Aktenzeichen 8 Sa 338/16
Leitsatz
1 § 8 TzBfG setzt – anders als § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 BEEG – kein Mindestmaß an Arbeitszeitreduzierung voraus (Fortschreibung BAG BeckRS 2013, 71558), verlangt jedoch zwingend, dass eine solche vom Arbeitnehmer überhaupt begehrt wird. Denn sonst könnte ein Arbeitnehmer, der Vollzeit zu arbeiten verpflichtet ist, oder der aus anderen Gründen seine Arbeitszeit bereits reduziert hat, allein die Festlegung der von ihm gewünschten Lage der Arbeitszeit erreichen. Dies wäre jedoch mit der Systematik des § 8 TzBfG nicht vereinbar. (red. LS Thomas Ritter)
2 Der Anspruch auf Festsetzung der Lage der Arbeitszeit stellt nur einen Annex zum Verringerungsanspruch gem. § 8 TzBfG dar. (red. LS Thomas Ritter)
3 Es ist ein gegen § 242 BGB verstoßendes missbräuchliches Verhalten anzunehmen, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass § 8 TzBfG zweckwidrig dazu genutzt werden soll, unter Inkaufnahme einer lediglich unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit eine bestimmte Arbeitszeitverteilung zu erreichen, auf die sonst kein Anspruch bestünde (Fortschreibung BAG BeckRS 2013, 71558). (red. LS Thomas Ritter)
4 Das Verlangen des Arbeitnehmers nach § 8 TzBfG ist ein einheitliches Angebot im Sinne von § 145 BGB, an das der Arbeitnehmer ab Zugang (§ 130 BGB) gebunden ist und das die Grundlage der Prüfung der Voraussetzungen des § 8 TzBfG darstellt. Der Arbeitgeber hat nach Lage des Falls dieses Angebot anzunehmen oder er ist berechtigt, es abzulehnen. Eine Reaktion in dem Sinne, dass er eine – für einen Teilzeitraum geltende – abändernde Annahme im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB zu unterbreiten hätte, ist mit der Struktur des § 8 TzBfG unvereinbar. (red. LS Thomas Ritter)
5 § 8 TzBfG konkretisiert die Pflichten des Arbeitgebers aus § 242 BGB insoweit abschließend. (red. LS Thomas Ritter)
6 § 8 Abs. 3 TzBfG ist nicht dahin zu verstehen, dass Gegenstand der Erörterung (auch) ein Zeitraum sein soll, für den die Parteien bereits eine Teilzeitregelung getroffen haben. Die Annahme, solche Zeiten sollten ggf. „nachverhandelt“ werden, stünde auch im Widerspruch zum Rechtsgedanken des § 8 Abs. 6 TzBfG. (red. LS Thomas Ritter)
Verfahrensgang
5 Ca 10339/15 2016-10-26 Urt ARBGMUENCHEN ArbG München
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13.04.2016 – 5 Ca 10339/15 -wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Hauptwie Hilfsantrag unterliegen der Abweisung.
Der Kläger hat weder einen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinem Antrag „auf Verringerung der Arbeitszeit“ ab dem 01.11.2015 zustimmt, noch dass sie sich hiermit für die Zeit ab dem 01.01.2016 einverstanden erklärt.
1. Zu Unrecht meint der Kläger zunächst, die Beklagte sei nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG verpflichtet, seinem Vertragsangebot vom 02.07.2015 (Anlage K 2) zuzustimmen.
1.1. Die vom Kläger geltend gemachte Vertragsänderung ist hinsichtlich des Zeitraums vom 01.11.2015 bis zum 31.12.2015 nicht auf eine Verringerung der geschuldeten Arbeitszeit gerichtet.
1.1.1. Denn die Arbeitszeit in einem Umfang von 70,41% des von einem Vollbeschäftigten Geschuldeten stand bereits aufgrund der „Teilzeitvereinbarung“ vom 20.06.2014, die bis zum 31.12.2015 Geltung hatte, fest.
