Arbeitsrecht

Beamter, Klage gegen Dienstherrn auf Schadensersatz, Verletzung Fürsorgepflicht, Unrichtige Auskunft, Prozesszinsen

Aktenzeichen  M 5 K 18.5832

Datum:
30.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53719
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 45

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.502,49 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2018 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte hat ¾ und der Kläger ¼ der Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags, für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des für den Beklagten vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils durch ihn zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
2. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist der Klage ein Antrag der Klagepartei gegenüber der Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz vorausgegangen. Nach der Rechtsprechung setzt eine auf Schadensersatz gerichtete Verpflichtungs- und Leistungsklage einen dahingehenden, vor Klageerhebung an die Behörde zu richtenden Antrag voraus. Es handelt sich hierbei nicht um eine bloße Sachurteilsvoraussetzung, sondern um eine Klagevoraussetzung. Dieser Schadenersatzanspruch muss vor Klageerhebung im Verwaltungsverfahren in erkennbarer Form an die Behörde herangetragen werden, sodass diese nicht erst im Prozess damit konfrontiert wird (BayVGH, B.v. 29.10.2013 – 3 ZB 09.1593 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 15.7.1977 – II B 36.76 – Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 66; U.v. 27.6.1986 – 6 C 131.80 – BVerwGE 74, 303/306). Dabei muss der Schadensersatzanspruch in bescheidbarer Weise konkretisiert werden, da der Dienstherr nur so in die Lage versetzt wird, die Angelegenheit einer verwaltungsinternen Prüfung zu unterziehen und durch eine denkbare Abhilfe oder aber nähere Begründung seines Standpunktes einen Rechtsstreit mit dem Beamten zu vermeiden (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2001 – 2 C 48/00 – BVerwGE 114, 350). Einen solchen Antrag auf Gewährung von Schadensersatz hat der Kläger mit Schreiben vom … Januar 2018 und somit vor Klageerhebung gestellt.
Der Antrag des Klägers ist nach dem Gesamtinhalt des Vorbringens auszulegen (§ 88 VwGO). Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Die angestrebte Gewährung von Schadensersatz zielt unmittelbar auf eine Amtshandlung – in Form der Auszahlung der Schadenssumme – ohne Verwaltungsaktcharakter.
3. Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von EUR 1.502,49. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Ein solcher Anspruch besteht nach den Grundsätzen des Schadensersatzanspruchs aufgrund einer Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn gegenüber dem Beamten.
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn findet ihre positivrechtliche Verankerung in § 45 BeamtStG. Vergleichbare Regelungen enthalten bzw. enthielten auch § 78 Bundesbeamtengesetz (BBG) sowie Art. 86 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) a.F. Es handelt sich dabei ebenso wie bei der umfassenden Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 2 C 1.77 – RiA 1980, 237; U.v. 29.6.1995 – 2 C 10/93 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 22.2.2016 – 3 ZB 13.2134 – juris Rn. 8). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Dienstherrn bzw. der für ihn handelnden Organe und Personen voraus (vgl. BVerwG, U.v. 12.6.1979 – II C 19.75 – Buchholz 237.5 § 92 HessBG Nr. 5, juris Rn. 26), wobei weiter Voraussetzung ist, dass dieses Verhalten einen bezifferbaren Schaden adäquat kausal herbeigeführt hat und dass der Beamte seiner Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nachgekommen ist (vgl. BVerwG, B.v. 3.11.2014 – 2 B 24/14 – juris Rn. 6 mit weiteren Nachweisen; BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 6 ZB 12.470 – juris Rn. 8; vgl. zum Ganzen auch VG Bayreuth, U.v. 24.5.2016 – B 5 K 14.106 – juris Rn. 29; VG München, U.v. 13.7.2017 – M 5 K 15.976 – juris Rn. 16).
a) Es liegt eine Verletzung der Fürsorgepflicht vor.
Erteilt der Dienstherr mit oder ohne Verpflichtung eine Auskunft, so muss diese richtig, vollständig und unmissverständlich sein. Demgegenüber obliegt dem Dienstherrn aber keine allgemeine Pflicht zur Belehrung seiner Beamten über alle für sie, insbesondere zur Wahrung ihrer Rechte einschlägigen Vorschriften, vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann. Allerdings können in besonderen Fallgestaltungen Umstände vorliegen, die geeignet sind, eine Belehrungspflicht auszulösen, wie beispielsweise eine dahingehende ständige Verwaltungspraxis oder wenn sich der Beamte erkennbar im Irrtum befindet, insbesondere wenn er sich unklar oder zweifelhaft erklärt oder wenn er um eine ausdrückliche Auskunft bittet (VG Ansbach, U.v. 30.10.2013 – AN 11 K 13.01017 – juris Rn. 26 mit weiteren Nachweisen; BVerwG, U.v. 7.4.2005 – 2 C 5/04 – BVerwGE 123,175 Rn. 59; U.v. 30.1.1997 – 2 C 10/96 – BVerwGE 104, 55/58).
