Aktenzeichen 4 Ni 62/09 (EU)
Verfahrensgang
nachgehend BGH, 18. Dezember 2012, Az: X ZR 121/11, Urteil
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent EP 0 945 707
(
DE 699 38 403
)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richter Voit, Dipl.-Phys. Dr. Morawek, Dipl.-Phys. Dr. Müller und Dipl.-Ing. Veit
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 0 945 707 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 945 707 (Streitpatent), das am 26. März 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Patentanmeldung US 49803 vom 27. März 1998 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 699 38 403 geführt. Es betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Routenberechnung und umfasst 11 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 des Streitpatents hat in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
2
In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 1 wie folgt:
3
Wegen der weiter angegriffenen und auf einen der genannten Ansprüche rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 945 707 B1 Bezug genommen.
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Die Klägerin ist der Auffassung, der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents sei wegen fehlender Neuheit und mangels erfinderischer Tätigkeit und die Gegenstände der Ansprüche 9 und 11 seien wegen mangelnder Technizität nicht patentfähig. Zur Begründung bringt sie vor, Navigationssysteme mit den Merkmalen des Streitpatentgegenstandes sowie entsprechende Verfahren seien zum Prioritätszeitpunkt bereits bekannt bzw. durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen. Hierzu beruft sich die Klägerin auf eine Reihe von Druckschriften und andere Dokumente, u. a.
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K11 Bedienungsanleitung für ein Navigationssystem „TravelPilot RGS 05“ der Fa. Blaupunkt mit dem Vermerk 01/97 auf der letzten Seite.
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Die Klägerin beantragt,
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das europäische Patent 0 945 707 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
8
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Ansprüche 1 bis 8 in der erteilten Fassung des Streitpatents richtet (Hauptantrag),
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hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Ansprüche 1 bis 8 in der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011 (Bl. 191 ff. d. A.) als Hilfsantrag 1 eingereichten Fassung richtet (Hilfsantrag 1), wobei Patentanspruch 1 in dieser Fassung wie folgt lautet:
11
„1. Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels für eine Routenberechnung in einem Fahrzeugnavigationssystem (400), wobei das System eine Benutzeroberfläche (436, 440) und eine damit assoziierte Kartendatenbank (154, 426) hat, wobei das Verfahren die Schritte der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche beinhaltet, wobei eine erste Option (502) mindestens einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt, wodurch (552) eine Städteliste zur Anzeige (504) in der Benutzeroberfläche als Reaktion der auf die Auswahl der ersten Option bereitgestellt wird, wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind, die Auswahl einer ersten Position als Fahrtziel (510), die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die Auswahl (506) einer ersten Stadt einer Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert wird, und Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.“,
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weiter hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Ansprüche 1 bis 8 in der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2 überreichten Fassung richtet (Hilfsantrag 2), wobei Patentanspruch 1 in dieser Fassung wie folgt lautet:
13
„1. Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels für eine Routenberechnung in einem Fahrzeugnavigationssystem (400), wobei das System eine Benutzeroberfläche (436, 440) und eine damit assoziierte Kartendatenbank (154, 426) hat, wobei das Verfahren, das von dem Fahrzeugnavigationssystem (400) ausgeführt wird, die Schritte der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche beinhaltet, wobei eine erste Option (502) mindestens einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt, wodurch (552) eine Städteliste zur Anzeige (504) in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option durch einen Benutzer bereitgestellt wird, wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind, die Auswahl einer ersten Position als Fahrtziel (510), die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die durch den Benutzer getroffene Auswahl (506) einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert wird, und der Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.“,
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weiter hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Ansprüche 1 bis 7 in der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 3 überreichten Fassung richtet (Hilfsantrag 3), wobei Patentanspruch 1 in dieser Fassung wie folgt lautet:
15
