebers (Bl. 437 ff. d. A.) finde sich die Bezeichnung „Verantwortlicher Kassenteam“, der für die Kontrolle der Bonstorni sowie der Warenrückgaben und der Null-Bons verantwortlich sei. Diese Kontrolle werde unstreitig von der Erstkraft Kasse ausgeführt. Andere Kontrollen oblägen nach der Kontrollanweisung den Abteilungsleitern oder Filialgeschäftsführern.
Auch das Tätigkeitsbeispiel „Kassenaufsicht“ sei daher nicht eindeutig gegeben. Zwar werde eine Kassenaufsicht auch für den Kassenbereich und damit für die Sicherstellung ordnungsgemäßer Kassenabläufe zuständig sein, eine Aufsichtstätigkeit beinhaltet jedoch auch Weisungsbefugnisse gegenüber den Kassenmitarbeitern. Eine solche sei vorliegend nicht gegeben. Außerdem trage eine Kassenaufsicht regelmäßig auch die Verantwortung für die ordnungsgemäße Kassenabrechnung und die entsprechende Abschöpfung der Einnahmen. Für beides sei jedoch bei der Arbeitgeberin die Kassenkraft selbst zuständig und verantwortlich.
Für die richtige Eingruppierung sei deshalb auf die allgemeinen Merkmale der jeweiligen Gehaltsgruppe abzustellen. Danach ergebe sich, dass die Erstkraft nicht nur eine selbstständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen, sondern vielmehr eine selbstständige und verantwortliche Tätigkeit ausübt. Zwar seien die Führungsfunktionen zentralisiert und der kaufmännischen Leiterin eine Letztverantwortung zugewiesen worden und nach den Vorgaben solle die Erstkraft nur unterstützend tätig sein, was einer selbstständigen und verantwortlichen Tätigkeit entgegenstehe.
Vorliegend sei aber die Erstkraft Kasse für die Kassenabläufe verantwortlich, da sie dafür einstehen müsse, dass die dort anfallenden und zu erledigenden Arbeiten sachgerecht und vorschriftsgemäß unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und der aktuellen Kundenbedürfnisse durchgeführt werden (vgl. die Vorgabe in Ziffer 1.1 Abs. 4 der Stellenbeschreibung – Bl. 36 d. A.). Die geforderte Verantwortung müsse sich nicht auf andere Personen im Sinne einer Personalverantwortung beziehen, sie könne vielmehr auch eine Verantwortung für Arbeitsabläufe sein, was vorliegend zutreffe.
Zudem könne die Erstkraft gemäß Ziffer 1.3 ihrer Stellenbeschreibung (Bl. 37 d. A.) im Rahmen der ihr übertragenen Befugnisse und zur Erfüllung ihrer Tätigkeit Anweisungen erteilen, auch wenn die maßgebliche Weisungsbefugnis gegenüber den Beschäftigten des KST der kaufmännischen Leiterin vorbehalten sei. Vorliegend sei aber zu berücksichtigen, dass kein Abteilungsleiter vor Ort ist, bei dem die Erstkraft unverzüglich rückfragen könnte. Zur Behebung von Störungen oder zur Klärung von Kundenanfragen im Zusammenhang mit einem Kassiervorgang sei ein schneller Entscheidungsprozess erforderlich. Zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen und kundenorientierten Kassenabläufe müsse die Erstkraft die Einhaltung der Vorgaben sicherzustellen. Diese Aufgabe nehme sie eigegenständig wahr und müsse situativ selbst entscheiden, inwieweit bei einem hohen Kundenaufkommen oder auftretender Kassenprobleme zu reagieren, beispielsweise einem Beschäftigten des KST Hilfestellung an der Kasse zu leisten ist oder bestimmte Anweisungen zur Umsetzung einzelner Vorschriften vorzunehmen sind.
Die in der Stellenbeschreibung genannte „Unterstützung“ des Abteilungsleiters müsse bei einem Fehlen des Abteilungsleiters vor Ort besonders gewürdigt werden. Da kein Abteilungsleiter Kasse vor Ort anwesend ist, könne die Erstkraft den – nicht präsenten – Abteilungsleiter nicht unmittelbar unterstützen, also nur zur Hand gehen, vielmehr müsse sie eigene Entscheidungen treffen. Eine schnelle Rücksprache mit der im Filialbüro anwesenden kaufmännischen Leiterin werde kaum praktikabel und eine Absprache nur bei grundsätzlichen oder besonders wichtigen Fragen möglich und erwünscht sein.
Die Erstkraft sei außerdem für die Erstellung des Personaleinsatzplans verantwortlich. Zwar müsse dieser von der kaufmännischen Leiterin genehmigt werden. Die eigentliche Planung erfolge jedoch selbständig durch die Erstkraft. Die Eigenständigkeit der Erstkraft Kasse zeige sich auch in der durchzuführenden täglichen Kontrolle der Belege für Umtausch, NullKäufe und Warenrücknahmen. Zwar seien die Ergebnisse an die kaufmännische Leiterin zu melden; die Durchführung der Kontrolle obliege jedoch der Erstkraft selbst.
Demgegenüber sei die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Eingruppierung der Mitarbeiter des KST in die Beschäftigungsgruppe II zu ersetzen, das dies der tarifvertraglichen Regelung entspreche. Die Tätigkeit eines Beschäftigten im KST stellt nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BAG einen Arbeitsvorgang dar. Die Arbeitsaufgabe sei die Abwicklung aller Kassenvorgänge, also vor allem der Kassiervorgang selbst und die damit einhergehenden weiteren organisatorischen Einzeltätigkeiten.
