Arbeitsrecht

Abberufung des Vorstandes eines Kommunalunternehmens aus wichtigem Grund, Trennungsprinzip, Nachschieben von Tatsachen

Aktenzeichen  B 9 K 20.743

Datum:
9.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46884
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 90
GO Art. 89 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Die Klage gegen die Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020 ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klage gegen die hilfsweise erfolgte Abberufungsentscheidung vom 27. November 2020 ist unzulässig. Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.
I.
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Vorliegend streiten sich die Beteiligten darum, ob die Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten in rechtmäßiger Weise erfolgte. Die Bestellung zum Vorstand und die Abberufung des Vorstands als Organ einer Anstalt des öffentlichen Rechts richten sich nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Art. 90 Abs. 2 GO und Art. 89 Abs. 3 Satz 1 GO i.V. m. der Unternehmenssatzung der Beklagten. Ferner sind sowohl die Bestellung als auch die Abberufung mit der Übertragung bzw. dem Entzug von Hoheitsbefugnissen verbunden und damit, anders als das privatrechtliche Anstellungsverhältnis, öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. OVG Bremen, B.v. 12.9.2018 – 2 B 227/18 – juris Rn. 8, 14 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 19.9.2019 – 2 E 87/19 – juris Rn. 2 f.).
II.
Die Anträge des Klägers, die Beschlüsse des Verwaltungsrates der Beklagten vom 23. Juli 2020 und vom 27. November 2020, mit denen er als Vorstand der Beklagten abberufen wurde, aufzuheben, sind dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass er die Aufhebung der ihm mit Schreiben vom 29. Juli 2020 und 27. November 2020 mitgeteilten Entscheidungen der Beklagten zur Abberufung seiner Person als Vorstand der Beklagten begehrt. Bei den jeweiligen Abberufungsbeschlüssen des Verwaltungsrates der Beklagten handelt es sich um rein verwaltungsinterne Handlungen ohne Außenwirkung, die entsprechend der Wertung des § 44a VwGO nur gleichzeitig mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf angegriffen werden können. Für diese Ansicht spricht, dass laut der Unternehmenssatzung zwar die interne Entscheidung der Abberufung an sich durch einen Beschluss des Verwaltungsrates getroffen wird (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b der Unternehmenssatzung), jedoch der Vorstand und, im Falle, dass Handlungen gegenüber dem Vorstand vorgenommen werden, der Vorsitzende des Verwaltungsrates die Beklagte nach außen vertritt (§ 6 Abs. 5 Satz 1, § 4 Abs. 4 der Unternehmenssatzung). Aus dieser Regelung lässt sich daher ableiten, dass die Beschlüsse des Verwaltungsrates der Beklagten durch den Vorstand bzw. Verwaltungsratsvorsitzenden umgesetzt werden. Gegenüber dem Kläger entfalten daher erst die Schreiben der Beklagten vom 29. Juli 2020 und vom 27. November 2020, mit denen die Beschlüsse des Verwaltungsrates der Beklagten letztlich ausgeführt wurden, entsprechende Außenwirkung.
Primär richtete sich die mit Schriftsatz vom 1. September 2020 erhobene Klage gegen die dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 2020 mitgeteilte Abberufungsentscheidung. Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 dann dahingehend erweitert, dass auch die erneute Abberufungsentscheidung vom 27. November 2020 angegriffen werden soll. Aufgrund dieser Einbeziehung eines neuen Streitgegenstandes (erneute Abberufungsentscheidung) liegt eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO vor (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 91 VwGO Rn. 9). Die Beklagtenpartei hat sich sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung auf diese geänderte Klage eingelassen und hierzu erwidert, sodass von einer Einwilligung in die Klageänderung nach § 91 Abs. 1 Var. 1 i.V. m. Abs. 2 VwGO auszugehen ist. Darüber hinaus wäre die Klageänderung auch gemäß § 91 Abs. 1 Var. 2 VwGO sachdienlich, da beide angegriffenen Entscheidungen die Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund betreffen und deshalb die bis zur Änderung der Klage gewonnenen Ergebnisse der Prozessführung verwertet werden können.
III.
