Arbeitsrecht

Anspruch eines AT-Beschäftigten auf Vergütung, die den Mindestabstand zur höchsten tarifvertraglichen Vergütung wahrt

Aktenzeichen  5 AZR 85/17

Datum:
25.4.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2018:250418.U.5AZR85.17.0
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG München, 2. Februar 2016, Az: 17 Ca 3108/15, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 16. November 2016, Az: 5 Sa 222/16, Urteilnachgehend Landesarbeitsgericht München, 28. November 2018, Az: 5 Sa 222/16, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16. November 2016 – 5 Sa 222/16 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung.
2
Der Kläger ist seit dem Jahr 1985 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Im Jahr 1990 ging der Betrieb der S AG, dem der Kläger angehörte, im Wege eines Betriebsübergangs auf die S N I AG (iF SNI) über. Mit weiteren Betriebsübergängen des Jahres 1998 ging der Betrieb zunächst auf die S B S GmbH & Co. OHG und sodann auf die K G mbH & Co. KG (iF K GmbH & Co. KG) über. Schließlich ging der Betrieb im Jahr 2004 im Wege eines weiteren Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
3
Im Anstellungsschreiben vom 30. August 1985 wird auf die beigefügten „Arbeitsbedingungen für Tarifangestellte“ verwiesen, wonach „der Tarifvertrag zur Anwendung“ kommt. Der Kläger wurde mit Schreiben der SNI vom 4. August 1993 zum 1. Oktober 1993 zum „Mitarbeiter des Führungskreises“ ernannt. Darin heißt es ua.:
        
„Mit Wirkung zum 01.10.1993 ernennen wir Sie zum Mitarbeiter des Führungskreises der S N I AG, Vertragsgruppe A.
        
…       
        
An die Stelle der bisher für Sie gültigen tarifvertraglichen Regelungen tritt dieser Arbeitsvertrag mit den beiliegenden unternehmenseinheitlichen Allgemeinen Vertragsbestandteilen für den Führungskreis der SNI …“
4
Zum Zeitpunkt der Ernennung galt die Betriebsvereinbarung „Entlohnungsgrundsätze für außertarifliche Angestellte“ vom 15. November 1991, die ua. bestimmt:
        
„Zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat wurden die Entlohnungsgrundsätze für außertarifliche Angestellte … festgelegt. Die Regelungen treten am 01.01.1992 in Kraft. Sie entsprechen im Wesentlichen den S-MFK-Regelungen, die schon bisher … am Standort angewandt wurden.
        
…       
        
Im außertariflichen Bereich werden die beiden Vertragsgruppen A und B gebildet, die als „Mittlerer Führungskreis“ bezeichnet werden.
        
…“    
5
Zum 1. Oktober 1996 wurde der „Führungskreis“ in „ÜT-Kreis“ umbenannt. Hierzu erhielt der Kläger ein Informationsschreiben vom 26. August 1996, das ua. beinhaltet:
        
„Ihr Beschäftigungsverhältnis als Mitarbeiter des ÜT-Kreises
        
…       
        
Im ÜT-Kreis ergeben sich die für Sie maßgeblichen Änderungen im Wesentlichen aus der Betriebsvereinbarung zum AT-Bereich der SNI, …
        
Der bisherige Führungskreis wird mit Wirkung zum 01.10.1996 in ÜT-Kreis umbenannt.
        
…       
        
Gemäß der modifizierten Betriebsvereinbarung zum AT-Bereich werden … alle Mitarbeiter der Vertragsgruppe A der Funktionsstufe 5 zugeordnet.
        