„1. Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels für eine Routenberechnung in einem Fahrzeugnavigationssystem (400), wobei das System eine Benutzeroberfläche (436, 440) und eine damit assoziierte Kartendatenbank (154, 426) hat, wobei das Verfahren, das von dem Fahrzeugnavigationssystem (400) ausgeführt wird, die Schritte der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche beinhaltet, wobei eine erste Option (502) eine Stadt und einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt, wodurch (552) eine Städteliste zur Anzeige (504) in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option durch einen Benutzer bereitgestellt wird, wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind, die Auswahl einer ersten Position als Fahrtziel (510), die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die durch den Benutzer getroffene Auswahl (506) einer ersten Stadt einer Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert wird, und der Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.“,
16
weiter hilfsweise, soweit sie sich gegen Patentanspruch 6 in der Fassung des Hilfsantrags 3 richtet (Hilfsantrag 4), wobei dieser (gemäß diesem Hilfsantrag einzige) Patentanspruch wie folgt lautet:
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„1. Fahrzeugnavigationssystem (400), einschließlich einer Vielzahl von Sensoren (412, 414, 416, 418), wobei die Vielzahl von Sensoren einen GPS-Empfänger (418) aufweist, zur Erfassung der aktuellen Fahrzeugposition und einer Fahrtrichtung, das Signale generiert, die Anzeichen dafür sind, einer Benutzeroberfläche (436, 440) zur Übertragung der Navigationsinformationen an einen Benutzer, eines Datenbankmediums (426), in dem eine Kartendatenbank gespeichert ist, und eines Prozessors (424), der an den Sensoren, an der Benutzeroberfläche und dem Datenbankmedium angekoppelt ist, wobei der Prozessor funktionsfähig ist, um eine Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche bereitzustellen, wobei eine erste Option eine Stadt und einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt und eine Städteliste zur Anzeige in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option durch den Benutzer bereitstellt, wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten beinhaltet, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind, Auswahl der ersten Position als Fahrtziel, die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank assoziiert wird, als Reaktion auf die durch den Benutzer getroffene Auswahl einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste, und Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.“
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Wegen des Wortlauts der übrigen Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20. Mai 2011 bzw. auf die Anlagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 247, 248 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat ohne Weiteres Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent im Umfang der erteilten Ansprüche 9 bis 11 nicht mehr verteidigt; insoweit ist das Streitpatent ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 – Carvedilol II).
20
Die Klage ist aber auch im Übrigen begründet, denn soweit das Streitpatent noch verteidigt wird, beruht es weder in der erteilten Fassung noch in der Fassung eines der Hilfsanträge auf erfinderischer Tätigkeit, Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 56 EPÜ.
I.
21
1. Das Streitpatent betrifft die Auswahl eines Fahrtziels für den Einsatz in der Routenberechnung in einem Fahrzeugnavigationssystem sowie ein Verfahren, ein Computerprogramm und eine Datentabelle in einem Speicher zum Einsatz in einem Fahrzeugnavigationssystem. Eine bestimmte Ausführungsform beschreibt dabei die Möglichkeit, mittels derer ein Benutzer eines Fahrzeugnavigationssystems auf komfortable Weise eine Stadt als Fahrtziel wählen kann, selbst wenn die Straßen der betreffenden Stadt nicht digitalisiert und nicht in die Kartendatenbank des Fahrzeugnavigationssystems aufgenommen wurden [Streitpatentschrift Beschreibung Absatz 0001].
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Bei nach dem Stand der Technik bekannten Fahrzeugnavigationssystemen ist es laut Streitpatentschrift z. B. üblich, ein gewünschtes Fahrtziel auf verschiedene Arten zu wählen, etwa durch Eingabe der Adresse des Fahrtziels oder durch Eingabe einer Kreuzung in der Nachbarschaft. Wähle der Anwender eine dieser Möglichkeiten, werde er eventuell zur Wahl einer Stadt anhand einer angezeigten Städteliste aufgefordert. Hierbei sei es notwendig, dass die Straßen der Stadt, in der das Fahrtziel liege, durch digitalisierte Daten in der Kartendatenbank des Fahrzeugnavigationssystems repräsentiert seien. Als nachteilig schildert es die Einleitung des Streitpatents, dass es zahlreiche kleinere Ortschaften außerhalb der städtischen Ballungsgebiete gebe, die bislang nicht digitalisiert worden seien und es daher sein könne, dass der verwendete Kartendatenbestand nur wenige oder sogar keine Straßendaten für diese Ortschaften beinhalte [a. a. O. Absatz 0002].
23
Normalerweise erfolge die Wahl des Fahrtziels daher nach Wahl der Stadt, Anzeige der für diese Stadt digitalisierten Straßen oder -kreuzungen und Wahl hieraus und abschließender Eingabe der genauen Adresse [0007]. Da bei dieser nach dem Stand der Technik bekannten Methode aber Städte nur dann angezeigt würden, wenn für sie digitalisiertes Straßenmaterial vorhanden sei, bestehe auch die Möglichkeit, „points of interest“ (POI) oder Stadtkerne als Fahrtziel zu wählen [0009-0011]. Als nachteilig soll sich hier erweisen, dass für den Anwender dann nicht mehr erkennbar sei, warum bestimmte Städte in der Liste nicht mehr aufgeführt werden [a. a. O. Absatz 0012].