Die Klage gegen die Abberufungsentscheidung der Beklagten vom 29. Juli 2020 ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Die erhobene Anfechtungsklage gegen die Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020 ist zulässig, insbesondere statthaft. Vorliegend geht der Kläger gegen die vom Verwaltungsrat der Beklagten mit Beschluss vom 23. Juli 2020 gefasste und ihm mit Schreiben des Verwaltungsratsvorsitzenden der Beklagten vom 29. Juli 2020 mitgeteilte Abberufungsentscheidung vor. Beim Schreiben vom 29. Juli 2020 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), welcher mit einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO angreifbar ist. Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dem Schreiben vom 29. Juli 2020 kommt, anders als dem Beschluss des Verwaltungsrates vom 23. Juli 2020, wie bereits dargestellt, Außenwirkung zu. Das Schreiben vom 29. Juli 2020 entfaltet dem Kläger gegenüber auch Regelungswirkung, da ihm dadurch eine Rechtsposition, nämlich die Stellung als Vorstand der Beklagten, sprich seine Befugnis, weiterhin als Organwalter einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes zu agieren, verliert.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Rechtsgrundlage für die Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten ist § 4 Abs. 2 Satz 2 der Unternehmenssatzung.
b. Die Abberufungsentscheidung ist formell rechtmäßig. Ein etwaiger Verfahrensfehler bei der Abberufungsentscheidung ist nicht ersichtlich.
aa. Der Verwaltungsrat der Beklagten hat mit Beschluss vom 23. Juli 2020 einstimmig die vorzeitige Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten aus wichtigem Grund beschlossen, sodass das Mehrheitserfordernis von drei Vierteln aller Mitglieder des Verwaltungsrates (§ 4 Abs. 2 Satz 2 i.V. m. § 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b der Unternehmenssatzung) erfüllt wurde.
Der Verwaltungsrat der Beklagten war bei der Beschlussfassung auch beschlussfähig. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 der Unternehmenssatzung ist der Verwaltungsrat beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen sind und die Mehrheit der Mitglieder anwesend und stimmberechtigt ist. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 23. Juli 2020 waren alle Mitglieder des Verwaltungsrates der Beklagten bei der Sitzung anwesend. Die ordnungsgemäße Ladung zur Sitzung wurde festgestellt, sodass davon auszugehen ist, dass zumindest die Ladungsfrist § 7 Abs. 1 Satz 4 der Unternehmenssatzung eingehalten wurde. Selbst, wenn die Ladungsfrist nicht eingehalten worden wäre und ein kollektiver Ladungsmangel vorläge, wäre dieser dadurch geheilt, dass sämtliche Verwaltungsratsmitglieder zur Sitzung erschienen sind und rügelos an der Beratung teilgenommen haben (vgl. zur Heilung eines kollektiven Ladungsmangels im Gemeinderat: BayVGH, B.v. 6.10.1987 – 4 CE 87.2294 – BayVBl 1988, 83.; U.v. 10.12.1986 – 4 B 85 A 916 – BayVBl 1987, 239/241 m.w.N).
bb. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten führt der Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Unternehmenssatzung nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Abberufungsbeschlusses vom 23. Juli 2020 und damit der Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020.
Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Unternehmenssatzung unterliegen die Mitglieder des Verwaltungsrates bei Entscheidungen über die Abberufung des Vorstandes den Weisungen des Stadtrates. Vor der Entscheidung ist der Stadtrat durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrates rechtzeitig zu informieren. Ein Verstoß hiergegen liegt vor, da der Stadtrat der Stadt … vor der Sitzung des Verwaltungsrates der Beklagten am 23. Juli 2020 nicht über die geplante Abstimmung zur Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten informiert wurde und daher nicht darüber entscheiden konnte, ob er von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht. Der Stadtrat der Stadt … wurde erst am 6. August 2020 in einer Sitzung des Ferienausschusses des Stadtrates über die Abberufungsentscheidung in Kenntnis gesetzt.
Unabhängig davon, ob der Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Unternehmenssatzung durch die Billigung des Abberufungsbeschlusses vom 23. Juli 2020 durch den Ferienausschuss des Stadtrates der Stadt … am 6. August 2020 geheilt wurde, ist dieser Verstoß gegen die Unternehmessatzung unbeachtlich und führt nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Abberufungsbeschlusses vom 23. Juli 2020 und daher der Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020. Dies ergibt sich bereits aus Art. 90 Abs. 2 Satz 6 GO. Hiernach berührt die Abstimmung entgegen der Weisung des Gemeinderates die Gültigkeit des Beschlusses des Verwaltungsrates nicht. Wenn bereits eine Abstimmung des Verwaltungsrates gegen die explizite Weisung des Stadtrates die Gültigkeit eines Verwaltungsratsbeschlusses nicht berührt, dann verliert erst recht ein Beschluss, der ohne die vorherige Information des Stadtrates getroffen wurde, seine Gültigkeit nicht.