Mögliche Tätigkeitsbeispiele seien nach Beschäftigungsgruppe II der „Kassierer mit einfacher Tätigkeit“, also eine „normale“ Kassiertätigkeit oder nach Beschäftigungsgruppe III der „Kassierer mit Sammel-, Packtisch- oder Versandkassen-Funktion“ und damit eine Kassiertätigkeit an einer „besonderen“ Kasse, also mit einer höheren Verantwortung, da die Kasse besondere Funktionen habe. Die Tätigkeit im KST-Team entspreche dem Tätigkeitsbeispiel „Kassier mit einfacher Tätigkeit“. Die Arbeitgeberin habe durch die Umorganisation in den Filialen und die Aufteilung in Funktionsbereiche die Verkäufer von der Kassiertätigkeit entlasten wollen. Dies gehe mit einer Verringerung der Anzahl der Kassen einher, die nicht mehr abteilungsgebunden eingesetzt würden, weshalb unstreitig alle Kassen funktional gleichwertig seien und keiner Kasse besondere Funktionen vorbehalten.
Bei der zu beurteilenden Tätigkeit gehe es um das Bedienen einer Kasse, insbesondere um den Kassiervorgang einschließlich besonderer Abläufe wie Retouren, Umtausche oder Durchführung eines Stornos. Zwar sei das hier von den Beschäftigten zu beachtende Benutzerhandbuch sehr umfangreich; dies liege jedoch am technischen Arbeitsmittel Kasse selbst, das als Kassensysteme aus einer Software und Hardware bestehe. Die Software erfasse nicht nur alle Bezahlvorgänge, speichere die zugehörigen Daten und ermögliche den Bon-Ausdruck, sondern erlaube darüber hinaus je nach Programmumfang eine Vielzahl zusätzlicher Funktionen und auch den Anschluss von Barcodescannern und Bon-Druckern. Durch diese umfangreichen Funktionen sei auch die Bedienung von Kassen komplexer geworden. Auch die Hardware umfasse verschiedene Geräte. Das Tätigkeitsbild habe sich in den kaufmännischen Berufen, wie auch in anderen Berufen, wegen des Einsatzes elektronischer und computerbasierter Geräte und Hilfsmittel stark verändert.
Für die tarifvertragliche Einordnung der Tätigkeit sei entscheidend die Gleichartigkeit der Funktionalität der eingesetzten Kassen und somit der jeweiligen Anforderungen. Es gebe keine übergeordneten Funktionen einzelner Kassen die eine höhere Wertigkeit der Tätigkeit an bestimmten Kassen begründen könnten. Daher sei das Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe III eines Kassierers an Sammel-, Packtisch- oder Versandkassenfunktion nicht gegeben. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch solle eine Sammelkasse eine für alle Abteilungen in einem Warenhaus zuständige Kasse sein, die auch als Zentralkasse bezeichnet werden kann. Diese Sammelkasse wäre damit eine über die einzelne Abteilungskasse hinausgehende Kasseneinrichtung, weil sie abteilungsübergreifend gegenüber anderen vorhandenen Kassen bestimmte Kassenangelegenheiten erledigt und somit übergeordnete Aufgaben wahrzunehmen hat, was mit einer höheren Verantwortung verbunden ist (BAG vom 09.12.1987, 4 AZR 461/87). Zwar treffe es zu, dass jede Kasse abteilungsübergreifend eingesetzt wird, weil sie sich nicht auf bestimmte Warengruppen beschränkt, jedoch gebe es keine den anderen Kassen übergeordnete Funktion. An jeder Kasse könnten neben dem normalen Kassiervorgang auch Retouren, Umtausche etc. abgewickelt werden.
Die bisher bestehende Ausnahme, dass nur an den Kassen im ersten Obergeschoss Online bestellte Artikel abgeholt und bezahlt werden könnten, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die dort eingesetzten Kassen würden damit nicht zur „Versandkasse“ im Sinne des Tätigkeitsbeispiels der Beschäftigungsgruppe III. Der Einsatz dieser Kassen im ersten Obergeschoss habe nichts mit ihrer besonderen Funktionalität, vielmehr mit der Logistik der Warenabholung durch die Kunden an einer bestimmten Stelle im Kaufhaus zu tun.
Es seien auch keine besonderen Aufgaben hinsichtlich der Abholung der bestellten bzw. reservierten Waren erforderlich. Der Artikel sei, soweit er noch nicht bezahlt wurde, in üblicher Weise abzukassieren. Entsprechendes gelte für die derzeitige Wechselgeldausgabe an einer bestimmten Kasse. Diese zeitweise Funktion einer Kasse für die Wechselgeldausgabe hänge mit der örtlichen Aufbewahrung des Wechselgeldes, nicht jedoch mit einer besonderen Funktionalität einer bestimmten Kasse zusammen. Die Ausgabe des Wechselgeldes erfolge nach Beleg und führe zu keiner höheren Bewertung der gesamten Tätigkeit.
Die erforderliche selbstständige Tätigkeit im Sinne von Beschäftigungsgruppe III lasse sich auch nicht mit dem bestehenden Beurteilungsspielraum der Beschäftigten des KST für die Vergabe von Rabatten auf Artikel bis zur Höhe von 15,00 € (je nach Artikelwert) begründen. Zum einen sei der Beurteilungsspielraum wertmäßig nicht bedeutend und zum anderen bei der Gewährung eines Nachlasses das Vier-Augen-Prinzip einzuhalten. Höhere Anforderungen ergäben sich auch nicht aus der vorgegebenen Vermarktung der neuen Kundenkarte, die eine zusätzliche Tätigkeit im Rahmen des Kassiervorgangs darstelle.
Zu beachten sei außerdem, dass in Beschäftigungsgruppe II als Tätigkeitsbeispiel auch der Verkäufer mit Kassiertätigkeiten genannt werde, was bisher auch für die Beschäftigten im KST galt. Den Beschäftigten oblag bis zur Versetzung die Beratung und der Verkauf einschließlich der Kassiertätigkeit, weshalb ihre Aufgabe vielfältiger als die jetzige Tätigkeit war. Die Beschränkung auf die Kassiertätigkeit – mit einer eventuell größeren Komplexität der Kassenvorgänge – jedoch nach detaillierten, umfangreichen Vorgaben, führe zu keiner höheren Wertigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe III.
Die von den Beschäftigten im KST zu erledigenden Aufgaben am Kassensystem seien nur ein Teilbereich der vielgestaltigen Aufgaben im Einzelhandel. Zwar sei der Umgang mit einem modernen Kassensystem durchaus komplex, bei dem für die ordnungsgemäße Durchführung der jeweiligen Kassenvorgänge eine Vielzahl von Vorgaben zu beachten ist, jedoch entspreche ihre Tätigkeit an der Kasse einer üblichen und damit einfachen Kassiertätigkeit ohne besondere Anforderungen. Bei auftretenden Problemen könnten sich die Beschäftigten im KST an die Erstkraft Kasse als Kassenverantwortlichen wenden.
Gegen diesen Beschluss, der der Arbeitgeberseite am 31.03.2020 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 07.04.2020 Beschwerde eingelegt, die sie mit einem am 23.06.2020 eingegangenen Schriftsatz begründete, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis 30.06.2020 verlängert worden war.
Auch der Betriebsrat legte gegen diesen Beschluss, der ihm am 30.03.2020 zugestellt wurde, mit Schriftsatz vom 24.04.2020 Beschwerde ein und begründete diese nach der Unterbrechung aufgrund des Insolvenzverfahrens vom 01.07. bis 30.09.2020 mit einem am 01.12.2020 eingegangenen Schriftsatz, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis 02.12.2020 verlängert worden war.
Die Arbeitgeberin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags hinsichtlich der Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe III des GTV und macht geltend, dass die Tätigkeit nicht, wie die Beschäftigungsgruppe IV voraussetze, selbständig und verantwortlich sei. Für den Inhalt der Tätigkeit nimmt die Arbeitgeberin noch einmal auf die vorgelegte die Stellenbeschreibung für einen Abteilungsleiter KST Bezug und bezieht sich darauf, dass die Erstkraft Kasse in keiner Weise gegenüber den Mitarbeitern des KST weisungsbefugt ist. Sie nehme lediglich unterstützende Tätigkeiten wahr und sei weder für den Personaleinsatzplan verantwortlich, wie die erforderliche Vorlage an die hierfür zuständige kaufmännische Leiterin, Frau F. zeige, noch habe sie anderweitige tatsächliche Verantwortung in dem Sinne, dass sie arbeitsrechtlich für Entscheidungen einzustehen habe. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei daher nicht zutreffend.
Die Antragstellerin beantragt,
Den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg vom 16.03.2020, Az.: 3 BV 31/19, zugestellt am 31.03.2020, abzuändern und die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters E in die Gehaltsgruppe G III nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern zu ersetzen.
Der Betriebsrat beantragt
die Zurückweisung der Beschwerde.
und beantragt außerdem seinerseits:
In Abänderung der Ziffer 1) des Beschlusse des Arbeitsgerichts Regensburg vom 16.03.2020 (Az.: 3 BV 31/19) wird der Antrag zu 2) der Beteiligten zu 1) vom 02.10.2019 zurückgewiesen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
Zurückweisung der Beschwerde.
Der Betriebsrat macht mit seiner Beschwerde geltend, dass das Arbeitsgericht unzutreffend die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung von nunmehr 13 Mitarbeitern im KST erteilt habe. Hinsichtlich von 6 Mitarbeitern habe sich zwischenzeitlich durch deren Ausscheiden das Verfahren erledigt. Die Mitarbeiter im KST seien entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung in die Beschäftigungsgruppe III einzugruppieren und nicht in die Beschäftigungsgruppe II. Der Betriebsrat nimmt zunächst auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug und macht geltend, dass es sich bei den Kassen schon deshalb um Sammelkassen handelt, weil sie Waren aus der gesamten Verkaufsfläche kassieren. Es könne nicht sein, dass eine Kasse mit einer solchen Sammelkassenfunktion diese verlieren kann, nur weil nunmehr auch die anderen Kassen mit dieser Funktion ausgestattet werden und dass deshalb die Mitarbeiter, die nunmehr alle die komplexeren Aufgaben erfüllen müssen, in Folge der diesbezüglich vorgenommenen Gleichstellung der Kassen herabgruppiert wird. Außerdem handele es sich jedenfalls bei den Kassen im ersten Obergeschoss (OG) um Sammelkassen, da diese eine Sonderfunktion wahrnehmen durch die dort angesiedelte Abholung von Online-Verkäufen.
Die Beteiligten seien sich in der letzten mündlichen Verhandlung am 17.02.2021 darüber einig gewesen, dass jedenfalls nunmehr die gesamten Vorgänge um die Online-Bestellung im Handbuch Omnichannel, Prozessbeschreibung Click & Collect (Bl. 765 ff d. A.) richtig dargestellt sind. Schon wegen dieser Zusatzfunktionen, die nicht allen Kassen zukomme, handele es sich bei den Kassen im ersten OG um Sammelkassen i.S.d. Rechtsprechung des BAG.
Der Betriebsrat vertritt außerdem die Ansicht, dass entgegen der Darstellung der Arbeitgeberseite die Erstkraftkasse ein hohes Maß an Selbständigkeit und auch Verantwortung hat. Der Abteilungsleiter sei nicht vorhanden und die kaufmännische Leiterin nicht immer in der Filiale. Dies führe zwangsläufig dazu, dass die Erstkraft einen Teil der Abteilungsleiteraufgaben übernehme. Den Personaleinsatzplan fertige ausschließlich die Erstkraft Kasse und leite diesen lediglich zur Freigabe an die kaufmännische Leiterin weiter. Bei der täglichen Kontrolle der Belege handele die Erstkraft eigenständig und verantwortlich und außerdem erstelle sie, ohne jegliches Zutun der kaufmännischen Leiterin, selbständig und verantwortlich einen Kasseneinsatzplan, mit dem sie bestimme, welche der vorhandenen Mitarbeiter zu welchem Zeitpunkt an welchem der Kassenblöcke eingesetzt würden. Hierzu gebe es keine Vorgaben von Frau F. und dieser Kasseneinsatzplan würde ihr auch nicht vorgelegt.
