Arbeitsrecht

Außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist

Aktenzeichen  2 AZR 357/20

Datum:
27.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:270421.U.2AZR357.20.0
Normen:
§ 626 BGB
§ 30 Abs 3 DWArbVtrRL
§ 31 DWArbVtrRL
§ 32 DWArbVtrRL
§ 4 Abs 2 S 2 EvKiMAVertrG
§ 38 Abs 1 EvKiMAVertrG
§ 38 Abs 3 EvKiMAVertrG
§ 44 S 1 EvKiMAVertrG
Spruchkörper:
2. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Rostock, 12. Dezember 2019, Az: 2 Ca 751/19, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, 16. Juni 2020, Az: 5 Sa 53/20, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Juni 2020 – 5 Sa 53/20 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist.
2
Der Beklagte ist ein Diakonieverein. Der über vierzigjährige Kläger war bei ihm seit 2001 als „Leitender Mitarbeiter mit Verantwortung für den Fachbereich Altenhilfe, einschließlich ‚Haus-Service-Ruf‘ und Sozialstationen“ tätig. Im Dienstvertrag vom 20. Juli 2001 ist die Geltung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung vereinbart, mittlerweile umbenannt in Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die der Diakonie Deutschland angeschlossen sind (im Folgenden AVR). Gemäß § 30 Abs. 3 AVR ist nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren und Vollendung des 40. Lebensjahres eine ordentliche Kündigung durch den Dienstgeber ausgeschlossen, soweit nicht § 31 AVR etwas anderes bestimmt. § 32 Abs. 1 AVR verweist für eine außerordentliche Kündigung auf die Notwendigkeit des Vorliegens eines wichtigen Grundes iSv. § 626 BGB.
3
In einem Änderungsvertrag vereinbarten die Parteien, dass der Kläger ab April 2004 zu 50 vH seiner Arbeitszeit weiter als Bereichsleiter Altenhilfe beschäftigt werde und zu 50 vH als Qualitätsbeauftragter. Der Kläger war seit Oktober 2009 in die Entgeltgruppe 12 AVR eingruppiert. Der Beklagte entschied, die Stelle des Bereichsleiters der stationären Altenhilfe zum 1. Januar 2014 ersatzlos zu streichen. Seit Januar 2014 arbeitete der Kläger ausschließlich als Qualitätsbeauftragter, ohne dass der Dienstvertrag erneut schriftlich geändert wurde. Zum September 2015 übertrug der Beklagte die Koordination des Qualitätsmanagements auf einen externen Dienstleister.
4
Mit Schreiben vom 4. Juni 2019 bot der Beklagte dem Kläger die Stelle eines Einrichtungsleiters für die zum Jahresanfang 2020 neu zu errichtende häusliche psychiatrische Krankenpflege an. Der Kläger lehnte die Übernahme der Tätigkeit ab.
5
Mit Schreiben vom 24. Juni 2019 ersuchte der Beklagte die Mitarbeitervertretung um Zustimmung zu einer außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist. Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung teilte mit Schreiben vom 27. Juni 2019 mit, diese halte sich für den Kläger nicht für zuständig.
6
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 27. Juni 2019 außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Dezember 2019. Zugleich bot er dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Januar 2020 als Einrichtungsleiter in Kombination mit der verantwortlichen Pflegekraft für die zu errichtende häusliche psychiatrische Krankenpflege an. Er teilte mit, die Stelle sei üblicherweise mit der Entgeltgruppe 9 AVR bewertet, dem Kläger werde sie aber unter Beibehaltung der Bezahlung nach Entgeltgruppe 12 AVR angeboten. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger noch im Juni 2019 zu. Dieser nahm das Änderungsangebot umgehend unter Vorbehalt an.
7
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Änderungskündigung gewandt. Gegenüber den nach § 30 Abs. 3 AVR ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern verbiete § 32 Abs. 4 AVR auch eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist. Die Kündigungsgründe seien durch mehrere Vorkündigungen verbraucht, das Änderungsangebot sei zu unbestimmt. Der Beklagte habe nicht vorgetragen, dass nicht eine Beschäftigung auf Stellen der Entgeltgruppen 10, 11 oder 12 AVR möglich sei. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Der Verwaltungsrat des Beklagten habe der Kündigung zustimmen müssen.
8
Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – beantragt
       
festzustellen, dass das zwischen ihm und dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Auslauffrist ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 27. Juni 2019 beendet wird.
9
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers sei mittlerweile gerichtsbekannt. Er habe alles Notwendige unternommen, um dem Kläger durch eventuelles Freikündigen von vergleichbaren Arbeitsplätzen oder eine Umorganisation eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen zu ermöglichen. Bei der angebotenen Stelle als Einrichtungsleiter häusliche psychiatrische Krankenpflege handele es sich um Tätigkeiten richtigerweise nach Entgeltgruppe 11 AVR.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.


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