Darüber hinaus ist der Kläger durch den Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Unternehmenssatzung nicht in seinen eigenen Rechten verletzt. Eine Abstimmung ohne die Kenntnis des Stadtrates berührt nicht die Rechte desjenigen, der von der Abstimmungsentscheidung des Verwaltungsrates betroffen ist, sondern allein das Weisungsrecht des Stadtrates bzw. seiner Mitglieder. Art. 90 Abs. 2 Satz 5 GO räumt dem Gemeinderat die Möglichkeit ein, sich durch die Unternehmenssatzung eines Kommunalunternehmens in bestimmten Fällen ein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedern des Verwaltungsrates vorzubehalten. Dieses Weisungsrecht dient dem Gemeinderat, welcher kommunale Aufgaben in ein Kommunalunternehmen übertragen hat, dazu, sich eine Einfluss- und Kontrollmöglichkeit offenzuhalten. Es handelt sich beim Weisungsrecht daher um das Rechtsverhältnis zwischen dem Gemeinderat und dem Verwaltungsrat, sodass bei einer Abstimmung ohne vorherige Mitteilung an den Gemeinderat zwar die Einfluss- und Kontrollrechte des Gemeinderates beschränkt, jedoch keine etwaigen Rechte Dritter berührt werden.
cc. Der Einwand der Klägerseite, dass der Kläger vor der Beschlussfassung im Verwaltungsrat keine Gelegenheit gehabt habe gegenüber dem Stadtrat der Stadt … seine Argumente gegen die Abberufung als Vorstand der Beklagten vorzubringen, greift nicht. Ein solches Anhörungsrecht sieht die Unternehmenssatzung der Beklagten gerade nicht vor.
Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 der Unternehmenssatzung ist der Stadtrat vor der Entscheidung durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrates rechtzeitig zu informieren. Ein Anhörungsrecht des Klägers ergibt sich hieraus gerade nicht, da der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Beklagten und nicht der von einer Beschlussfassung Betroffene selbst den Stadtrat informiert. Der Begriff des Informierens ist zudem nicht mit einer persönlichen Anhörung gleichzusetzen. Darüber hinaus sieht § 7 Abs. 10 Satz 2 der Unternehmenssatzung vor, dass in Angelegenheiten, die den Vorstand selbst betreffen der Verwaltungsrat nach Anhörung des Vorstandes in dessen Abwesenheit entscheidet. Im Umkehrschluss hierzu ist eine zusätzliche Anhörung des Klägers im Stadtrat der Stadt … gerade nicht notwendig gewesen.
dd. Die Beklagte hat nach Ansicht des Gerichts auch nicht gegen § 7 Abs. 10 Satz 2 der Unternehmenssatzung verstoßen. Die Regelung, dass der Verwaltungsrat in Angelegenheiten, die den Vorstand persönlich betreffen nach dessen Anhörung in dessen Abwesenheit entscheidet, ist nicht so zu verstehen, dass der Vorstand während der Verwaltungsratssitzung durch den Verwaltungsrat angehört werden muss. Vielmehr normiert die Passage „entscheidet der Verwaltungsrat nach Anhörung des Vorstandes in dessen Abwesenheit“ zum einen eine Unterausnahme zu § 7 Abs. 10 Satz 1 der Unternehmenssatzung, wonach der Vorstand üblicherweise bei Verwaltungsratssitzungen beratend teilnimmt. So muss der Verwaltungsrat in Angelegenheiten, die den Vorstand persönlich betreffen, bereits kraft Unternehmenssatzung vor seiner Entscheidung, sprich der Entscheidungsfindung (Beratung und Abstimmung), keinen gesonderten Beschluss fassen, wonach der Vorstand von der Beratung und Entscheidungsfindung ausgeschlossen ist. Zum anderen regelt § 7 Abs. 10 Satz 2 der Unternehmenssatzung ein getrennt hiervon zu betrachtendes Anhörungsrecht des Vorstandes. Zwar mag die systematische Stellung des Anhörungserfordernisses darauf schließen lassen, dass eine persönliche Anhörung vor dem Verwaltungsrat notwendig ist. Jedoch ist Sinn und Zweck dieser Vorschrift, dass der Verwaltungsrat alle notwendigen Tatsachengrundlagen, auch aus der Perspektive des Betroffenen, ermittelt und, dass dem Vorstand im Vorfeld zu einer belastenden Entscheidung rechtliches Gehör gewährt wird. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet jedoch nur, dass dem Betroffenen vor einer belastenden Entscheidung die Gelegenheit gegeben wird, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (vgl. hierzu im Verwaltungsverfahren Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG), gewährt jedoch keinen Anspruch auf eine persönliche Anhörung durch den gesamten Verwaltungsrat unmittelbar vor dessen Entscheidung. Die Beklagte hat daher das Anhörungserfordernis des § 7 Abs. 10 Satz 2 der Unternehmenssatzung dadurch gewahrt, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrates als Vertreter des Verwaltungsrates (§ 6 Abs. 5 Satz 1 der Unternehmenssatzung) am 20. Juli 2020 den Kläger persönlich angehört hat. Dieser konnte sich mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. Juli 2020 ausführlich zu den Vorwürfen äußern. Diese schriftliche Äußerung wurde mit dem Verwaltungsrat der Beklagten ausweislich der Sitzungsniederschrift am 23. Juli 2020 auch noch vor der Beratung und Abstimmung erörtert und hatte daher Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Verwaltungsrates der Beklagten. Dem Anhörungserfordernis wurde folglich genüge getan.
