Europarecht

Erwerb eines Dieselfahrzeugs: Schadensersatz bei Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung

Aktenzeichen  8 U 58/21

Datum:
17.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 8. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 31 BGB
§ 826 BGB
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend LG Magdeburg, 3. August 2021, 10 O 503/21, Urteil

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 03.08.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal auf Rückabwicklung eines am 05.11.2018 zu einem Kaufpreis von 31.420,00 € getätigten Erwerbs eines neuen VW Tiguan Join 2.0 TDI in Anspruch, in welchem ein Motor des Typs EA288 EU6 SCR verbaut ist.
Dem Senat ist aus verschiedenen Parallelverfahren Folgendes (gerichts-) bekannt:
In einer E-Mail des (Name geschwärzt) Senior Counsel und Dipl.-Ing. Fahrzeugtechnik der Beklagten an das KBA vom 01.10.2015 wird zu Dieselmotoren mit Emissionsstufe EU6 der Beklagten Folgendes ausgeführt:
“Die Motor-Software enthält eine Fahrkurve zur Präkonditionierung sowie eine Temperatur- und eine Weg-Zeit- Sensierung, die mit Toleranzzugabe die Weg-Zeit-Funktion des NEFZ erkennt, wird eine der Tolerantgrenzen dieser Erkennung einmal überschritten, geht der Funktionsmodus in die Applikation für den Straßenbetrieb über und kann bis zum nächsten Motorstart nicht mehr in den NEFZ-Modus zurückkehren Die Motorapplikation für beide Funktionsmodi ist identisch. Eine Lenkwinkel- oder Radrehzahlsensierung oder sonstige Sensierung von Fahrzeugdaten findet zu diesem Zweck nicht statt”.
Aus einem mit “Technisches Statement: Fahrzyklus-Erkennung” überschriebenen Dokument der Beklagten vom 19.10.2015 ergeben sich folgende Parameter, an welche die Fahrzyklus-Erkennung beim EA288 anknüpft:
Einschalten
Motorstart-Temperatur -50 bis 140°C
Öltemperatur -50 bis 140°C
Kraftstofftemperatur -50 bis 140° C
Höhe (Umgebungsdruck) 795 hPa
Ausschalten
Zeit-Weg-Funktion definierte Funktion
Daneben ist vermerkt:
“Emissionseinfluss Nein”
Im Rahmen eines am 02.10.2015 dort erfolgten Gesprächs hat die Beklagte dem KBA ein Dokument vorgelegt, in dem die “Umschaltstrategie EA288 EU6 SCR” wie folgt beschrieben wird:
“Die Funktion unterscheidet zwei SCR-Betriebsstrategien:
Strategie 1:
bis 200°C SCR-Kat-Temp.: höhere AGR Rate sowie geringere SCR-Dosierung
aktiv innerhalb Strecken-Zeit-Korridor, ab Motorstart
Strategie 2:
ab 200°C SCR-Kat-Temp.: niedrigere AGR Rate sowie höhere SCR-Dosierung
aktiv außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors”
Daneben ist vermerkt:
“Keine unterschiedlichen Emissionen zw. 1 und 2”
In einer 13-seitigen Stellungnahme der von der Beklagten beauftragten Kanzlei F. B. D. vom 04.10.2015 wird unter B. II. 1, I 3 die Funktionsweise des SCR-Systems wie folgt beschrieben:
“Aufgrund der Tatsache, dass der Testlauf auf dem Rollenprüfstand nach den EU-rechtlichen Vorgaben des NEFZ strikt auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt ist (4 x 195 sec Simulation innerstädtischer Verkehr, insgesamt 4,052 km, anschließend 400 sec Simulation außerstädtischer Verkehr Wegstrecke 6,955 km), anschließend 400 sec Simulation außerstädtischer Verkehr, Wegstrecke 6,955 km), Innerhalb dessen nicht sicher damit gerechnet werden kann, ob/wann die Umschaltschwelle von 200°C erreicht ist der Prüfzyklus indes widerspiegeln sollte dass es tatsächlich eine Umschaltung von Betriebsmodus A zu B gibt, sowie d e Testergebnisse reproduzierbar sein sollten, wird im Rollenprüfstandsmodus das SCR-System nicht temperatur- , sondern zeitgesteuert, nämlich durch Umschaltung des SCR-Betriebsmodus von A auf B zu einem Zeitpunkt im ersten Drittel des außerstädtischen Verkehrs. Die tatsächliche Wirksamkeit des SCR-Systems unterscheidet sich nicht, sie ist im normalen Fahrbetrieb nicht verringert.
