Steuerrecht

Verarbeitung personenbezogener Daten

Aktenzeichen  15 K 2067/18

Datum:
19.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2022, 426
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
DSGVO Art. 14, Art. 15

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
Die Klage ist nicht begründet. Das Finanzamt hat zu Recht keine Akteneinsicht aus der DSGVO gewährt. Weiter Auskünfte oder Informationen stehen dem Kläger nicht zu.
1. Die Sache ist entscheidungsreif. Insbesondere sieht der Senat davon ab, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH heranzutragen.
Nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (VAEV) kann das Gericht eines Mitgliedsstaates eine Frage über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.
Danach besteht keine Verpflichtung des erkennenden Senats zur Vorlage an den EuGH (BFH, Beschluss vom 14.01.2014 – III B 89/13 -, BFH/NV 2014, 521). Der Senat hält die Vorlage nicht für erforderlich, da er die DSGVO entsprechend der vom EuGH hierzu bzw. zur Vorgängervorschrift ergangenen Rspr. auslegen konnte und übt sein Ermessen dahingehend aus, nicht vorzulegen. Dadurch dürfte im Falle der Einlegung der zugelassenen Revision eine Entscheidung des BFH rascher vorliegen und Rechtssicherheit schaffen.
2. Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist nach § 32i Abs. 2 AO eröffnet, da sich die Klage der betroffenen Person gegen das Finanzamt als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 AO) hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten auf Rechte aus der DSGVO (hier: Art. 15 Abs. 1 DSGVO) stützt. Der Rechtsweg bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Dieser umfasst im Streitfall nur den Anspruch auf Auskunft aus der DSGVO gegenüber der Finanzbehörde als für die Besteuerung zuständige Behörde. Von den verschiedenen Rechtswegzuständigkeiten im Bereich der Auskunft bzw. Akteneinsicht (vgl. FG München, Gerichtsbescheid vom 03.02.2022 – 15 K 1212/19 -, juris; BFH, Beschluss vom 07.04.2020 – II B 82/19 -, BStBl II 2020, 624) ist daher derjenige zum Finanzgericht eröffnet.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass er einen einheitlichen Auskunftsanspruch gegenüber sämtlichen funktionalen Bereichen des Finanzamts geltend macht, insbesondere auch gegenüber der Steuerfahndung, hat der Senat den Rechtsstreit insoweit abgetrennt und an das zuständige Verwaltungsgericht München verwiesen. Auf den Beschluss wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Nachdem der Kläger klargestellt hat, dass er keinen Anspruch nach § 147 StPO geltend macht, ist für eine Abtrennung und Verweisung insoweit an das Landgericht kein Raum. Das Finanzamt hat an einem solchen früher gestellten Antrag auch nicht mehr festgehalten.
3. Die Klage ist nicht begründet.
a) Das Finanzamt hat zu Recht den Antrag des Klägers auf Überlassung einer Kopie sämtlicher ihn betreffenden Steuerakten abgelehnt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gewährt der Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO kein Recht auf Überlassung von Kopien der Steuerakten.
Die DSGVO ist auch im Bereich der direkten Steuern anwendbar (FG München, Gerichtsbescheid vom 03.02.2022 – 15 K 1212/19 -, juris). Das Finanzamt ist als Verarbeiter im Sinne der DSGVO auch richtiger Beklagter bzw. Passivlegitimierter des Anspruchs auf Auskunft (ebenda). Dem Kläger steht damit dem Grunde nach ein anlassloser Auskunftsanspruch gegenüber dem Finanzamt zu, soweit dieses im Anwendungsbereich der DSGVO personenbezogene Daten verarbeitet (ausführlich: FG München, Gerichtsbescheid vom 03.02.2022 – 15 K 1212/19 -, juris).
Der Anwendungsbereich der DSGVO ist nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO begrenzt auf die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Akten und Aktensammlungen, die nicht nach besonderen Kriterien sortiert sind, sollen nach den Erwägungen 15 [zur DSGVO] nicht unter deren Anwendungsbereich fallen. Nur innerhalb ihres Anwendungsbereichs gewährt die DSGVO das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO. Die DSGVO selbst schränkt dieses Recht vielfältig ein und der deutsche Gesetzgeber hat in Ausübung der durch Art. 23 DSGVO den Mitgliedsstaaten eingeräumten Kompetenz, namentlich der Beschränkungskompetenz des Art. 23 Abs. 1 e) DSGVO, in den §§ 32a AO ff. vielfältige Beschränkungen des Auskunftsanspruchs im Bereich der Steuerverwaltung vorgenommen (ausführlich: FG München, Urteil vom 04.11.2021 – 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299).
Der erkennende Senat hat in mehreren Entscheidungen für den Bereich der Steuerverwaltung herausgearbeitet, welche Daten in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen (FG München, Urteil vom 04.11.2021 – 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299; Gerichtsbescheid vom 03.02.2022 – 15 K 1212/19 -, juris; Urteile vom 05.05.2022 – 15 K 193/20 und 15 K 194/20 -, noch nicht veröffentlicht). Danach fallen noch nicht „gehobene“ Einzelangaben in Steuerakten vor allem wegen ihrer fehlenden Strukturiertheit bzw. ihrer noch nicht erfolgten Kriterienbestimmung (noch) nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO. Diese ungehobenen Daten könnten auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand von den vielfältigen – nicht personenbezogene Daten des Betroffenen darstellenden – Daten, die sich in den in den Akten abgelegten Volltexten bzw. Schriftstücken befinden, abgegrenzt werden.
Dagegen unterliegen „gehobene“ Einzelangaben, die mit dieser Kriterienzuordnung zur zumindest teilautomatisierten Datenverarbeitung gekürt werden, der DSGVO. Sie unterliegen als strukturierte personenbezogene Daten grundsätzlich dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO, so dass eine Auskunft über diese nur – selektiv – unterbleiben kann, wenn eine der genannten Beschränkungen eingreift.
Im Ergebnis unterliegen somit strukturierte Einzelangaben dem Auskunftsanspruch, die Volltexte, die ggf. die Quelle der noch nicht strukturierten/gehobenen Daten darstellen, jedoch grundsätzlich nicht. Insbesondere gewährleistet der Auskunftsanspruch somit keinen Anspruch auf Überlassung von Kopien der in der Steuerakte enthaltenen Schriftstücke.
b) aa) Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat die Klage keinen Erfolg. Die Steuerakten unterfallen nicht dem Anwendungsbereich der DSGVO, so dass sich der Kläger für sein Begehren auf Akteneinsicht bzw. Überlassung von Kopien der Steuerakten nicht mit Erfolg auf Art. 15 DSGVO stützen kann.
bb) Mit seinem umfassenden Auskunftsantrag begehrt der Kläger über die in Volltexten enthaltenen Daten – die nach der Rspr. des Senats nicht der DSGVO unterliegen – formal auch Auskunft über etwaige bereits gehobene Daten, die etwa zur Erstellung von Bescheiden – namentlich wohl Haftungsbescheide – verwendet werden und damit nach der Rspr. des Senats grundsätzlich dem Anwendungsbereich der DSGVO unterfallen.