c. Die Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten vom 29. Juli 2020 war auch materiell rechtmäßig.
aa. Zwar treffen weder die GO noch die KUV besondere Regelungen für die Abberufung des Vorstandes eines Kommunalunternehmens, jedoch normiert § 4 Abs. 2 Satz 2 der Unternehmenssatzung, dass bei Vorliegen eines wichtigen Grundes der Verwaltungsrat den Vorstand durch Beschluss vorzeitig abberufen kann.
(1) Ein wichtiger Grund liegt nach allgemeinen Grundsätzen vor, wenn das Vertrauensverhältnis zum Vorstand so gestört ist, dass ein Zuwarten bis zum Ablauf des Bestellungszeitraums nicht zumutbar ist (vgl. Lück in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand: 1.5.2021, Art. 90 GO Rn. 7; Schulz in PdK Bayern – Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Art. 90 GO, 2.1. Allgemeine Rechtsstellung; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze – Kommentar, 107 EL Juni 2020, Art. 90 GO Rn. 5a m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Klägerseite darf das Vorliegen des wichtigen Grundes nicht an § 1 Abs. 3 des Anstellungsvertrages vom … 2014, der zuletzt mit Änderungsvertrag vom … 2018 verlängert wurde, und den dort aufgeführten Pflichtverletzungen, die zu einem wichtigen Grund der Beendigung des zivilrechtlichen Vertrages führen, geknüpft werden. Das zivilrechtliche Anstellungsverhältnis und das öffentlich-rechtliche Berufungs- und Abberufungsverhältnis, sprich das organschaftliche Verhältnis, sind entsprechend des Trennungsprinzips rechtlich getrennt zu betrachten (vgl. so auch OVG Bremen, B.v. 12.9.2018 – 2 B 227/18 – juris Rn. 14 m.w.N.; OLG Saarland, U.v. 8.5.2013 – 1 U 154/12-43, 1 U 154/12 – juris Rn. 50, VG München, B.v. 19.7.2016 – M 16 SE 16.2966 – juris Rn. 35). Dies gilt trotz des Umstandes, dass der zivilrechtliche Anstellungsvertrag vom … 2014 hinsichtlich der verwendeten Begrifflichkeiten nicht ausreichend zwischen dem zivilrechtlichen Anstellungsverhältnis und dem öffentlich-rechtlichen Organverhältnis differenziert, sondern die Wörter „Abberufung“ und „Berufung“ für beide Rechtsverhältnisse synonym verwendet. Das Trennungsprinzip kommt nämlich insbesondere in § 2 des Anstellungsvertrages vom … 2014 deutlich zum Ausdruck, worin geregelt ist, dass trotz einer Abberufung als Vorstand das Dienstverhältnis weiterhin fortbestehen bleibt, außer dieses wird aus wichtigem Grund gekündigt. Zudem enthält der zuletzt mit Änderungsvertrag vom … 2018 verlängerte Anstellungsvertrag vom … 2014, anders als § 1 Abs. 3 des Anstellungsvertrages vom … 2013, keine Kopplungsklausel, die den Bestand beider Rechtsverhältnisse miteinander verknüpft.
