Arbeitsrecht

Baugewerbe – Betrieb der Werkstatt für einen angeschlossenen Baubetrieb – Beitragspflicht – Sozialkassenverfahren – betrieblicher Geltungsbereich – Zusammenschluss

Aktenzeichen  10 AZR 404/18

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:280421.U.10AZR404.18.0
Normen:
§ 195 BGB
§ 199 BGB
§ 202 BGB
§ 204 Abs 1 Nr 3 BGB
§ 271 BGB
§ 7 Abs 7 SokaSiG
Anl 32 SokaSiG
§ 1 Abs 1 VTV-Bau vom 18.12.2009
§ 1 Abs 2 Abschn IV Nr 4 VTV-Bau vom 18.12.2009
§ 1 Abs 3 S 1 Nr 1 VTV-Bau vom 18.12.2009
§ 18 Abs 1 S 1 VTV-Bau vom 18.12.2009
§ 21 Abs 1 S 1 VTV-Bau vom 18.12.2009
§ 24 Abs 1 VTV-Bau vom 18.12.2009
§ 24 Abs 4 VTV-Bau vom 18.12.2009
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Berlin, 17. Dezember 2015, Az: 62 Ca 60343/15, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 10. Juli 2018, Az: 11 Sa 197/16, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2018 – 11 Sa 197/16 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
2
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Der Kläger verlangt von der Beklagten für drei gewerbliche Arbeitnehmer Beiträge für den Zeitraum von April bis November 2010. Er zieht die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne heran, um die Beitragsansprüche zu berechnen. Der Kläger stützt seine Forderungen auf den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 (VTV 2009). Der Senat hat die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV 2009 für unwirksam befunden (BAG 21. September 2016 – 10 ABR 33/15 – BAGE 156, 213).
3
Die Beklagte besteht seit 2005. Sie unterhält in Z eine Werkstatt. Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK) bescheinigte der Beklagten in ihrer Funktion als frühere Einzugsstelle der Sozialkassen der Bauwirtschaft unter dem 22. November 2006, anhand der vorgelegten Geschäftsunterlagen sei nicht davon auszugehen, dass sie an den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teilnehme. Das Sozialgericht Chemnitz hob zwei Bescheide der Bundesagentur für Arbeit auf, mit denen die Beklagte zu der Winterbeschäftigungs-Umlage für den streitgegenständlichen Zeitraum herangezogen worden war.
4
Die Beklagte trat im Klagezeitraum zusammen mit der R GmbH, der K GmbH und der B GmbH (B GmbH) als Unternehmensgruppe E auf. Die Unternehmensgruppe E warb für sich im Internet als „ein international tätiges, mittelständisches Unternehmen“ ua. in den Bereichen Leitungsbau, Fernmeldebau und Horizontalbohrungen. Herr P war Geschäftsführer der B GmbH und zugleich Alleingesellschafter der drei anderen Unternehmen der Unternehmensgruppe E.
5
Die am 25. Februar 2010 von der K GmbH gegründete B GmbH führt horizontale und vertikale Bohrleistungen aus. Sie war im streitigen Zeitraum bei dem Kläger als Betrieb des Baugewerbes erfasst und entrichtete Beiträge zu den Sozialkassenverfahren. Die Beklagte leistete im Kalenderjahr 2010 in ihrer Werkstatt insgesamt 8.001 Arbeitsstunden. Davon entfielen 2006,5 Stunden auf Reparaturen und Servicearbeiten an Geräten der B GmbH. Am 25. November 2014 besuchte ein Arbeitnehmer des Klägers den Betrieb der Beklagten.
6
Der Kläger hat die Beitragsansprüche mit einem Mahnbescheid geltend gemacht, der der Beklagten am 24. März 2015 zugestellt worden ist. Der Kläger hat angenommen, zwischen dem Werkstattbetrieb der Beklagten und dem Betrieb der B GmbH habe angesichts ihrer engen wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Verbindung und ihrer Zugehörigkeit zu der E-Unternehmensgruppe im Klagezeitraum ein Zusammenschluss iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 VTV 2009 bestanden. In der Werkstatt sei im maßgeblichen Kalenderjahr 2010 mehr als ein Viertel der Arbeitsstunden auf Reparaturen und Serviceleistungen für die B GmbH entfallen. Der Betrieb der Beklagten falle deshalb in den Geltungsbereich des VTV 2009. Der Kläger habe von diesem Umstand erst anlässlich des Betriebsbesuchs vom 25. November 2014 Kenntnis erlangt.
7
Der Kläger hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.976,00 Euro zu zahlen.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, bei der B GmbH habe es sich nicht um einen „angeschlossenen Betrieb“ iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 VTV 2009 gehandelt. Diese Auffassung hat die Beklagte auf die Umstände gestützt, dass sie weder von der B GmbH abgespalten worden noch in anderer Weise gesellschaftsrechtlich mit ihr verbunden sei. Die Beklagte halte keine Maschinen für die B GmbH vor und vermiete auch keine Maschinen an sie. Zweck der Tarifregelung sei es, dem Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem Baugewerbe durch Aufspaltung und rechtliche Verselbständigung eines Betriebsteils oder einzelner Tätigkeiten vorzubeugen. Eine rein unternehmerische Zusammenarbeit reiche nicht aus. Sonst könne kein Baubetrieb bei Gesellschafteridentität einen reinen Reparaturbetrieb beauftragen, ohne Gefahr zu laufen, diesen zu „infizieren“. Die Beitragsansprüche seien zudem verjährt.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte erreichen, dass das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wiederhergestellt wird.


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