Arbeitsrecht

Arbeitszeugnis – Beurteilung in Tabellenform

Aktenzeichen  9 AZR 262/20

Datum:
27.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:270421.U.9AZR262.20.0
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nach § 109 GewO regelmäßig nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform beurteilt. Die zur Erreichung des Zeugniszwecks erforderlichen individuellen Hervorhebungen und Differenzierungen in der Beurteilung lassen sich regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis angemessen herausstellen.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Herford, 26. Juni 2019, Az: 1 Ca 791/18, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 28. Januar 2020, Az: 14 Sa 1163/19, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. Januar 2020 – 14 Sa 1163/19 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Inhalt und Form eines Arbeitszeugnisses.
2
Der Kläger war bei der Beklagten ab dem 1. September 2008 als Elektriker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des Klägers mit Ablauf des 30. Juni 2018.
3
Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 30. Juni 2018 ein Arbeitszeugnis. Dieses hat – in der vom Landesarbeitsgericht berichtigten Fassung – folgenden Inhalt:
        
„ARBEITSZEUGNIS
        
Herr D, geb. in B, war gemäß der Ausbildung zum Energieelektroniker Betriebstechnik in unserem Unternehmen als Elektriker von 2008-09-01 bis 2018-06-30 eingestellt.
        
Die G GmbH & Co. KG, V, ist ein seit Jahrzehnten erfolgreicher Hersteller von Großserien für Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukte in der Kosmetik und den Haushalten, jeweils speziell für Endverbraucher in diversen EU-Märkten. Zudem produziert sie Spezialprodukte für die Industrie.
        
Aufgabenstellung: Nach jeweiliger Vorgabe, seinem Ausbildungs- und Fähigkeitsprofil entsprechend, dem Betriebsbereich der Abfüllung zugeordnet zur Reparatur, Wartung, Prüfung, Montage, Einrichtung vorhandener und Mitaufbau elektrisch/pneumatisch betriebener Geräte im Betriebs- und Produktionsbedarf bzgl. der Versorgung von Kleinstspannungen bis Drehstrom, der Signalleitung von Sensoren, der Programmiersteuerung, der Verdrahtung und Vernetzung der Anlagen in Schaltschränken und der sonstigen, handwerklichen Bearbeitung diverser Materialien.
        
Fachkenntnisse allg.:
befriedigend
Entwicklung:
befriedigend
        
Sensoren-Techniken:
befriedigend
Verdrahtung/Vernetzung:
befriedigend
        
Programmierbare Steuerungen:
gut     
Sonstige Handwerkstätigkeiten:
befriedigend
        
        
        
        
        
        
Arbeits
– Qualität:
befriedigend
– Tempo:
gut     
        
        
– Ökonomie:
befriedigend
– Bereitschaft:
gut     
        
        
– Schutzvorgaben:
befriedigend
– Hygienevorgaben:
befriedigend
        
Erfüllung arbeitsrechtlicher Nebenpflichten:
befriedigend
Pünktlichkeit
befriedigend
        
Sauberkeit im Arbeitsfeld:
befriedigend
Dokumentationen
befriedigend
        
Leistungsbeurteilung insgesamt:
befriedigend
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
Verhaltensbeurteilung
teambereit und gruppenorientiert,
befriedigend
        
        
– zu Gleichgestellten:
        
befriedigend
        
        
– zu Einzuweisenden
        
befriedigend
        
        
– zu Vorgesetzten:
höflich und zuvorkommend,
sehr gut
        
        
        
        
        
        
Das Arbeitsverhältnis endet fristgerecht auf eigenen Wunsch von Herrn D.
        
G GmbH & Co. KG
        
V, 2018-06-30“
4
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe seinen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die mit „Aufgabenstellung“ überschriebene Tätigkeitsbeschreibung sei aus sich heraus nicht verständlich. Die (tabellarische) Darstellung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nach stichwortartigen, mit „Schulnoten“ versehenen Bewertungskriterien sei unüblich und könne deshalb einen negativen Eindruck hervorrufen. Zudem seien die Beurteilungen unzutreffend. Er habe stets gute Leistungen erbracht und sich gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden stets einwandfrei verhalten.
5
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 30. Juni 2018 ein Zeugnis mit folgendem Inhalt zu erteilen:
        
„Zeugnis
        
Herr D, geb. in B, war in der Zeit vom 01.09.2008 bis zum 30.06.2018 in unserem Unternehmen als Elektriker beschäftigt.
        