Es muss daher bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund für die Beendigung des Organverhältnisses vorliegt, darauf abgestellt werden, ob das Vertrauensverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger so stark gestört wurde, dass der Beklagten ein Zuwarten bis zum Ablauf des Bestellungszeitraums (31. Mai 2024) nicht mehr zumutbar gewesen ist. Hierbei ist zu beachten, dass es um die Abberufung des Führungsorgans der Beklagten geht, welches im Unternehmen eine hervorgehobene Stellung einnimmt. Deshalb kann das Vertrauen in die Person des Vorstands bereits bei Pflichtverletzungen nachhaltig erschüttert sein, die weniger gravierend als Pflichtverletzungen sind, die zum Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes des Anstellungsverhältnisses führen können. Dies ergibt sich aus dem bereits erwähnten § 2 des Anstellungsvertrages vom … 2014, der verdeutlicht, dass die Kündigungsgründe hinsichtlich des Anstellungsverhältnisses enger zu fassen sind, als die Gründe für die Beendigung des Organverhältnisses, da ansonsten das Anstellungsverhältnis im Falle einer Abberufung des Vorstandes nicht grundsätzlich bestehen bleiben könnte. Darüber hinaus sind gesellschaftsrechtlich Kopplungsklauseln in Anstellungsverträgen erlaubt, die das Bestehen des zivilrechtlichen Anstellungsvertrages an den Bestand des Organverhältnisses knüpfen, um das Erfordernis einer außerordentlichen Kündigung zu umgehen bzw. zu erleichtern (vgl. Koehler: Kopplungsklauseln in Geschäftsführeranstellungsverträgen, NZG 2019, 146 ff.). Dass durch Kopplungsklauseln grundsätzlich nur der Bestand des Anstellungsverhältnisses an das Organverhältnis geknüpft werden kann, zeigt ebenfalls, dass strengere Anforderungen an die Beendigung des Anstellungsverhältnisses als an die des Organverhältnisses zu stellen sind.
(2) Gemessen an den dargestellten Maßstäben liegt ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten aufgrund der der Beklagten am 23. bzw. 29. Juli 2020 bekannt gewesen Tatsachen vor. Allein das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Betrugsfall um die Gelder, die von der Beklagten treuhänderisch zu verwalten sind bzw. waren, stellt eine solche Pflichtverletzung dar, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen der Beteiligten die Fortsetzung des Vertrauensverhältnisses bis zur Beendigung des Organverhältnisses (31. Mai 2024) für die Beklagte unzumutbar erscheinen lässt.
Zugunsten des Klägers muss berücksichtigt werden, dass er sieben Jahre beanstandungslos für die Beklagte als Vorstand tätig gewesen ist, sein Engagement für die Beklagte durch Gehaltsverzicht und diverse Überstunden gezeigt hat und jedes Jahr durch den Verwaltungsrat entlastet wurde, weswegen sich ein verfestigtes Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten über die Jahre aufgebaut hat. Dieses wurde aber nach Überzeugung des Gerichts maßgeblich durch den von den Beteiligten geschilderten Betrugsfall erschüttert. Diesbezüglich muss zwar beachtet werden, dass nicht der Kläger, sondern ein ihm unterstellter Mitarbeiter sich die Gelder der …Stiftung mit hoher krimineller Energie, dem Entwenden von Kontozugangsdaten, einer aufwändigen Doppelbuchführung und der Verwendung gefälschter Rechnungen sowie S-Firm-Ausdrucken angeeignet hat, jedoch ist der Kläger als einziger Vorstand der Beklagten für die eigenverantwortliche Leitung der Geschäfte der Beklagten, die Wahrung der wirtschaftlichen und steuerlichen Interessen der Beklagten sowie das Rechnungswesen und Kontrollaufgaben verantwortlich. Insbesondere seinen Kontrollaufgaben wurde der Kläger, was sich durch den Betrugsfall gezeigt hat, nicht hinreichend gerecht. Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden kann, da er jedenfalls insoweit leicht fahrlässig handelte, als er nur die S-Firm-Ausdrucke des Girokontos der …Stiftung anstatt der Kontoauszüge des Girokontos überprüft hat. Zumindest stichprobenartig hätten die Daten der Kontoauszüge mit den S-Firm-Ausdrucken verglichen werden müssen, um nicht nur die Manipulationen durch den ehemaligen Mitarbeiter, sondern auch andere Unregelmäßigkeiten oder generell mögliche technische Fehler im Buchungs- und Zahlungssystem frühzeitig zu erkennen. Dies tat der Kläger jedoch nicht. Da diese Praxis der Rechnungsprüfung über mehrere Jahre vom Verwaltungsrat und von Wirtschaftsprüfern gebilligt wurde, kann dem Kläger nur eine leicht fahrlässige Pflichtverletzung unterstellt