Arbeitsrecht

Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigungen

Aktenzeichen  4 Sa 413/20

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14336
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 612a

 

Leitsatz

1. Lehnt der Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber angebotene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit ab, weil der Arbeitgeber nicht bereit ist, dem Arbeitnehmer über das Kurzarbeitergeld hinaus vollen Lohnausgleich zu zahlen, so verstößt die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. (Rn. 35 – 38)
2. Ob die angebotene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit im Falle ihrer Annahme durch den Arbeitnehmer wirksam gewesen wäre, ist jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn der Arbeitnehmer das Angebot vor der Kündigung allein deshalb abgelehnt hat, weil der Arbeitgeber keinen vollen Lohnausgleich zugesagt hat, sich im Übrigen aber mit der Anordnung von Kurzarbeit einverstanden erklärt hat. Etwaige ihm im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit der angebotenen Vereinbarung zustehende Rechte hat der Arbeitnehmer dann nicht iSd. § 612a BGB “ausgeübt”. (Rn. 39)

Verfahrensgang

4 Ca 277/20 2020-09-30 Endurteil ARBGBAMBERG ArbG Bamberg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 30.09.2020, Az.: 4 Ca 277/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit ausführlicher und überzeugender Begründung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht folgt den Erwägungen des Erstgerichts in vollem Umfang. Insoweit wird auf eine bloß wiederholende Darstellung im Hinblick auf § 69 Abs. 2 ArbGG verzichtet. Die Berufungsangriffe sind nicht geeignet, zu einer vom Erstgericht abweichenden Entscheidung zu kommen.
Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist lediglich noch Folgendes anzumerken:
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt die auf ihre Nichtannahme des Angebots der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 gestützte Kündigung nicht deshalb gegen § 612a BGB, weil die Klägerin infolge der zum Zeitpunkt des Änderungsangebots auf Grund der bereits zum 21.03.2020 erfolgten behördlichen Betriebsschließung einen unabdingbaren Vergütungsanspruch nach §§ 615 S. 1 und S. 3 BGB gehabt hätte. Die Klägerin hatte keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte im Rahmen der Vereinbarung über die Einführung der Kurzarbeit den vollen Lohnausgleich zusichert. Das Angebot der Beklagten zur Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 erweist sich daher nicht als unerlaubte Maßregelung, weil es entgegen der Forderung der Klägerin keinen vollen Lohnausgleich vorsieht, so dass die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung nicht gegen § 612a BGB verstößt.
a) Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, kann die auf die Ablehnung eines Änderungsangebotes gestützte Kündigung vor dem Hintergrund, dass – wie § 2 KSchG zeigt – eine Beendigungskündigung wegen der Ablehnung eines Änderungsangebotes sogar sozial gerechtfertigt sein kann, nicht schlechthin eine Maßregelung im Sinne des § 612a BGB sein. Dies kann nur unter besonderen Voraussetzungen gelten. Die Abgabe eines Änderungsangebotes durch den Arbeitgeber ist ebenso wie die Ablehnung dieses Angebotes durch den Arbeitnehmer Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit. Von dem besonderen Unwerturteil des § 612a BGB kann daher eine Kündigung, die auf die Ablehnung eines Änderungsangebotes durch den Arbeitnehmer gestützt ist, nur dann betroffen sein, wenn die Ausgestaltung des Änderungsangebots selbst sich als unerlaubte Maßregelung darstellt, sich also gewissermaßen als „Racheakt“ für eine zulässige Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer darstellt. Für das Änderungsangebot selbst müssen daher die besonderen, auf das Motiv des Kündigenden bezogenen Voraussetzungen des § 612a BGB vorliegen (BAG, Urteil vom 22.05. 2003 – 2 AZR 426/02, Rn. 53, juris).
b) Daran fehlt es vorliegend. Die Klägerin verkennt, dass es legitimes Ziel der Einführung von Kurzarbeit ist, bei Arbeitsausfall gerade dem Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko des Arbeitgebers zum Zwecke des Erhalts der Arbeitsplätze zu begegnen. Mit der Einführung von Kurzarbeit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitsausfall und das ihn ggf. vergütungsrechtlich nach Maßgabe des § 615 BGB treffende Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko zum Anlass nimmt bzw. nehmen muss, sich von Mitarbeitern zu trennen. Arbeitsrechtlich ist unter Kurzarbeit die vorübergehende Kürzung des Volumens der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zum vereinbarten Zeitumfang zu verstehen. Die Einführung von Kurzarbeit bedarf einer besonderen normativen oder einzelvertraglichen Grundlage (vgl. BAG vom 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, Rn. 15 juris). Die wirksame Vereinbarung von Kurzarbeit hat also zur Folge, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers im Umfang der vereinbarten Kurzarbeit vorübergehend verkürzt wird. In diesem Umfang tritt weder Annahmeverzug ein noch trägt der Arbeitgeber insoweit das Risiko des Arbeitsausfalls nach § 615 S. 3 BGB. Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch (nur) in Höhe des Kurzarbeitergelds. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfällt somit nicht vollständig, was von Bedeutung ist, wenn ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld gem. §§ 95 ff SGB III nicht besteht (vgl. BAG vom 22.04. 