Arbeitsrecht

Anrechnung von Zeiten der Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern für die Stufenzuordnung

Aktenzeichen  6 AZR 690/09

Datum:
24.3.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 3 Abs 2 S 2 TVÜ-Ärzte-KF
§ 15 Abs 2 TV-Ärzte-KF
§ 1 TVG
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Duisburg, 15. April 2009, Az: 2 Ca 2564/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 19. August 2009, Az: 4 Sa 683/09, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. August 2009 – 4 Sa 683/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch über die Berücksichtigung von Zeiten der Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern für die Stufenzuordnung einer Assistenzärztin im Rahmen ihrer Überleitung in den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte – Kirchliche Fassung (TV-Ärzte-KF).
2
Die Klägerin war vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Mai 2008 als Assistenzärztin bei der Beklagten tätig. Davor war sie vom 1. April 2004 bis zum 30. September 2004 als Ärztin im Praktikum und vom 1. Oktober 2004 bis 31. Dezember 2006 als Assistenzärztin an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums der R beschäftigt. Bei diesem vorherigen Arbeitgeber erbrachte sie nach ihrer Approbation ärztliche Tätigkeiten, die fachlich den bei der Beklagten zu verrichtenden entsprachen.
3
Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Mit Beschluss der Arbeitsrechtlichen Schiedskommission vom 22. Oktober 2007 wurde der BAT-KF rückwirkend zum 1. Juli 2007 neu gefasst und in der Fassung der redaktionellen Überarbeitung vom 21. November 2007 (BAT-KF nF) am 15. Januar 2008 im Kirchlichen Amtsblatt der Evangelischen Kirche Rheinland bekannt gemacht. Gemäß § 1 BAT-KF nF richten sich die Arbeitsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte ausschließlich nach dem TV-Ärzte-KF als Anlage 6 zum BAT-KF. Die Überleitung in diesen Tarifvertrag erfolgte nach Maßgabe der Anlage 7 zum BAT-KF – Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte in den TV-Ärzte-KF (TVÜ-Ärzte-KF). Der TVÜ-Ärzte-KF bestimmt in § 3:
        
„Eingruppierung
        
(1) Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 11 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. …
        
(2) Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 15 Absatz 2 TV-Ärzte-KF.“
4
In § 15 TV-Ärzte-KF heißt es:
        
„Stufen der Entgelttabelle
        
(1) Die Entgeltgruppe Ä 1 und Ä 2 umfasst fünf Stufen; … Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2) … Tätigkeit …, die in den Tabellen (Anlagen A 1 und A 2) angegeben sind.
        
(2) Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt, das gilt insbesondere für die Zeit als Arzt im Praktikum. Zeiten von sonstiger Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.
        
(3) Zur regionalen Differenzierung, zur Deckung des Personalbedarfs, zur Bindung von qualifizierten Fachkräften oder zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten kann abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise vorweg gewährt werden. Ärzte mit einem Entgelt der Endstufe können bis zu 20 v.H. der Stufe 2 zusätzlich erhalten. …“
5
Nach der Entgelttabelle des TV-Ärzte-KF vollzieht sich der Stufenaufstieg in den fünf Stufen der Entgeltgruppe Ä 1 in fünf gleichen Schritten, wobei die Stufe 1 bei einer Tätigkeit im ersten Jahr und die Folgestufen jeweils ein Jahr später erreicht werden, so dass ab dem fünften Jahr ärztlicher Tätigkeit eine Zuordnung zur Stufe 5 erfolgt.
6
Die Beklagte ordnete die Klägerin bei ihrer Überleitung der Stufe 1 der Entgeltgruppe Ä 1 zu, seit dem 1. Januar 2008 der Stufe 2. Die Klägerin begehrt nach vergeblicher rechtzeitiger außergerichtlicher Geltendmachung die sich bei einer Zuordnung zur Stufe 4 vom 1. Juli 2007 bis zum 31. März 2008 und zur Stufe 5 vom 1. April 2008 bis zu ihrem Ausscheiden ergebende Entgeltdifferenz, die rechnerisch unstreitig 6.270,00 Euro brutto beträgt.
7
Die Klägerin hat gemeint, die Zeit ihrer Tätigkeit als Ärztin im Praktikum und als Assistenzärztin bei ihrem früheren Arbeitgeber habe bei ihrer Überleitung in den TV-Ärzte-KF angerechnet werden müssen. Das ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Ärzte-KF iVm. § 15 Abs. 2 TV-Ärzte-KF.
8
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.270,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. November 2008 zu zahlen.
9
Die Beklagte hat sich für ihren Klageabweisungsantrag auf § 3 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Ärzte-KF gestützt. Sie hat angenommen, diese Bestimmung sei die speziellere Norm gegenüber § 15 Abs. 2 TV-Ärzte-KF. § 15 Abs. 2 TV-Ärzte-KF sei dahin auszulegen, dass bei der Überleitung von Ärzten in den TV-Ärzte-KF nur Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber von der Regelung umfasst seien. Anderenfalls sei die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Ärzte-KF überflüssig.
10
Hintergrund der tariflichen Regelung sei, dass der Arbeitgeber bei der Einstellung entscheiden könne, ob er Arbeitnehmer mit Berufserfahrung einstelle. Diese Entscheidung könne er bei den „geerbten“ Arbeitnehmern nicht mehr treffen. Auch der Zweck des Stufenmodells spreche für die ausschließliche Berücksichtigung von Vorzeiten bei dem derzeitigen Arbeitgeber. Durch das Stufenmodell solle die Betriebstreue des Arbeitnehmers honoriert werden. Insoweit hat sich die Beklagte auf ein Schreiben eines Mitglieds der Arbeitsrechtlichen Schiedskommission der Evangelischen Landeskirche Rheinland-Westfalen-Lippe (ARS RWL) vom 27. November 2008 gestützt. Darin heißt es ua.:
        
„Die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten im Rahmen der Eingruppierung folgt den Regelungen, die im Tarifvertrag mit den Berufsgenossenschaften vereinbart worden ist. Vom eigentlichen Manteltarifvertrag her betrachtet gilt der Grundsatz, dass sämtliche Tätigkeiten als Arzt, Facharzt, Oberarzt bzw. Chefarztvertreter anzurechnen sind. Man wollte lediglich eine Sonderregelung hinsichtlich des übergeleiteten Personals treffen. Dort zählen nur die Zeiten beim gleichen Arbeitgeber. Hintergrund ist dafür, dass der Arbeitgeber im Fall der Einstellung die freie Entscheidung hat, welchen Mitarbeiter mit welcher Berufserfahrung er einstellt. Diese Entscheidung hat er bei den durch die Überleitung ‚geerbten’ Mitarbeitern nicht. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass dies die Verhandlungserwägungen im Rahmen der Tarifverhandlungen mit den Berufsgenossenschaften waren, deren Tarifvertrag gewissermaßen die Blaupause für den Entwurf des TV-Ärzte-KF war.“
11
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.


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