Arbeitsrecht

Anerkennung eines in den Niederlanden erworbenen Hufschmiede-Diploms

Aktenzeichen  AN 2 K 16.00020

Datum:
20.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HufBeschl-AnerkennV HufBeschl-AnerkennV § 2 Abs. 2 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

1 Daraus, dass das Wort „Diploma“ als eine Art Überschrift über dem Schriftstück aufgeführt ist und die Bezeichnung „Hoefsmid“ erst hinter der Ausbildungsrichtung („uitstroom“) auftaucht, ergeben sich keine Zweifel, dass es sich um die von Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung gemeinte Abschlussbezeichnung handelt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Unter Berücksichtigung einer europarechtskonformen Auslegung dürfen die Anforderungen an die Auslegung von § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung nicht überspannt werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zweifel an einer geregelten Ausbildung ergeben sich nicht daraus, dass die Anzahl der Praktikumstage bzw. -stunden für den letzten Ausbildungsabschnitt nicht in einer Prüfungsordnung vorgeschrieben sind, sondern eigeninitiativ und entsprechend des persönlichen Übungsbedarfs abgelegt werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4 Für das Erreichen des Zeitraums von mindestens zwei Jahren, ist – wie dies auch sonst für Schul-und Ausbildungszeiten üblich ist – auf eine Berechnung nach Halbjahren bzw. nach Monaten abzustellen, soweit die Zeit zwischen den einzelnen Unterrichtseinheiten nicht auf eine Unterbrechung schließen lassen. Eine Addition nur der Tage, in der eine direkte Betreuung durch einen Ausbilder stattgefunden hat, wird § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung demgegenüber nicht gerecht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft vom 15. Oktober 2015 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, das Prüfungszeugnis des Klägers („Diploma“) der Helicon Opleidingen vom 27. Januar 2014 als mit einem Prüfungszeugnis zum Hufbeschlagschmied nach der Hufbeschlagverordnung gleichwertig anzuerkennen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage kann, nachdem die Parteien am 13. Oktober auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben, im schriftlichen Verfahren entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Verpflichtungsklage des Klägers ist schon in ihrem Hauptantrag zulässig und auch begründet, so dass der Bescheid der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) vom 15. Oktober 2015 aufzuheben ist und die Verpflichtung des Beklagten auszusprechen ist, das dem Kläger von der niederländischen Berufsreiterschule Helicon Opleidingen in Deurne ausgestellte Prüfungszeugnis vom …2014 als gleichwertig mit einem Prüfungszeugnis zum Hufbeschlagschmied nach der deutschen Hufbeschlagsverordnung anzuerkennen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gegenstand der Klage ist allein die Anerkennung des Zeugnisses des Klägers vom … 2014 nach § 2 der Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung vom 10. März 2009, gültig ab 18. März 2009, (BGBl I, 485) als gleichwertig mit einem Zeugnis über die Prüfung zum Hufbeschlagschmied nach der Hufbeschlagverordnung vom 15. Dezember 2006, gültig ab 22. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 3205), die die Ausbildung und die Prüfung zum Hufbeschlagschmied in der Deutschland regelt. Nicht Gegenstand der Klage ist hingegen die staatliche Anerkennung als Hufbeschlagschmied nach §§ 3 und 4 der Hufbeschlagbeschlagordnung, die weitere Voraussetzungen hat, insbesondere eine Zuverlässigkeitsprüfung erfordert (vgl. § 3 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 Hufbeschlaggesetz). Zwar spricht der Kläger in seiner Antragstellung vom 14. April 2015 von der Anerkennung „zum staatlich anerkannten Hufbeschlagschmied“ und könnte auch der Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 10. November 2015 in diesem Sinne verstanden werden, jedoch ergibt die interessensgerechte und sachgemäße Auslegung des Klagebegehrens und deren Begründung sowie das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2016, dass zunächst allein die Zeugnisanerkennung begehrt wird.
Auf diese Zeugnisanerkennung hat der Kläger gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung i.V.m. Anlage 1 zur Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung einen Anspruch, nachdem die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage vorliegen und dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt ist.
Bei der Helicon Opleidingen NHD Deurne handelt es sich um eine von vier für die Niederlande aufgeführten Schulen (s. Nr. 1 unter Niederlande der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung), deren Zeugnis nach § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung anerkennungsfähig ist.
