Arbeitsrecht

Benutzungsgebühren für Entwässerungs- und Wasserversorgungsanlage

Aktenzeichen  Au 6 K 17.441

Datum:
1.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 320
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 7
KommHV-Kameralistik § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VVKommHV Nr. 6 zu § 12 KommHV-Kameralistik
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Gemeinde steht bei ihrer Entscheidung über die Bestimmung der Höhe der über die Gebühren umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ein weiter Ermessensspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar ist. Die Gemeinden dürfen einen langfristigen Zins besetzen und sich dabei zur Vermeidung ständigen Nachjustierens an den langfristigen Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen orientieren.  (Rn. 22) (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die nach § 101 Abs. 2 VwGO wegen des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat in der Sache keinen Erfolg. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung stellen § 9, § 10 Abs. 1, Abs. 3, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 2 BGS-WAS sowie §§ 9, 10, 13, 15 BGS-EWS/FES i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 7 KAG dar.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Satzungen formell fehlerhaft erlassen wurden, gegenteiliges hat auch der Kläger nicht geltend gemacht.
Auch inhaltlich sind die Satzungen nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die Berechnung der Gebührenhöhe in § 10 Abs. 3 BGS-WAS und in § 10 Abs. 1 BGS-EWS/FES.
1. Dabei waren die Satzungen und die ihnen zugrunde liegenden Kalkulationen nur dahingehend zu überprüfen, ob ihm Rahmen der Gebührenkalkulation ein kalkulatorischer Zinssatz in Höhe von 4,5% angemessen ist. Bei der gerichtlichen Kontrolle von Abgabensatzungen ist es in der Regel sachgerecht i.S.d. § 86 Abs. 1 VwGO, die Kalkulation nur insoweit zu überprüfen, als substantiierte Einwände dagegen erhoben werden. Eine „ungefragte“ Fehlersuche ist regelmäßig nicht erforderlich und im Zweifel auch nicht sachgerecht (BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1/01 – BverwGE 116, 188 – juris Rn. 43 f.; BayVGH, B.v. 21.5.2012 – 4 ZB 10.423 – juris Rn. 7). Die vorliegende Klage richtet sich ausschließlich gegen die Höhe der kalkulatorischen Zinsen; sonstige Einwände gegen den Bescheid, die dem Bescheid zugrundeliegenden Satzungen oder die den Satzungen zu Grunde liegenden Gebührenkalkulationen wurden nicht vorgetragen.
2. Ein kalkulatorischer Zinssatz von 4,5% ist noch angemessen.
a) Dabei ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte – wie zuletzt unstreitig gestellt wurde – sowohl hinsichtlich der Kalkulation der Wasser- als auch der Abwassergebühren für die Jahre 2016 und 2017 von einem kalkulatorischen Zinssatz von 4,5% und nicht von 6,2% ausgegangen ist.
Der Beklagte hat einen beglaubigten Auszug aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Markgemeinderates vom 17. Dezember 2012 vorgelegt, wonach der Gemeinderat beschloss, bei künftig fälligen Gebührenkalkulationen den kalkulatorischen Zinssatz auf 4,5% festzusetzen. Des Weiteren hat er einen beglaubigten Auszug aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Marktgemeinderates vom 26. November 2015 vorgelegt, wonach der Beklagte die Kalkulation der Abwassergebühren für die Jahre 2016 bis 2018 beschloss. In Bezug auf die Kalkulation für das Jahr 2016 (sowie die Folgejahre) heißt es in der Kalkulation unter der Rubrik Zinsen: „gem. MGR vom 17.12.2012 4,5%“. Des Weiteren hat der Beklagte beglaubigte Auszüge aus den Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen des Marktgemeinderates vom 26. November 2015 und vom 24. November 2016 vorgelegt, wonach die Wassergebührenkalkulation für die Jahre 2016 bzw. für die Jahre 2017 bis 2019 beschlossen wurde. Eine Gebührenkalkulation für das Jahr 2016 erfolgte mithin schon im Jahr 2015 und nicht erst Ende des Jahres 2016. Auch in diesen vorgelegten Kalkulationen steht unter der Rubrik Zinsen: „gem. MGR vom 17.12.2012 4,5%“. Mithin ging der Beklagte in den streitgegenständlichen Zeiträumen stets von einem Zinssatz von 4,5% aus.
b) Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG soll das Gebührenaufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben decken. Zu den Kosten nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG gehören insbesondere angemessene Abschreibungen und eine angemessenes Verzinsung des Anlagekapitals (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG). Nach Art. 8 Abs. 3 Satz 3 KAG bleibt bei der Verzinsung des Anlagekapitals der durch Beiträge und ähnliche Entgelte sowie der aus Zuwendungen aufgebrachte Kapitalanteil außer Betracht; dies gilt für Zuwendungen nur insoweit, als es Zweck der Zuwendung ist, die Gebührenschuldner zu entlasten. Weitere Bestimmungen, insbesondere zur Zinshöhe, enthält das Kommunalabgabengesetz nicht.
Einen Anhaltspunkt für die Zinshöhe bietet auch § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KommHV-Kameralistik, wonach für Einrichtungen, die in der Regel aus Entgelten finanziert werden (kostenrechnende Einrichtungen), im Verwaltungshaushalt auch eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals zu veranschlagen ist. Nach VVKommHV Nr. 6 zu § 12 KommHV-Kameralistik soll sich der Zinssatz für die Verzinsung des Anlagekapitals an einem mehrjährigen Mittel der Kapitalmarktrenditen orientieren. Dabei wird der Begriff der Kapitalmarktrenditen nicht definiert. Die Regelungen der KommHV-Kameralistik und der VVKommHV regeln die Haushaltsführung derjenigen Kommunen, die ihre Haushaltswirtschaft weiterhin nach den Grundsätzen der Kameralistik führen und nicht zur doppelten kommunalen Buchführung (Doppik), die sich am kaufmännischen Rechnungswesen orientiert, übergegangen sind. Die Verordnung über das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der Gemeinden, der Landkreise und der Bezirke nach den Grundsätzen der doppelten kommunalen Buchführung (Kommunalhaushaltsverordnung-Doppik – KommHV-Doppik) vom 5. Oktober 2007 (GVBl. S. 678; BayRS 2023-3-I) enthält keine der KommHV-Kameralistik entsprechenden Regelungen zur Verzinsung des Anlagekapitals.
c) Welche Verzinsung angemessen ist, geben damit weder Art. 8 KAG noch das Haushaltsrecht punktgenau vor. Der Gemeinde steht vielmehr bei ihrer Entscheidung ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt zu prüfen ist (Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand April 2018, Teil 5, 54.00, 3., 3.5). Es kommen daher verschiedene Verzinsungsmethoden in Betracht. Insbesondere ist es auch möglich, einen auf längere Sicht beizubehaltenden Zinssatz zu wählen, der sich dementsprechend an langfristigen Prognosen zu orientieren hat (BayVGH, B.v. 5.5.2008 – 4 BV 07.614 – BayVBl. 2009, 247 – juris Rn. 10). Eine Verpflichtung, sich nur an aktuellen Zinsverhältnissen zu orientieren und daher ständig den Zinssatz nachzujustieren, besteht demgegenüber nicht (BayVGH, U.v. 22.9.2011 – 4 N 10.315 – KommunalPraxis Bayern 2011, 428 – juris Rn. 16; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil VI, Frage 4, 3.3 a.E.).
d) Entgegen dem Vorbringen des Klägers beinhaltet auch die VVKommHV Nr. 6 zu § 12 KommHV-Kameralistik keine diesbezügliche Einschränkung hin zu einer Kalkulation unter alleiniger Berücksichtigung der letzten drei bis vier Jahre. Zum einen handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift zur gemeindlichen Haushaltsplanung bei Gemeinden, die ihren Haushalt nach den Grundsätzen der Kameralistik führen. Damit richtet sich die Norm – anders als Art. 8 KAG – nicht an alle bayerischen Gemeinden. Zum anderen fallen unter den Begriff der „mehrjährigen Mittel“ auch langjährige Mittel, da das Wort „mehrjährig“ keine Einschränkungen bezüglich der Anzahl der einbezogenen Jahre enthält. Ausgeschlossen ist danach lediglich eine Kalkulation, die sich ausschließlich an einem einzigen Vorjahr orientiert. „Mehrjährig“ ist auch ein „langfristiges“ Mittel (vgl. Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand April 2018, Teil 5, 54.00, 3., 3.5). Weiterhin ist die Vorschrift auch insoweit offen gestaltet, als dass lediglich eine „Orientierung“ an den Kapitalmarktrenditen erfolgen „soll“.
e) Zweck und innere Rechtfertigung der über die Gebühren umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist die Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen Belastungen. Dies beruht letztlich auf dem Gedanken, dass das in der Anlage gebundene Eigenkapital der Gemeinde nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden und daher an anderer Stelle zu Lasten des allgemeinen Haushalts keine Zinserträge erwirtschaften oder Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen kann (BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 20 ZB 12.1158 – juris Rn. 7 m.w.N.). Das Anlagevermögen ist in der Wasserversorgungs- bzw. der Entwässerungsanlage langfristig gebunden. Dabei geht es nicht um eine Refinanzierung tatsächlich am Kapitalmarkt durch die Gemeinde aufgenommener Zinsen und es macht keinen Unterschied, ob es sich um Eigen- oder Fremdkapital handelt (Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand April 2018, Teil 5, 54.00, 3., 3.1; Schieder/Happ, KAG, Stand Juni 2016, Rn. 38 zu Art. 8). Daher ist eine Orientierung an den langfristigen Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen noch angemessen (BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 20 ZB 12.1158 – juris Rn. 7; VG München, U.v. 10.11.2016 – M 10 K 15.4549 – juris Rn. 70; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil VI, Frage 4, 3.3; Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, 3. Aufl., Rn. 39 zu Erl. Art. 8 KAG; a.A. Nitsche/Baumann/ Schwamberger, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, Stand: November 2017, Anm. 10 e) dd) zu Nr. 20.09).
Demgegenüber überzeugt die vom Kläger vorgetragene, im Geschäftsbericht 2003 des Kommunalen Prüfverbands auf S. 22 ff. vertretene Auffassung, die kalkulatorischen Zinsen hätten sich an den örtlichen Verhältnissen zu bemessen, namentlich für den jeweiligen Anteil des in der Einrichtung gebundenen Fremdkapitals nach dem durchschnittlichen Fremdkapitalzins unter Einbeziehung etwaiger Kredite mit ermäßigten Zinssätzen und für den jeweiligen Anteil des in der Einrichtung gebundenen Eigenkapitals nach der durchschnittlichen Rendite längerfristiger Geldanlagen, nicht. Zum einem widerspräche eine solche Verpflichtung dem Grundsatz, dass die Gemeinden auch im Hinblick auf Praktikabilität und Gebührenkontinuität den Zinssatz nicht ständig nachjustieren müssen, sondern einen langfristigen Zins festsetzen dürfen. Da die meisten Einrichtungen sowohl durch Fremd- als auch durch Eigenkapital finanziert werden und regelmäßig die Laufzeiten der Kredite kürzer sind als der Abschreibungszeitraum, führt dies dazu, dass während der Abschreibungszeiträume bei der Tilgung der Kredite sukzessive die Eigenkapitalfinanzierung zunimmt. Insofern wären bei einem derartigen Modell die Zinssätze kontinuierlich anzupassen, da sich die Gewichtung zwischen Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung nach und nach ändert. Eine Anpassung wäre zudem immer dann erforderlich, wenn die Gemeinde neue Kredite zu anderen Konditionen abschlösse. Des Weiteren ist eine Differenzierung nach der Finanzierung aus Eigen- und Fremdkapital nicht angezeigt. Für die Verzinsung ist es unerheblich, ob das Anlagekapital aus Eigen- oder Fremdkapital finanziert wurde (BVerwG, B. vom 19.9.1983 – 8 B 117/82 – NVwZ 1984, 239 – juris Rn. 5; VG München, U.v. 15.3.2012 – M 10 K 10.4493 – juris Rn. 83). Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG enthält keine dementsprechende Differenzierung. Auch fordert Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG lediglich eine „angemessene“ Verzinsung. Eine Orientierung an den aktuellen örtlichen Fremd- und Eigenkapitalzinsen unter stetiger Beachtung der jeweiligen Gewichtung zwischen dem in der Anlage gebundenen Fremd- und Eigenkapital liefe auf eine Pflicht zur punktgenauen Ermittlung der Zinshöhe hinaus und widerspräche dem in der Formulierung „angemessen“ zum Ausdruck gebrachten Beurteilungsspielraum der Gemeinden. Anstelle der konkreten Darlehenszinsen kann daher eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals gebührenerhöhend in Ansatz gebracht werden (BayVGH, U.v. 2.3.2000 – 4 N 99.68 – BayVBl 2000, 591 – juris Rn. 47 m.w.N.).
Dass sich der Beklagte für die Zinshöhe an den langfristigen Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen orientiert, ist folglich nicht zu beanstanden.
Dass sich der Beklagte tatsächlich an langfristigen Zinsentwicklungen orientiert, zeigt auch der Umstand, dass er seit Beginn der fortlaufenden Gebührenkalkulation in den Jahren 1999 und 2000 die Zinshöhe bisher erst einmal angepasst hat. Damit gibt der Beklagte zu erkennen, dass er sich nicht an kurzfristigen Zinsschwankungen orientiert.
Für die Gebührenerhebung für das Jahr 2016 kommt es mithin auf die Zinshöhe der langfristigen Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen im Jahr 2016 an. Nichts anderes gilt auch für die Vorauszahlung für das Jahr 2017, da sich zum Zeitpunkt der Erhebung der Vorauszahlung (24. Februar 2017) das Zinsniveau des Jahres 2017 noch nicht ermitteln ließ.
Der Durchschnitt der Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen lag in den letzten 30 Jahren seit 2015 bei 4,70%, für noch langfristigere Werte sogar noch höher (vgl. Gerichtsakte Bl. 42). Für das Jahr 2016 ergibt sich ein Durchschnittswert der letzten 30 Jahre von 4,67% (vgl. Umlaufrenditen nach Bundesbank, https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Geld_und_ Kapitalmaerkte/ Zinssaetze_und_Renditen/ Tabellen/tabellen_zeitreihenliste. html ?id=16076). Da sowohl Wasserversorgungs- als auch Entwässerungsanlagen zahlreiche Anlagegüter enthalten, die auf 30 Jahre und mehr abgeschrieben werden (vgl. Abschreibungssätze von bis zu 100 Jahren beispielsweise für Abwasserkanäle, Grundstücksanschlusskanäle, Straßenabläufe und massive Betriebsgebäude bei Nitsche/Baumann/Schwamberger, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, Stand: November 2017, Teil 6, Nr. 65.50), ist eine Orientierung an 30-jährigen und damit langfristigen Umlaufrenditen angemessen; eine noch langfristigere Orientierung ergäbe noch höhere Zinsdurchschnittswerte, sodass offen bleiben kann, ob auch eine Orientierung an 40-jährigen oder 50-jährigen Durchschnittswerten angemessen ist.
Ein Zinssatz von 4,5% ist damit auch während der aktuell andauernden Niedrigzinsphase noch angemessen (vgl. auch BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 20 ZB 12.1158 – juris Rn. 7: keine Absenkung auf 2,88% erforderlich; BayVGH, U.v. 22.9.2011 – 4 N 10.315 – KommunalPraxis Bayern 2011, 428 – juris Rn. 16: 4,5% angemessen; BayVGH, B.v. 5.5.2008 – 4 BV 07.614 – BayVBl. 2009, 247 – juris Rn. 10: 4,5% nicht rechtswidrig niedrig; VG München, U.v. 10.11.2016 – M 10 K 15.4549 – juris Rn. 69 f.: 5% angemessen; VG München, U.v. 25.7.2012 – M 10 K 11.984 – juris Rn. 72 ff.: 5,5% nicht in Frage gestellt; VG München, U.v. 15.3.2012 – M 10 K 10.4493 – juris Rn. 83: 4,7% nicht zu beanstanden; VG Leipzig, U.v. 3.7.2017 – 6 K 950/15, juris Rn. 14: 5% zulässig; VG Düsseldorf, U.v. 3.5.2017 – 5 K 7991/16 – juris Rn. 85 ff.: 6,59% rechtmäßig; VG Wiesbaden, U.v. 23.6.2016 – 1 K 1214/13.WI – juris Rn. 138, 95 ff: 4,85% angemessen; VG Aachen, U.v. 11.12.2015 – 7 K 243/15 – AbfallR 2016, 114 – juris Rn. 28 ff.: 6,5% nicht in rechtswidriger Weise zu hoch; VG Düsseldorf, U.v. 28.5.2014 – 5 K 828/14 – juris Rn. 114 ff.: 6,7% nicht überhöht).