Die Arbeitgeberin tritt der Ansicht des Betriebsrats entgegen, dass es sich bei den Kassen im ersten OG um eine Sammelkasse handelt. Eine herausgehobene Funktion habe diese nicht. Lediglich aus räumlichen Gründen sei die Abholung der im Onlineshop bestellten Waren im ersten OG gebündelt. Es handele sich bei der Kasse im ersten OG auch nicht um eine Versandkasse, da hier nichts versendet sondern lediglich abgeholt werde. Die Tätigkeiten seien einfach.
Für den weiteren Vortrag der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die Schriftsätze vom 23.06.2020, 01.12.2020, 04.01.2021 und jeweils 09.02.2021 samt Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 17.02.2021, sowie die dort übergebenen Unterlagen (Bl. 765 ff d.A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats sind in beiden Fällen auch begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht den Antrag der Arbeitgeberseite auf Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe III abgewiesen. Insofern war die Entscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern und die Zustimmung zu ersetzen. Andererseits war der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter im KST in die Beschäftigungsgruppe II des Gehaltstarifvertrages abzuweisen, da der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht mit Hinweis auf die zutreffende Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe III verweigert hat.
1. Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe III abgewiesen. Die vom Betriebsrat genannten Gründe für die Verweigerung seiner Zustimmung sind nicht zutreffend. Die Voraussetzungen für eine höhere Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe IV des GTV liegen nicht vor. Weder ist eines der Tätigkeitsbeispiele der Beschäftigungsgruppe IV erfüllt, noch übt die Erstkraft Kasse eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende selbstständige und verantwortliche Tätigkeit aus. Vielmehr handelt es sich um eine selbstständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen, die in die Beschäftigungsgruppe III des GTV fällt.
1.1 Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Betriebsrat frist- und ordnungsgemäß seine Zustimmung zur begehrten Eingruppierung verweigert und dies gem. § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG ausreichend damit begründet hat, dass die begehrte Eingruppierung gegen den Tarifvertrag verstößt und die Beschäftigungsgruppe IV statt der Beschäftigungsgruppe III zutreffend ist. Die Beschwerdekammer schließt sich der sorgfältigen Begründung des Arbeitsgerichts insoweit an. Neue Ausführungen hierzu haben die Beteiligten in der Beschwerdeinstanz nicht gemacht. Auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts kann daher insoweit vollinhaltlich Bezug genommen.
1.2 Der vom Betriebsrat geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund besteht nicht, da die Voraussetzungen für eine Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe IV nicht vorliegen.
1.2.1 Gem. § 9 Ziff. 1 und 2 des Manteltarifvertrages vom 05.08.2008 für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern (MTV) werden die Gehälter bzw. Löhne in Gehalts- und Lohntarifverträgen festgelegt und die Beschäftigten in Gehalts- und Lohntarifvertrag (GTV und LTV) eingruppiert. Dabei kommt es gem. § 9 Ziff. 2 Satz 2 MTV auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an. § 9 Ziff. 3 MTV sieht vor, dass für den Fall, dass dauernd mehrere Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt werden, die unter verschiedene Beschäftigung- oder Lohngruppen fallen, die Eingruppierung entsprechend der zeitlich überwiegenden Tätigkeit erfolgt, bzw. wenn eine solche nicht feststellbar ist, nach der höheren Beschäftigungs- bzw. Lohngruppe.
1.2.2 Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Arbeitsaufgabe der Erstkraft Kasse mit Kassiertätigkeit als einen Arbeitsvorgang im tarifvertraglichem Sinne gewertet und die Arbeitsaufgabe mit der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Kassenabläufe beschrieben, die sich aus einer Vielzahl einzelner Arbeitsschritte zusammensetzt. Zu den Aufgaben gehören entsprechend Ziff. 1.4.1 der Stellenbeschreibung die Unterstützung der Mitarbeiter beim Kassiervorgang, die Überprüfung der Prozesse und Vorschriften im Kassenbereich, die Unterstützung bei der Umsetzung von neuen Prozessen, die Koordination des Personaleinsatzes und aller notwendiger kassenrelevanter Manipulationsvorschriften für Aktionen, Werbungen, Events, die Durchführung von Kontrollen (Kassendifferenzen, Frequenzanalysen) in den einzelnen Bereichskassen zusammen mit dem Abteilungsleiter, die Unterstützung des Abteilungsleiters bei Veränderungsprozessen, die Information aller Mitarbeiter des KST über relevante Themen und die Kontrolle der Kassen bezüglich Umtauschbelege, Nullkäufe und Warenrücknahmen. Die Erstkraft Kasse übt neben ihren Sonderaufgaben auch Kassiertätigkeiten mit etwa der Hälfte Arbeitszeit aus.
All diese Tätigkeiten gehören zu der einheitlich gestellten Arbeitsaufgabe der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Kassenabläufe in Unterstützung des Abteilungsleiters KST, die der Erstkraft Kasse übertragen wurde. Die Erstkraft Kasse übt daher nicht dauernd mehrere Tätigkeiten i.S. von § 9 Ziff. 3 MTV nebeneinander aus, die getrennt zu bewerten sind. Eine Unterscheidung der Einzeltätigkeiten würde vielmehr gegen das so genannte Atomisierungsverbot bei der Eingruppierung verstoßen (BAG 23.01.2019, 4 ABR 56/17, m.w.N.).
1.3 Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe schon dann als erfüllt gelten, wenn eine Tätigkeit entsprechend einem tariflichen Beispiel tatsächlich ausgeübt wird, dass vorliegend aber keines der Tätigkeitsbeispiele einschlägig ist.
1.3.1 Grundsätzlich gilt, dass bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann als erfüllt anzusehen sind, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 23.09.2009, 4 AZR 333/08). Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist dann zurückzugreifen, wenn ein einzelnes Tätigkeitsbeispiel seinerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können, wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Vergütungsgruppen vorkommt und damit als Kriterium für eine bestimmte Vergütungsgruppe ausscheidet, oder wenn es um eine Tätigkeit geht, die in den tariflichen Tätigkeitsbeispielen nicht aufgeführt ist (BAG 23.01.2019, 4 ABR 56/17, m.w.N.).