werden. Das Vorliegen dieser Pflichtverletzung wird nicht durch das von Klägerseite beschriebene 4- bzw. 6-Augen-Prinzip widerlegt. Das 4- bzw. 6-Augen-Prinzip wurde bei der Prüfung von Rechnungen und der Freigabe von Zahlungen angewandt, nicht hingegen bei der nachträglichen Kontrolle, ob nur solche Abbuchungen vom Girokonto erfolgten, die zuvor freigegeben wurden. Darüber hinaus hat der Kläger es zumindest leicht fahrlässig unterlassen, eine Saldenkontrolle hinsichtlich des Girokontos der Stiftung anhand der S-Firm-Ausdrucke durchzuführen. So stellte die Beklagtenseite unbestritten dar, dass am 18. September 2019 bei einem Saldo von 2.554,84 EUR eine Überweisung in Höhe von 1.318,83 EUR an die Gebäudeversicherung getätigt wurde. Danach hat das Girokonto aber einen Stand von 4.236,01 EUR ausgewiesen. Nach eigenen Angaben überprüfte der Kläger zwar die Einzelumsätze dahingehend, ob es auch eine Rechnung dazu gegeben hat und, ob auf dem Girokonto generell noch ein positiver Saldo vorhanden ist, nicht hingegen, ob sich aus dem Anfangssaldo unter Berücksichtigung der getätigten Zahlungsvorgänge auch der Schlusssaldo ergeben kann. Aufgrund der vom Kläger geschilderten Situation, dass er nicht nur für die …Stiftung, sondern für etliche weitere Konten wöchentlich eine Plausibilitätsprüfung durchführen musste und dies auch in seiner Freizeit tat, kann ihm wiederum nur ein leichter Fall der Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass der Kläger über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg das Tagesgeldkonto der …Stiftung nicht eingesehen hat. Hierbei handelt es sich um ein Bestandskonto, auf welchem mindestens Rücklagen in Höhe von 50.000 EUR hätten vorhanden sein müssen und welches nach Aufdeckung des Betrugsfalles nahezu leer (ca. 500 EUR) gewesen ist. Da das Tagesgeldkonto keinen laufenden Geschäftsbuchungen unterfällt, wäre vom Kläger, auch wegen des Umstandes, dass er weitere 150 Kautionskonten mit fixen Salden beaufsichtigte, wohl nicht zu erwarten gewesen, dass er das Bestandskonto täglich oder wöchentlich einsieht. Da jedoch sowohl von Seiten der Banken technische Probleme bestehen und Fehlbuchungen geschehen können als auch Missbrauch durch Dritte nie gänzlich ausgeschlossen werden kann, muss ein ordnungsgemäß handelnder Vorstand, der die finanziellen Interessen des Unternehmens wahrt, zumindest einmal jährlich im Zuge des Jahresabschlusses in solche Konten sehen, damit Fehler rechtzeitig auffallen und angezeigt werden könnten. Der Kläger hat es ohne nachvollziehbare Begründung unterlassen über drei Jahre hinweg in das Tagesgeldkonto Einsicht zu nehmen. Hätte er dies zumindest einmal jährlich getan, wäre ihm bereits wesentlich früher aufgefallen, dass Gelder vom Tagesgeldkonto unrechtmäßigerweise umgebucht worden sind und der Betrugsfall hätte deutlich früher aufgeklärt werden können. So ist der …Stiftung und damit der Beklagten unter der Aufsicht des Klägers als Vorstand ein erheblicher finanzieller Schaden von 80.000 EUR zugefügt worden. Dass dieser Schaden durch eine vom Kläger abgeschlossene Versicherung gedeckt werden könnte, kann nicht über den Umstand hinweghelfen, dass der Schaden dem Unternehmen zunächst entstanden ist. Der Abschluss einer entsprechenden Versicherung entbindet den Vorstand nicht von der Einhaltung der ihm obliegenden Pflichten, deren Verletzung hier für das Vorliegen eines wichtigen Grundes maßgeblich ist. Denn durch den Vorstand als eigenverantwortlicher Leiter eines Unternehmens ist durch entsprechende Kontrollen sicherzustellen, dass es schon nicht zu einem Schadensfall kommt. Dies hat der Kläger hinsichtlich des Tagesgeldkontos nicht getan. Selbiges gilt für die Einsicht in die Kautionskonten, welche – zumindest jährlich – durch den Kläger unterblieben ist, da ansonsten die durch den ehemaligen Mitarbeiter einbehaltenen Barkautionen aufgefallen wären. Der Umstand, dass auch anderen Mitarbeitern bei der Kontrolle der Unterlagen der Betrugsfall nicht aufgefallen ist und der Verwaltungsrat keine Auffälligkeiten feststellen konnte, führt nicht dazu, dass kein Pflichtverstoß von Seiten des Klägers vorliegt. Wie bereits dargestellt, ist der Kläger als Vorstand in einer gehobenen Position tätig und für die eigenständige Leitung der Beklagten sowie die Verwaltung von Geldern verantwortlich gewesen, weshalb man seinen Pflichtenkreis nicht mit dem eines Angestellten oder eines Verwaltungsratsmitglieds gleichsetzen kann. Unter