Wurde das SCR-System auch auf dem Rollenstand nicht zeit-, sondern nach einem rechnerischen Algorithmus, der die Temperatur des SCR-System simuliert, gesteuert, so hatte dies keinen Einfluss darauf, dass die EU6- Emissionsgrenzwerte unverändert eingehalten werden”.
Unter C. II, I 1 und 2 des vorgenannten Dokuments wird der obige Sachverhalt dann einer rechtlichen Würdigung unterzogen, und zwar dahingehend, dass die Umstellung der Temperatursteuerung des SCR-Systems auf eine Zeitsteuerung bei Durchfahren des NEFZ keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, weil sie nicht zu einer Verringerung der Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems bzw. SCR-Systems unter normalen Fahrbedingungen führe; darüber hinaus sei
“äußerst zweifelhaft oh schon im Ausgangspunkt eine Abschalteinrichtung” vorliege, da “die Temperatursteuerung des SCR-Systems der Grund- und Normalmodus für den Betrieb des Fahrzeugs” sei.
In der “Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288” der Beklagten vom 18.11.2015 heißt es zum EA 288 EU 6 SCR
“Anwendungsbeschreibung:
SCR: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Erkennung des Precon und NEFZ, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung (AGR-High/Low) streckengesteuert auszulosen (bis Erreichung SCR-Arbeitstemperatur und OBD-Schwellwerte).
Applikationsrichtlinie (Serienfreigaben):
SOP vor KW 22/16 (für SOP, Modellpflege): Fahrkurven dürfen nicht zur Einhaltung der Emissions- und OSD-Grenzwerte genutzt werden Diese müssen durch Ausbedatung oder Software-Änderung entfernt werden Möglicherweise notwendige Umschaltungen zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte müssen auf Basis physikalischer Randbedingungen erfolgen.
SOP ab KW22/16 (für SOP, Modellpflege): Bei neuen Freigaben sind die Fahrkurven aus der Software entfernt, Umschaltungen oder die Platzierung von Abgasnachbehandlungsevents muss auf Basis physikalischer Randbedingungen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für Roh- und Endrohremissionen erfolgen”.
Der Kläger hat vorgetragen, nach Entfernung der ursprünglich zur Prüfstandserkennung implementierten Fahrkurve erkenne das Fahrzeuge immer noch den Precon. Das Fahrzeug verfüge über eine an den NH3-Regler, die Lenkradeinstellung sowie des Nichtbetriebs von Nebenverbrauchern anknüpfende Zykluserkennung. Die AGR-Rate sowie die AdBlue-Dosierung des SCR-Katalysators würden außerhalb des Prüfstandes auf der Basis physikalischer Randbedingungen wie Temperatur, Luftdruck, Zeit Strecke. Geschwindigkeit, Drehzahl, Leistung und Beschleunigung vermindert. Es finde ein sog. “Hard Cycle Beating” statt, d.h. die Abgasminderungssysteme arbeiteten nur unter Prüfstandsbedingungen und würden nach Ende der Prüfdauer (1180 Sekunden) abgeregelt. Zudem sei ein Thermofenster verbaut. Im Übrigen sei das OBD manipuliert.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen.
an ihn 27.831,78 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.02.2021 sowie 2.782,18 € Deliktszinsen zu zahlen, jeweils Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Tiguan, FIN: …
ihn von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.728,48 € freizustellen, und
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des vor bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, aus den Untersuchungen und amtlichen Auskünften des KBA ergebe sich, dass im EA288 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden seien; dementsprechend sei auch kein Rückruf durch das KBA erfolgt. Die Fahrkurve, welche bereits zuvor nicht benötigt worden sei. um die Grenzwerte einzuhalten, sei im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht hinterlegt worden. Das Emissionskontrollsystem des streitgegenständlichen Fahrzeugs verhalte sich im Prüfstand und im realen Straßen betrieb identisch; dementsprechend werde (auch) die Ad Blue-Dosierung auf dem Prüfstand und im Realbetrieb nicht unterschiedlich angesteuert. Das Thermofenster sei nicht unzulässig. Jedenfalls fehle es am Unrechtsbewusstsein bzw. Vorsatz. Zudem bestehe kein Stillegungsrisiko.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Vorhandensein einer Fahrkurve könne nicht festgestellt werden. Nach den von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften seien im EA288 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut, weshalb auch keine Stilllegungsgefahr bestehe. Der gegenteilige klägerische Vortrag, insbesondere zum “Hard Cycle Beating, sei ins Blaue hinein erfolgt. Der Einsatz des Thermofenster sei nicht sittenwidrig. Beim OBD handele es sich um ein reines Überwachungssystem.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt er unter Bezugnahme auf einen Zwischenbericht des Sachverständigen H. vom 29.07.2021 vor, dass in dem Fahrzeug eine Fahrkurve zum Einsatz gelange die Abgasminderungssysteme 15 km nach Motorstart eingeschränkt würden und ein “Kaltstartheizen” stattfinde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen.
an ihn 27.338.36 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.02.2021 sowie 2.830,38 € Deliktszinsen zu zahlen, jeweils Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Tiguan, FIN. …
ihn von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1 728,48 € freizustellen, und
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Im Senatstermin vom 02.12.2021 haben die Parteien als aktuellen Kilometerstand 74.254 km unstreitig gestellt.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB.
Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts sind zutreffend. Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug zwar über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügt, mangels Täuschung des KBA sowie wegen fehlendem Unrechtsbewusstsein der Beklagten aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d § 826 BGB vorliegt und infolge Nichtbestehen einer Stilllegungsgefahr auch kein Schaden entstanden ist.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor, wenn der Motorenhersteller auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA einen Motor in Verkehr bringt, dessen Steuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, denn damit geht einerseits die Gefahr einer erhöhten Umweltbelastung, und andererseits die Gefahr einer Betriebsbeschränkung- oder -Untersagung einher (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16; OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 49)
Da das streitgegenständliche (Neu-) Fahrzeug erst am 23.08.2018 produziert (Bl. 17 III d.A.) und am 06.11.2018 (Bl. 6 I d A.) erstzugelassen worden ist, was beides deutlich nach der 22. Kalenderwoche 2016 liegt, ab der Neufahrzeuge nach der “Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288” keine Fahrkurve mehr enthalten sollten, ist davon auszugehen, dass in dem Fahrzeug entsprechend dem Vortrag der Beklagten tatsächlich keine Fahrkurve, d h eine Prüfstandserkennung anhand eines Zeit-Strecken-Korridors mehr hinterlegt worden ist. Unabhängig davon stellt eine Fahrkurvenerkennung (vgl. OLG Naumburg: Urt: v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 16. OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021,18 U 526/19, Rn. 43; jeweils zitiert nach juris) und dementsprechend auch eine anderweitige Erkennung eines Prüfstands anhand des NH3-Reglers, der Lenkradeinstellung sowie des Nichtbetriebs von Nebenverbrauchern keine Abschalteinrichtung dar.
Dass die bei EA288 EU6 SCR Motoren mit Fahrkurvenerkennung an letztere anknüpfende, nur auf dem Prüfstand erfolgende Beibehaltung einer erhöhten AGR-Rate nach Erreichen der SCR-Betriebstemperatur von 200 °C (vgl. Bl. 103 I d.A.) sowie die nur im Prüfbetrieb bereits ab 130°C und nicht erst (wie im Realbetrieb) bei 150 °C SCR-Betriebstemperatur erfolgende AdBlue-Eindüsung (vgl hierzu den eigenen diesbezüglichen Vortrag der Beklagten auf Bl. 4 67 f III d.A. in der Parallelsache 8 U 13/21) auch noch bei EA288 EU 6 Motoren ohne Fahrkurvenerkennung erfolgt, trägt der Kläger nicht vor, sondern behauptet selbst, dass Abgasnachbehandlungsevents nunmehr an physikalische Randbedingungen anknüpften, welche so gewählt seien, dass diese im NEFZ immer, im Realbetrieb jedoch sehr selten bis gar nicht vorkämen (vgl. Bi. 63f II d.A.). Abgesehen davon, dass das streitgegenständliche Fahrzeug gar nicht nach NEFZ, sondern bereits nach WLPT typgenehmigt worden ist. was auch RDE-Tests (Emissionsmessungen unter tatsächlichen Fahrbedingungen) beinhaltet, arbeiten nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten die Emissionskontrollsysteme (AGR und die AdBlue-Dosierung) auf dem Prüfstand und im Realbetrieb aber identisch (Bl. 131 f I. 17 f III d.A.).
Der Bundesgerichtshof hat zunächst zum Thermofenster (BGH, Beschl. v. 19.01.2021, VI ZR 433/19, Rn. 17 ff; Beschl. v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn. 25 ff) und zwischenzeitlich auch zur Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (vgl BGH, Hinweisbeschluss vom 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn. 24) indes entschieden, dass bei Einrichtungen, die “im Grundsatz auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise” arbeiten, von einem Unrechtsbewusstsein bzw. Vorsatz der Beklagten nur bei Hinzutreten weiterer Umstände ausgegangen werden kann (in diesem Sinne auch OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 67; Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 80; Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 111). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung handelt die Beklagte auch dann nicht ohne weiteres sittenwidrig, wenn sie die Schaltkriterien für die AGR-Raten sowie die Ad-Blue Dosierung an die physikalischen Randbedingungen des NEFZ, also z.B. an bestimmte Temperaturen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 67. OLG Frankfurt, Urt. v. 20.05.2021. 4 U 176/20, Rn. 32 ff). Drücke, Drehzahlen, Lasten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 111; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 95), Geschwindigkeiten, Lasten, und Beschleunigungswerte anlehnt. Weitere Umstände, insbesondere Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typengenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, vermag der Senat nicht zu erkennen (vgl BGH, Hinweisbeschluss v, 13.10,2021, VII ZR 99/21, Rn. 17, 26); insbesondere hat die Beklagte hinsichtlich des Thermofensters nicht die Abhängigkeit der Abgasrückführungsrate von der Außenlufttemperatur verschleiert (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 20.05.2021, 4 U 176/20, Rn. 37; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.05.2021, 4 U 247/19, Rn 41; jeweils zitiert nach juris).
Selbst aber wenn auch EA288 EU 6 Motoren ohne Fahrkurvenerkennung noch über die oben dargestellten verschiedenen Betriebsmodi im Prüfstand und im Realbetrieb verfügen würden würde dies am Ergebnis nichts ändern.
Auch in diesem Fall fehlt es nämlich an einer Täuschung des KBA durch die Beklagte (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn. 24; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20, Rn. 38. 44; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 94, 95; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05 2021, 12 U 35/21 Rn. 21; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 57; jeweils zitiert nach juris). Vielmehr geht aus der anlässlich des Gesprächs vom 02.10.2015 beim KBA vorgelegten “UmschaltstrategieEA288 EU6 SCR”, dem Schreiben der Beklagten an das KBA vom 29.12.2015, mit dem auch die Applikationsrichtlinien für den EA288 übersandt worden sind, sowie den von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften des KBA an das OLG Oldenburg vom 11.02.2021, das OLG München vom 25.01. und 23.02.2021, das Landgericht Berlin vom 01.02.2021, das OLG Stuttgart vom 13 11 2020, das LG Erfurt sowie an das Landgericht Bayreuth vom 15.12.2020 (Anlagenkonvolute B 1 und B 5) hervor, dass die Fahrkurvenerkennung sowie die “Umschaltstrategie EA288 EU6 SCR” beim KBA seit Ende 2015 bekannt waren und dort nicht als unzulässig eingestuft worden sind. Das KBA hat hierzu ausgeführt, die Fahrkurvenerkennung habe als ein zusätzliches Kriterium zur Umschaltung von Emissionsminderungsstrategien gedient, funktioniere auf dem Prüfstand und im Straßenbetrieb gleichermaßen und habe keinen wesentlichen Einfluss auf die Schadstoffemissionen; auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenerkennung würden die Grenzwerte für Stickoxide eingehalten (vgl. OLG Köln, Urt. v. 20.06.2021, 5 U 254/19, Rn. 38; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 88, 89; OLG München, Urt. v. 15.06.2021, 9 U 5466/20, Rn. 38 ff; OLG Hamm, Urt. v. 14.06.2021, 8 U 156/20, Rn. 40; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn. 39; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn, 90; jeweils zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund kann auch kein Unrechtsbewusstsein bzw, Vorsatz der Beklagten festgestellt werden. Wenn das KBA als zuständige Fachbehörde die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Fahrkurvenerkennung für sich betrachtet unproblematisch und eine hieran anknüpfende Umschaltung erst dann eine unzulässige Abschalteinrichtung sei, wenn sie sich auf die Einhaltung der Grenzwerte auswirke, kann man der Beklagten diesbezüglich kein unvertretbares Rechtsverständnis vorhalten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 49, 60, OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn 112; OLG Naumburg, Urt. v. 31 05.2021, 12 U 35/21, Rn. 21; Urt. v. 20.05.2021, 4 U 176/20, Rn. 39; jeweils zitiert nach juris).
Zudem fehlt es an einem Schaden des Klägers, da keine Stilllegung des Fahrzeugs droht (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20, Rn. 46, 49; OLG München, Urt. v. 15.06.2021, 9 U 5466/20, Rn. 34; OLG Hamm. Urt. v. 14.06.2021, 8 U 156/20, Rn. 36; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.05.2021, 4 U 247/19, Rn. 28; jeweils zitiert nach juris). Insoweit kann sich der Kläger auch nicht auf den Beschluss des BGH vom 28.01.2020, VIII ZR 57/19, stützen, wonach greifbare Anhaltspunkte für eine Abschalteinrichtung nicht erst nach Anordnung eines Rückrufs vorlägen, denn damit war lediglich der Fall gemeint, dass das KBA den betreffenden Motor noch nicht auf unzulässige Abschalteinrichtungen hin untersucht hatte, nicht aber der vorliegende umgekehrte Fall, dass bei diesbezüglichen Untersuchungen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021. 6 U 310/20, Rn 74. zitiert nach juris). In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht auf den lediglich wegen einer Konformitätsabweichung erfolgten Rückruf 23Z7 von T-6 Modellen (OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 62 ff; OLG Naumburg, Urt. v. 20.05.2021. 4 U 176/20, Rn. 43 ff; jeweils zitiert nach juris) oder auf die freiwilligen Servicemaßnahmen 23X4. 23AV und 23YC berufen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 101, zitiert nach juris).
An seiner hinsichtlich der vorgenannten drei Punkte (fehlende Täuschung des KBA. fehlendes Unrechtsbewusstsein bzw. fehlender Vorsatz der Beklagten, fehlender Schaden) abweichenden Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 09.04.2021 (8 U 68/20) hält der Senat nicht weiter fest.
Ob das OBD fehlerhaft arbeitet, kann dahingestellt bleiben, da es sich hierbei um ein Fahrzeugdiagnosesystem und keine Abschalteinrichtung handelt (vgl. OLG Oldenburg. Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 91 ff; OLG Düsseldorf. Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19. Rn. 37 ff; jeweils zitiert nach juris).
Der klägerische Vortrag, wonach das Fahrzeug angelehnt an die Prüfdauer nur 1180 Sekunden Sekunden lang die Abgasgrenzwerte einhalte (Bl. 39 f I d.A.). ist bereits im Hinblick darauf, dass die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte des KBA, der durch das BMVI veröffentlichte Bericht der der Untersuchungskommission V. sowie die im Rahmen der freizugebenden Software-Updates für das Nationale Forum Diesel und im Rahmen spezifischer Feldüberwachungen durchgeführten Untersuchungen die Anforderungen an die dem Kläger zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung obliegende Darlegungslast erhöhen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 20 06.2021, 5 U 254/19, Rn. 39; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021,13 U 434/20, Rn. 98, 99; Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 54 ff; jeweils zitiert nach juris), nicht hinreichend (nach-) substanziiert (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 14.06.2021, 8 U 156/20, Rn. 43; Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 111); im Übrigen wurde. wie oben bereits erwähnt, das Fahrzeug überhaupt nicht nach NEFZ, sondern bereits nach WLPT typgenehmigt.
Der auf die Ausführungen des Sachverständigen H. gestützte Vortrag des Klägers (Bl. 57 ff II d.A.), insbesondere zur Einschränkung der Abgasminderung nach 15 km und zum “Kaltstartheizen” geht bereits deshalb ins Leere, weil sich die Ausführungen des Sachverständigen auf ein Fahrzeug mit NSK-Katalysator mit Fahrkurve beziehen, es vorliegend aber um ein Fahrzeug mit SCR-Katalysator geht; dementsprechend erscheint das streitgegenständliche Fahrzeug auch nicht auf der vom Sachverständigen aufgestellten Liste von Fahrzeugen, auf die sich seine Erkenntnisse übertragen lassen
Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs, 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen (vgl. hierzu im Einzelnen OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 115 ff, m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gern. §§ 708 Nr. 10, 709 S, 2, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht gern. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. BGH, Beschl, v. 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn. 9).
Der Streitwert wurde gern. §§ 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 26.01.2021, VI ZR 281/20, Rn 7; Beschl. v. 23.02.2021, VI ZR 1191/20, Rn. 4 ff: jeweils zitiert nach juris).

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