Aktenzeichen 14 ZB 18.1957
Leitsatz
Verfahrensgang
M 21 K 17.3979 2018-07-27 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Berufung wird zugelassen.
II. Der Streitwert wird vorläufig auf 2.500,– Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage, mit der der Kläger – ein Patentprüfer im Amt eines Regierungsdirektors – begehrt, Vordienstzeiten, die er teilweise nach dem 3. Oktober 1990, teilweise aber auch vor diesem Zeitpunkt in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet absolviert hatte, als ruhegehaltfähige Dienstzeiten anzuerkennen, teilweise stattgegeben. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte das klägerische Begehren ermessensfehlerhaft abgelehnt, soweit sie für die Zeitspanne vom 3. Oktober 1990 bis zum 2. Oktober 1995 die – aus Sicht des Verwaltungsgerichts gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG bestehende – Berücksichtigungsmöglichkeit seinerzeit patentrechtlich für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschriebener „praktischer hauptberuflicher Tätigkeiten“ unberücksichtigt gelassen hat. Insoweit wurde die Beklagte verpflichtet, den Kläger neu zu bescheiden, im Übrigen die Klage aber abgewiesen. Die Beklagte hat die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung – der dahin auszulegen ist, dass er allein gegen den der Klage stattgebenden Teil des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils gerichtet ist (§ 88 VwGO) – hat Erfolg. Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beklagte hat die Frage aufgeworfen, in welcher Reihenfolge § 12 BeamtVG und § 12b BeamtVG anzuwenden sind, wobei sie die Auffassung vertritt, es sei zunächst gemäß § 12 Abs. 1 BeamtVG nur die Mindestzeit einer praktischen hauptberuflichen Tätigkeit festzustellen und dann zu prüfen, ob diese Zeiten von § 12b BeamtVG erfasst werden. Dabei geht sie davon aus, dass für § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG nur die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine „theoretische“ Ernennung entscheidend sind, nicht aber die in § 12b BeamtVG geregelte Ruhegehaltfähigkeit.
Dieser Frage kommt eine über den vorliegenden Fall hinausgehende allgemeine Bedeutung zu. Allgemein ist fraglich, ob § 12b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG, der bei einem (beim Kläger unstreitigen) Erreichen der „allgemeinen Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung“ für praktische hauptberufliche Zeiten (wie sie etwa § 26 BPatG verlangt), die „vor“ dem in § 12b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG genannten Stichtag (3.10.1990) absolviert worden sind, zur Vermeidung einer Doppelalimentation eine Ruhegehaltfähigkeit (neben der Verrentung) ausschließt, tatsächlich eine Wertung dahingehend entnommen werden kann, dass spätere Ausbildungszeiten, die „nach“ diesem Stichtag absolviert werden, im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG berücksichtigt werden müssen, obwohl rein laufbahnrechtlich bereits „vor“ dem 3. Oktober 1990 die praktische hauptberufliche Erfahrung gewonnen wurde. Lässt sich § 12b BeamtVG eine derartige Wertung nicht entnehmen, kann auch nicht von dem verwaltungsgerichtlich angenommenen „Wertungswiderspruch“ ausgegangen werden. Es geht um die Frage, inwieweit die in § 12b BeamtVG enthaltene Wertung, dass rentenwirksame Vordienstzeiten in der ehemaligen DDR nicht zusätzlich ruhegehaltfähig sind, für die Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG Bedeutung erlangt.
Die besagte Frage ist klärungsbedürftig. Sie lässt sich weder aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG noch aus dem Wortlaut des § 12b Abs. 1 BeamtVG beantworten. Vielmehr sind hierfür systematische und teleologische Überlegungen erforderlich, deren Ort nicht das Berufungszulassungsverfahren sein kann. Wie die Antragsbegründung an anderer Stelle zutreffend darlegt, geht es einmal um die Frage, ob ein Bewerber die besonderen Einstellungsvoraussetzungen des Bundespatentgesetzes erfüllt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG i.V.m. § 26 BPatG), und zum anderen um die Frage, in welchem Umfang bzw. ab welchem Zeitpunkt vorhandene Vordienstzeiten, die sämtlich auch rentenrechtlich berücksichtigt worden seien, versorgungsrechtlich zu berücksichtigen sind (§ 12b BeamtVG). In welcher Art und Weise beide Bereiche miteinander in rechtlicher Wechselwirkung stehen, ist im Berufungsverfahren zu klären. Zu klären wird dabei auch sein, inwieweit sich die Erwägungen betreffend das Verhältnis von § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG zu § 12b BeamtVG im Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. November 2007 – 1 UE 438/07 – (ESVGH 58,184) auf die vorliegend aufgeworfene Frage der Bedeutung des § 12b BeamtVG für die Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG übertragen lassen. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, welche Bedeutung der rentenrechtlichen Berücksichtigung von Vordienstzeiten in der ehemaligen DDR, an die § 12b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG anknüpft, im Hinblick auf die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof seinerzeit in den Mittelpunkt gestellte Doppelbelastung – aus fehlender Ruhegehaltfähigkeit und Nichtberücksichtigung bei § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG – im Kontext des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG für die Frage einer Anrechnung solcher Zeiten auf die Zeiten i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG zukommt. Dabei entfällt die Klärungsbedürftigkeit auch nicht deshalb, weil die seit 4. April 2018 geltende Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz vom 2. Februar 2018 (BeamtVGVwV n.F.) keine Bestimmung mehr enthält, die – wie die frühere Nr. 12.1.16 Satz 1 i.V.m. Nr. 12.1.1 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz vom 3. November 1980 (BeamtVGVwV a.F.) – explizit vorgibt, dass vorgeschriebene praktische hauptberufliche Tätigkeiten „von ihrem Beginn an zu rechnen“ sind. Aus dem Wegfall dieser expliziten Regelung lässt sich kein Umkehrschluss dahingehend ziehen, dass es bei praktischen hauptberuflichen Tätigkeiten nicht mehr nur auf deren Beginn ankommen sollte. Vielmehr ist zu sehen, dass in Nr. 12.1.1.3 Satz 3 BeamtVGVwV n.F. für die Ausbildung i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG nach wie vor der tatsächliche Beginn als maßgeblich vorgegeben wird und in der die praktische hauptberufliche Tätigkeit i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG betreffenden Nr. 12.1.1.13 BeamtVGVwV n.F. das Einleitungswort „auch“ jedenfalls nicht auf eine Gegensätzlichkeit zwischen Ausbildung einerseits und hauptberuflicher Tätigkeit andererseits hindeutet.
Schließlich ist die aufgeworfene Frage auch für den Fall des Klägers entscheidungserheblich und damit klärungsfähig. Denn der Erfolg seiner zulässigen Klage, die nach der Zulassung der Berufung – unbeschadet der in § 127 VwGO vorgesehenen Möglichkeiten – nur noch in diesem Umfang anhängig ist, nachdem der Kläger hinsichtlich der ihn beschwerenden teilweisen Klageabweisung nicht auch seinerseits die Zulassung der Berufung beantragt hat, hängt in der Sache letztlich von der aufgeworfenen Frage und der Wertung ab, inwieweit die in § 12b BeamtVG enthaltene Wertung, dass rentenwirksame Vordienstzeiten in der ehemaligen DDR nicht zusätzlich ruhegehaltfähig sind, für die Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG Bedeutung erlangt.
3. Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Kosten des Zulassungsverfahrens gelten als Kosten dieses Berufungsverfahrens, über die im Berufungsurteil zu entscheiden ist.