Gegenstand des Antrags war für den genannten Zeitraum damit nur eine Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit; denn die „datumsbezogene Festlegung“ der neun Freistellungstage pro Monat erfolgte nach der „Teilzeitvereinbarung“ vom 20.06.2014 durch die Beklagte im Rahmen der Einsatzplanung, während sie nach dem Vertragsangebot des Klägers für jeweils sechs Tage pro Monat festliegen und im Übrigen nur mit der Einschränkung vom Willen der Beklagten abhängen sollte, dass die restlichen drei Tage pro Monat im Block zu vergeben seien.
1.1.2. An diesem Verständnis des klägerischen Antrags bestehen keine Zweifel. Eine Auslegung seines Schreibens vom 02.07.2015 in dem Sinne, dass die begehrte Vertragsgestaltung erst im Anschluss an die „Teilzeitvereinbarung“ vom 20.06.2014, also ab dem 01.01.2016 gelten sollte, kommt nicht in Betracht (§§ 133, 157 BGB).
Das Datum „01.11.2015“ wurde im Schreiben ausdrücklich erwähnt. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Datum versehentlich genannt worden wäre, bestehen nicht. Der Kläger macht Derartiges auch nicht geltend. Im Gegenteil hat er dieses Datum nach seinen Angaben im Termin vor der Berufungskammer bewusst gewählt, um die von der Beklagten gewünschte Neuregelung der Zahlungsmodalitäten nicht wirksam werden zu lassen und einen Streit über die Rechtmäßigkeit dieser neuen Modalitäten zu vermeiden.
Dass die Beklagte zunächst den Inhalt des Antrags verkannt hat und in ihrem (ersten) ablehnenden Schreiben vom 07.07.2015 (Anlage K 3; Bl. 16 f. d. A.) von einem Teilzeitantrag „ab dem 01. Januar 2016“ gesprochen hat, ist unerheblich. Denn maßgeblich ist der objektive Erklärungswert, der durch normative Auslegung zu ermitteln ist (vgl. Palandt-Ellenberger, § 133 BGB, Rdn. 9 m. w. N.).
1.2. Diese Erklärung des Klägers stellt kein Verlangen im Sinne des § 8 TzBfG dar, dem die Beklagte hätte zustimmen müssen.
1.2.1. § 8 TzBfG setzt zwar – anders als § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG – kein Mindestmaß an Arbeitszeitreduzierung voraus (zutreffend BAG, Urteil vom 11.06.2013 -9 AZR 786/11, Juris, Rdn. 11), verlangt jedoch zwingend, dass eine solche vom Arbeitnehmer überhaupt begehrt wird. Denn sonst könnte ein Arbeitnehmer, der Vollzeit zu arbeiten hat, oder der aus anderen Gründen seine Arbeitszeit bereits reduziert hat, allein die Festlegung der von ihm gewünschten Lage der Arbeitszeit erreichen, was aber mit der Systematik des § 8 TzBfG nicht vereinbar ist.
Denn seine Grundvoraussetzungen (§ 8 Abs. 1, Abs. 7 TzBfG) beziehen sich nur auf den Anspruch auf Verringerung von Arbeitszeit; der Anspruch auf Festsetzung der Lage der Arbeitszeit stellt nur einen Annex zum Verringerungsanspruch dar (vgl. ErfK-Preis, § 8 TzBfG, Rdn. 6). In der Konsequenz ist sogar eingegen § 242 BGB verstoßendes – missbräuchliches Verhalten anzunehmen, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass § 8 TzBfG zweckwidrig dazu genutzt werden soll, unter Inkaufnahme einer lediglich unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit eine bestimmte Arbeitszeitverteilung zu erreichen, auf die sonst kein Anspruch bestünde (BAG, Urteil vom 11.06.2013 – 9 AZR 786/11, Orientierungssatz 2 und Rdn. 11).
1.2.2. Das Verlangen des Klägers entspricht diesen Voraussetzungen hinsichtlich des Zeitraums vom 01.11.2015 bis zum 31.12.2015 nicht. Für diesen Zeitraum sollte lediglich die ohnehin bereits vertraglich vereinbarte reduzierte Arbeitszeit gelten.
