Aktenzeichen 5 Sa 468/15
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Außerhalb des Religionsunterrichts ist ein Eingehen auf religiöse Fragen der Schüler durch eine spontane Beantwortung der Fragen nicht unzulässig; die vertiefende Behandlung in den nächsten Stunden mit Austeilung eines Schriftstückes bleibt aber dem Religionsunterricht vorbehalten, um die weltanschauliche Neutralität des Unterrichts und die negative Religionsfreiheit der Schüler zu sichern. (red. LS Ulf Kortstock)
Verfahrensgang
3 Ca 3699/15 2015-11-23 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.11.2015, Aktenzeichen: 3 Ca 3699/15, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2b, c ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung erweist sich als unbegründet. Die erkennende Kammer folgt der umfassenden und ausführlichen Begründung des Erstgerichts und macht sich dessen Ausführungen zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Parteien sind lediglich noch folgende Ausführungen veranlasst:
1. Soweit die Klagepartei beanstandet, das Ersturteil habe sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, dass die Klägerin erst auf Nachfrage von Schülern zu religiösen Fragen sich geäußert habe und nicht initiativ tätig geworden sei, ergibt sich keine andere Bewertung des Sachverhaltes. Das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Rahmen des Sportunterrichts und damit außerhalb jeglicher Verpflichtung zur Erteilung des Lehrplanes versucht hat, die betroffenen Schüler von der Richtigkeit ihres Glaubens zu überzeugen. Der Klägerin kann aufgrund des unstreitigen Sachvortrages zwar zugestanden werden, dass eine spontane Reaktion bzw. Beantwortung der von den Schülern aufgeworfenen Fragen arbeitsvertraglich noch keine Pflichtverletzung darstellen würde, da ein Überschreiten der grundgesetzlich geschützten Position der Klägerin wohl noch nicht erfolgt ist. Hierum geht es allerdings auch nicht, wie die Beklagte herausgestellt hat, denn die Klägerin hat es bei einer spontanen Beantwortung und Fragen mit religiösem Inhalt der Schülerinnen nicht belassen, sondern hat in den nächsten Unterrichtsstunden vertiefend auch unter Erstellung sowie Austeilung eines Schriftstücks mit Bibelstellen die Schüler von ihren Ausführungen überzeugen wollen. Dies erfolgte mehr oder weniger aus eigenem Antrieb mit der Motivation, die Schüler von ihren Äußerungen zu überzeugen. Insbesondere ist auch festzuhalten, dass es die Klägerin nicht lediglich mit einer schlichten Beantwortung dieser Frage belassen hat, sondern intensiv die von den Schülerinnen aufgeworfene Frage diskutiert, und zwar in einer solchen Intensität bzw. einem solchen Umfang, der – und das war der Klägerin bewusst – dem Religionsunterricht vorbehalten ist. Dadurch hat die Klägerin mit einer aktiven Einflussmaßnahme auf die Schulkinder den Boden für die von der Klägerin vorgetragene Abwägungsverschiebung zu Gunsten der positiven Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin verlassen. Dies gilt auch wenn man von der Behauptung der Klägerin ausgeht, die habe sich nur gegenüber den Fragen der Schülerin geäußert.
2. Die Klägerin ist als Lehrkraft einer öffentlichen Schule verpflichtet umfassend den rechtmäßigen staatlichen Vorgaben aus dem Grundgesetz, der Bayerischen Verfassung und dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) Folge zu leisten. Die Klägerin ist dabei eine erfahrene Unterrichtskraft, der bewusst gewesen ist, dass sie ihren Unterricht weltanschaulich neutral zu gestalten hat. Von der Klägerin hätte erwartet werden dürfen, dass sie, wenn sie die Fragen nicht abschließend beantworten kann, die Schülerinnen entweder an die Schulleitung bzw. an den betreffenden Religionslehrer zu verweisen hat.
3. Soweit sich die Klägerin darauf bezieht, dass der staatliche Erziehungsauftrag auch die Vermittlung von Werten sowie die Persönlichkeitsbildung beinhalten würden, so ist dies zunächst unproblematisch. Doch auch hier gilt, dass sich der staatliche Erziehungsauftrag lediglich innerhalb der Grenzen der weltanschaulich-religiösen Neutralitätsverpflichtung bewegen darf. Der staatliche Erziehungsauftrag muss auch im Hinblick auf die Vermittlung von Werten sowie der Persönlichkeitsbildung dort seine Grenzen finden, wo die negative Religionsfreiheit der Schulkinder sowie der Erziehungsauftrag der Eltern beeinträchtigt werden. Auch hier ist nochmals zu erwähnen, dass von entscheidender Bedeutung nicht die Frage der Äußerung überhaupt zu beanstanden ist, sondern letztendlich die Intensität, mit der die Klägerin auf die Nachfrage der Schülerin reagiert hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Klägerin hat als unterlegene Rechtsmitteführerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).