Arbeitsrecht

Beiordnung eines Notanwalts: Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung bei Berufung ohne Erreichen des Beschwerdewerts

Aktenzeichen  VIII ZA 6/20

Datum:
20.10.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:201020BVIIIZA6.20.0
Normen:
§ 2 ZPO
§ 3 ZPO
§ 78b ZPO
§ 511 Abs 2 Nr 1 ZPO
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Köln, 2. März 2020, Az: 1 S 238/19vorgehend AG Köln, 7. Oktober 2019, Az: 224 C 273/17nachgehend BGH, 26. Januar 2021, Az: VIII ZA 6/20, Beschluss

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für die Durchführung einer Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. März 2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts Köln wurde der Beklagte – ein Rechtsanwalt – verurteilt, Technikern der Firma T.    E.    S.      GmbH nach Vorankündigung und innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens den Zutritt zu seiner von der Klägerin gemieteten Wohnung zwecks Anbringung von Rauchmeldern zu dulden.
2
Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde durch zweites Versäumnisurteil verworfen. Einen nochmaligen “Einspruch” hiergegen hat das Amtsgericht Köln durch Urteil als unzulässig, da nicht statthaft (§§ 345, 514 Abs. 2 ZPO) und nicht fristgerecht erhoben, verworfen.
3
Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Diese hat das Landgericht Köln durch Beschluss vom 2. März 2020 als unzulässig verworfen. Der Wert der Beschwer liege – ebenso wie der Streitwert – bei lediglich 500 €. Durch die Duldung werde der Beklagte “allenfalls unwesentlich und über einen überschaubaren Zeitraum belastet”. Auf eine Beschwer des Beklagten durch ein von der Klägerin weiter betriebenes Räumungsverfahren komme es nicht an.
4
Zur Einlegung und Begründung einer hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde – wozu er vorsorglich um Wiedereinsetzung nachsucht – beantragt der Beklagte die Beiordnung eines Notanwalts.
II.
5
Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO ist erfolglos.
6
Hiernach kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
7
1. Die zuerst genannte Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat. Ihre diesbezüglichen Bemühungen hat die Partei dem Gericht – innerhalb der Rechtsmittelfrist – substantiiert darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. August 2011 – V ZA 14/11, WuM 2011, 699 Rn. 3; vom 18. Dezember 2012 – VIII ZR 239/12, NJW 2013, 1011 Rn. 3; vom 24. November 2016 – III ZA 22/16, juris Rn. 3; jeweils mwN). Darzulegen ist in diesem Zusammenhang, welche Rechtsanwälte aus welchen Gründen zur Übernahme des Mandats nicht bereit waren (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2012 – VIII ZB 80/11, juris Rn. 9).
8
Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat zwar innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt, aber nicht dargelegt, aus welchen Gründen die von ihm genannten Rechtsanwälte zur Übernahme des Mandats nicht bereit waren. Seine bloße Erklärung, die Rechtsanwälte hätten eine Vertretung abgelehnt, genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung und einen Nachweis nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 1995 – III ZB 4/95, NJW-RR 1995, 1016 unter 2; vom 24. August 2011 – V ZA 14/11, aaO). Darauf ist der Beklagte auch mit Schreiben des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2020 hingewiesen worden.
9
2. Im Übrigen ist die Rechtsverfolgung aussichtslos.
10
a) Aussichtslosigkeit ist immer dann gegeben, wenn ein günstiges Ergebnis der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 – XI ZR 5/12, juris Rn. 1; vom 8. Februar 2018 – IX ZR 155/17, juris Rn. 4; vom 26. September 2019 – III ZR 85/19, juris Rn. 5).
11
b) Dies ist hier der Fall. Die Berufung des Beklagten war mangels Erreichens des Beschwerdewerts unzulässig.
12
aa) Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung gegen ein Urteil, in dem das Gericht erster Instanz – wie im Streitfall – die Berufung nicht zugelassen hat, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt. Nach §§ 2, 3 ZPO wird der Wert des Beschwerdegegenstands vom Berufungsgericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Die Bewertung des Rechtsmittelinteresses kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der seinem freien Ermessen unterliegenden Wertfestsetzung die Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise, mithin fehlerhaft, Gebrauch gemacht hat. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2013 – I ZR 174/11, WRP 2013, 1364 Rn. 10; vom 19. November 2014 – VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 14; Beschlüsse vom 18. September 2014 – III ZB 20/14, MMR 2015, 136 Rn. 8; vom 21. Mai 2019 – VIII ZB 66/18, NJW 2019, 2468 Rn. 9).
13
bb) Solche Ermessensfehler sind dem Berufungsgericht vorliegend nicht unterlaufen.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich der Beschwerdewert nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers. Das gilt auch, wenn dieser – wie hier – zur Duldung der Zutrittsgewährung verurteilt worden ist und sich dagegen wendet (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – XII ZB 130/09, NJW-RR 2010, 1081 Rn. 8). Maßgebend ist somit das Interesse des Beklagten den Zutritt zu seiner Wohnung zwecks Anbringung der Rauchmelder nicht dulden zu müssen. Die Erfüllung dieses Anspruchs der Klägerin verlangt vom Beklagten keine besonderen Aufwendungen. Das Zutrittsrecht besteht nur nach einer Vorankündigung mit einer Frist von fünf Tagen und dient ausschließlich zur einmaligen Anbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder. Anders als der Beklagte meint, ändert der Umstand, dass “auch noch zwei weitere nicht benannte Personen” anwesend seien, um die Rauchmelder anzubringen, hieran nichts. Vor diesem Hintergrund sind – anders als bei einer dauerhaft bestehenden Verpflichtung zur Zutrittsgewährung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Juli 2007 – V ZB 36/07, NJW-RR 2007, 1384 Rn. 8) – Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwer den von dem Berufungsgericht geschätzten Betrag von 500 € übersteigen könnte, nicht erkennbar.
15
Ein Fall von § 514 Abs. 2 ZPO, bei welchem die Zulässigkeit der Berufung nicht vom Wert des Beschwerdegegenstands abhängt, lag nicht vor, da der Beklagte gegen das – mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene – zweite Versäumnisurteil keine Berufung, sondern erneut ausdrücklich “Einspruch” und erst gegen das diesen als unzulässig verwerfende Urteil – die unzulässige – Berufung eingelegt hat.
Dr. Milger     
      
Dr. Schneider     
      
Dr. Fetzer
      
Kosziol     
      
Dr. Schmidt     
      


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