Die am *. September 2015 erteilte Auskunft des Beklagten „Aufgrund der Berücksichtigungsunfähigkeit von nun mehr einem Kind vermindert sich Ihr Beihilfebemessungssatz ab 14.09.2015 um 20 v.H. (Art. 93 Abs. 3 Satz 3 BayBG). Um Sie vor finanziellen Nachteilen zu bewahren, wird empfohlen, den Erstattungssatz der Krankenversicherung entsprechend anzupassen und den geänderten Versicherungsschein mit dem nächsten Antrag hier vorzulegen.“ war zum Zeitpunkt der Erteilung objektiv unrichtig und stellt eine Fürsorgepflichtverletzung da.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof urteilte am 22. Juni 2015 (14 BV 14.2067, BayVBl 2016, 101, juris) und somit mehr als zweieinhalb Monate vor Auskunftserteilung durch den Beklagten, dass der eigene beamtenrechtliche Beihilfeanspruch eines im Familienzuschlag berücksichtigungsfähigen Kindes nach der Konkurrenznorm des § 5 Abs. 3 Satz 1 BayBhV keine Auswirkungen auf den (erhöhten) Bemessungssatz des Beihilfeberechtigten nach Art. 96 Abs. 3 Satz 3 BayBG hat.
b) Die Auskunftserteilung stellt ein Handeln durch ein Dienstherrenorgan dar.
Da der Dienstherr als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht selbst pflichtwidrig handeln kann, bedarf es einer Zurechnungsnorm, die dem Dienstherrn ein Verhalten bzw. Verschulden Dritter zurechnet. Das Handeln von Organen wird dem Dienstherrn nach § 89 i.V.m. § 31 BGB bzw. § 278 BGB zugerechnet (BVerwG, U.v. 18.10.1966 – VI C 39.64 – BVerwGE 25, 138 ff, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 18). Die Auskunft wurde durch einen Sachbearbeiter des Landesamts für Finanzen, Dienststelle Würzburg, Bezügestelle Beihilfe erteilt und somit durch ein Organ des Beklagten.
c) Es liegt ein Verschulden des Beklagten vor.
aa) Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Beamtenverhältnis gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des Bürgerlichen Rechts (BVerwG, U.v. 21.12.2000 – 2 C 39.99 – BVerwGE 112, 308). Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB).
Nach diesem objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von dem verantwortlichen Beamten generell erwartet werden kann. Dies bedeutet, dass jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden muss. Ein Verstoß des verantwortlichen Amtsinhabers gegen seine Sorgfaltspflichten kann nicht hergeleitet werden, wenn er die zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen hat und sie im Ergebnis als vertretbar angesehen werden kann.
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung fehlt es unter Beachtung der sog. Kollegialgerichtsregel an einem Verschulden auch dann, wenn ein mit mehreren rechtskundigen Richtern besetztes Kollegialgericht die konkrete Entscheidung der Behörde als objektiv rechtmäßig gebilligt hat, da von einem Beamten grundsätzlich eine bessere Rechtsansicht als von einem Kollegialgericht nicht erwartet und verlangt werden kann (BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – BayVBl 2001, 216, juris Rn. 65; U.v. 17.8.2005 – 2 C 36.04 – juris Rn. 27 ff.).
bb) Die Einzelrichterentscheidung der 17. Kammer des Verwaltungsgerichts München im Verfahren M 17 K 14.616 vom 16. Juni 2014 führte in den Entscheidungsgründen an, dass § 5 Abs. 3 Satz 1 BayBhV regelt, dass die Beihilfeberechtigung aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften die Berücksichtigungsfähigkeit als Angehöriger ausschließt und ein beamtenrechtlicher Beihilfeanspruch eines Kindes dieses berücksichtigungsfähig im Sinne des Art. 96 Abs. 3 Satz 3 BayBG werden lässt.
Das Urteil vom 16. Juni 2014 (M 17 K 14.616) wurde durch einen Einzelrichter getroffen und somit nicht von einem mit mehreren rechtskundigen Richtern besetztes Kollegialgericht. Es liegt keine Exkulpation über die Kollegialgerichtsregel vor.
cc) Darüber hinaus hat die gleiche Kammer des Verwaltungsgerichtes München nur etwas mehr als einen Monat später am 24. Juli 2014 (M 17 K 13.3175) die bisherige Rechtsprechung geändert. Diese geänderte Rechtsprechung wurde am 22. Juni 2015 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, mithin zweieinhalb Monate vor Auskunftserteilung am 9. September 2015, bestätigt.
In der Kammerentscheidung der 17. Kammer des Verwaltungsgerichts München vom 24. Juli 2014 (M 17 K 13.3175) wurde hingegen festgestellt, dass der Beihilfebemessungssatz 70 v.H. beträgt, solange zwei oder mehr Kinder im Familienzuschlag nach dem Bayerischen Besoldungsgesetz berücksichtigungsfähig sind. Die Regelung des § 5 Abs. 3 BayBhV wirke sich gerade nicht auf die Höhe des Bemessungssatzes aus. Diese Entscheidung, bei welcher das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Regensburg den Beklagten vertreten hat, wurde am 22. Juni 2015 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt (BayVGH, U.v. 22.6.2015 – 14 BV 14.2067 – BayVBl 2016, 101, juris).
Ob der die Auskunft erteilende Sachbearbeiter die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel bei gewissenhafter Prüfung die über ein Jahr zurückliegende Rechtsprechungsänderung des Verwaltungsgerichtes München, oder die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof auffallen hätte müssen, und er diese Information in der Auskunft an den Kläger einfließen lassen hätte müssen und ihn somit ein Verschulden trifft, kann dahin gestellt bleiben.
Möglicherweise war dem die Auskunft erteilende Sachbearbeiter die Informationen auf Grund der eingeschränkten bzw. zeitlich Verzögerten Veröffentlichung der Urteile nicht oder nur erschwert zugänglich.
dd) Jedenfalls hätte der Beklagte die entsprechenden Sachbearbeiter über die geänderte Rechtsprechung, die im Juni 2015 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurde, intern informieren müssen.
Sofern eine solche interne Information nicht zeitnah nach Erlass des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfolgte, trifft den Beklagten ein Organisationsverschulden. Ein Schuldvorwurf gegenüber der haftenden Körperschaft kann sich auch daraus ergeben, dass die Körperschaft es versäumt hat, ihre Amtsträger mit Informationen und Anweisungen zu versehen. Wenn sie dies unterlässt, begründet dies – unabhängig vom individuellen Verschulden des die Auskunft erteilenden Beamten – einen schuldhaften Organisationsmangel (BGH, U.v. 11.5.1989 – III ZR 88/87 – NJW 1990, 245/246 f., juris Rn. 45).
Die Entscheidung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof datiert auf den 22. Juni 2015. Der Beklagte hat es unterlassen die Entscheidung zeitnah, da zumindest etwa zweieinhalb Monate verstrichen sind, im Intranet oder über eine Rundmail etc. seinen sachbearbeitenden Mitarbeitern im Landesamt für Finanzen mitzuteilen. Eine solche Informationsweitergabe wäre notwendig gewesen, da das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine grundlegende Entscheidung darstellt, die auch etwas später den Landesgesetzgeber zu einer Gesetzesänderung bewegt hat (LT-Drucksache 17/13142).
ee) Den Dienstherrn trifft bei Schadensersatzansprüchen aus Fürsorgepflichtverletzung die materielle Beweislast dafür, dass weder ihn noch den, dessen Verhalten er sich zurechnen lassen muss, ein Verschulden trifft (BVerwG, U.v. 24.8.1961 – II C 165.59 – BVerwGE 13, 17, juris Rn.13). Dies gelingt dem Beklagten nicht. Entweder trifft den die Auskunft erteilenden Sachbearbeiter ein Verschulden, oder es liegt ein Organisationsverschulden vor.
Es kann dahingestellt bleiben, ob und wann eine Information der Mitarbeiter im Landesamt für Finanzen über die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfolgte. Sollte dies vor dem Tag der Auskunftserteilung erfolgt sein, träfe den die Auskunft erteilenden Sachbearbeiter ein Verschulden, da ihm dann bei gewissenhafter Prüfung ohne weiteres möglich gewesen wäre, die falsche Auskunft zu vermeiden. Sollte eine solche Weitergabe von relevanten Informationen erst nach dem Tag der Auskunftserteilung erfolgt sein, stellt dies ein Organisationsverschulden dar, da mit der Information der Sachbearbeiter zumindest mehr als zweieinhalb Monate zugewartet wurde und diese zumindest verspätet und somit schuldhaft nicht bzw. nicht rechtzeitig erfolgte.
d) Es liegt ein bezifferbarer Schaden in Höhe von EUR 1.502,49 vor, der adäquat kausal auf Grund des Verhaltens des Dienstherrn herbeigeführt wurde.
Für beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche ist der Schadensbegriff maßgebend, der den §§ 249 ff. BGB zugrunde liegt (st. Rspr; vgl. u. a. BVerwG, U.v. 10.2.2000 – 2 A 4/99 – Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 18, juris Rn. 12). Nach § 249 Abs. 1 BGB ist derjenige Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Als Schaden ist die Differenz zwischen dem Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis und dem tatsächlich gegebenen Vermögensstand anzusehen. Ein Vermögensschaden ist in der Regel im Wege der Naturalrestitution auszugleichen. Der Geschädigte kann damit die Herstellung des ursprünglichen Zustands verlangen (BGH, U.v. 3.12.1974 – VI ZR 1/74 – BGHZ 63, 295/298). Ist eine Naturalherstellung nicht möglich, ist der Anspruch nach § 251 Abs. 1 BGB auf Geld (Entschädigung) gerichtet.
Ohne das schädigende Ereignis in Form der Erteilung der falschen Auskunft hätte der Kläger seinen Versicherungstarif nicht geändert und in Folge niedrigere Versicherungsbeiträge geleistet. Für den Zeitraum, in welchem dem Kläger eine Beihilfe von 70 v.H. zustand, er sich aber zu 50 v.H. versichert hat, liegt ein bezifferbarer Schaden vor, da er die zu viel entrichteten Beiträge nicht von seiner Krankenversicherung zurückerstattet bekommt.
Für die Jahre 2015 und 2016 beträgt die monatlich zu viel geleistete Versicherungsprämie EUR 96,52. Für den Monat September 2015 beträgt der Schaden EUR 54,69 (EUR 96,52 / 30 Tage x 17 Tage), da die Änderung des Versicherungstarifs erst zum … September 2015 erfolgte und somit nur für anteilig … Tage im September 2015. Für die Monate Oktober 2015 bis Dezember 2016 beträgt der monatliche Schaden EUR 96,52 €. Insgesamt ist dem Kläger ein Schaden von EUR 1.502,49 entstanden (EUR 96,52 € x 15 Monate + EUR 54,69).
Für den Zeitraum Januar 2017 bis Mai 2017 liegt kein Schaden vor. Zum 1. Januar 2017 trat eine Gesetzesänderung in Kraft und Art. 96 Abs. 1 Satz 3 BayBG wurde neu eingefügt. Art. 96 Abs. 1 Satz 3 BayBG normiert, dass Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht für im Familienzuschlag nach dem Bayerischen Besoldungsgesetz berücksichtigungsfähige Kinder gilt, die einen eigenständigen Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben.
Der Sohn des Klägers, welchem ein eigener Anspruch auf Beihilfe bzw. Heilfürsorge zusteht, ist demnach seit *. Januar 2017 nicht mehr berücksichtigungsfähig i.S.d. Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG. Der Kläger hat ab diesem Zeitpunkt nur noch ein berücksichtigungsfähiges Kind i.S.d. Art. 96 Abs. 3 Satz 3 BayBG, sodass ab diesem Zeitpunkt die Beihilfe nicht 70 v.H. sondern entsprechend Art. 96 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayBG nur 50 v.H. beträgt.
e) Den Kläger trifft kein Mitverschulden.
Es liegt kein Mitverschulden dahingehend vor, dass der Kläger sich über die relevanten Vorschriften hätte selbst informieren müssen, bzw. bei ihm hätte vorausgesetzt werden können, dass es er entsprechende rechtliche Kenntnisse besitzt.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er in ihm zuzurechnender Weise Maßnahmen unterlassen hat, mit denen er die Entstehung des geltend gemachten Schadens hätte verhindern können. Nach dem in § 839 Abs. 3 BGB enthaltenen, mit dem Rechtsinstitut des mitwirkenden Verschuldens (vgl. hier insbesondere § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) nahe verwandten Rechtsgedanken tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden abzuwenden. Dies gilt auch im Fall der Fürsorgepflichtverletzung (BVerwG, U. v. 17.10.1985 – 2 C 12/82 -, Buchholz 237.90 § 95 LBG).
Zwar besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich keine aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht abzuleitende allgemeine Pflicht des Dienstherrn zur Belehrung über alle für die Beamten einschlägigen Vorschriften, und zwar vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann. Demgemäß gebietet es die Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, die Beamten von sich aus auf für sie etwa in Betracht kommende Möglichkeiten einer Antragstellung aufmerksam zu machen. Nur in besonderen Fällen können Umstände vorliegen, die geeignet sind, eine Belehrungspflicht auszulösen. Ein derartiger Umstand kann insbesondere in einer üblicherweise erfolgenden Belehrung oder aber in einer ausdrücklichen Bitte um Auskunft liegen (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.1997 – 2 C 10/96 – BVerwGE 104, 55, juris; U.v. 4.7.1972 – II C 8.72 – Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 39; Nds. OVG, U.v. 5.4.2011 – 5 LB 218/09, juris Rn. 28).
Die Frage, wie sich die Tatsache, dass der Sohn des Klägers ab … September 2015 eine Ausbildung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei beginnt und in der freien Heilfürsorge versichert ist, auf die Berücksichtigungsufähigkeit und den Beihilfebemessungssatz des Klägers auswirkt, war dem Kläger unbekannt. Dies kommt insbesondere durch sein an die Beklagte gerichtetes Auskunftsersuchen vom *. September 2015 zum Ausdruck. Der Kläger versuchte sich die Information, da er diese nicht kannte und auch als Beamter der Besoldungsgruppe A 13 + AZ nicht kennen musste, zu beschaffen.
Der Kläger durfte sich auf die von der Beklagten am … September 2015 erteilte Auskunft verlassen. Neben der Auskunft wurde dem Kläger durch die Beklagte explizit empfohlen, „den Erstattungssatz der Krankenversicherung entsprechend anzupassen“.
Der Kläger war nicht verpflichtet, diese eindeutige Auskunft – die zudem keinerlei Hinweise enthielt, dass diese Rechtsfrage umstritten ist bzw. bereits gerichtlich anders ausgelegt wurde – zu hinterfragen und weitere eigenständige Ermittlungen anzustellen.
Ein Mitverschulden für den Zeitraum von … September 2015 bis … Dezember 2016 liegt nicht vor. Der Bescheid, der dem Kläger eine Beihilfe von 70 v.H. für seine nach dem … September 2015 entstanden Aufwendungen gewährte und möglicherweise eine Nachfrage des Klägers bei dem Beklagten hätte hervorrufen können, datiert auf den 11. Januar 2017, also zu einem Zeitpunkt zu welchem der Schaden bereits vollständig eingetreten war und nicht mehr hätte abgewandt werden können.
Auch konnte der Kläger nicht auf Grund des Beihilfebescheids vom … November 2015, in welchem ihm ein Beihilfenbemessungssatz von 70 v.H. gewährt wurde, erkennen, dass er ab … September zu hoch versichert war, da der Beihilfebescheid vom … November 2015 nur Rechnungen umfasste, die vor dem … September 2015 angefallen sind.
4. Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesszinsen hinsichtlich des Zahlbetrages in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. … November 2018.
Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich entsprechend aus § 173 VwGO i.V.m. § 262 ZPO, § 291 Satz 1 BGB. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in ständiger Rechtsprechung als allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts heraus, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (BVerwG, U.v. 22.2.2001 – 5 C 34/00 – juris Rn. 6 mit weiteren Nachweisen). Das Beamtenrecht als hier einschlägiges Fachrecht enthält für den konkreten Fall eines Schadensersatzanspruches auf Grund einer Fürsorgepflichtverletzung keine Bestimmung, die die Zahlung von Prozesszinsen ausschließt, anders als dies zum Beispiel im Bereich der Beamtenbesoldung und -versorgung gem. Art. 4 Abs. 4 BayBesG der Fall ist.
Die Zinspflicht beginnt mit Rechtshängigkeit. Die Rechtshängigkeit trat mit dem Tag der Klageerhebung am 28. November 2018 ein (§ 90 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
5. Die Kostenfolge richtet sich nach § 155 Abs. 1 VwGO.
Der Kläger unterliegt teilweise i.S.v. § 155 Abs. 1 VwGO. Die durch das Urteil zugesprochene Schadenshöhe von EUR 1.502,49 entspricht in etwa ¾ der vom Kläger eingeklagten Schadenshöhe von EUR 2.056,87. Der Kläger unterliegt somit zu ¼. Der Beklagte unterliegt zu ¾.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO für den Kläger und aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO für den Beklagten.


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