Unter den besonderen Umständen des Streitfalles kann die Klage aber auch insoweit keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, welche Daten ihm vorenthalten sein sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits vor seinem Auskunftsantrag im Rahmen des Gerichtsverfahrens nach § 69 Abs. 3 FGO Einsicht in die betroffenen Akten erhalten hat. Zusammen mit den in der Begründung der zugrundeliegenden Bescheide enthaltenen Einzelangaben hat der Kläger damit sämtliche für Besteuerungs- bzw. Haftungszwecke verwendeten Daten – auch soweit sie aus den Strafermittlungen stammen mögen – erhalten. Diese sind ihm mithin bekannt und unterliegen nicht einer neuerlichen Auskunftspflicht (vgl. § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 32a Abs. 1 AO, Art. 13 Abs. 4, Art. 14 Abs. 5 a DSGVO). Insoweit erscheint der Antrag des Klägers exzessiv im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO. Da das Finanzamt für die persönliche Besteuerung des Klägers nicht selbst zuständig ist (die Verfahren beim beklagten Finanzamt betreffen offenbar nur die Haftung für die Steuern verschiedener Unternehmen – im Übrigen ist das Finanzamt sachlich und örtlich unzuständig), hat es zu Recht darauf hinwiesen, dass keine bzw. allenfalls nur sehr begrenzt personenbezogene Daten des Klägers verarbeitet werden – namentlich wohl, wie der Kläger betont: für die Erstellung eines Haftungsbescheides. Es ist nicht substantiiert vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass sich personenbezogene Daten des Klägers in strukturierter Form über die für die Haftungsbescheiderstellung hinaus erforderlichen Eingabe- bzw. Ergebnisdaten in den Datenbanken des Finanzamts befänden – jedenfalls nicht über diejenigen hinaus, die dem Kläger in den Bescheiden und im Rahmen der Akteneinsicht bereits bekannt gemacht worden sind.
Soweit der Kläger in seinem Klageantrag Art. 15 Abs. 1 DSGVO zitiert und er die dort aufgeführten unter a) bis h) Informationen begehrt, hat das Finanzamt diesen Anspruch durch Übersendung des „Allgemeinen Informationsschreibens“ erfüllt; der Anspruch ist daher insoweit erloschen. Hinsichtlich der Art der Erteilung der diesbezüglichen Auskünfte räumt die DSGVO dem Verantwortlichen ein Ermessen ein (Art. 12 Abs. 1 DSGVO; vgl. § 32d Abs. 1 AO). Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, welche weiteren Informationen er begehrt oder welche Informationen fehlen sollen. Es kommt ihm auch ersichtlich nicht darauf an, zu erfahren, mit wem das Finanzamt grundsätzlich und abstrakt Informationen austauscht, sondern auf die Überlassung sämtlicher einzelnen konkreten Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte. Eine solche exzessive Auskunftspflicht sieht Art. 15 Abs. 1 a) bis h) DSGVO jedoch ersichtlich nicht vor. Im Übrigen unterlägen die konkreten Kommunikationsvorgänge wegen mangelnder Strukturiertheit nicht dem Anwendungsbereich der DSGVO (s.o.); im Übrigen stünden gegenläufigen Rechte der Kommunikationspartner einer Auskunft entgegen. Darüber hinaus ist dem Finanzamt dahingehend zu folgen, dass die Offenbarung interner Kommunikationsvorgänge – insbesondere in Fällen eines konkreten Tatverdachts einer Steuerhinterziehung – dem Beschuldigten gegenüber die Aufgabenerfüllung der Finanzbehörden gefährden würde und daher von einer Informationspflicht nicht erfasst sind (§ 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 1 a AO).
c) Soweit der Kläger sich zitierend auf Anspruchsgrundlagen außerhalb der DSGVO stützt, trägt er insoweit nicht substantiiert vor. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG; der Kläger zitiert die Vorschrift des vormaligen BDSG, ein Auskunftsanspruch findet sich aber auch im aktuellen) gilt nicht für Finanzbehörden wie das beklagte Finanzamt (§ 2a Abs. 1 Satz 2 AO). Ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz wird einfachgesetzlich durch die Vorschriften der AO und die darin enthaltene Einbeziehung der DSGVO ausgestaltet. Es ist nicht substantiiert vorgetragen oder ersichtlich, woraus sich die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf das Grundrecht selbst ergeben sollte. Entsprechendes gilt für die Charta der Grundrechte der EU, die durch die DSGVO einfachgesetzlich ausgefüllt wird. Die Europäische Datenschutzkonvention richtet sich als völkerrechtlicher Vertrag alleine an die Unterzeichnerstaaten; individuelle Ansprüche können daraus nicht unmittelbar abgeleitet werden. § 364 AO stellt innerhalb des konkreten Besteuerungsverfahrens ein unselbständiges Verfahrensrecht dar, das auch nur innerhalb des konkreten Besteuerungsverfahrens Rechte gewährt. Es kann nicht anlasslos und außerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens geltend gemacht werden. Einen solchen anlasslosen – lediglich auf das Datenverarbeitungsverhältnis gestützten – Anspruch macht der Kläger jedoch mit der hiesigen Klage geltend.