Der Kläger hat auch ein Abschlusszeugnis mit der dort aufgeführten Abschlussbezeichnung „Diploma Hoefsmid“ und der Berufsbezeichnung „Hoefsmid“ erworben. Sein Prüfungszeugnis vom …2014 in niederländischer Sprache enthält ausdrücklich sowohl den Begriff „Diploma“ als auch den Begriff „Hoefsmid“. Daraus, dass die beiden Begriffe auf dem Zeugnis nicht unmittelbar hintereinander stehen, sondern das Wort „Diploma“ als eine Art Überschrift über dem Schriftstück aufgeführt ist und die Bezeichnung „Hoefsmid“ erst hinter der Ausbildungsrichtung („uitstroom“) auftaucht, ergeben sich für das Gericht keine Zweifel, dass es sich um die von Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung gemeinte Abschlussbezeichnung handelt. Die weiteren Angaben auf dem Zeugnis und den Anhängen zum Zeugnis („Diploma-Aanhangsel“) wie „Qualifikationsniveau 3“, der Zusatz “Spezialisierte Tierpflege Pferd“, die Nennung der Rechtsgrundlage und des Crebocodes 97510 sprechen – entgegen der Auffassung des Beklagten – gerade dafür, dass es sich bei der Ausbildung des Klägers um die in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung aufgeführte Ausbildung handelt. Dass die Helicon Opleidingen NHD Deurne eine Ausbildung anderer Art oder anderer Qualität mit der gleichen Bezeichnung anbietet oder die Ausbildung grundsätzlich geändert hätte, lässt sich weder den Informationen der Internetseite der Helicon Opleidingen NHD Deurne entnehmen, noch hat die Beklagtenseite insofern substantiierte Einwände dagegen vorgebracht. Zweifel bestehen insbesondere nicht im Hinblick auf die von der Klägerseite vorgelegten Zeugnisse aus dem Jahr 2005 für zwei andere Hufschmiede. Diese Zeugnisse unterscheiden sich im Gegenteil nur unwesentlich und eher optisch vom Zeugnis des Klägers, enthalten aber als Kern wie das Zeugnis des Klägers die Begriffe „Diploma“ und „Hoefsmid“ (beide Begriffe ebenfalls nicht in einer Zeile, sondern untereinander und in verschiedenen Schriften) sowie das „Niveau III“ und die gleiche Rechtsgrundlage für die Zeugniserteilung. Einen Crebocode enthalten die Zeugnisse von 2005 gar nicht, sodass nicht nachvollziehbar ist, warum aus der zusätzlich aufgeführten Nummer im Zeugnis des Klägers auf eine geänderte Ausbildung bzw. eine vom Anhang 1 zu § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung nicht umfassten Ausbildung geschlossen werden soll. Einen bestimmten Crebocode fordert Anhang 1 ohnehin nicht.
Der Kläger erfüllt auch die weitere Voraussetzung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung der mindestens zweijährigen, geregelten und einschlägigen Ausbildungsmaßnahme. Die Ausbildung zum Hufbeschlagschmied an der Helicon Opleidingen NHD Deurne und die vorausgehende Ausbildung an der BESW Akademie in …, …, in Hufpflege und Huftechnik stellen ohne Weiteres eine einschlägige Ausbildungsmaßnahme dar. Für die Ausbildungsabschnitte Hufpflege und Huftechnik an der BESW Akademie gibt es für die theoretische Ausbildung jeweils eine Prüfungsordnung und einen Lehrplan und Leitlinien, die der Kläger vorgelegt hat. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung hierzu angegeben, 30 bzw. 50 Tage vorgeschriebene Praktikumstage absolviert zu haben. Auch für den Ausbildungsabschnitt in den Niederlanden, den eigentlichen Hufbeschlagskurs, hat der Kläger einen Lehrplan vorgelegt und bis zu seiner Prüfung rund 100 weitere Praktikumstage nachgewiesen. An einer geregelten Ausbildung bestehen danach für das Gericht ebenfalls keine Zweifel. Diese ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Anzahl der Praktikumstage bzw. -stunden für den letzten Ausbildungsabschnitt nicht in einer Prüfungsordnung vorgeschrieben sind, sondern eigeninitiativ und entsprechend des persönlichen Übungsbedarfs abgelegt werden. Eine geregelte, nämlich in Theorie und Praxis aufgeteilte und im Voraus und in allgemeiner Form festgelegte Ausbildung, ist darin ohne Schwierigkeiten dennoch zu erblicken. Unter Berücksichtigung einer europarechtskonformen Auslegung dürfen die Anforderungen an die Auslegung von § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung nicht überspannt werden.