1.3.2 Mit den ihr übertragenen Aufgaben und ihrer Stellung im Unternehmen führt die Erstkraft Kasse keine Tätigkeit aus, auf die die Tätigkeitsbeispiele zutreffen. Die Erstkraft Kasse hat unstreitig keine Weisungsbefugnis gegenüber dem KST, sondern kontrolliert lediglich die Einhaltung der Vorgaben und unterstützt die kaufmännische Leiterin, der die Letztverantwortung und damit auch die Führungsfunktionen obliegen. Nach der von der Arbeitgeberin vorgegebenen Organisationsstruktur (Bl. 28 d. A.) gehört die Erstkraft bzw. ein Teamleiter ebenso wie der Erstverkäufer zur unteren Hierarchieebene. Übergeordnet ist ihr der Abteilungsleiter KST, den es aber aufgrund der Umsatzzahlen in der Filiale ebenso wenig gibt, wie eine Stellvertretung. Vielmehr nimmt diese Aufgaben die kaufmännische Leiterin direkt wahr. Die Erstkraft Kasse ist gem. Ziffer 2.4 der Kontrollanweisungen des Arbeitgebers (Bl. 245 ff. d. A.) „Verantwortlicher Kassenteam“ und für die Kontrolle der Bonstorni sowie der Warenrückgaben und der Null-Bons verantwortlich. Die Ergebnisse sind an die kaufmännische Leiterin zu melden. Andere Kontrollen obliegen nach der Kontrollanweisung allerdings den Abteilungsleitern oder Filialgeschäftsführern.
1.3.3 Nachdem die Arbeitgeberin auf die Hierarchieebene eines Abteilungsleiters und dessen Stellvertreters bewusst bei kleineren Filialen verzichtet und deren Aufgaben (Stellenbeschreibung Abteilungsleiter Kassenserviceteam Bl 593 ff d.A.) der kaufmännischen Leiterin übertragen hat, sind der Erstkraft Kasse keine Führungsaufgaben zugeordnet. Sie erfüllt daher nicht das Tätigkeitsbeispiel einer stellvertretenden Abteilungsleiterin. Sie ist auch nicht als Substitutin tätig, da sie nicht bei der Steuerung des Verkaufsgeschehen einer Abteilung bzw. Warengruppe oder einer Filiale mitwirkt (LAG Schleswig-Holstein 05.05.2015, 1 Sa 324/14) und auch nicht als Kassenaufsicht.
1.3.4 Das Arbeitsgericht hat ausführlich und zutreffend dargelegt, warum die Erstkraft Kasse keine Kassenaufsicht ausübt, sondern diese vielmehr bei der kaufmännischen Leiterin liegt. Eine Aufsichtstätigkeit beinhaltet regelmäßig auch Weisungsbefugnisse gegenüber den Kassenmitarbeitern, die der Erstkraft Kasse nicht übertragen sind. Auch trägt die Erstkraft Kasse nicht die Verantwortung für die ordnungsgemäße Kassenabrechnung der Mitarbeiter des KST. Für diese sind vielmehr die entsprechenden Kassenkräfte selbst zuständig und verantwortlich.
1.3.5 Am ehesten ist die Erstkraft Kasse mit einer Ersten Verkaufskraft (Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe III) zu vergleichen. Gegenüber einfachen Verkäufern bzw. Verkäuferinnen hat diese eine herausgehobene Aufgabe, genauso, wie dies bei der Erstkraft Kasse gegenüber Kassierern und Kassiererinnen mit einfacher Tätigkeit (Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe II) der Fall ist. Bei einer Ersten Verkaufskraft ist die Beschäftigungsgruppe IV erfüllt, wenn diese eine Einkaufsbefugnis hat und dementsprechend nicht nur selbständig, sondern auch verantwortlich tätig wird.
1.4 Eine Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe IV käme deshalb nur dann in Betracht, wenn ihre Tätigkeit die allgemeinen Merkmale erfüllen würde. Voraussetzung hierfür wäre die Ausübung einer selbstständigen und verantwortlichen Tätigkeit und nicht nur einer selbstständigen Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen, wie dies bei Beschäftigungsgruppe III der Fall ist. Diese Voraussetzung ist für die Tätigkeit der Erstkraft Kasse nicht erfüllt.
1.4.1 Eine selbständige Tätigkeit bedeutet in dem zugewiesenen Rahmen immer auch eine gewisse Verantwortlichkeit. Wenn die Tarifvertragsparteien – wie hier – nicht näher erläutert haben, was sie unter dem Begriff “selbständig” verstehen, ist von dem allgemeinen, abstrakten Begriff der Selbständigkeit auszugehen. Danach verlangt Selbständigkeit eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung seiner Leistungen jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches, ohne dass dadurch die fachliche Anleitung oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen wird (zur Frage einer selbständigen Ausübung von Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen nach dem GTV Einzelhandel BW: BAG 23.09.2009, 4 AZR 333/08, Rn 41, m.w.N.).
1.4.2 Diese Form der Selbständigkeit der Tätigkeit besteht für die Erstkraft Kasse unstreitig im Rahmen der in den umfangreichen Handbüchern und der Stellenbeschreibung von der Arbeitgeberin gemachten Vorgaben. Das Arbeitsgericht hat zugleich zutreffend festgestellt, dass die Führungsfunktionen bei der Arbeitgeberin zentralisiert sind und der kaufmännischen Leiterin eine Letztverantwortung zugewiesen worden ist, so dass die Erstkraft nach diesen Vorgaben nur unterstützend tätig sein soll, was einer selbstständigen und auch verantwortlichen Tätigkeit entgegensteht.
1.4.3 Die allgemeinen Merkmale der Beschäftigungsgruppe IV (Selbständige und verantwortliche Tätigkeit) fordern hingegen – wie auch die Tätigkeitsbeispiele belegen – dass dem Angestellten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ein eigener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht und er weitgehend frei von Weisungen in seinem Tätigkeitsbereich agieren kann. Dabei muss zudem ein bestimmender Einfluss auf wirtschaftliche, organisatorische oder personelle Abläufe im Betrieb gegeben sein (BAG 17.03.2005, 8 ABR 8/04).
1.4.4 Es ist zwar zutreffend, dass – wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat – die Verantwortung für eine bestimmte Tätigkeit keine Disziplinarbefugnis voraussetzt (LAG Schleswig-Holstein 05.05.2015, 1 Sa 324/14 für die Tätigkeit eines Substituten im Einzelhandel; BAG 21.06.2000, 4 AZR 389/99). Der Angestellte muss aber für die sachgerechte, pünktliche und ordnungsgemäße Erfüllung der im oben genannten Sinne herausgehobenen Aufgaben in vollem Umfang einstehen und die Folgen seines selbständigen Handelns selbst tragen (BAG 17.03.2005, 8 ABR 8/04).
1.4.5 Diesen Anforderungen wird die Tätigkeit der Erstkraft Kasse nicht gerecht. Sie verfügt weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht über Entscheidungsspielräume oder Gestaltungsspielräume, die einen maßgeblichen Einfluss auf wirtschaftliche, organisatorische oder personelle Abläufe im Betrieb des Warenhauses der Arbeitgeberin haben. Die Tätigkeit der Erstkraft Kasse ist vielmehr weitestgehend durch die Vorgaben der Arbeitgeberin bestimmt. Ihre Aufgaben beschränken sich auf die Kontrolle der Vorgaben für das KST, die Unterstützung der Mitarbeiter und des Abteilungsleiters bzw. hier der kaufmännischen Leiterin und die Koordination des Personaleinsatzes. Auch wenn keine eigenen Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten bestehen, steht die ihrer selbständigen Handlungsweise im Rahmen der Anweisungen und Vorgaben der Arbeitgeberin nicht entgegen.
1.4.6 Die Erstkraft Kasse ist ausschließlich für die Kontrolle der Kassenabläufe verantwortlich. Die auch gegenüber den Mitarbeitern des KST durchsetzbare Verantwortung für die Arbeitsabläufe hat aber die kaufmännische Leiterin. Das Arbeitsgericht verliert sich in Unterstellungen und Vermutungen, wenn es um die Frage geht, ob die Führungskraft in dem Maße erreichbar ist, wie es die Aufgaben erfordern und ob wegen des Fehlens eines Abteilungsleiters KST die Erstkraft selbst situativ z.B. bei einem hohen Kundenaufkommen eigene Entscheidungen treffen müsse und dass „eine schnelle Rücksprache mit der im Filialbüro anwesenden kaufmännischen Leiterin kaum praktikabel und eine Absprache nur bei grundsätzlichen oder besonders wichtigen Fragen möglich und erwünscht sein werde. Hier ist es vielmehr die bewusste Entscheidung der Arbeitgeberin, auf eine Hierarchieebene in der Filiale vor Ort zu verzichten. Dadurch nimmt aber die Erstkraft Kasse nicht notwendig diese Führungsaufgaben wahr. Diese nach der Stellenbeschreibung für den Abteilungsleiter KST vorgesehenen Aufgaben hat die Arbeitgeberin vielmehr in der höheren Hierarchieebene zusammengefasst. Maßgebend für die Eingruppierung ist daher, welche Aufgaben der Erstkraft Kasse tatsächlich obliegen. Die entsprechende Stellenbeschreibung (Bl. 33ff d.A.) nennt die Unterstützung, Überprüfung und Kontrolle in Abstimmung und Unterstützung des Abteilungsleiters. Die Mitarbeiter Kasse unterstehen nach der Stellenbeschreibung (Bl. 39 ff d.A.) Ziff. 1.2 direkt dem Abteilungsleiter Kasse oder dem kaufmännischen Leiter. Disziplinarvorgesetzter des Stelleninhabers ist die Geschäftsleitung der Filiale.
1.4.7 Allein die Verantwortlichkeit der Erstkraft Kasse für Kontrollen ohne eigenen maßgeblichen Spielraum für einen eigenen Aufgabenbereich und ohne Personalverantwortung reicht allerdings nicht aus, um eine Vergleichbarkeit mit den Tätigkeitsbeispielen der Beschäftigungsgruppe IV zu begründen. Das Arbeitsgericht hat insoweit auch zutreffend ausgeführt, dass zentrale Wahrnehmung von Führungsaufgaben durch die kaufmännische Leiterin einer selbstständigen und verantwortlichen Tätigkeit entgegenstehen. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts, dass es sich dennoch bei der Erstkraft Kasse nicht nur um eine selbstständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen, sondern vielmehr um eine selbstständige und verantwortliche Tätigkeit handelt, vermögen nicht zu überzeugen.
1.4.8 Im personellen Bereich ist die Erstkraft Kasse für die auch nicht für die Erstellung des Personaleinsatzplans verantwortlich. Die Erstkraft arbeitet vielmehr auch hier der kaufmännischen Leiterin zu, die die erstellten Pläne genehmigen muss. Ein verantwortungsbewusstes Vorgehen und ein Ergebnis, das regelmäßig keiner Korrektur bedarf führt noch nicht dazu, dass die Erstkraft die Verantwortung für die Personalplanung trägt und hierfür einstehen muss. Die Verantwortung trägt nach den von der Arbeitgeberin gemachten Vorgaben die kaufmännische Leiterin, die den Plan genehmigt und hierfür auch einzustehen hat. Aus den der Erstkraft Kasse zugewiesenen Aufgaben in diesem Bereich ist daher weder ein Entscheidungsspielraum noch ein Gestaltungsspielraum erkennbar.
Hieran ändert auch die vom Betriebsrat angeführte Tatsache nichts, dass Herr E. ohne jegliches Zutun der kaufmännischen Leiterin, selbständig und verantwortlich einen Kasseneinsatzplan erstellt, mit dem er bestimmt, welche der vorhandenen Mitarbeiter zu welchem Zeitpunkt an welchem der Kassenblöcke eingesetzt werden. Dieses Beispiel zeigt vielmehr, dass der vorhandene Entscheidungsspielraum für selbständiges Handeln nur den konkreten Einsatz der im Betreib anwesenden Mitarbeiter betrifft und keinen maßgeblichen Einfluss auf die auf wirtschaftlichen, organisatorischen oder personellen Abläufe im Betrieb eröffnet.
1.5 Mit dem Fehlen der Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe IV bestand auch für den Betriebsrat kein Grund für seine damit begründete Verweigerung der Zustimmung zu der von der Arbeitgeberin beantragten Eingruppierung der Erstkraft Kasse in die Beschäftigungsgruppe III. Daher war dem Antrag der Arbeitgeberin stattzugeben und die Zustimmung zu ersetzen.
2. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter im KST in die Beschäftigungsgruppe II des Gehaltstarifvertrages war abzuweisen, da der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht mit Hinweis auf die zutreffende Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe III verweigert hat. Daher war der erstinstanzliche Beschluss entsprechend abzuändern.
2.1 Die Mitarbeiter im KST erfüllen mit ihrer Tätigkeit das Tarifbeispiel „Kassiererin mit Sammelkassenfunktion“, so dass sie schon deshalb der entsprechenden Beschäftigungsgruppe III zuzuordnen sind.
Den in den Beschäftigungsgruppen jeweils ausdrücklich genannten Tätigkeitsbeispielen kommt gegenüber den allgemeinen Oberbegriffen der Tätigkeitsmerkmale eigenständige Bedeutung zu. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Tätigkeiten einer bestimmten Vergütungsgruppe zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in diesem Fall nicht mehr geprüft zu werden. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist nur dann zurückzugreifen, wenn das Tätigkeitsbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können oder wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Beschäftigungsgruppen auftaucht und damit als Kriterium für eine bestimmte Beschäftigungsgruppe ausscheidet (BAG 23. 9. 2009, 4 AZR 333/08, Rn 19 ff; BAG 23.01.2019, 4 ABR 56/17, jeweils m.w.N.).
Die Mitarbeiterinnen im KST werden regelmäßig an den Kassen im ersten OG eingesetzt, die als Servicekasse die für die Kunden besondere Funktion der Abholung und Rücksendung von im Online-Handel bestellten Sendungen haben, die dort gesammelt werden und denen damit in Auslegung des GTV die Funktion einer Sammelkasse zukommt. Diese Funktion ist ausschließlich bei diesen Kassen gegeben und führt dazu, dass diese Kassen eine herausgehobene Aufgabe wahrnehmen.
2.1.1 Bei der Tarifauslegung ist – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der schon deswegen mitberücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben sodann noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auch auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags zurückgegriffen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 10.04.1996, 10 AZR 758/95, Rn 16, m.w.N.).
2.1.2 Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ergibt sich, dass es sich bei den Servicekassen für den Online-Handel um Sammelkassen im Tarifsinne handelt. Der Begriff der Sammelkasse ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und in der Rechtsterminologie nicht eindeutig ist Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einer Sammelkasse eine „für alle Abteilungen in einem Kaufhaus zuständige Kasse, synonym Zentralkasse“ (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 5, 1983, S. 478) bzw. eine für alle Abteilungen eines Warenhauses zuständige zentrale Kasse (https://www.duden.de/rechtschreibung/Sammelkasse) oder auch eine „Kasse, an der Waren aus verschiedenen Abteilungen auf einmal bezahlt werden können“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Ausgabe 1986, S. 1085) verstanden (s. auch BAG 09.12.1987, 4 AZR 461/87; BAG 10.04.1996, 10 AZR 758/95, Rn 18, m.w.N.).
Der Wortlaut des Begriffs der Sammelkasse gibt einen Anhaltspunkt für dessen Verständnis, weil damit zum Ausdruck kommt, dass an dieser Kasse im Gegensatz zu anderen Kassen etwas gesammelt wird. Für verschiedene Tarifwerke (insbesondere die GTVe für den Einzelhandel in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und NRW) hat das BAG den tariflichen Begriff der Sammelkasse dahingehend verstanden, dass an dieser Kasse abteilungsübergreifend gegenüber anderen vorhandenen Kassen bestimmte besondere Kassenangelegenheiten erledigt werden. Die Sammelkasse hat übergeordnete Aufgaben wahrzunehmen, sei es, dass bei ihr die von anderen Kassen eingenommenen Beträge zusammenlaufen, sei es, dass sie im Vergleich zu den übrigen Kassen weitere und weitgehendere Funktionen hat. Es muss eine besondere Aufgabe für alle Kassen wahrgenommen werden (LAG Rheinland-Pfalz 05.02.2020, 7 Sa 11/19, Rn 85f; BAG 09.12.1987, 4 AZR 461/87, Rn 23; BAG 22.09.2010, 4 AZR 33/09; BAG 23.09.2009, 4 AZR 333/08).
2.1.3 Anders, als in den oben genannten Gehaltstarifverträgen des Einzelhandels werden in dem hier zugrundeliegenden GTV für den Einzelhandel Bayern im systematischen Zusammenhang als vergleichbare Sachverhalte genannt der Kassierer/Kassiererin mit Sammel-, Packtisch- oder Versandkassen-Funktion. Eine Kasse mit Packtischoder Versandkassen-Funktion zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Vergleich mit einfachen Kassen eine zusätzliche Funktion für den Kundenservice bedient, wobei eine besondere Schwierigkeit der Tätigkeit bei den genannten Funktionen nicht unbedingt erkennbar ist, sondern für die Kassierer und Kassiererinnen vor allem weitere Aufgaben hinzukommen. Packtisch- oder Versandkassen üben jedenfalls keine übergreifende Aufgabe für die anderen Kassen aus, wie dies z.B. bei dem Zusammenfassen von Einnahmen der Fall wäre.
2.1.4 Demgegenüber ging es bei der Auslegung der den zitierten Entscheidungen des BAG zugrundeliegenden Tarifverträge um andere Abgrenzungsfragen. Im GTV Einzelhandel NRW ging es bei der Tätigkeit an der Sammelkasse um eine besondere Belastung, die durch eine Belastungszulage ausgeglichen wird (BAG 10.04.1996, 10 AZR 758/95, Rn 23). Im GTV Einzelhandel Baden-Württemberg ging es um die gemeinsamen Merkmale der gehobenen Aufgaben an Etagen-, Bereichs, Regional- und Sammelkassen als Tätigkeitsbeispiel für Tätigkeiten, die selbstständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausgeübt werden (BAG 23.09.02009, 4 AZR 333/08, Rn 36). Im GTV für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz ging es um das Tätigkeitsbeispiel für Kassierer/in mit höheren Anforderungen für Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung erfordern und das in einer Fußnote den Zusatz enthält: „Die für Kassierer/innen geforderten höheren Anforderungen werden in der Regel von Kassierer/innen erfüllt, die überwiegend in Kassenzonen von Lebensmittel-Supermärkten (ab 400 m² Verkaufsfläche) sowie an Sammelkassen beschäftigt sind. Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind und an denen Kassierer/innen ausschließlich beschäftigt werden, sind Sammelkassen gleichzusetzen.“ Hier ging es also darum, dass der Tarifvertrag mit dem Begriff „Sammelkasse“ nicht das Gleiche meinen konnte, wie mit den Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind. (BAG 22.09.2010, 4 AZR 33/09).
2.1.5 Ob diese Auslegung auch für den hier zugrundeliegenden GTV für den Einzelhandel Bayern zugrunde zu legen ist, kann dahinstehen.
Es spricht zwar viel dafür, dass für die Auslegung des GTV auf das nach dem allgemeinen Sprachgebrauch übliche Verständnis des Begriffs einer Sammelkasse zurückgegriffen werden kann mit der Folge, dass hierunter alle Kassen fallen, die zentral für alle Abteilungen eines Warenhauses zuständig sind. Dann würde es sich bei allen bei der Arbeitgeberin vorhandenen Kassen um Sammelkassen handeln, da nunmehr alle Kassen das gesamte Sortiment eines fünfstöckigen Warenhauses mit etwa 50 Abteilungen abdecken, was die Komplexität der Aufgabe deutlich erhöht. Der Kunde kann seine Einkäufe nunmehr im ganzen Haus „sammeln“ und insgesamt an einer Kasse bezahlen. Das Argument des Betriebsrats, dass eine Kasse mit Sammelkassenfunktion diese nicht verlieren kann, nur weil nunmehr auch die anderen Kassen mit dieser Funktion ausgestattet werden und dass deshalb die Mitarbeiter, die nunmehr alle die komplexeren Aufgaben erfüllen müssen, in Folge der diesbezüglich vorgenommenen Gleichstellung der Kassen herabgruppiert werden, zeigt, dass die Eingruppierung nicht von der vom Arbeitgeber gewählten Gestaltung abhängen kann, ob nur eine oder alle Kassen die Möglichkeit eröffnen, zentral und abteilungsübergreifend Artikel aus dem gesamten Sortiment gesammelt an dieser Kasse zu bezahlen. Auch gibt es im GTV für den Einzelhandel in Bayern keine gesonderte Nennung von Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig, so dass hier kein Abgrenzungsbedarf besteht.
2.1.6 Aber auch dann, wenn die vom BAG zu anderen Tarifverträgen entwickelte Definition zugrunde gelegt wird, handelt es sich bei den Servicekassen im ersten OG um Sammelkassen, da jedenfalls das geforderte Kriterium einer weiteren und weitgehenderen Funktion bzw. Sonderfunktion im Vergleich zu den anderen Kassen zutrifft. Diese haben eine im Vergleich zu den übrigen Kassen weitere und weitgehendere Funktion, weil die Sendungen, die im Online-Handel bestellt wurden, nur hier abgeholt und auch wieder zurückgegeben werden können. Dieser Aufgabenbereich erhöht gleichzeitig die Komplexität erheblich, weil zu der Tätigkeit eines Kassierers auch die Tätigkeiten hinzukommen, die mit derjenigen von Schalterbeamten im Paketservice vergleichbar ist. Auch ist die Verantwortlichkeit eine andere, wenn eine Mitarbeiterin im Kassenteam nunmehr Ware nicht mehr nur gegen eine direkte Bezahlung herausgibt, sondern prüfen muss, ob die Ware im Onlinehandel ggf. bereits bezahlt war und keine unmittelbare Gegenleistung für die Ware mehr entgegennimmt.
2.2 Da die Tätigkeit der einzugruppierenden Mitarbeiterinnen des KST an der Servicekasse das Tätigkeitsbeispiel einer Kassiererin mit Sammelkassenfunktion der Beschäftigungsgruppe III erfüllt, war die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe II, die mit ebendieser Begründung erfolgt ist, berechtigt.
Für die Entscheidung kommt es deshalb auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob auch die allgemeinen Merkmale der Beschäftigungsgruppe III (Angestellte mit selbstständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen) auf die einzugruppierenden Mitarbeiterinnen des KST zutreffen, nicht mehr an. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es sich tendenziell sowohl bei der selbständigen Gewährung von Rabatten auf mangelhafte Artikel (Nachlass bis 15,00 €) als auch der Aufgabe der Vermarktung der neuen Kundenkarte im Rahmen der bestehenden Anweisungen um selbständige Tätigkeiten handelt, die über einfache Kassentätigkeiten der Beschäftigungsgruppe II hinausgehen, da hier die Mitarbeiterinnen befugt sind, über den Weg oder das Ergebnis der von ihnen zu erbringenden Leistungen zu entscheiden (s. hierzu BAG 23.09.2009, 4 AZR 333/08, Rn 44).
III.
Für die Arbeitgeberin wird gem. §§ 92, 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde zugelassen, da diese auf eine abweichende Entscheidung des LAG Nürnberg in dieser Frage hingewiesen hat, die der Kammer noch nicht vorlag.


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