f) Der Einwand des Klägers, eine Orientierung an langfristigen Zinsentwicklungen sei insbesondere dann problematisch, wenn die derzeitige Niedrigzinsphase noch zehn Jahre anhalte, es dann aber zu einer deutlichen Zinserhöhung käme, greift ebenfalls nicht durch. Zum einen sind derartige Prognosen der Zinsentwicklung rein spekulativ. Selbst wenn die derzeitige Niedrigzinsphase jedoch tatsächlich noch weitere Jahre anhalten sollte und es danach zu einer deutlichen Zinserhöhung käme, ist eine Orientierung an den langfristigen Umlaufrenditen gleichwohl angemessen. Sollte die Niedrigzinsphase noch weitere zehn Jahre anhalten, so würde sich auch der Gesamtdurchschnitt der Zinshöhe der letzten 30 Jahre langsam absenken. Sollte der Gesamtdurchschnitt – anders als derzeit – durch eine anhaltende Niedrigzinsphase deutlich und konstant auf unter 4,5% fallen, so könnte der Beklagte in diesem Fall mit einer Zinsanpassung reagieren. Sollte die Zinshöhe in den darauffolgenden Jahren dann wieder ansteigen und mit ihr – jedoch verlangsamt – der Gesamtdurchschnitt, so könnte der Beklagte auch darauf ggf. mit einer Zinsanpassung, die sich wie bisher an den langfristigen Umlaufrenditen orientiert, reagieren. Dass dabei das aktuelle Zinsniveau nicht immer demjenigen der langfristigen Umlaufrenditen entspricht, ist einer Orientierung an der langfristigen Zinsentwicklung wesensimmanent. Eine langfristige Orientierung soll die Gemeinde gerade von der steten, mitunter jährlichen Anpassung an die aktuelle Zinsentwicklung entlasten.
g) Auch der Einwand, eine Verzinsung des Anlagekapitals ohne Differenzierung nach der Finanzierung aus Eigen- oder Fremdkapital sei unzulässig, da dies steuerlich zu einem Gewinn und damit zu einer Körperschaftssteuerschuld führe, greift nicht durch. Ob das Anlagekapital aus Eigen- oder Fremdkapital finanziert wurde, ist unerheblich (s.o.). Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG enthält keine dementsprechende Differenzierung. Die Verzinsung ist ferner ausweislich des Wortlauts und des Sinn und Zwecks (s.o.) des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG aus gebührenrechtlicher Sicht kein Gewinn, sondern ein Kostenbestandteil, weswegen sie in allen Fällen, also auch soweit sie eine Eigenkapitalverzinsung enthält, über die Gebühr abgedeckt werden kann (Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, 3. Aufl., Rn. 39 a.E. zu Erl. Art. 8 KAG). Ob die Eigenbetriebe des Beklagten hingegen aus steuerrechtlicher oder handelsrechtlicher Sicht Gewinne erzielen, ist im vorliegenden gebührenrechtlichen Verfahren nicht von Bedeutung.
h) Des Weiteren ist es nicht erforderlich, dass sich der Beklagte zur Verhinderung einer „Zweiklassengesellschaft“ an die in anderen bayerischen und nichtbayerischen Gemeinden oder vom Bund festgesetzten Zinshöhen anpasst. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht, da der Gleichheitssatz nicht im Vergleich zu anderen Rechtsträgern anwendbar ist. Vielmehr ist die Satzungs- und Finanzhoheit der Gemeinden Kernbestandteil ihrer in Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 BV verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Eine Gemeinde ist daher grundsätzlich nicht gehalten, sich an das Satzungs- und Finanzkonzept anderer Gemeinden anzupassen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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