Die Ausbildung des Klägers erreicht auch die Mindestausbildungszeit von zwei Jahren. Nicht angemessen und korrekt ist dabei eine Betrachtung, die die einzelnen Tage der theoretischen und praktischen Ausbildung addiert, wodurch der Kläger auf nur 82 Tage theoretischen Unterrichts (28 Tage Hufpflege an der BESW Akademie, 24 Tage Huftechnik an der BESW Akademie und 30 Tage Hufschmied an der Helicon Opleidingen) und ca. 180 Tage praktischer Ausbildungszeit und damit insgesamt auf nur rund 260 Tage käme. Eine derartige Betrachtung berücksichtigt nicht, dass Ausbildungszeiten zum einen grundsätzlich auch Ferien- bzw. Urlaubszeiten, Wochenenden und Feiertage umfassen, zum anderen, dass die theoretische Ausbildung im vorliegenden Fall durch Blockunterricht, d. h. zeitlich auf wenige Tage und Wochen komprimiert, aber in intensiverer Form, stattgefunden hat. Eine Addition nur der Tage, in der eine direkte Betreuung durch einen Ausbilder stattgefunden hat, wird § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung nicht gerecht. Für das Erreichen des Zeitraums von mindestens zwei Jahren, ist vielmehr – wie dies auch sonst für Schul-und Ausbildungszeiten üblich ist – auf eine Berechnung nach Halbjahren bzw. nach Monaten abzustellen, soweit die Zeit zwischen den einzelnen Unterrichtseinheiten nicht auf eine Unterbrechung schließen lassen. Für den Kläger bestand damit eine Ausbildungszeit für den 1. Ausbildungsabschnitt der Hufpflege von ca. einem Halbjahr (Unterrichtstage vom 6.5. bis 10.10.2011), für den 2. Ausbildungsabschnitt der Huftechnik von ca. einem Dreivierteljahr (Unterrichtszeit vom 16.3. bis 1.12.2012) und einem 3. Ausbildungsabschnitt in den Niederlanden von über 1,5 Jahren (Blockunterricht in der Zeit vom 7.7.2012 bis 24.1.2014). Damit kommt der Kläger selbst dann auf eine Ausbildungszeit von über zwei Jahren, wenn man die Überschneidungszeit zwischen dem 2. und 3. Ausbildungsabschnitt von rund vier Monaten nur einmal ansetzt. Auch die Unterbrechung zwischen dem 1. und 2. Ausbildungsabschnitt (Mitte Oktober 2011 bis Mitte März 2012) wird bei dieser Betrachtung nicht als Ausbildungszeit veranschlagt. Die praktischen Ausbildungstage absolvierte der Kläger dabei kontinuierlich und jeweils an den unterrichtsfreien Tagen parallel zum Theorieunterricht in einem Umfang von durchschnittlich 6 bis 7 Tagen im Monat. Die monatsweise bzw. halbjahresweise Betrachtung der Ausbildungszeiten des Klägers ist damit auch unter Berücksichtigung dieser Praktikumstage, die einer üblichen und angemessenen Ausbildungsintensität entsprechen, gerechtfertigt. Einzelne, ohnehin sehr geringfügige Überschneidungstage, an denen der Kläger sowohl Unterricht hatte als auch praktische Leistung erbracht hat, ändern an dieser Gesamtbetrachtung nichts, stellen weder einen Hinweis dafür dar, dass eine halbjahrsweise bzw. monatsweise Betrachtung vom Grundsatz her unangebracht ist, noch belegen sie, dass es sich bei der Ausbildung nicht um eine geregelte Ausbildung handelt.
Nachdem die Klage somit bereits in ihrem Hauptantrag auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung erfolgreich ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob eine Anerkennungspflicht auch aus § 2 Abs. 4 Hufbeschlag-Anerkennungsverordnung folgen würde. Ebenso wenig kommt es zu einer Entscheidung über den Hilfsantrag.
Die Kostenentscheidung der erfolgreichen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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