24
Vor diesem Hintergrund will die streitpatentgemäße Erfindung ein Fahrzeugnavigationssystem zu Verfügung stellen, das es ermöglicht, auf einfache Weise ein Fahrtziel zum Zweck der Routenberechnung zu wählen, indem die Angabe einer Stadt, in der sich das gewünschte Fahrtziel befindet, unabhängig davon, ob für diese Stadt Straßendaten verfügbar sind, möglich ist. Hierbei wird eine umfangreichere Städteliste angezeigt, die auch Städte beinhaltet, für die in der Kartendatenbank keine Straßendaten verfügbar sind. So soll der Benutzer selbst dann, wenn das Fahrtziel in einer nicht digitalisierten Stadt liegt, immer noch diese als Fahrtziel wählen können. Da in diesem Fall keine Straßenadresse angeben werden kann, soll statt dessen der Stadtkern oder der Innenstadtbereich als Fahrtziel übernommen werden [a. a. O. Absatz 0013].
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2. Der Patentanspruch 1 kann in deutscher Übersetzung in den verschiedenen, den Anträgen der Beklagten zu Grunde liegenden Fassungen wie folgt gegliedert werden:
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a) erteilte Fassung:
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M1 Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels in einem Fahrzeugnavigationssystem (400),
28
M2 wobei das System eine Benutzeroberfläche (436, 440) und eine damit assoziierte Kartendatenbank (154, 426) hat,
29
M3 wobei das Verfahren die Schritte
30
M3a der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche beinhaltet,
31
M3b wobei eine erste Option (502) mindestens einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt,
32
M3c-aa wodurch (552) eine Städteliste zur Anzeige (504) in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option bereitgestellt wird,
33
M3c-bb wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind,
34
M3d und die Auswahl einer ersten Position als Fahrtziel (510), die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die Auswahl (506) einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert wird.
35
b) Fassung gemäß Hilfsantrag 1 (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 sind in den nachfolgenden Anspruchsfassungen jeweils unterstrichen):
36
M1’ Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels für eine Routenberechnung in einem Fahrzeugnavigationssystem (400),
37
M2 wobei das System eine Benutzeroberfläche (436, 440) und eine damit assoziierte Kartendatenbank (154, 426) hat,
38
M3 wobei das Verfahren die Schritte
39
M3a der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche beinhaltet,
40
M3b wobei eine erste Option (502) mindestens einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt,
41
M3c-aa wodurch (552) eine Städteliste zur Anzeige (504) in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option bereitgestellt wird,
42
M3c-bb wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind,
43
M3d’ die Auswahl einer ersten Position als Fahrtziel (510), die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die Auswahl (506) einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert wird
44
M3e
und Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.
45
c) Fassung gemäß Hilfsantrag 2:
46
M1’ Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels für eine Routenberechnung in einem Fahrzeugnavigationssystem (400),
47
M2 wobei das System eine Benutzeroberfläche (436, 440) und eine damit assoziierte Kartendatenbank (154, 426) hat,
48
M3’ wobei das Verfahren, das von dem Fahrzeugnavigationssystem (400)ausgeführt wird, die Schritte
49
M3a der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche beinhaltet,
50
M3b wobei eine erste Option (502) mindestens einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt,
51
M3c-aa’ wodurch (552) eine Städteliste zur Anzeige (504) in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option durch einen Benutzer bereitgestellt wird,
52
M3c-bb wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind,
53
M3d’’ die Auswahl einer ersten Position als Fahrtziel (510), die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die durch den Benutzer getroffene Auswahl (506) einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert wird
54
M3e
und der Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.
55
d) Fassung gemäß Hilfsantrag 3:
56
M1’ Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels für eine Routenberechnung in einem Fahrzeugnavigationssystem (400),
57
M2 wobei das System eine Benutzeroberfläche (436, 440) und eine damit assoziierte Kartendatenbank (154, 426) hat,
58
M3’ wobei das Verfahren, das von dem Fahrzeugnavigationssystem (400) ausgeführt wird, die Schritte
59
M3a der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche beinhaltet,
60
M3b’ wobei eine erste Option (502) eine Stadt und einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt,
61
M3c-aa’ wodurch (552) eine Städteliste zur Anzeige (504) in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option durch einen Benutzer bereitgestellt wird,
62
M3c-bb wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind,
63
M3d’’ die Auswahl einer ersten Position als Fahrtziel (510), die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die durch den Benutzer getroffene Auswahl (506) einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert wird
64
M3e
und der Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.
65
e) Fassung gemäß Hilfsantrag 4:
66
M7-1 Fahrzeugnavigationssystem (400), einschließlich einer Vielzahl von Sensoren (412, 414, 416, 418), wobei die Vielzahl von Sensoren einen GPS-Empfänger aufweist, zur Erfassung der aktuellen Fahrzeugposition und einer Fahrtrichtung, das Signale generiert, die Anzeichen dafür sind,
67
M7-2 einer Benutzeroberfläche (436, 440) zur Übertragung der Navigationsinformationen an einen Benutzer, eines Datenbankmediums (426), in dem eine Kartendatenbank gespeichert ist,
68
M7-2a und eines Prozessors (424), der an den Sensoren, an der Benutzeroberfläche und dem Datenbankmedium angekoppelt ist,
69
M7-3 wobei der Prozessor funktionsfähig ist,
70
M7-3a um eine Vielzahl von Optionen zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche bereitzustellen,
71
M7-3b wobei eine erste Option eine Stadt und einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt
72
M7-3c-aa und eine Städteliste zur Anzeige in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option durch den Benutzer bereitstellt,
73
M7-3c-bb wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten beinhaltet, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind,
74
M7-3d Auswahl der ersten Position als Fahrtziel, die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank assoziiert wird, als Reaktion auf die durch den Benutzer getroffene Auswahl einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste,
75
M7-3e
und Verwendung des ausgewählten Fahrtziels (510) für die Routenberechnung.
II.
76
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 erweist sich als nicht schutzfähig, weil er gegenüber dem Stand der Technik in keiner der den Anträgen der Beklagten zu Grunde liegenden Fassungen auf einer erfinderischen Tätigkeit des hier einschlägigen Fachmanns, eines mit der Entwicklung von Fahrzeugnavigationssystemen befassten berufserfahrenen Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Elektrotechnik oder Informatik, beruht.
77
Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit das beanspruchte Verfahren, das der Vereinfachung der Bedienbarkeit eines Navigationssystems dient und insoweit technischen Charakter i. S. d. Art. 52 Abs. 1 EPÜ besitzt, über seine wegen Art. 52 Abs. 2 Buchstabe c EPÜ dem Patentschutz als solche nicht zugängliche Durchführung mit Hilfe eines Programms für elektronische Datenverarbeitungsanlagen hinaus der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dient (vgl. hierzu BGH GRUR 2010, 613 – Dynamische Dokumentengenerierung; BGH GRUR Int. 2011, 340 – Wiedergabe topografischer Informationen, AbschnittIII.1.b der Urteilsbegründung).
78
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung ergibt sich für den genannten Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift K11.
79
Aus dieser Druckschrift (vgl. die rechte Spalte auf Seite 5) ist ein Verfahren zum Einsatz bei der Auswahl eines Fahrtziels („2. Zieleingabe“) in einem Fahrzeugnavigationssystem (vgl. die Seite 5: „Navigationssystem“, sowie die Seite 13 erste Zeile: „Fahrzeug“) (= Merkmal M1) bekannt, wobei das System eine Benutzeroberfläche (vgl. das Monitor-Bild „Nav-Menü“ auf Seite 3 und Seite 5: Schnelleinstieg, „Zielführung“, sowie Seite 8: „Der Monitor zeigt eine Auswahl der Zieleingabe-Möglichkeiten“) in Form eines Monitors und eine damit verbundene Kartendatenbank (vgl. Seite 5: „Navigations-CD“, und die Seiten 8 und 14: „Ziel auf Karte“) (= Merkmal M2) hat, wobei das Verfahren die Schritte (= Merkmal M3) der Bereitstellung einer Vielzahl von Optionen (vgl. Seite 5: Zieleingabe mit „Stadt“ und „Zentrum“ oder „Straße/Kreuzung“ oder „Andere Örtliche“, und die Zieleingabe-Möglichkeiten auf Seite 8) zur Bezeichnung des Fahrtziels in der Benutzeroberfläche (vgl. Seite 8: „Monitor“) beinhaltet (= Merkmal M3a), wobei eine erste Option (vgl. Seite 10, unterstes Bild: „Straße eingeben“) mindestens einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt (= Merkmal M3b), wodurch (vgl. Seite 10, oberstes Bild) eine Städteliste zur Anzeige in der Benutzeroberfläche als Reaktion auf die Auswahl der ersten Option bereitgestellt wird (= Merkmal M3c-aa), wobei die Städteliste eine erste Vielzahl von Städten enthält, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind (= Merkmal M3c-bb), da, wie aus Seite 10 hervorgeht, der Menüpunkt Straße/Kreuzung nur angezeigt wird, wenn in der Zielstadt Straßen digitalisiert sind, und somit auch Städte in der Städteliste enthalten sind, für die keine Straßennamen zur Anzeige verfügbar sind.
80
Wenn der Benutzer eine (erste) Stadt aus der ersten Vielzahl von Städten aus der Städteliste auswählt, für die kein Straßenname digitalisiert bzw. gespeichert ist, wird der Menüpunkt Straße/Kreuzung nicht mehr angezeigt (vgl. Seite 10), es werden jedoch die anderen Menüpunkte, die sich nicht auf Straßenangaben beziehen, wie Zentrum (vgl. Seite 10: „Ortsteile der Zielstadt“) und Andere Örtliche (vgl. Seite 11: örtliche Ziele wie „Zentrum“, „Bahnhof“, „Parkplatz“) weiter angezeigt und dem Benutzer zur Auswahl angeboten.
81
Der Benutzer muss also bei Auswahl des Menüpunkts „Zentrum“ diesen noch durch Anklicken bestätigen, wohingegen beim Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 dieser Menüpunkt – automatisch, was durch das Merkmal „assoziiert“ (in M3d) ausgedrückt wird – und somit ohne notwendige Bestätigung durch den Benutzer, vom Navigationssystem als Fahrtziel ausgewählt wird.
82
Es ist jedoch für den Fachmann nahegelegt, zur Beschleunigung des Verfahrens Menüpunkte direkt ohne weiteres Bestätigen durch den Benutzer auszuführen, wenn dies die einzige noch verbleibende Alternative darstellt, da hier eine Bestätigung durch den Benutzer überflüssig und lediglich verwirrend und zeitraubend wäre.
83
Damit ist für den Fachmann das Merkmal M3d nahegelegt, eine erste Position (Zentrum) als Fahrtziel auszuwählen, die mit der ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten in der Kartendatenbank als Reaktion auf die Auswahl einer ersten Stadt der ersten Vielzahl von Städten von der Städteliste assoziiert ist.
84
2. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift K11. Dieser Gegenstand unterscheidet sich vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 lediglich durch die Präzisierung im Merkmal M1’, wonach das Fahrtziel für eine Routenberechnung ausgewählt wird, und durch das zusätzliche Merkmal M3e, wonach das ausgewählte Fahrtziel für die Routenberechnung verwendet wird.
85
Dass das Fahrtziel für eine Routenberechnung ausgewählt und das ausgewählte Fahrtziel für die Routenberechnung verwendet wird, stellt eine Selbstverständlichkeit dar, die auch bei dem aus der Druckschrift K11 bekannten Navigationsverfahren erfüllt ist, da hier (vgl. Seite 5: 2. Zieleingabe, 3. Start Zielführung) zuerst ein Fahrtziel eingegeben und somit ausgewählt wird und anschließend unter Verwendung dieses ausgewählten Fahrtziels (vgl. Seite 12, Start Zielführung: „Nachdem das Ziel eingegeben und durch Drücken der Taste ENT die Zielführung aktiviert wurde, können Sie die Fahrt antreten. Das System beginnt unter Verwendung der auf der CD gespeicherten Straßenkarte die Route zu berechnen“) eine Routenberechnung vorgenommen wird. Die Merkmale M1’ und M3e sind somit ebenfalls aus der Druckschrift K11 bekannt.
86
3. Auch in der Fassung des Hilfsantrags 2 ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift K11. Vom Hilfsantrag 1 unterscheidet er sich lediglich durch die Präzisierungen in den Merkmalen M3’, wonach das Verfahren von dem Fahrzeugnavigationssystem ausgeführt wird, und in den Merkmalen M3c-aa’ und M3d’’, wonach die Auswahl der ersten Option (Straßenname) und der Stadt durch den Benutzer getroffen wird.