…“    
6
Am 19. Dezember 2000 schloss die K GmbH & Co. KG mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Entwicklung, Förderung und Anerkennung (EFA)“ (iF BV EFA), die ua. beinhaltet:
        
„Die Einhaltung der bayerischen Tarifabstandsklausel wird in Bezug auf das Einstiegsgehalt in die Funktionsstufe 5 für alle Mitarbeiter zugesichert.“
7
Der Kläger ist seit 1. November 2005 Mitglied der Gewerkschaft IG Metall. Die Beklagte ist sog. OT-Mitglied im Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie in Bayern.
8
Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 23. Juni 2008 (iF MTV) regelt ua.:
        
„§ 1 Geltungsbereich
        
Der Tarifvertrag gilt:
        
…       
        
3. Persönlich:
        
(I) Für alle Arbeitnehmer sowie für die Auszubildenden.
        
(II) Nicht als Arbeitnehmer i. S. dieses Vertrages gelten:
        
…       
        
d) sonstige Arbeitnehmer, denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes monatliches Entgelt zugesagt worden ist, das den Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 30,5 v. H. übersteigt, oder denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes Jahreseinkommen zugesagt worden ist, das den zwölffachen Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 35 v. H. übersteigt.
        
…       
        
Anmerkung zu § 1 Ziff. 3 Abs. (II) d
        
…       
        
Der Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) bezieht sich auf die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gem. § 2 Ziff. 1 Abs. (I). Bei einer abweichenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird das nach der Formel gem. § 15 Ziff. 1 Abs. (II) berechnete Monatsgrundentgelt zugrunde gelegt.
        
        
        
§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit
        
1.    
        
(I) Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden.
        
…       
        
§ 15 Tarifliches Monatsgrundentgelt und tarifliches Stundenentgelt
        
1.    
        
(I) … 
        
(II) Bei einer von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit abweichenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (IRWAZ) errechnen sich die tariflichen Monatsgrundentgelte nach folgender Formel:
        
Monatsgrundentgelt gem. Entgelttabelle x IRWAZ in Stunden
        
35 Stunden
        
…“    
9
Die Vergütung im Betrieb der Beklagten lehnt sich an den ERA-Tarifvertrag der bayerischen Metall- und Elektroindustrie an. Die Betriebsvereinbarung vom 28. Mai 2009 (BV ERA) enthält folgende Regelung:
        
„§ 1 Persönlicher Geltungsbereich
        
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer* der K GmbH an den Standorten M und N, mit Ausnahme derer, die einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf übertarifliche Bezahlung haben bzw. nach Funktionsstufe 4 od. 5 vergütet werden …“
10
In den Jahren seit der Ernennung bis einschließlich 2009 erhielt der Kläger eine Vergütung, die über dem Tarifabstand nach § 1 Ziff. 3 Abs. 2 Buchst. d MTV lag. In den Jahren 2010 bis 2013 zahlte die Beklagte an den Kläger eine als Sonderzahlung bezeichnete Tarifabstandszahlung. Für das Jahr 2014 leistete die Beklagte keine solche Zahlung.
11
Die Beklagte schloss in den Jahren 2010 bis 2013 mit dem Gesamtbetriebsrat Regelungsabreden über die Zahlung des Tarifabstands für das jeweilige Jahr.
12
Der Kläger fordert die Aufstockung seines Jahreseinkommens 2014 in Höhe des Abstands zum höchsten Tarifgehalt der Entgeltgruppe 12 B ERA-TV. Die vertragliche Zuordnung zum „Führungskreis“ beinhalte eine solche zum außertariflichen Mitarbeiterkreis. Dies beinhalte den Status als außertariflicher Angestellter, womit ihm zugleich eine Vergütung unter Einhaltung des Mindestabstandsgebots zugesagt worden sei. Eine ausdrückliche Zusicherung auf Einhaltung des Tarifabstands ergebe sich auch aus der BV EFA.
13
Der Kläger hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.304,30 Euro brutto nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 zu zahlen.
14
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Weitere Vergütungsansprüche bestünden nicht. Die Zahlungen in den Jahren 2010 bis 2013 beruhten auf Regelungsabreden. Für das Jahr 2014 sei eine solche nicht geschlossen worden. Etwaige Ansprüche seien jedenfalls erfüllt.
15
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.


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