2009 – 5 AZR 310/08, Rn.12 juris). Es ist also nicht so, wie die Klägerin meint, dass im Falle der Kurzarbeit der volle Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gem. § 615 S. 1 und 3 BGB bestehen bleibt, auf den das gezahlte Kurzarbeitergeld anzurechnen ist. Vielmehr besteht bei wirksam eingeführter Kurzarbeit der Vergütungsanspruch im Umfang der eingeführten Kurzarbeit (von vornherein) nur in Höhe des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes. Bestehen – wie vorliegend – keine entsprechenden kollektivrechtlichen Vorgaben, ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er den Arbeitnehmern einen Zuschlag zum Kurzarbeitergeld zahlt. Individualrechtlich kommt daher ein Anspruch auf Erhöhung des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber freiwillig entsprechende Zusagen gemacht hat, etwa in der Form der Gesamtzusage oder der echten Individualzusage (vgl. Lunck/Hackethal NZA 2020, 837). Unerheblich ist, ob die Rechtslage in den Hinweisen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die die Klägerin als Anlagen 4 und 5 (Bl. 11 und 12 d.A.) vorgelegt hat, tatsächlich anders dargestellt wird. Die Hinweise sind nicht rechtsverbindlich und weder für die Parteien noch für das Gericht bindend.
c) Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, der Klägerin im Rahmen des Angebots der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 über die Höhe des Kurzarbeitergeldes hinaus vollen Lohnausgleich zuzusagen bzw. das Gegenangebot der Klägerin vom 24.03.2020, das eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten enthält, anzunehmen. Es stand ihr vielmehr grundsätzlich frei, auf die bereits erfolgte behördliche Betriebsschließung zu reagieren, indem sie der Klägerin ein Angebot einer Vereinbarung über Kurzarbeit ohne vollen Lohnausgleich unterbreitet. Die Klägerin wiederum hatte keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte im Fall der Kurzarbeit vollen Lohnausgleich zusagt bzw. das darauf gerichtete Gegenangebot der Klägerin annimmt. Das Angebot der Beklagten zur Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 erweist sich daher nicht als unerlaubte Maßregelung, so dass die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung auch nicht gegen § 612a BGB verstößt.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Frage, ob die Kündigung als verbotene Maßregelung gem. § 612a BGB unwirksam ist, nicht darauf an, ob die von der Beklagten angetragenen Regelungen zur Einführung der Kurzarbeit einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB standhalten würden und ob die Vereinbarung, wenn sie zustande gekommen wäre, ggf. insgesamt unwirksam wäre (vgl. zu den Mindestanforderungen, die für die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über die Anordnung von Kurzarbeit erfüllt sein müssen: BAG vom 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, Rn. 15 juris). Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, würde sich auch in diesem Fall das Angebot nicht als unerlaubte Maßregelung in Form eines Racheaktes darstellen. Hinzukommt, dass die Klägerin das Angebot der Beklagten gegenüber allein mit der Begründung abgelehnt hat, dass die Beklagte der Klägerin keinen vollen Lohnausgleich zugesichert hat und nicht etwa (auch) deshalb, weil die von der Beklagten angetragenen Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit (auch) im Übrigen gegen die §§ 307 ff BGB verstießen bzw. diese (auch) im Übrigen unwirksam seien. Vielmehr hat sie sich ausdrücklich mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld durch die Beklagte einverstanden erklärt und auch im Verfahren darauf hingewiesen, mit der Anordnung von Kurzarbeit selbst einverstanden gewesen zu sein. Etwaige mit der Unwirksamkeit der Regelungen im Zusammenhang stehende Rechte hat die Klägerin daher vor der Kündigung nicht iSd. § 612a BGB „ausgeübt“.
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die von der Beklagten angebotene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 23.03.2020 wegen des darin nicht vorgesehenen Lohnausgleichs weder sittenwidrig iSd. § 138 BGB noch verstößt sie gegen ein gesetzliches Verbot iSd § 134 BGB, weil der Lohnanspruch nach § 615 BGB unter die Grenze des Mindestlohns „heruntergefahren“ werde. Auch unter diesen Gesichtspunkten ist die auf die Ablehnung des Angebots gestützte Kündigung nicht unwirksam.
a) Dass der nicht vorgesehene Lohnausgleich nicht zur Sittenwidrigkeit iSd. § 138 BGB führt, ergibt sich bereits aus den Ausführungen unter II 1. b) Die Vereinbarung verstößt auch nicht gegen das Mindestlohngesetz. Soweit der Arbeitnehmer infolge wirksam eingeführter Kurzarbeit keine Arbeitsleistung erbringt, erwirbt er keinen Mindestlohnanspruch gemäß § 1 Abs. 1 (iVm § 20). Die Kurzarbeit führt zu einer (teilweisen) Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer wird im Umfang der Kurzarbeit von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Als Ausgleich erhält der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld gegen den Arbeitgeber, unabhängig davon, ob die sozialrechtlichen Voraussetzungen (§§ 95 ff. SGB III) für den Bezug von Kurzarbeitergeld vorliegen (Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, 2. A. § 1 Rn. 45 sowie oben unter II 1 a). Davon abweichende Regelungen enthält die angebotene Vereinbarung nicht. Sie enthält auch keine Regelungen, wonach die Klägerin je geleisteter Arbeitsstunde weniger als den gesetzlichen Mindestlohn erhalten soll oder dass im Falle bestehender Entgeltfortzahlungsansprüche wie z.B. §§ 3 EFZG, 615 BGB oder § 11 BUrlG die fortzuzahlende Vergütung die Höhe des bei erbrachter Arbeitsleistung zu zahlenden Mindestlohn unterschreiten kann.
III.
1. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Abs. 1 und 2 ArbGG.


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