Arbeitsrecht

Auflösungsantrag des Arbeitgebers

Aktenzeichen  2 AZR 674/09

Datum:
24.3.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 9 Abs 1 S 2 KSchG
§ 14 Abs 2 S 2 KSchG
Art 103 GG
Spruchkörper:
2. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Detmold, 3. September 2008, Az: 1 Ca 1700/07, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 20. August 2009, Az: 16 Sa 1644/08, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. August 2009 – 16 Sa 1644/08 – aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 3. September 2008 – 1 Ca 1700/07 – zurückgewiesen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Auflösungsantrag der beklagten Arbeitgeberin.
2
Der 1949 geborene, verheiratete Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten, zuletzt als kaufmännischer Leiter, gegen ein monatliches Bruttogehalt von 6.410,37 Euro beschäftigt. Als Minderheitsgesellschafter hält er 24 vH der Geschäftsanteile der Beklagten.
3
Die Beklagte befasst sich vornehmlich mit der Planung und Herstellung verkehrstechnischer Anlagen. An ihrem Sitz in D beschäftigt sie regelmäßig etwa 120 Arbeitnehmer. Mehrheitsgesellschafter mit 76 vH der Geschäftsanteile und zugleich alleiniger Geschäftsführer der Beklagten war ursprünglich der ältere Bruder des Klägers R. Im November 2005 wurde der jüngere Bruder K zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Der Kläger, dem gleichfalls die Bestellung zum – dritten – Geschäftsführer angetragen worden war, hatte eine gemeinsame Geschäftsführung mit seinem Bruder K ausdrücklich abgelehnt. Nach dem Tod von R im Oktober 2006 rückte dessen Witwe als Erbin in die Stellung der Mehrheitsgesellschafterin ein. Die Geschäfte der Beklagten führte fortan der jüngere Bruder des Klägers alleine.
4
Bereits im Oktober 1990 hatten der Kläger und sein Bruder R eine weitere GmbH mit Sitz in G gegründet, deren Geschäftsgegenstand mit dem der Beklagten identisch ist. Im November 2002 trat R seine Geschäftsanteile an den Kläger ab. Der Sitz dieser Gesellschaft wurde anschließend – bei gleichzeitiger Umfirmierung – nach D verlegt.
5
Beginnend ab Oktober 2005 rügte die Beklagte eine Reihe von Pflichtverletzungen des Klägers. Unter anderem warf sie ihm vor, er betreibe mit dem anderen Unternehmen Konkurrenztätigkeit und nutze einen Teil seiner regulären Arbeitszeit sowie ihre Betriebsmittel für jenes Unternehmen. Darüber hinaus hielt sie ihm vor, den Vertrag über die Stromversorgung für eine Kirmesveranstaltung – den „W“ – eigenmächtig gekündigt zu haben. Eine ordnungsgemäße Abrechnung des Projekts sei nicht erfolgt. Der Kläger bestritt dies.
6
Im Juni 2007 machte der Kläger in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Beklagten Auskunfts- und Einsichtsrechte nach § 51a GmbHG geltend. Im August 2007 stellte ihn die Beklagte von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei. Im September 2007 beantragte er, eine Gesellschafterversammlung zu den Tagesordnungspunkten „Abberufung des Geschäftsführers“ der Beklagten und Kündigung von dessen Anstellungsvertrag einzuberufen. Zur Begründung führte er an, der Geschäftsführer – K – habe kurz nach dem Tod von R zulasten der Beklagten die Zahlung eines Betrags von 53.000,00 Euro als Tantieme an sich selbst veranlasst. Ein Rechtsgrund hierfür habe nicht bestanden.
7
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2008. Dagegen erhob der Kläger – fristgerecht – Kündigungsschutzklage.
8
Ende Oktober 2007 lehnte die Gesellschafterversammlung die Anträge des Klägers auf Abberufung des Geschäftsführers und Kündigung des Anstellungsvertrags ab. Die hiergegen erhobene Nichtigkeitsklage wies das Landgericht D mit Urteil vom 10. April 2008 ab. Eine Entscheidung über eine dagegen gerichtete Berufung des Klägers lag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht vor.
9
Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte hat beantragt, die Kündigungsschutzklage abzuweisen, hilfsweise
        
das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.
10
Sie hat die Auffassung vertreten, dem Auflösungsantrag sei ohne Weiteres stattzugeben, da der Kläger leitender Angestellter sei. Er habe selbständig Arbeitnehmer eingestellt und entlassen. Unabhängig davon lägen Gründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Ihr Geschäftsführer K und der Kläger kommunizierten schon seit längerer Zeit nur noch schriftlich miteinander. Im Kündigungsrechtsstreit habe der Kläger dem Geschäftsführer ohne jegliche Substanz „Mobbing-Attacken“ gegenüber ehemaligen Mitarbeitern und gegenüber seiner – des Klägers – kurzzeitig im Betrieb mitarbeitenden Tochter vorgeworfen. Außerdem habe er sich hartnäckig geweigert, Unstimmigkeiten bei der Abrechnung des Projekts „W“ aufzuklären. In einem weiteren Rechtsstreit, mit dem er Zahlungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend mache, habe er sie – die Beklagte – zu Unrecht der Verleumdung bezichtigt. Außerdem sei durch das Vorgehen des Klägers im parallel geführten Zivilprozess um die Abberufung ihres Geschäftsführers das Vertrauensverhältnis restlos zerstört. Der Kläger habe seinen Antrag auf den vollkommen haltlosen Vorwurf gestützt, K habe mit der Tantiemezahlung im Jahr 2006 eine – strafbare – Untreuehandlung zu ihrem Nachteil begangen.
11
Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag zurückzuweisen. Es fehle an einer hinreichenden Begründung des Antrags, die auch nicht entbehrlich sei. Für die Spannungen zwischen ihm und seinem Bruder K sei er nicht verantwortlich. Schon vor längerer Zeit habe sein Bruder veranlasst, eine Verbindungstür zwischen ihren beiden Büros zu verschließen und sei dazu übergegangen, ihm Anweisungen nur noch schriftlich zu erteilen. Im Jahr 2007 habe er ihm grundlos Einsicht in betriebswirtschaftliche Auswertungen verweigert. Mit seinem Vorgehen im Zivilprozess habe er lediglich ihm zustehende Rechte als Gesellschafter wahrgenommen.
12
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und auf den Antrag der Beklagten das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 115.380,00 Euro zum 30. Juni 2008 aufgelöst. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur für den Kläger zugelassenen Revision begehrt dieser weiterhin, den Auflösungsantrag zurückzuweisen.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben