Arbeitsrecht

Auflösende Bedingung – beurlaubter Beamter – Pflichtenkollision

Aktenzeichen  7 AZR 285/17

Datum:
15.5.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2019:150519.U.7AZR285.17.0
Normen:
§ 15 Abs 2 TzBfG
§ 17 S 1 TzBfG
§ 17 S 2 TzBfG
§ 14 Abs 1 TzBfG
§ 21 TzBfG
§ 7 Halbs 1 KSchG
§ 85 SGB 9
§ 92 SGB 9
§ 13 SUrlV
§ 4 Abs 2 PostPersRG
§ 162 BGB
§ 1 TVG
§ 175 SGB 9 2018
§ 168 SGB 9 2018
Art 12 Abs 1 GG
§ 164 BGB
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG München, 18. Oktober 2016, Az: 23 Ca 4324/16, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 10. Mai 2017, Az: 11 Sa 941/16, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Mai 2017 – 11 Sa 941/16 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund auflösender Bedingung am 31. Mai 2016 geendet hat.
2
Die Klägerin ist Bundesbeamtin auf Lebenszeit. Die Dienstherreneigenschaft nimmt die Deutsche Telekom AG (DT AG) wahr. Die DT AG gewährte der Klägerin, die mit einem Grad der Behinderung von 60 als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist, nach § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen, Bundesbeamte, Richterinnen und Richter des Bundes – Sonderurlaubsverordnung – (SUrlV) in der bis zum 8. Juni 2016 geltenden Fassung ab dem 6. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2016 Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis bei der Beklagten.
3
Die Parteien schlossen unter dem Datum des 18. Mai 2005 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem es auszugsweise heißt:
        
„§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses
        
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 06.06.2005.
        
§ 2 Inhalt des Arbeitsverhältnisses
        
Für das Arbeitsverhältnis gelten die für die Gesellschaft geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung sowie die Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages. Ergänzend wird auf die gesetzlichen Regelungen sowie die jeweils gültigen betrieblichen Regelungen der Gesellschaft hingewiesen.
        
        
        
§ 3 Tätigkeit
        
(1)     
Sie werden als Teamassistentin im Aufgabenbereich Industry Line Manufacturing, Sales Consulting, am Standort M tätig.
        
(2)     
Der Arbeitgeber ist berechtigt, Ihnen auch eine andere, Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, ggf. auch unter Veränderung des Arbeitsortes/Einsatzgebietes, zu übertragen.“
4
Für die Beklagte gelten die mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschlossenen Firmentarifverträge, darunter der Manteltarifvertrag für die T-Systems International GmbH (MTV TSI). Die Anlage 1 zum MTV TSI enthält Sonderregelungen für die von der DT AG für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer bei der Beklagten ohne Bezüge beurlaubten Beamten und Arbeitnehmer für die Dauer der Beurlaubung. § 4 dieser Anlage lautet:
        
„§ 4 Ende des Arbeitsverhältnisses nach § 28 MTV T-Systems International
        
…       
        
        
(3)     
Das Arbeitsverhältnis endet, wenn das ruhende Beamten- oder Arbeitsverhältnis bei der Deutschen Telekom AG wieder auflebt.“
5
Mit unterzeichnetem Schreiben vom 22. März 2016 informierte die DT AG die Klägerin im Auftrag der Beklagten darüber, dass ihr Beamtenverhältnis mit Ablauf des 31. Mai 2016 wieder auflebe und dass sie ab dem 1. Juni 2016 wieder in einem aktiven Beamtenverhältnis stehe. Damit ende ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nach § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum MTV TSI mit Auslaufen der Beurlaubung bzw. mit Aufleben des aktiven Beamtenverhältnisses bei der DT AG automatisch mit Ablauf des 31. Mai 2016.
6
Mit Schreiben vom 12. April 2016 teilte die DT AG der Klägerin mit, aufgrund des Wegfalls ihrer bisher wahrgenommenen Tätigkeit bei der Beklagten könne die Beurlaubung nicht weitergeführt werden.
7
Die Klägerin war zuletzt von der Beklagten im Projekt „T“ eingesetzt worden, wobei der Einsatz am 7. April 2016 für die Monate April und Mai 2016 verlängert wurde.
8
Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer vorsorglichen außerordentlichen und ordentlichen Kündigung an. Mit Schreiben vom 18. April 2016 widersprach der Betriebsrat den beabsichtigten Kündigungen. In der Folgezeit kündigte die Beklagte der Klägerin vorsorglich außerordentlich und ordentlich.
9
Mit ihrer am 20. April 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 2. Mai 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der auflösenden Bedingung geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, es liege kein sachlicher Grund für die auflösende Bedingung in § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum MTV TSI vor. Die auflösende Bedingung diene nicht dem überwiegenden Schutzinteresse der Klägerin, sondern ausschließlich den Interessen der Beklagten. Eine Pflichtenkollision, die die auflösende Bedingung rechtfertigen könnte, bestehe nicht. Der Bedingungseintritt sei in das freie Belieben der Beklagten gestellt. Dies zeige das Schreiben der DT AG vom 22. März 2016, wonach diese im Auftrag der Beklagten gehandelt habe. Die auflösende Bedingung habe nur den Zweck, die Schutznormen des Kündigungsschutzgesetzes und des Schwerbehindertenrechts auszuhebeln. Die Beklagte könne die Klägerin weiterbeschäftigen, sowohl im Projekt „T“ als auch in ausgeschriebenen Stellen.
10
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
        
1.    
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die auflösende Bedingung in § 4 Abs. 3 der Anlage 1 zum MTV TSI zum 31. Mai 2016 beendet worden ist,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, sie über den 31. Mai 2016 hinaus zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Teamassistentin im Aufgabenbereich „Industry Line Manufacturing, Sales Consulting“, am Standort M weiterzubeschäftigen.
11
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die auflösende Bedingung sei wirksam. Sie sei erforderlich, um eine drohende Pflichtenkollision zwischen den Pflichten aus dem aktivierten Beamtenverhältnis mit der DT AG und dem mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnis zu vermeiden.
12
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.


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