1.2.2. 1.2.3. Dass der Antrag ordnungsgemäß gewesen wäre, wenn er sich auf den Zeitraum ab dem 01.01.2016 bezogen hätte, für den keine Teilzeitvereinbarung geschlossen wurde, verhilft der Klage nicht zum Erfolg.
Der Verstoß hinsichtlich der Monate November und Dezember 2015 führt vielmehr dazu, dass der Antrag des Klägers insgesamt unbeachtlich ist.
a) Das Verlangen des Arbeitnehmers nach § 8 TzBfG ist ein einheitliches Angebot im Sinne von § 145 BGB, an das der Arbeitnehmer ab Zugang (§ 130 BGB) gebunden ist und das die Grundlage der Prüfung der Voraussetzungen des § 8 TzBfG darstellt. Der Arbeitgeber hat nach Lage des Falls dieses Angebot anzunehmen oder er ist berechtigt, es abzulehnen. Eine Reaktion in dem Sinne, dass er eine – für einen Teilzeitraum geltende – abändernde Annahme im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB zu unterbreiten hätte, ist mit der Struktur des § 8 TzBfG dagegen unvereinbar.
Dass aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Derartiges herzuleiten wäre, wie der Kläger geltend machen ließ, ist nicht zu erkennen. Vielmehr wird davon auszugehen sein, dass § 8 TzBfG die Pflichten des Arbeitgebers aus § 242 BGB insoweit abschließend konkretisiert.
b) Dass § 8 Abs. 3 TzBfG eine Verhandlungsobliegenheit enthält, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Vorschrift ist nicht dahin zu verstehen, dass Gegenstand der Erörterung (auch) ein Zeitraum sein soll, für den die Parteien bereits eine Teilzeitregelung getroffen haben. Die Annahme, solche Zeiten sollten ggf. „nachverhandelt“ werden, stünde auch im Widerspruch zum Rechtsgedanken des § 8 Abs. 6 TzBfG.
Nur ergänzend sei festgehalten, dass nicht anzunehmen ist, eine Verhandlung der Parteien über den Beginn der Geltungsdauer hätte zu einem einvernehmlichen Ergebnis im Sinne einer Wirkung ab dem 01.01.2016 geführt. Dagegen spricht die vom Kläger im Termin genannte Motivation für seine Wahl des Zeitpunkts. Selbst wenn also der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Verletzung der Verhandlungsobliegenheit keine Einwendungen entgegenhalten dürfte, die im Rahmen der Verhandlungen hätten ausgeräumt werden können (vgl. BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 9 AZR 356/02, NZA 2003, 911, Juris, Rdn. 26; kritisch ErfK-Preis, § 8 TzBfG, Rdn. 15), könnte dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
c) Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht, dass der Zeitraum von zwei Monaten angesichts der gewünschten unbefristeten Vertragsänderung vergleichsweise geringfügig erscheint. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers, ein partiell unzulässiges Verlangen geltend zu machen, ist vielmehr nicht ersichtlich. Der Wunsch, einen Streit über die Rechtmäßigkeit der beklagtenseits gewünschten künftigen Vertragsbedingungen bei Teilzeit zu vermeiden, vermag die Relativierung der Bindung an eine schon einvernehmlich getroffene Regelung nicht zu rechtfertigen.
2. Auch der Hilfsantrag, die Beklagte zu verurteilen, „ab dem 01.01.2016 zuzustimmen“, ist unbegründet.
Dies folgt bereits daraus, dass der Kläger der Beklagten zu keiner Zeit ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat.
Im Übrigen steht die Bindung an das der Beklagten zugegangene Angebot (§§ 145, 130 BGB) und der Gedanke des § 8 Abs. 6 TzBfG der Annahme entgegen, der Arbeitnehmer könnte mehrere Änderungsverlangen parallel verfolgen.
3. Der Klage musste somit insgesamt der Erfolg versagt bleiben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Für die Beklagte ist gleichwohl – mangels Beschwer – kein Rechtsmittel eröffnet.
Der Kläger kann nach näherer Maßgabe der nachfolgenden RechtsmittelbelehrungRevision zum Bundesarbeitsgericht einlegen.