d) Der Kläger wendet sich im Wesentlichen gegen die Richtigkeit und Folgerichtigkeit der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats. Dazu entgegnet der Senat folgendes:
aa) Der Kläger möchte im Ergebnis jegliches Datum alleine dadurch, dass es in einem Volltext eines Schriftstückes vorkommt, das sich innerhalb einer auf den Kläger bezogenen Akte befindet, als personenbezogenes Datum betrachten (Schreiben vom 14.04.2022: „unmittelbarer Bezug nicht erforderlich“). Diese Sicht erachtet der Senat als zu weit gehend. Allerdings schließt auch der Senat nicht aus, dass sich in den Volltexten personenbezogene Daten – des Betroffenen/Klägers – befinden, jedoch vor deren Hebung nicht in einer dem Anwendungsbereich der DSGVO unterfallenden, strukturierten Form.
bb) Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass der Senat die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Begriffe der DSGVO verwendet, die zu der Richtlinie ergangen ist, die der DSGVO vorangegangen war, handelt es sich aus Sicht des erkennenden Senats um eine übliche Auslegungsmethode des Gesetzestextes. Im Übrigen legt der Senat den Text der DSGVO aus vor allem nach systematischen Überlegungen – die er auch der zur Vorgängervorschrift ergangenen Rspr. des EuGH entnimmt – und stützt sich in einem Kernpunkt seiner Argumentation die Erwägungen 15 – also den erklärten veröffentlichten Willen des Verordnungsgebers. Die historische Entwicklung des Gesetzestexts und die Rspr. des EuGH nimmt der Senat nur ergänzend in den Blick.
cc) Soweit der Kläger den Begriff der Kopie anders auslegt, als der Senat, vermag ihm der Senat nach neuerlicher Abwägung der vorgebrachten Argumente nicht folgen.
dd) Wenn der Kläger reklamiert, auch rechtliche Analysen seien personenbezogene Daten (Tz. III. A. 3 des Schriftsatzes vom 14.04.2022), so sprechen hiergegen die vom Senat herangezogene Rechtsprechung des EuGH zur „Entwurfsschrift“ (EuGH, Entscheidung vom 17.07.2014 – C-141/12 und C-372/12 -, CR 2015, 103) und die darin niedergelegten, vom erkennenden Senat in seiner Rechtsprechung übernommenen Argumente.
ee) Der Kläger greift weiter die früheren Ausführungen des Senats zur „Verarbeitung“ von Daten an und kommt mit anderer Schwerpunktsetzung zu einem abweichenden Ergebnis. Hervorzuheben ist, dass er zwar die Erwägungen [zur DSGVO] 15 zitiert, jedoch deren Satz 3 negiert, der gerade die für die Rechtsprechung des Senats wesentliche Aussage trifft, wonach „Akten oder Aktensammlungen sowie ihre Deckblätter, die nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind, […] nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen [sollen]“. Der Senat sieht insoweit keinen Grund, Zweifel an seiner bisherigen Rechtsprechung zu hegen.
ff) Wo der Kläger in seiner Argumentation zum „Dateisystem“ zu einem anderen Ergebnis gelangt als der Senat, zieht er verschiedene, zum Teil auch vom Senat verwendete Quellen in Zweifel. Insbesondere wendet er sich gegen die differenzierte Argumentation des Senats, wann eine (beabsichtigte) Speicherung in einem Dateisystem vorliegt. Auch hier hält der Senat an seiner Rspr. fest, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Der Senat tritt allerdings explizit der Auffassung des Klägers entgegen, es genüge hierfür die Ablage von Papier in einer Akte, die nach Name, Steuernummer und Steuer-Identifikationsnummer auffindbar ist. Bei Name, Steuernummer und Steuer-Identifikationsnummer handelt es sich richtigerweise nur um ein Kriterium, da sie in ihrer Funktion – der Identifikation der natürlichen Person des Betroffenen – austauschbar sind. Auch geht der Kläger anders als der Senat und die Rspr. des EuGH nicht näher auf den Unterschied zwischen Volltexten und den in diesen enthaltenen Einzelangaben ein. Letztere müssen nach der Rspr. des EuGH „leicht auffindbar“ sein (EuGH, Urteil vom 10.07.2018 – C-25/17 [Zeugen Jehovas] -, Celex-Nr. 62017CJ0025, Rn. 57).
