IT- und Medienrecht

Aussetzungsmaßstab bei spätem Rechtsbestandsangriff

Aktenzeichen  21 O 7008/19

Datum:
4.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 53067
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EPÜ Art. 64, Art. 69
PatG § 9 S. 2 Nr. 1, § 12 Abs. 1, § 139 Abs. 2, § 140b Abs. 1 und 3
ZPO § 148, § 249

 

Leitsatz

1. Eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits kommt nur in Betracht, wenn der vom Beklagten vorgetragene Angriff auf den Rechtsbestand eine deutlich überwiegende Erfolgsaussicht verspricht. (Rn. 78) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen des gerichtlichen Aussetzungsermessens ist auch der Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem der Verletzer den Rechtsbestandsangriff startet. Dem Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens kommt umso stärkeres Gewicht zu, je später die Nichtigkeitsklage erhoben wurde. (Rn. 79) (redaktioneller Leitsatz)
3. Derjenige, der zögerlich handelt, verdient auch dann nicht den Schutz der Aussetzung, wenn das Klagepatent bereits abgelaufen ist oder seine Schutzdauer während des Rechtsstreits endet. (Rn. 79 – 80) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wird das Klagepatent im “Münchner Verfahren” erst nach dem frühen ersten Termin mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen, ist der Vortrag zum fehlenden Rechtsbestand verspätet und im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die Aussetzung zu Lasten des Beklagten zu bewerten. (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin in einer geordneten, elektronisch verarbeitbaren Aufstellung unter Vorlage von Belegkopien darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie zwischen dem 9. September 2017 und dem 31. März 2020 in der Bundesrepublik Deutschland
1. Klemmschellen, umfassend einen Ring mit zwei Ringabschnitten, die jeweils ein erstes mit einer Klemmlasche und ein zweites mit einem Verbindungselement versehenes Ende aufweisen,
– wobei die Verbindungselemente geeignet sind, miteinander zusammenzuwirken, um die zweiten Enden lösbar zu verbinden,
– wobei die Laschen jeweils eine Bohrung aufweisen und die Klemmschelle ferner eine Schraube umfasst, deren Schaft diese Bohrungen durchquert und die in Bezug zu den Laschen gehalten wird, um ihre relative Bewegung durch Schrauben hervorzurufen, um die Klemmschelle festzuziehen, während die zweiten Enden verbunden sind,
– die eine Brücke umfassen, die zwischen den Klemmlaschen angeordnet ist, und ein von den Ringabschnitten getrenntes Element bildet,
– und die Brücke zwei Befestigungslaschen umfasst, die zwischen den Klemmlaschen angeordnet sind,
– wobei die Befestigungslaschen auf der Innenseite der Klemmlaschen angeordnet sind,
– wobei die Befestigungslaschen jeweils mit einer Bohrung versehen sind, durch die auch der Schaft der Schraube hindurchgeht, und
– wobei die Brücke unter der Wirkung der Kraft des Festziehens der Klemmschelle bei der Bewegung der Klemmlaschen zueinander verformbar ist,
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 1 der EP 3 026 316 B1);
insbesondere
2. Klemmschellen gemäß Ziffer 1., die am zweiten Ende der Ringabschnitte befindlichen Verbindungselemente durch Einhaken miteinander zusammenwirken,
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 2 der EP 3 026 316 B1); und/oder
3. Klemmschellen gemäß Ziffer 2., die das Verbindungselement des zweiten Endes einer der Ringabschnitte an einer Verlängerung des zweiten Endes ausgebildet ist und diese Verlängerung radial nach außen versetzt ist,
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 4 der EP 3 026 316 B1); und/oder
4. Klemmschellen gemäß Ziffern 1. bis 3., bei denen die Bohrung mindestens einer der Klemmlaschen der oben beschriebenen Klemmschelle länglich ist,
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 6 der EP 3 026 316 B1) und/oder
5. Klemmschellen gemäß Ziffern 1. bis 4., bei denen die Bohrung einer der Klemmlaschen der oben beschriebenen Klemmschelle einen innengewindeten Kragen aufweist, um mit dem Schaft der Schraube schraubend zusammenzuwirken, (unmittelbare Verletzung von Anspruch 7 der EP 3 026 316 B1) hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und -gebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen auf die Domain und der Schaltungszeiträume jeder Werbung,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
Ausgenommen sind solche Klemmschellen, die bis zum 31. März 2020 hergestellt, angeboten oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden, aber erst nach dem 31. März 2020 in den Verkehr gebracht wurden.
Es bleibt der Beklagten zu 1) vorbehalten, Namen und Anschriften von nicht-gewerblichen Abnehmern und Angebotsempfängern statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) dessen Kosten trägt und ihn ermächtiget und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die unter I. bezeichneten, in der Zeit zwischen dem 9. September 2017 und dem 31. März 2020 begangenen Handlungen Schadenersatz zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die Klägerin trägt ferner die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
V. Das Urteil ist für die Klägerin in Ziffer I. gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 25.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar. In Ziffer IV. ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist gegen die Beklagte zu 1) begründet (A.), gegen die Beklagte zu 2) hingegen nicht (B.).
A.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, sowie Schadensersatz dem Grunde nach gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1, Abs. 3, 9 Satz 2 Nr. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Das Herstellen der angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagte zu1) in Deutschland stellt eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG dar.
I.
Das Klagepatent betrifft eine Klemmschelle (auch „Gelenkschelle“, „collier de serrage articulé“), die neben zwei Ringelementen insbesondere ein als getrenntes Element ausgestaltetes Brückenelement enthält.
Nach den Ausführungen der Patentschrift waren Klemmschellen im Stand der Technik vorbekannt, wie etwa die WO 98/43010 zeigt. Die in der genannten Druckschrift dargestellte Klemmschelle ist so ausgestaltet, dass das oberen Ende der Ringelemente mit jeweils einer Klemmlasche ausgestattet ist, durch die eine Schraube (Spannmittel) mit dem Ziel geführt wird, die Ringelemente zueinander zu verschieben, während das jeweilige mit einem Verbindungselement ausgestattete untere Ende der Ringelemente lösbar mit dem jeweils anderen verbunden ist [0002].
Klemmschellen werden zur Montage um ein zu umspannendes Objekt gespannt, so dass es gewünscht ist, dass dabei das Verbindungselement nicht gelöst werden muss. Die Klemmschelle nach der WO 98/43010 erreicht dies dadurch, dass die Ringelemente zur Montage über das Objekt am unteren Ende voneinander getrennt werden und nach der Umfassung des Objekts wieder mittels der Verbindungselemente zusammengefügt werden, während sie am oberen Ende durch die dort locker montierte und einen gewissen Bewegungsspielraum gebende Schraube zusammengehalten werden. Daran kritisiert das Klagepatent, dass die relative Verschiebung der Ringhälften beim Montagevorgang nicht kontrolliert wird, was die für die ordnungsgemäße Montage notwendige Ausrichtung der Ringhälften zueinander erschwert [0003].
An der ebenfalls zitierten Druckschrift US 875.019 kritisiert das Patent, dass beim dortigen Montagevorgang das Spannmittel entfernt werden muss [0004], [0005]. Die weitere Druckschrift US 2005/0253380 stellt eine Klemmschelle dar, bei der die Ringhälften an ihren jeweiligen beiden Enden durch Klemmschrauben verbunden sind und bei der Distanzstücke („des entretoises“) zwischen den Hälften angeordnet sind [0006].
Vor diesen Hintergrund des Stands der Technik macht es sich das Klagepatent zur Aufgabe, eine verbesserte Klemmschelle zur einfachen Montage dergestalt bereitzustellen, dass die Spannmittel bei der Montage um das Objekt auf den Klemmlaschen angebracht sind und die Verbindung der Ringhälften mittels der am jeweiligen unteren Ende angeordneten Verbindungsmittel vereinfacht wird [0007].
Zur Lösung dieses Ziels schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 folgende Vorrichtung vor, deren Merkmale sich gemäß dem klägerischen Vorschlag wie folgt gliedern lassen:
„1. Klemmschelle, umfassend einen Ring (10), eine Schraube (18) und eine Brücke (324′);
2. Der Ring (10) verfügt über zwei Ringabschnitte (12, 13);
3. Die Ringabschnitte (12, 13) weisen jeweils ein erstes Ende (12A, 13A) und ein zweites Ende (12B, 13B) auf,
3.1 Das erste Ende (12A, 13A) ist jeweils mit einer Klemmlasche (14,15) versehen,
3.1.1. die Klemmlaschen weisen jeweils eine Bohrung (14A, 15A) auf;
3.2 Das zweite Ende (12B, 13B) ist jeweils mit einem Verbindungselement (16, 17) versehen,
3.2.1 die Verbindungselemente sind geeignet, miteinander zusammenzuwirken, um die zweiten Enden lösbar zu verbinden;
4. Die Klemmschelle umfasst eine Schraube (18),
4.1 Der Schaft der Schraube (18A) durchquert die Bohrungen der Klemmlaschen (14A, 15A),
4.2 Die Schraube wird in Bezug zu den Klemmlaschen (14, 15) gehalten, um ihre relative Bewegung durch Schrauben hervorzurufen, um die Klemmschelle festzuziehen, während die zweiten Enden verbunden sind;
5. Die Klemmschelle umfasst eine Brücke (324′),
5.1 die Brücke ist zwischen den Klemmlaschen (14,15) angeordnet,
5.2 die Brücke bildet ein von den Ringabschnitten (12, 13) getrenntes Element,
5.3 die Brücke umfasst zwei Befestigungslaschen (325′, 325“),
5.3.1 die Befestigungslaschen sind zwischen den Klemmlaschen (14, 15) angeordnet,
5.3.2 die Befestigungslaschen sind auf der Innenseite der Klemmlaschen (14,15) angeordnet,
5.3.3 die Befestigungslaschen (325′, 325“) sind jeweils mit einer Bohrung (325’A, 325„A) versehen, durch die auch der Schaft (18A) der Schraube hindurchgeht;
5.4 Die Brücke ist unter der Wirkung der Kraft des Festziehens der Klemmschelle bei der Bewegung der Klemmlaschen zueinander verformbar.“
II.
Angesichts des Streits der Parteien bedarf allein die Merkmalsgruppe 5 der näheren Erläuterung.
1. Bei dem Brückenelement (324`; „pont“) handelt es sich ausweislich Merkmal 5.2. um ein von den Ringabschnitten (12, 13; „portions de ceinture“) getrenntes Element, das gemäß Merkmal 5.1. zwischen den Klemmlaschen (14, 15; „pattes de serrage“) angeordnet ist. Gemäß der Merkmalsgruppe 5.3 ist das Brückenelement mit Befestigungslaschen (325`, 325“; „pattes de fixation“) ausgestattet, die zwischen den Klemmlaschen (14, 15) auf deren jeweiliger Innenseite angeordnet sind und jeweils eine Bohrung (325`A; „percage“) aufweisen, durch die der Schaft einer Schraube (18A, „le fut“) hindurchgeht.
Schließlich weist die Brücke gemäß Merkmal 5.4 die Eigenschaft auf, bei einer Bewegung der Klemmlaschen (14, 15) aufeinander zu verformbar zu sein. Dieses Merkmal ist ausweislich der Beschreibung [0009] dahin auszulegen, dass das Brückenelement verformbar sein muss, um einem Festziehen der Klemmschelle nicht entgegenzustehen, sondern sich entweder zu verformen oder kaputtzugehen („Lors du serrage, la configuration du pont est modifiée (en particulier, le pont se déforme et/ou se casse), de sorte que le pont ne gêne pas le serrage“ [0009]). Eine tatsächliche Verformung verlangt das Merkmal – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht.
2. Eine Ausführungsform der beanspruchten Klemmschelle und eine mögliche Ausgestaltung der Brücke werden durch die bereits im Tatbestand widergegebenen Fig. 17 und 18 veranschaulicht. Dass es sich hierbei um Ausführungsvarianten handelt, bestätigt die Beschreibung in [0024].
Die Funktion der Brücke wird in Anspruch 1 nicht erläutert; Funktions- oder Zweckangaben finden sich dort in Bezug auf die Brücke nicht. Stattdessen findet man hierzu Angaben in [0009]. Dort heißt es:
„Grâce au pont, les pattes de serrage sont initialement maintenues dans une position déterminée, correspondant à I’état libre, non serré du collier. Le pont permet également de maintenir I’une par rapport à l`autre les deux portions de ceinture. (…) A I’état non serré du collier, les deuxièmes extrémités des deux portions de ceinture peuvent être rapprochées I’une de I’autre jusqu’à faire coopérer entre eux les organes d’assemblage. Lors de ces déplacements des portions de ceinture, celles-ci sont tenues l`une par rapport à I’autre par le pont. Ainsi, grâce a u pont, ces déplacements peuvent être maitrisés, ce qui signifie que les déplacements relatifs des portions de ceinture s’effectuent selon des trajectoires déterminées par le pont. Le pont forme donc une articulation entre les deux portions de ceinture qui évite leurs débattements relatifs dans des directions non souhaitées. En particulier, les deux portions de ceinture peuvent, tout en se déplacant l`une par rapport à I’autre, rester dans le plan global du collier, c’est-à-dire que les organes d’assemblage qui équipent leurs deuxièmes extrémités restent en registre l’un par rapport à I’autre, sans se décaler selon la direction axiale du collier, de manière à venir coopérer naturellement en fin de la course de déplacement. En d’autres termes, les deux portions de ceinture se comportent comme des mâchoires, dont la trajectoire est maitrisée grâce à la présence du pont.” Demnach ermöglicht es die Brücke, die Klemmlaschen auch im nicht gespannten Zustand in einer bestimmten Position zu halten sowie gleichzeitig die beiden Ringabschnitte zueinander in Beziehung zu halten. Wenn die Klemmschelle am Befestigungsobjekt befestigt wird, erfolgt dies über die beiden unteren, „zweiten“ Enden der Ringelemente mittels ihrer Verbindungselemente. Die infolge des Befestigungsvorgangs erfolgende Annäherung der beiden Ringelemente vollzieht sich aufgrund des Brückenelements in einer durch das Element vorgegebenen Weise. Dabei wird verhindert, dass die Ringelemente sich nicht in eine unerwünschte Richtung drehen. Dadurch wie das Montieren der Klemmschelle aufgabengemäß erleichtert.
3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Merkmal 5 „Brücke“ nicht dahingehend zu verstehen, dass die Brücke als Teil der Klemmschelle mit den Klemmlaschen stets fest verbunden sein bzw. zu diesen in unmittelbarer Verbindung stehen muss. Dagegen spricht bereits der Wortlaut von Merkmal 5.2, wonach es sich um ein von den Ringelementen getrenntes Element handelt. Auch das Merkmal 5.3.2. verlangt nur, dass die Befestigungslaschen der Brücke „auf“ der Innenseite („étant disposées du côté interne“), nicht hingegen „an“ („sur“ oder „à l`interne côté de“) der Innenseite der Klemmlaschen angeordnet sind. Die Verbindung zwischen den einzelnen Teilen wird anspruchsgemäß erst durch das Spannmittel, d.h. die Schraube, hergestellt (vgl. Merkmal 4 sowie [0012]: „Ainsi, la mise en place des moyens de serrage relie le pont à la ceinture, sans étape d’assemblage supplémentaire“).
Die Befestigungslaschen (325‘, 325‘‘) nach Merkmal 5.3 enthalten anspruchsgemäß zwar eine Bohrung, durch die die Schraube hindurchgeführt werden kann. Nicht beansprucht ist damit jedoch eine Befestigung der Brücke mittels der Befestigungslaschen und der Schraube mit den Klemmlaschen. Erforderlich ist lediglich, dass mit der Schraube die Brücke befestigt werden kann. Auch der Wortlaut „Bohrung“ kann nicht in diesem Sinne verstanden werden, da eine solche Befestigung im Anspruch nicht vorgesehen ist und auch über eine funktionale Auslegung nicht erreicht werden kann. Denn eine Befestigung von Befestigungslaschen und Klemmlasche ist nach der Funktion der anspruchsgemäßen Klemmschelle erst ganz am Schluss vorgesehen, nämlich dann, wenn die Klemmschelle am Objekt montiert wurde, die unteren Enden über ihre Verbindungselemente miteinander verbunden wurden und die Klemmschelle dann abschließend an ihrem oberen Ende mittels der Schraube festgezogen wird. Davor ist aber gerade zur Montage eine gewisse – einer fixen Befestigung gerade entgegenstehende – Flexibilität der Ringhälften erforderlich, um die Montage und Verbindung der unteren Enden zu gewährleisten; vgl. [0009].
Wie die Brücke ihre Funktion erfüllt, die Ringelemente zu beabstanden und insbesondere beim Zusammenführen der Verbindungselemente der beiden unteren Enden in einer Position zueinander zu halten, wird durch Anspruch 1 nicht gelehrt. Aus der Beschreibung ist ersichtlich, dass die in [0009] erläuterte Funktion der Brücke bei ihrer Anordnung zwischen den Klemmlaschen erreicht wird, durch die die Spannmittel geführt werden. Die Beschreibung führt in [0014] hierzu aus:
„Ainsi, le pont s’étend dans la région du collier dans laquelle se trouvent les moyens de serrage. C’est alors dans la région de ces moyens que se situe l’articulation entre les deux mâchoires que forment des deux portions de ceinture. (…).” Der Wortlaut der Merkmalsgruppe 5 verlangt zwar in Merkmal 5.1 ebenfalls die Anordnung der Brücke zwischen den Klemmlaschen. Ein Verständnis dahingehend, die gesamte Brücke müsse anspruchsgemäß ausschließlich zwischen den Innenseiten der Klemmlaschen und ausschließlich auf deren Höhe angeordnet sein, würde dem technischen Sinngehalt des Anspruchs hingegen nicht gerecht. Dagegen spricht bereits der insoweit nicht eindeutige Wortlaut, der nicht sagt, wo genau zwischen den Klemmlaschen die Brücke angeordnet sein soll. Dass nicht alle Teile der Brücke auf Höhe der Klemmlaschen angeordnet sein müssen, zeigen die Merkmale 5.3 bis 5.3.3. Denn dort wird nur verlangt, dass sich die Befestigungslaschen der Brücke zwischen den Innenseiten der Klemmlaschen (Merkmal 5.3.1, und 5.3.2) befinden müssen. Dass alle anderen Teile der Brücke ebenfalls so angeordnet sein müssen, folgt daraus nicht. Ein Hinausragen der Brücke über die Klemmlaschen ist demnach nicht ausgeschlossen.
Die Anordnung bezieht sich auch nur darauf, wo die Brücke räumlich-körperlich als Teil der Klemmschelle zu verorten ist. Wo sie die ihr zugewiesene Funktion verwirklicht, ergibt sich daraus gleichwohl nicht.
III.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents in Anspruch 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Das von den Beklagten als „Federelement“ („spring“) bezeichnete Teil verwirklicht die Merkmale der Merkmalsgruppe 5 wortsinngemäß. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.
a) Es handelt sich um ein von den übrigen Teilen, insbesondere den Ringabschnitten der angegriffenen Ausführungsform separates Teil (Merkmal 5.2).
Räumlich-körperlich ist es so ausgestaltet, dass es zwei, eine leichte Bogenform beschreibende Schenkel besitzt, die an den inneren Seiten des jeweiligen Ringabschnitts entlang nach unten führen.
Verbunden werden die beiden Schenkel oben durch zwei kreisförmig aufeinander zulaufende Streben, die jeweils eine Auslassung aufweisen, durch die eine Schraube geführt werden kann (Merkmal 5.3, 5.3.3).
Der durch die Streben gebildete Bogen ist zwischen den Ringabschnitten auf Höhe des jeweiligen oberen Endes der Ringelemente, die die Klemmlaschen darstellen, angeordnet (Merkmal 5.1, 5.3.1, 5.3.2). Dass das bogenförmige obere Ende des Federelements nicht direkt mit ihnen in Verbindung steht und sich nicht bündig an sie anschließt, ist unschädlich, da dies – wie oben gezeigt – der Anspruch nicht verlangt.
b) Wird die angegriffene Klemmschelle am oberen Ende der Ringelemente mittels der Schraube festgezogen, bewegen sich die jeweiligen oberen Enden der beiden Ringelemente aufeinander zu.
Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass dem Festziehen der Klemmschelle ein relevanter Widerstand des Federelements entgegenstünde. Sie haben auch nicht vorgetragen, dass das Federelement beim Festziehen nicht verformbar ist. Insofern ist der Hinweis der Beklagten, durch das Festziehen ihrer Klemmschelle werde das Federelement nicht verformt, unbehelflich. Denn eine tatsächliche Verformung wird vom Klagepatent nicht verlangt. Das Merkmal 5.4 ist daher ebenfalls verwirklicht.
c) Auch die vom Brückenelement gemäß der Merkmalsgruppe 5 zu erfüllende Funktion wird vom Federelement der angegriffenen Ausführungsform anspruchsgemäß verwirklicht.
aa) Die Beklagten meinen hingegen, die Funktion der Brücke, nämlich die Ringabschnitte zu beabstanden und in einer Position zueinander zu halten, müsse anspruchsgemäß durch eine bündige Verbindung von Klemm- und Befestigungslaschen erfolgen. Sie berufen sich hierzu insbesondere auf die Fig. 17 und Fig. 18 des Klagepatents. Die angegriffene Ausführungsform erfülle diese Funktion hingegen durch die beiden Schenkel an der Innenseite der Ringabschnitte, während das bogenförmige obere Ende zwischen den Klemmlaschen allein der Aufhängung an der Schraube diene.
bb) Die Merkmalsgruppe 5 lehrt die nähere Ausgestaltung der Brücke und ihre Anordnung als separates Teil der Klemmschelle zwischen den Klemmlaschen der Ringelemente. Die anspruchsgemäße Ausgestaltung schließt nicht aus, dass Teile des zwischen den Klemmlaschen angeordneten Brückenelements entlang der Ringelemente verlaufen können und dadurch im Zusammenwirken mit dem zwischen den Klemmlaschen liegenden Teil die gewünschte Funktion erfüllen. Entscheidend ist hierbei, dass die Schenkel der angegriffenen Ausführungsform nur deshalb die patentgemäße Funktion des Brückenelements erfüllen können, weil sie über das bogenförmige, zwischen den Klemmlaschen angeordnete und infolge der Aussparungen durch eine Schraube mit den oberen Enden der Ringelemente verbundene obere Ende ihrerseits in Position gehalten werden. Allein die Anordnung der Schenkel entlang der Ringelemente erfüllt die patentgemäße Funktion nicht. Erforderlich ist ihre Verankerung durch das bogenförmige Ende auf Höhe der oberen Enden der Ringelemente zwischen diesen. Erst über das auf Höhe der Klemmlaschen befindliche bogenförmige Ende des Federelements werden die beiden Schenkel zu einer Brücke und erst durch diese Verbindung werden sie in die Lage versetzt, die gewünschte Beabstandung zu gewährleisten. Damit erfüllt die angegriffene Ausführungsform nicht nur die Funktion der Brücke, sondern sie erfüllt sie auch in der Weise, wie sie das Klagepatent bei dessen funktionaler Auslegung beansprucht.
IV.
Die geltend gemachten Unteransprüche sind gleichfalls wortsinngemäß verwirklicht.
Anspruch 2 ist verwirklicht, da die angegriffene Klemmschelle am unteren Ende über Verbindungselemente verfügt, die durch Einhaken miteinander zusammenwirken.
Anspruch 4 ist verwirklicht, da die angegriffene Klemmschelle am unteren Ende eines Ringelements ein Verbindungselement an einer Verlängerung des zweiten Endes aufweist und letztere so ausgebildet ist, dass sie radial nach außen versetzt ist. Gemeint ist damit der am unteren Ende des Ringelements als Fortsatz ausgebildete Haken.
Dass mindestens eine der Klemmlaschen der angegriffenen Ausführungsform länglich ist, haben die Beklagten nicht bestritten, so dass Anspruch 6 ebenfalls verwirklicht ist.
Gleiches gilt für die Merkmale von Anspruch 7, wonach die Bohrung einer der Klemmlaschen einen innengewindeten Kragen aufweist, um mit dem Schaft der Schraube schraubend zusammenzuwirken.
V.
Die Beklagten sind der Klägerin gegenüber auch nicht zur Benutzung der Lehre des Klagepatents aufgrund eines Vorbenutzungsrechts berechtigt. Ein solches können die Beklagten nicht erfolgreich für sich in Anspruch nehmen.
1. Die Beklagten berufen sich darauf, sie hätten bereits vor dem allein maßgeblichen Anmeldtag des Klagepatents am 28.10.2011 die patentgemäße Lehre in einer ihrer Klemmschellen benutzt. Hierfür sei auch die Patentanmeldung DE 10 2011 117 753 A1 vom 05.11.2011 erfolgt.
Gemäß § 12 Abs. 1 PatG tritt die Ausschlusswirkung des Patents gegenüber demjenigen nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten zu nutzen.
Wer sich auf das Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG beruft, muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt selbständigen Erfindungsbesitz hatte. Erfindungsbesitz hat, wer auf Grund eigener Erkenntnis oder der Erkenntnis eines für ihn handelnden Gehilfen weiß, welche Maßnahmen er treffen muss, um zum erfindungsgemäßen Erfolg zu gelangen. Dieses Wissen ist gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig ist und subjektiv erkannt worden ist, dass und wie eine tatsächliche Ausführung möglich ist (vgl. Scharen, in: Benkard, PatG, 11. Auflage, 2015, § 12 Rn. 5 m.w.N.). Das Handeln des sich auf § 12 PatG Berufenden muss daher von einer Erkenntnis getragen sein, die es jederzeit möglich macht, die technische Lehre wiederholbar auszuführen. Das ist der Fall, wenn das Handeln planmäßig auf die Verwirklichung einer technischen Lehre gerichtet ist, die alle Merkmale des erfindungsgemäßen Gegenstandes aufweist (BGH GRUR 2012, 895 Rn.18 – Desmopressin). Ein technisches Handeln, das über das Stadium von Versuchen, insbesondere solchen, durch die eine brauchbare Problemlösung erst ermittelt werden soll, noch nicht hinausgediehen ist und zu einer ein planmäßiges Handeln ermöglichenden Erkenntnis seiner Wirkung noch nicht geführt hat, begründet keinen Erfindungsbesitz und kein Vorbenutzungsrecht (BGH, ebd.). Schließlich ist erforderlich, dass der Erfindungsbesitz durch Benutzungshandlungen oder eine Veranstaltung bestätigt wird.
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Selbst wenn man mit den Beklagten aufgrund der Erfindungsmeldung vom 05.09.2011 in der Anlage B 5 einen Erfindungsbesitz annehmen würde, mangelt es jedenfalls an einer Betätigung des Erfindungsbesitzes durch Benutzung.
Die Anlage B 7 reicht dafür nicht aus, da es sich hierbei um eine „Angebotszeichnung“ handelt. Zudem stammt sie vom 10.08.2011 und somit aus einer Zeit vor der Erfindungsmeldung. Gleiches gilt für das Video der Anlage B 6, das ebenfalls aus dem August 2011 stammt sowie den Lieferschein vom 25.08.2011 an die t (Anlage B 8). Im Lieferschein (Anlage B 8) wird die gelieferte Klemmschelle zudem explizit als „PROTOTYPE VPP 31 WITH SPRING“ bezeichnet, so dass bereits deswegen eine Benutzung ausscheidet (vgl. Bukow, in: Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Auflage, 2020, § 13 Rn. 130; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Auflage, 2017, Abschnitt E. Rn. 443).
Die Anlage B 12, die eine Anfrage der S.A. vom 29.06.2010 zur Entwicklung der erfindungsgemäßem Klemmschelle bei den Beklagten veranlasst haben soll, gibt keinerlei Auskunft über deren Erfindungsbesitz oder dessen Bestätigung bei den Beklagten.
Die Anlage B 13, eine Machbarkeitszusage („Feasibility Commitment“), kann eine Bestätigung des hier relevanten Erfindungsbesitzes nicht belegen, da aus ihr nicht ersichtlich ist, worauf sie sich bezieht. Als Bezugnahme erscheint dort unter „Part No. CA: 110973 (Drwg 0169 4914 031 P2) PSA CTF Drawing (98 005 626 A)“. Dass es sich dabei um die als Erfindung gemeldete Klemmschelle handelt, ist nicht erkennbar. Ferner ist in dem Schriftstück unter „Key Milestones“ von „Prototype in Process“ die Rede sowie davon, dass „samples“ im Juni 2012 an geliefert werden soll. Insofern bestehen starke Zweifel, ob überhaupt von einer Betätigung des Erfindungsbesitzes durch Produktion eines fertigen Produkts ausgegangen werden kann.
Die Anlage B 14 schließlich stellt zwar ein grundsätzlich zum Beweis der Betätigung des Erfindungsbesitzes geeignetes Dokument dar, da es sich um einen Liefervertrag für ein Produkt handelt. Jedoch ist Vertragspartner dieser Vereinbarung weder die Beklagte zu 1) noch die Beklagte zu 2), sondern die AG. Ferner ist der Vertrag von deren Vertragspartner nicht unterzeichnet. Zudem ist dem Vertrag bzw. seinen Anlagen nicht zu entnehmen, dass die von den Beklagten beanspruchte Klemmschelle Vertragsgegenstand ist. So heißt es im Vertrag unter Article 2: „The TOOLs are specified in detail in Attachment 2.“ Die Anlage 2 bezeichnet als „TOOL DESCPRIPTION: Part Specification(s)/Drawing: A2C31217800“. Dass es sich dabei um die hier als vorbenutzt behauptete Klemmschelle handelt, ergibt sich daraus nicht.
b) Auch der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 06.08.2020 weiter vorgebrachte Tatsachenvortrag führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
aa) Dabei ist schon äußerst fraglich, ob er überhaupt prozessual zu berücksichtigen ist, da den Beklagten hierfür kein Schriftsatznachlass gewährt wurde. Das können die Beklagten auch nicht dadurch verdecken, dass sie den Schriftsatz als „Duplik“ deklarieren und meinen, dass sie auf den letzten Schriftsatz der Klägerin mit einer
„Duplik“ erwidern dürfen müssen, nachdem sie nach dem frühen ersten Termin als erste vom Gericht aufgefordert worden seien, zu schreiben. Dabei übersehen sie, dass die Vorgehensweise mit den Prozessbevollmächtigten abgesprochen war und dass die Beklagten bereits umfänglich zum Vorbenutzungsrecht in ihrem Schriftsatz vorgetragen haben. Hätten nicht sie, sondern die Klägerin zuerst geschrieben, hätten sie auch nicht Gelegenheit gehabt, mit zwei Schriftsätzen zur Vorbenutzung vorzutragen.
bb) Unabhängig davon, verhilft der neue Vortrag den Beklagten bzw. der Beklagten zu 1) nicht zum Erfolg.
Die Anlage B 18-1 weist die Beklagte zu 1) nicht als Zulieferer/Vertragspartner aus.
Auf Seite 1 ist von „“ die Rede, auf der letzten Seiet wird die „“ als „Supplier“ genannt.
Die Anlage B 18-2 führt unabhängig davon, dass sie als eidesstattliche Versicherung kein zulässiges Beweismittel im Hauptsacheverfahren ist (dort gilt der Strengbeweis), ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Denn die dort gemachten Angaben lassen schon nicht erkennen, von welcher Schelle die Rede ist. Allein die Angabe „Variante mit Federelement“ ist hierfür unzureichend, da es sich genau um diejenige „Variante“ handeln muss, die die Beklagte zu 1) später als Patent angemeldet hat. Auch die Erklärungen zu den unterschiedlichen Zeichnungsnummern werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Denn laut dem unter Verweis auf die Anlage B 18-1 gemachten Vortrag der Beklagten, bedeutet die vorangestellte Zahl „0“, dass es sich um ein Serienprodukt handelt. Die vorangestellte Zahl „3“ soll hingegen auf einen Prototyp hinweisen. Dann ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum in der Anlage B 19, die vom 14.05.2011 stammt, die angebliche Schelle bereits mit der Nummer „01694914031“ bezeichnet ist, während sie im späteren Dokument der Anlage B 7 (10.08.2011) mit der Prototypennummer „31694914031“ bezeichnet wird. Insofern bestehen erhebliche Bedenken, ob es sich bei den mit verschiedenen Nummern bezeichneten Produkten tatsächlich um jeweils dieselbe Schelle handelt. Der Vortrag der Beklagten ist insoweit bereits unschlüssig.
Im Übrigen ist auch die Anlage B 19 nicht zum Beweis der Erfindungsbetätigung geeignet, da sie auf Seite 2 von „Musterbedarf“ spricht. Daraus ist zu schließen, dass gerade noch keine Serienproduktion beauftragt war. Zudem ist aus dem auf Seite 3 eingelichteten Bild das Federelement gerade nicht erkennbar. Dies ist insoweit erklärbar, als in der Anlage B 18-2 ausgeführt wird, man habe (erst) im August 2011 zwei Schellenvarianten vorgestellt und diejenige mit der Feder sei dann ausgewählt worden.
Schließlich konzedieren die Beklagten mit Vorlage der Anlage B 21 (Datum: 07.12.2011) selbst, dass erst zu diesem Zeitpunkt die Tests durchgeführt waren, die eine Serienproduktion möglich erscheinen ließen. In ihrem Schriftsatz vom 06.08.2020 führen sie auf Seite 16 aus, dass erst im Jahr 2013 ein „Strategic Supplier Contract“ als Ergebnis der Bemühungen der Beklagten zu 1) geschlossen wurde.
Die übrigen Anlagen B 22 bis B 25 geben keinen Aufschluss über ernsthafte Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1). Aus der Anlage B 24 ist noch nicht einmal das Federelement erkennbar.
Demnach sind die Voraussetzungen für ein Vorbenutzungsrecht nicht als erfüllt anzusehen.
3. Die von den Beklagten aufgeworfene Frage, ob das Klagepatent die Priorität der FR 10 59150 vom 05.11.2010 wirksam in Anspruch nimmt (Anlage B 5), kann daher mangels eines Vorbenutzungsrechts der Beklagten dahinstehen.
VI.
Indem die Beklagte zu 1) unwidersprochen die angegriffenen Klemmschellen in Deutschland herstellt, verletzt sie das Klagepatent gemäß § 9 Satz 1 Nr. 1 PatG und ist daher gemäß § 140b PatG, § 242 BGB zu Auskunft/Rechnungslegung sowie gemäß § 139 Abs. 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet. Da es zur pflichtgemäßen Sorgfalt gehört, sich vor dem Herstellen von Gegenständen über dem entgegenstehende Schutzrechte zu informieren, hat die Beklagte zu 1) mit der Herstellung der patentverletzenden Klemmschellen jedenfalls fahrlässig gehandelt.
VII.
Eine Aussetzung des hiesigen Verletzungsstreits gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf die anhängige Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) gegen das Klagepatent vor dem Bundespatentgericht scheidet aus.
1. Die Entscheidung über die Aussetzung steht im Ermessen des Verletzungsgerichts, wobei dieses summarisch anhand des ihm vorgelegten Sachverhaltes die Erfolgsaussichten des gegen den Bestand des Klagepatents gerichteten Rechtsmittels überprüft.
Da es sich beim Patent um ein geprüftes Schutzrecht handelt und die Aussetzung für den Kläger wegen der in der Regel langen Verfahrensdauer eines Bestandsverfahrens einen erheblichen Eingriff in sein geprüftes Ausschließlichkeitsrecht bedeutet, kommt eine Aussetzung nur dann in Betracht, wenn der vom Beklagten vorgetragene Angriff auf den Rechtsbestand eine deutlich überwiegende Erfolgsaussicht verspricht.
Im Rahmen des gerichtlichen Aussetzungsermessens ist auch der Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem der Verletzer den Rechtsbestandsangriff startet. So hätte er bereits bei Aufnahme der Verletzungshandlungen das Klagepatent angreifen können. Ist er davon ausgegangen, keine Verletzung zu begehen, hätte er jedenfalls nach vorgerichtlicher Abmahnung bzw. spätestens mit Zustellung der Verletzungsklage im eigenen Interesse die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents überprüfen lassen können. Dem Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens kommt daher umso stärkeres Gewicht zu, je später die Nichtigkeitsklage erhoben worden ist (vgl. BGH GRUR 2012, 93 Rn. 5 – Klimaschrank). Insofern ist ein erst spät erfolgender Rechtsbestandsangriff im Rahmen des Ermessens zulasten des Verletzers zu werten. Denn durch die zögerliche Verfahrensführung hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Erfolgsaussichten des Bestandsverfahrens für ihn nicht im Vordergrund seiner Verteidigung stehen. Unabhängig von den Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage verdient somit derjenige, der zögerlich handelt, nicht den Schutz der Aussetzung.
Nicht anderes gilt, wenn das Klagepatent abgelaufen ist oder während des Rechtsstreits seine Schutzdauer endet (vgl. Kühnen, a.a.O., Abschnitt E Rn. 611). Entsprechend ist im vorliegenden Fall, in dem die Parteien nur noch hinsichtlich einer Patentverletzung in der Vergangenheit streiten, den Unterlassungsanspruch jedoch beidseitig für erledigt erklärt haben, kein anderer Aussetzungsmaßstab anzulegen.
2. Hier hat die Beklagte zu 1) das Klagepatent erst nach dem frühen ersten Termin mit der Nichtigkeitsklage angegriffen.
Das führt dazu, dass der späte Vortrag zum fehlenden Rechtsbestand (a) verspätet ist und (b) im Rahmen einer Ermessenentscheidung über die Aussetzung zu Lasten der Beklagten zu 1) zu werten ist.
a) Der frühe erste Termin ist seinem Wesen nach kein reiner Vorbereitungstermin für den Haupttermin (§ 279), sondern bereits ein vollwertiger mündlicher Verhandlungstermin, in dem Entscheidungsreife (§ 300 Abs. 1) herbeigeführt werden kann (Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 275 Rn. 14 m.w.N.). Das Gericht kann den frühen ersten Termin durch Setzen einer Klageerwiderungsfrist und durch weitere Maßnahmen gem. § 273 Abs. 2 ZPO so wirkungsvoll ausgestalten, dass er eine unverzügliche Schlussverhandlung (ohne Haupttermin) zulässt (BGH NJW 1983, 575). Dem entsprechend heißt es in den Hinweisen des erkennenden Gerichts zum „Münchner Verfahren“ in Patentverletzungsstreitigkeiten:
„Soweit die Klageerwiderung keinen zulässigen Aussetzungsantrag enthält, wird ein Haupttermin nur dann durchgeführt werden, wenn dies die Klagepartei ausdrücklich wünscht. Werden Angriffe gegen den Rechtsbestand des Klagepatents erst später vorgebracht, kann die zeitliche Verzögerung im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zum Nachteil der beklagten Partei gewürdigt werden.“
Angesichts dessen erfolgte der Rechtsbestandsangriff der Beklagten zu 1) nach dem frühen ersten Termin verspätet. Somit ist das Vorbringen zur Aussetzung der Beklagtenseite nicht mehr zu berücksichtigen.
b) Eine Aussetzung wäre aber auch dann nicht in Betracht gekommen, wenn die Kammer einen Haupttermin durchgeführt hätte, obwohl die Sache bereits nach dem frühen ersten Termin entscheidungsreif war.
Die Klageschrift samt Terminsverfügung mit der Aufforderung zur Klageerwiderung ist den Beklagten am 18.07.2019 zugestellt worden. Die Beklagten haben den- noch mit der Klageerwiderung den Rechtsbestand des Klagepatents nicht angegriffen, sondern die Beklagte zu 1) hat erst nach der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2019 mit Schriftsatz vom 15.04.2020 (Anlage B 10) Nichtigkeitsklage erhoben. Die Beklagten hatten jedoch ausreichend Zeit zwischen der Zustellung der Klageschrift samt Terminsverfügung am 18.07.2019 und dem frühen ersten Termin am 04.12.2019, eine Nichtigkeitsklage zu erheben.
Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte zu 1) trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises in der Terminsverfügung nicht bereits vor dem frühen ersten Termin Nichtigkeitsklage erhoben hat, sondern erst mehrere Monate nach diesem Termin, fällt die Interessenabwägung deutlich zugunsten der Klägerin aus.
Folglich war die Beklagte zu 1) antragsgemäß zu verurteilen.
B.
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist unbegründet. Die Klägerin hat zur Überzeugung des Gerichts keine Tatsachen dargetan, die die behauptete Verletzungshandlung in Form des Vertriebs der streitgegenständlichen Klemmschellen belegt.
1. Aus den von der Klägerin vorgelegten Anlagen K 12 bis K 17 ergibt sich keine Vertriebs- oder sonstige Verletzungshandlung der Beklagten zu 2).
Richtig ist, dass in den Anlagen K 12 bis K 16 jeweils die „…” wird. Dass es sich dabei um die Beklagte zu 2), die „…” genannt handelt, ist daraus gleichwohl nicht ersichtlich. Dass nicht die Beklagte zu 2) mit der Bezeichnung „“ gemeint ist, zeigt sich bei der Anlage K 16 etwa daran, dass dort als „Firmen zum Thema“ nicht die „“, sondern die „N Germany GmbH“ aufgeführt ist.
Die Anlage B 6 spricht ebenfalls dafür, dass unter der Bezeichnung „N Group“ in den Anlagen K 12 bis K 16 nicht die Beklagte zu 2) bezeichnet ist. Die Anlage B 6 enthält eine Email eines Mitarbeiters der Beklagten zu 1), dessen Adresskopf unter der Grußformel einerseits die Beklagte zu 1) sowie deren Anschrift nennt, andererseits den Schriftzug „N GROUP“ sowie nach der Bezeichnung der Firma der Beklagten zu 1) den Zusatz „- Member of the Group“ und einen Hinweis auf die Internetseite „www.n up.com“. Die Email-Adresse des Mitarbeiters der Beklagten zu 1) enthält ebenfalls die Bezeichnung „@ group.com“.
Daher ist davon auszugehen, dass der Begriff „Group“ auf den in den Anlagen dargestellten Internetseiten nicht als rechtstechnische Bezeichnung der Beklagten zu 2), sondern als Sammelbezeichnung für den Konzern der Beklagten ohne konkrete Zuordnung zu einem einzelnen Rechtssubjekt verwendet wird.
Aus der Anlage K 17, einem Auszug aus dem Geschäftsbericht der Beklagten zu 2), kann auch nicht entnommen werden, dass die dort wohl aufgeführte angegriffene Ausführungsform von der Beklagten zu 2) selbst vertrieben wird und nicht etwa durch eines ihrer konzernverbundenen Unternehmen. Ein Angebot kann in dem Geschäftsbericht ebenfalls nicht erblickt werden.
Soweit die Klägerin schließlich ein unsubstantiiertes Bestreiten der Beklagten zu 2) hinsichtlich ihrer Passivlegitimation behauptet, kann sie damit nicht durchdringen. Die Klägerin obliegt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Passivlegitimation der von ihr in Anspruch genommenen Beklagten. Die Beklagte kann diesen Vorwurf einfach bestreiten und ist nicht verpflichtet, darzulegen, warum sie nicht passivlegitimiert ist oder welches andere Unternehmen statt ihrer die Verletzungshandlungen begeht. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn allein die Beklagte als Konzernunternehmen die Kenntnis hätte, welche(s) Unternehmen des Konzerns die Verletzungshandlungen begeht und die Kläger ohne diese Information nicht in der Lage wäre, einen Verantwortlichen zu ermitteln.
Vorliegend ist es der Klägerin offensichtlich möglich, die Beklagte zu 1) als das die patentverletzenden Klemmschellen herstellende Unternehmen zu identifizieren. Zudem ergibt sich aus der Anlage K 16, dass die GmbH, mithin die Beklagte zu 1), Ansprechpartner für die patentverletzenden Klemmschellen ist. Somit konnte sich die Beklagte zu 2) darauf beschränken, eine eigene Verletzungshandlung zu bestreiten.
C.
I.
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der noch rechtshängigen Klageanträge aus § 92 Abs. 1 ZPO analog (Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 100 Rn. 6).
Hinsichtlich der für erledigt erklärten Anträge folgt die Kostenentscheidung aus § 91a Abs. 1 ZPO. Insoweit ist keine Änderung der Kostenverteilung angezeigt, da die Klage auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung bis zur beidseitigen Erledigterklärung der Parteien aus den dargestellten Gründen hinsichtlich der Beklagten zu 1) begründet, hinsichtlich der Beklagten zu 2) unbegründet war.
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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