Arbeitsrecht

Beitragsbemessungsgrenze – gespaltene Rentenformel

Aktenzeichen  3 AZR 1072/12

Datum:
20.5.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 BetrAVG
§ 313 Abs 1 BGB
§ 159 SGB 6
§ 160 SGB 6
§ 275c SGB 6
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Stuttgart, 10. Mai 2012, Az: 23 Ca 9992/11, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 21. November 2012, Az: 4 Sa 89/12, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. November 2012 – 4 Sa 89/12 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Alterspension und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003.
2
Der am 21. Februar 1950 geborene Kläger war vom 17. April 1972 bis zum 30. April 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Mai 2007 bezieht der Kläger eine vorgezogene betriebliche Alterspension iHv. 2.978,85 Euro brutto monatlich nach dem Pensionsplan der Beklagten vom 30. Juli 1982 idF vom 2. Mai 2000 (im Folgenden: PP 82). Die Beklagte hob die Alterspension des Klägers zum 1. Januar 2008 auf 3.018,57 Euro brutto und zum 1. Januar 2011 auf 3.131,16 Euro brutto an.
3
Der PP 82 enthält auszugsweise folgende Regelungen:
        
„Art. I
        
Kreis der Pensionsberechtigten
           
        
Dieser Pensionsplan gilt für alle ständig beschäftigten Mitarbeiter der H GmbH (im folgenden kurz ‚Firma‘ genannt), soweit nicht abweichende schriftliche Vereinbarungen getroffen werden oder Zusatzregelungen bestehen (…).
        
Art. II
        
Voraussetzungen für Pensionsleistungen
           
        
Pensionsleistungen (…) werden gewährt, wenn der Mitarbeiter
        
        
a.    
vor Vollendung des 53. Lebensjahres in die Firma eingetreten ist und
        
        
b.    
eine Wartezeit von einem vollen Dienstjahr erfüllt hat und
        
        
…       
        
        
        
d.    
die weiteren Voraussetzungen dieses Pensionsplans erfüllt.
        
        
…       
        
Art. IV
        
Pensionsfähige Bezüge
           
        
1.    
Als pensionsfähige Bezüge gilt der 13-fache monatliche Durchschnitt der Grundbezüge, die der Mitarbeiter in den letzten 2 Jahren unmittelbar vor dem Ausscheiden von der Firma bezogen hat. …
        
2.    
Die pensionsfähigen Bezüge werden unterteilt in
        
        
a.    
den Teil bis zu der im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles geltenden jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) und gegebenenfalls
        
        
b.    
den diese jährliche BBG übersteigenden Teil.
        
…       
        
        
        
Art. V
        
Alterspension
           
        
1.    
Eine Alterspension erhalten Mitarbeiter, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausgeschieden sind.
        
2.    
Die Alterspension wird auf der Basis der anrechenbaren Dienstzeit (Artikel III) und der pensionsfähigen Bezüge (Artikel IV) berechnet.
        
3.    
Die Alterspension beträgt für jedes anrechenbare Dienstjahr:
        
        
        
0,5 % des Teils der pensionsfähigen Bezüge, der die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung zum Zeitpunkt des Ausscheidens nicht übersteigt
        
        
        
zuzüglich
        
        
        
2,0 % des Teils der pensionsfähigen Bezüge, der diese Beitragsbemessungsgrenze übersteigt.…
        
Art. VI
        
Vorzeitige Alterspension
           
        
1.    
Mitarbeiter, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres aus dem aktiven Dienst der Firma mit deren Zustimmung ausscheiden, erhalten eine vorzeitige Alterspension, wenn sie 15 anrechenbare Dienstjahre erfüllt haben.
        
        
…       
        
2.    
Die vorzeitige Alterspension berechnet sich nach den gleichen Grundsätzen wie die Alterspension gemäß Artikel V, jedoch unter Zugrundelegung der pensionsfähigen Bezüge zum Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung und der bis dahin zurückgelegten anrechenbaren Dienstzeit, wobei wegen des früheren Rentenbeginns eine Kürzung der erworbenen Altersrente gemäß folgender Tabelle erfolgt:
        
        
Alter bei vorzeitiger Pensionierung
Prozentsatz der erworbenen Altersrente
        
        
50    
52,1 %
        
        
…       
…       
        
        
57    
80,5 %
        
        
…       
…       
        
Zwischen den vollen Lebensalter wird interpoliert.“
4
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637) wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden in § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So wurde die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der wiederum nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2004 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004) vom 9. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2497) für das Jahr 2004 auf 61.800,00 Euro jährlich und 5.150,00 Euro monatlich und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2005 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2005) vom 29. November 2004 (BGBl. I S. 3098) für das Jahr 2005 auf 62.400,00 Euro jährlich und 5.200,00 Euro monatlich festgesetzt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2007 (Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007) in Art. 12 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2007 63.000,00 Euro jährlich und 5.250,00 Euro monatlich.
5
Infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 verringerte sich die vorzeitige „Ausgangspension“ des Klägers nach Art. VI PP 82 um monatlich 214,12 Euro.
6
Mit seiner am 19. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (- 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214 und – 3 AZR 471/07 -) aufgestellten Grundsätze gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung seiner vorgezogenen Alterspension gewandt und die Auffassung vertreten, seine vorgezogene Alterspension sei ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 zu berechnen. Der PP 82 sei durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Die Lücke sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass die vorgezogene Alterspension unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde.
7
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.511,76 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB jeweils aus 216,97 Euro brutto seit 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009, 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober 2010, 1. November 2010, 1. Dezember 2010, 1. Januar 2011 sowie aus 225,07 Euro brutto seit 1. Februar 2011, 1. März 2011, 1. April 2011, 1. Mai 2011, 1. Juni 2011, 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011 und 1. Januar 2012 zu bezahlen;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 900,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB jeweils aus 225,07 Euro brutto seit 1. Februar 2012, 1. März 2012, 1. April 2012 und 1. Mai 2012 zu bezahlen;
        
3.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.575,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 225,07 Euro brutto seit 1. Juni 2012, 1. Juli 2012, 1. August 2012, 1. September 2012, 1. Oktober 2012, 1. November 2012 und 1. Dezember 2012 zu bezahlen;
        
4.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Dezember 2012 über den Betrag von 3.131,16 Euro brutto hinaus monatlich weitere 225,07 Euro brutto zu bezahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9
Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich allein gestellten Anträgen zu 1. und 2. stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung des Klägers, mit der er die Klage um die Anträge zu 3. und 4. erweitert hatte, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im Umfang der zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.


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