gg) Im weiteren Verlauf seiner Argumentation negiert der Kläger, dass der Aufwand der Auskunftserteilung ein Kriterium sein kann, der den Umfang der Auskunft bestimmt. Damit ignoriert er jedoch einmal die in den §§ 32a – 32c AO immer wieder geforderte Interessenabwägung zwischen der Befähigung der Verwaltung, ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können und dem Interesse des Betroffenen. Zu ersterem gehört auch, dass das anlasslose Auskunftsrecht in einer durch die Verwaltung erfüllbaren Weise konturiert wird. Zum anderen ist der einfache Zugriff auf die Daten nach der Rspr. des EuGH (EuGH, Urteil vom 10.07.2018 – C-25/17 [Zeugen Jehovas] -, Celex-Nr. 62017CJ0025), ein Kriterium für die Bejahung der „Strukturiertheit“. Die den leichten Zugriff ermöglichenden Kriterien müssen darüber hinaus „personenbezogen“ sein (ebenda, Rn. 57), so dass nicht genügt, dass es ggf. Unterhefte nach Steuerarten gibt.
hh) Soweit der Kläger die Einschränkungen des Auskunftsanspruchs in §§ 32a-32c AO insgesamt für europarechtswidrig hält, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Wie der Senat in seiner oben zitierten Rspr. ausgeführt, fußen diese Einschränkungen auf der Beschränkungskompetenz des Art. 23 DSGVO. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Rspr. verwiesen. Im Übrigen scheitert die vorliegende Klage bereits daran, dass die Steuerakten als solche nicht unter den Anwendungsbereich der DSGVO fallen, so dass es auf eine Diskussion im Einzelnen, welche Ausnahmen von der Auskunftspflicht im Einzelfall bestehen, nicht ankommt.
Angesichts des Hintergrundes steuerstrafrechtlicher Ermittlungen gegen den Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung liegt jedoch insbesondere die Begrenzung des Auskunftsanspruchs durch § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 32a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO nahe, da die vom Kläger nachgefragten Angaben typischerweise für die damals laufenden, aber auch für künftige Prüfungszwecke gespeichert werden und deren Kenntnis den Kläger oder Dritte in die Lage versetzen könnte, steuerlich bedeutsame Sachverhalte zu verschleiern(1.a), steuerlich bedeutsame Spuren zu verwischen (1.b) oder Art und Umfang der Erfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden einzustellen (1.c) und damit die Aufdeckung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte wesentlich erschwert würde. Insoweit ist also ein gewisser Informationsvorsprung für das Finanzamt durch den Zweck der Sicherstellung zutreffender Besteuerung gesetzlich zugelassen. Im Streitfall bedarf es jedoch einer Entscheidung hierüber nicht, da auf die Steuerakten die DSGVO bereits nicht anwendbar ist.
ii) Insgesamt kommt der Kläger in seiner auf von der Rspr. des Senats abweichende Grundsätze gestützten Argumentation auch zu einem von der Rspr. des Senats abweichenden Ergebnis. Der Senat hält nach Abwägung der Argumente des Klägers jedoch an seiner bisherigen Rspr. fest. Die Klage ist danach abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen, da der Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts im Bereich der Steuerverwaltung nach der Einführung der DSGVO im Jahr 2018 grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist. Darüber hinaus erscheint angesichts der oben zitierten widerstreitenden Entscheidungen der Finanzgerichte zum Anwendungsbereich der DSGVO im Bereich der direkten Steuern die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.


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