Abwägung aller Interessen genügten daher die aufgezeigten Pflichtverletzungen in der Summe dazu, das Vertrauen der Beklagten in den Kläger als Vorstand nachhaltig zu erschüttern, sodass eine Zusammenarbeit der Beklagte mit dem Kläger als deren Vorstand bis zum Zeitablauf des Bestellungsverhältnisses nicht mehr zumutbar war. Auf den vorgetragenen Sachverhalt um die Karte für den Grünabfallsammelplatz kommt es streitentscheidend nicht mehr an. Eine wie von Klägerseite angeführte vorherige Abmahnung wäre nicht geeignet gewesen, das verlorene Vertrauen der Beklagten in den Kläger als Vorstand und damit Führungsorgan der Beklagten wiederherzustellen. Ob die Pflichtverletzungen des Klägers im Hinblick auf die Kündigung des Anstellungsverhältnisses – und die insoweit gegebenenfalls strengeren Voraussetzungen – ebenfalls als ausreichend zu beurteilen sind, hat das hier erkennende Gericht nicht zu entscheiden. (3) Für die Bestimmung, ob ein wichtiger Grund für die Abberufungsentscheidung vorlag, kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes an. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist ein Nachschieben von nachträglich bekannt gewordenen, gänzlich neuen Abberufungsgründen im vorliegenden Einzelfall nicht möglich. Zwar ist in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung sowohl das Nachschieben nachträglich bekannt gewordener neuer Abberufungsgründe als auch nachträglich bekannt gewordener neuer Kündigungsgründe anerkannt, da objektiv das Vorliegen eines Abberufungs- oder Kündigungsgrundes zum Zeitpunkt der Abberufungs- oder Kündigungsentscheidung zu prüfen ist. Hinsichtlich des Nachschiebens von Abberufungsgründen wird zudem ein Beschluss des zuständigen Entscheidungsgremiums verlangt (vgl. u.a.: OLG Zweibrücken, U.v. 5.6.2013 – 4 U 117/02 – juris Rn. 27; OLG Düsseldorf, U.v. 24.2.2012 – I-16 U 177/10, 16 U 177/10 – juris Rn. 49 ff.; LAG Köln, U.v. 16.10.2019 – 5 Sa 221/19 – juris Rn. 66, a. A. wohl OLG Köln, U.v. 30.8.2007 – 18 U 57/07 – juris Rn. 28). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren haben die Verwaltungsgerichte im Rahmen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwar von Amts wegen zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Ein Nachschieben von Tatbestandsgründen oder Ermessenerwägungen ist dabei möglich, jedoch an besondere Voraussetzungen geknüpft. Hinsichtlich des Nachschiebens von Tatsachen gilt, dass im Rahmen des Verwaltungsprozesses neue Gründe nur vorgebracht werden dürfen, wenn diese schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Wesen geändert wird und der Kläger nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. Quaas/Zuck/Funke-Kaiser in Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 530; BayVGH, U.v. 26.6.2012 – 10 BV 11.1936 – juris Rn. 53 m.w.N.). Die Grenze der „Wesensänderung“ des Verwaltungsaktes ist erreicht, wenn dem Kläger im Rahmen seiner Anfechtungsklage eine völlig andere Verfahrenssituation aufgedrängt wird (vgl. zum Nachschieben von Ermessenserwägungen: BVerwG, U.v. 5.5.1998 – 1 C 17/97 – juris Rn. 37). Vorliegend stützte sich die Abberufungsentscheidung der Beklagten vom 29. Juli 2020 und der Abberufungsbeschluss vom 23. Juli 2020 erkennbar nur auf Sachverhalte, die der Beklagten zum Entscheidungszeitpunkt bereits bekannt waren und auf deren Basis die Beurteilung erging, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten nachhaltig erschüttert ist. Die neue Tatsache um die Audioaufnahme durch den Kläger am … 2020 wurde der Beklagten am 16. November 2020 bekannt und erstmals mit Schriftsatz vom 23. November 2020 in das Verfahren eingeführt, also nachdem der Kläger bereits abberufen worden war. Im Rahmen der Prüfung, ob eine Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum 31. Mai 2024 Bestand haben konnte, wurde dieser nachträglich bekannt gewordene Sachverhalt erkennbar nicht berücksichtigt. Die Einführung eines zwar zusätzlichen, jedoch gänzlich neuen Abberufungsgrundes, dessen tatsächliches Vorliegen und rechtliche Einordnung streitig sind, führt dazu, dass der Kläger seine Rechtsverteidigung umstellen und erweitern muss, sodass ihm eine neue Verfahrenssituation aufgedrängt wird. Es würde daher zu einer Wesensänderung der Abberufungsentscheidung kommen. Ein Nachschieben dieser neuen Tatsache als zusätzlicher Abberufungsgrund für die Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020 ist somit weder möglich noch nötig (vgl. oben).