87
Diese Merkmale sind jedoch ebenfalls bereits aus der Druckschrift K11 bekannt, da hier (vgl. die Seite 5) das Navigationssystem als aktives Zielführungssystem bezeichnet wird und einen leistungsfähigen Rechner mit umfangreicher Peripherie zur Ortsbestimmung und Routenberechnung sowie zur Anzeige von Informationen (Monitor) aufweist, womit das Verfahren von einem Fahrzeugnavigationssystem ausgeführt wird, und außerdem (vgl. die Seiten 5 und 8, Zieleingabe „Stadt“, „Straße/Kreuzung“) die Auswahl der Stadt und der Straße selbstverständlich vom Benutzer getroffen wird.
88
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch die Präzisierung im Merkmal M3b’, wonach die erste Option eine Stadt und einen Straßennamen zur Bezeichnung des Fahrtziels einsetzt.
89
Dieses Merkmal ist jedoch auch bereits aus der Druckschrift K11 bekannt, da hier (vgl. die Seite 5, 2. Zieleingabe: „Stadt“ und „Straße/Kreuzung“) neben der Eingabe einer Stadt auch der Straßenname zur Bezeichnung des Fahrtziel eingegeben wird.
90
5. Desgleichen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 für den Fachmann, der von der Druckschrift K11 ausgeht, naheliegend. Diese Anspruchsfassung weist in den Merkmalen M7-3a bis M7-3e die gleichen Verfahrensschritte wie der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 in den Verfahrensschritten M3a bis M3e’ auf und unterscheidet sich von diesem lediglich in den Vorrichtungsmerkmalen M7-1 bis M7-3, die jedoch ebenfalls bereits aus der Druckschrift K11 bekannt sind.
91
So ist aus der Druckschrift K11 ein Fahrzeugnavigationssystem (vgl. die Seite 5, rechte Spalte: „Navigationssystem“, und die erste Zeile auf Seite 13: „Fahrzeug“) bekannt, das eine Vielzahl von Sensoren (vgl. die Seite 5, rechte Spalte: „Magnetfeldsensor“, „Radsensoren“, „GPS-Empfänger“) einschließlich eines GPS-Empfängers zur Erfassung der aktuellen Fahrzeugposition und einer Fahrtrichtung aufweist (vgl. die Seite 5: „Der TravelPilot RGS 05 ist ein aktives Zielführungssystem“. „Das Navigationssystem besteht aus einem leistungsfähigen Rechner“) (= Merkmal M7-1).
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Das Fahrzeugnavigationssystem weist außerdem eine Benutzeroberfläche (vgl. den Bildschirm auf Seite 3 und die Seite 5: „Der Monitor gibt ihnen die gleichen Informationen optisch aufbereitet“) in Form eines Monitors zur Übertragung der Navigationsinformationen an einen Benutzer sowie ein Datenbankmedium (vgl. die Seite 5, Navigations-CD) in Form einer CD-ROM, in dem eine Kartendatenbank gespeichert ist (= Merkmal M7-2), auf.
93
Weiterhin ist zwangsläufig ein Prozessor in dem leistungsfähigen Rechner (vgl. die rechte Spalte auf Seite 5) vorgesehen, der an den Sensoren (Magnetfeldsensor, Radsensor, GPS-Empfänger), an der Benutzeroberfläche (Monitor) und dem Datenbankmedium (CD-ROM) angekoppelt ist (= Merkmal M7-2a),
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wobei der Prozessor funktionsfähig ist (= Merkmal M7-3), um die in den Merkmalen M7-3a bis M7-3e beanspruchten Verfahrensschritte auszuführen, wie bereits oben zum Hilfsantrag 3 dargelegt wurde.
95
6. Da sich somit Patentanspruch 1 in keiner der von der Beklagten nach Hauptantrag bzw. nach Hilfsanträgen beantragten Fassungen als bestandsfähig erweist und eine Aufrechterhaltung des Streitpatents lediglich im Umfang der erteilten Unteransprüche 2 bis 6 oder der Nebenansprüche 7 oder 8 von der Beklagten nicht beantragt worden ist, kommt es auf die Schutzfähigkeit dieser Ansprüche nicht an. Davon angesehen lassen diese Ansprüche – ebenso wie die Ansprüche 2 bis 8 in der Fassung der Hilfsanträge 2 und 3 sowie die Ansprüche 2 bis 7 in der Fassung des Hilfsantrags 3 – keine den Patentschutz begründenden Maßnahmen erkennen, was die Beklagte im Übrigen auch nicht geltend gemacht hat (vgl. dazu BGH GRUR 2007, 862 ff. – Informationsübermittlungsverfahren II – in Fortführung von BGH GRUR 1997, 120 ff. – elektrisches Speicherheizgerät).
96
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.