Die G GmbH & Co. KG, V, ist ein seit Jahrzehnten erfolgreicher Hersteller von Großserien für Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukte in der Kosmetik und den Haushalten, jeweils speziell für Endverbraucher in diversen EU-Märkten. Zudem produziert sie Spezialprodukte für die Industrie.
        
Herr D war in der Abteilung Abfüllung eingesetzt. Im Wesentlichen umfasste sein Aufgabenbereich die Reparatur, Wartung, Prüfung und Einrichtung der elektrisch/pneumatisch betriebenen Produktionsmaschinen. Hierbei insbesondere:
        
        
–       
Versorgung von Kleinstspannungen bis Drehstrom
        
        
        
–       
Signalleitungen der Sensoren
        
        
        
        
        
        
        
        
–       
Programmiersteuerung
        
        
        
–       
Verdrahtung und Vernetzung der Anlagen
        
        
Herr D verfügt über gute Fachkenntnisse, die er jederzeit sicher in der Praxis einsetzte. Aufgrund seiner raschen Auffassungsgabe war er in der Lage, für alle auftretenden Probleme stets optimale Lösungen zu finden. Herr D arbeitet sehr zügig, gewissenhaft und sorgfältig. Seine Arbeitsleistungen waren auch unter Termindruck qualitativ wie quantitativ stets gut. Er hat alle ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.
        
        
Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Dritten war stets einwandfrei.
        
        
Das Arbeitsverhältnis von Herrn D endet fristgerecht auf eigenen Wunsch.“
        
        
hilfsweise
        
        
        
die Beklagte zu verurteilen, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 30. Juni 2018 ein Zeugnis mit folgendem Inhalt zu erteilen:
        
        
        
        
        
        
        
„Zeugnis
        
        
Herr D, geb. in B, war in der Zeit vom 01.09.2008 bis zum 30.06.2018 in unserem Unternehmen als Elektriker beschäftigt.
        
        
Die G GmbH & Co. KG, V, ist ein seit Jahrzehnten erfolgreicher Hersteller von Großserien für Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukte in der Kosmetik und den Haushalten, jeweils speziell für Endverbraucher in diversen EU-Märkten. Zudem produziert sie Spezialprodukte für die Industrie.
        
        
Herr D war in der Abteilung Abfüllung eingesetzt. Im Wesentlichen umfasste sein Aufgabenbereich die Reparatur, Wartung, Prüfung und Einrichtung der elektrisch/pneumatisch betriebenen Produktionsmaschinen. Hierbei insbesondere:
        
        
        
–       
Versorgung von Kleinstspannungen bis Drehstrom
        
        
        
–       
Signalleitungen der Sensoren
        
        
        
–       
Programmiersteuerung
        
        
        
–       
Verdrahtung und Vernetzung der Anlagen
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
Herr D verfügt über gute Fachkenntnisse, die er sicher in der Praxis einsetzte. Aufgrund seiner raschen Auffassungsgabe war er in der Lage, für alle auftretenden Probleme gute Lösungen zu finden. Herr D arbeitet sehr zügig, gewissenhaft und sorgfältig. Seine Arbeitsleistungen waren auch unter Termindruck qualitativ wie quantitativ gut. Er hat alle ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.
        
        
Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Dritten war vorbildlich.
        
        
Das Arbeitsverhältnis von Herrn D endet fristgerecht auf eigenen Wunsch.“
        
6
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, das von ihr erteilte Zeugnis genüge den Vorgaben des § 109 GewO.
7
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und im Tenor ein Zeugnis im Fließtext formuliert. Die dagegen von beiden Parteien eingelegten Berufungen hatten jeweils teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Erteilung eines Zeugnisses mit dem oben dargestellten Inhalt – Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 30. Juni 2018 – verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.


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