bb. Entgegen der Ansicht der Klägerseite lag kein Ermessensfehler vor.
Zwar ist § 4 Abs. 2 Satz 2 der Unternehmenssatzung als Ermessensnorm formuliert, da danach der Verwaltungsrat der Beklagten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes den Vorstand abberufen „kann“. Allerdings fand eine Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten bereits bei der tatbestandlichen Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes statt. Da das Ergebnis dieser Prüfung die Unzumutbarkeit der Beibehaltung des Klägers als Vorstand der Beklagten gewesen ist, ist die Abberufung die einzige ermessensfehlerfreie und konsequente Entscheidung der Beklagten gewesen. Folglich hat sich das Ermessen der Beklagten im konkreten Fall auf Null reduziert, sodass kein Ermessensfehler gegeben ist.
IV.
Die erhobene Anfechtungsklage, die Entscheidung der Beklagten zur nochmaligen Abberufung des Klägers vom 27. November 2020 ist unzulässig und daher abzuweisen.
Unabhängig davon, ob die erneute Abberufung überhaupt wirksam geworden ist (Bedingungseintritt) oder Regelungswirkung entfaltet (bloße Wiederholung ohne Regelungswirkung) und damit eine Anfechtungsklage statthaft wäre, fehlt dem Kläger auf jeden Fall die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, da er durch die Abberufungsentscheidung vom 27. November 2020 nicht beschwert ist und daher nicht möglicherweise in seinen Rechten verletzt sein kann.
Mit Schreiben vom 27. November 2020 wurde dem Kläger nochmals vorsorglich die Abberufung als Vorstand der Beklagten durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Beklagten erklärt. Diese Abberufungsentscheidung wurde von dem Fall abhängig gemacht, dass die erste Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020 unwirksam ist. Dies wird anhand der Formulierung, dass von einer Wirksamkeit der Abberufung vom 29. Juli 2020 ausgegangen werde, aber nochmals vorsorglich die Abberufung erklärt werde, ersichtlich. Dass die erneute Abberufungsentscheidung hilfsweise erfolgen sollte, wird darüber hinaus aus dem Abberufungsbeschluss vom 27. November 2020 erkennbar, wonach die neuen Erkenntnisse (Anfertigung der Audio-Datei) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschoben und nochmals hilfsweise aufgrund der neuen Erkenntnisse die Abberufung des Klägers als Vorstand der Beklagten erklärt werden solle. Unabhängig davon, ob eine solche hilfsweise Abberufung überhaupt möglich wäre, wäre die Bedingung vorliegend nicht eingetreten, da bereits die erste Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020 rechtmäßig war, sodass die zweite Abberufungsentscheidung niemals wirksam geworden ist und den Kläger in seinen Rechten verletzen kann. Selbst, wenn angenommen wird, dass die bedingte Abberufung als unbedingte Abberufung zu verstehen ist oder an die (eingetretene) Bedingung des erfolglosen Nachschiebens von Abberufungsgründen geknüpft wurde, hat der Kläger bereits mit der Abberufungsentscheidung vom 29. Juli 2020 seine Stellung als Vorstand der Beklagten verloren und konnte durch die wiederholte Erklärung der Abberufung keine weiteren Rechtsnachteile erleiden. Dem Kläger fehlt deshalb die Klagebefugnis.
V.
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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