Arbeitsrecht

Beitragsbemessungsgrenze – gespaltene Rentenformel

Aktenzeichen  3 AZR 209/12

Datum:
20.5.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Stuttgart, 27. April 2011, Az: 30 Ca 8125/10, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 20. Dezember 2011, Az: 8 Sa 58/11, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2011 – 8 Sa 58/11 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin zustehenden betrieblichen Altersrente und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003.
2
Die am 29. Dezember 1948 geborene Klägerin war vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Dezember 2008 zunächst bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, der D GmbH und der C GmbH, und zuletzt bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2009 bezieht sie eine gesetzliche Rente und von der Beklagten eine vorgezogene betriebliche Altersrente nach der „Versorgungsordnung 1995 in der Fassung vom 1. Juli 1995“ der D GmbH (im Folgenden: VO 95) iHv. monatlich 671,31 Euro brutto.
3
Die VO 95, bei der es sich um eine Gesamtzusage handelt, enthält auszugsweise folgende Regelungen:
        
„§ 1   
        
Versorgungsberechtigte
        
(1)     
Versorgungsberechtigt nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung 1995 sind alle Mitarbeiter, die am 01.07.1995 in einem Beschäftigungsverhältnis mit D GmbH (= ‚D‘) stehen oder später eintreten (‚Versorgungsberechtigte’).
        
…       
        
        
§ 2     
        
Versorgungsleistungen
        
(1)     
Nach Aufnahme in das Versorgungswerk und nach Erfüllung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen werden als Versorgungsleistungen gewährt:
        
        
a)    
Altersrente
(§ 6) 
        
        
b)    
Vorgezogene Altersrente
(§ 7) 
        
        
…       
        
        
§ 5     
        
Ruhegeldfähiges Einkommen
        
(1)     
Das ruhegeldfähige Einkommen wird für jeden Versorgungsberechtigten erstmals bei Diensteintritt und dann an jedem nachfolgenden 01. Juli (Berechnungsstichtag) festgestellt. …
        
(2)     
Die Ermittlung des ruhegeldfähigen Einkommens erfolgt aus dem 13fachen des am Berechnungsstichtag geltenden vertraglich vereinbarten monatlichen Grundgehaltes bei Gehaltsempfängern bzw. bei Lohnempfängern des Monatslohns (= Jahresgehalt im Sinne der Leistungsrichtlinien).
        
        
Dieses Jahresgehalt wird aufgeteilt in den Betrag bis zum 12fachen der jeweils am Berechnungsstichtag geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (Teil A), und ggf. in den Teil, der das 12fache dieser Beitragsbemessungsgrenze (Teil B) übersteigt.
        
…       
        
        
§ 6     
        
Altersrente
        
(1)     
Scheidet ein Versorgungsberechtigter zu seinem normalen Pensionierungstag (Alter 65) aus den Diensten von D aus, so erhält er eine lebenslang zahlbare Altersrente.
        
(2)     
Die jährliche Altersrente beträgt 0,4 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil A) gem. § 5 bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung (nachfolgend kurz ‚Beitragsbemessungsgrenze’ genannt) und 1,67 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil B) gem. § 5 oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen, beides multipliziert mit der anrechnungsfähigen Dienstzeit gem. § 4.
        
§ 7     
        
Vorgezogene Altersrente
        
(1)     
Scheidet ein Versorgungsberechtigter wegen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus den Diensten des Unternehmens aus, so erhält er eine vorzeitige, sofort beginnende Altersrente. Dieses gilt analog für Begünstigte, die von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind.
        
(2)     
Unabhängig von den Voraussetzungen des Abs. (1) können Versorgungsberechtigte eine vorgezogene Altersrente beantragen, wenn sie nach mindestens 10 Jahren anrechnungsfähiger Dienstzeit und Vollendung des 55. Lebensjahres aus den Diensten von D ausscheiden.
        
(3)     
Die vorgezogene Altersrente berechnet sich nach den gleichen Grundsätzen wie die Altersrente gem. § 6, jedoch unter Zugrundelegung des ruhegeldfähigen Einkommens zum Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung und der bis dahin zurückgelegten anrechnungsfähigen Dienstzeit. Erfolgt die erste Rentenzahlung frühestens ab dem Monat, der auf die Vollendung des 60. Lebensjahres folgt, so wird die vorgezogene Altersrente ohne eine Reduktion (wegen des vorgezogenen Rentenzahlungsbeginns) gezahlt.“
4
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637) wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden in § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So wurde die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der wiederum nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2004 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004) vom 9. Dezember 2003 (BGBl. I. S. 2497) für das Jahr 2004 auf 61.800,00 Euro jährlich und 5.150,00 Euro monatlich und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2005 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2005) vom 29. November 2004 (BGBl. I S. 3098) für das Jahr 2005 auf 62.400,00 Euro jährlich und 5.200,00 Euro monatlich festgesetzt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2008 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2008) vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2797) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2008 63.600,00 Euro jährlich und 5.300,00 Euro monatlich.
5
Infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 verringerte sich die „Ausgangsrente“ der Klägerin nach § 7 VO 95 um monatlich 167,20 Euro. Die gesetzliche Rente der Klägerin erhöhte sich wegen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 um 9,46 Euro.
6
Mit ihrer am 21. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (- 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214 und – 3 AZR 471/07 -) aufgestellten Grundsätze gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung ihrer vorgezogenen Altersrente gewandt und die Auffassung vertreten, ihre vorgezogene Altersrente sei ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 zu berechnen. Die VO 95 sei durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Die Lücke sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass die vorgezogene Altersrente unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde.
7
Die Klägerin hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.258,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils 157,74 Euro erstmals seit dem 1. Februar 2009 und letztmals seit dem 1. April 2011 jeweils monatlich zu zahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben