Arbeitsrecht

Berufsbetreuervergütung: Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse durch eine Facharbeiterausbildung zum Wirtschaftskaufmann in der ehemaligen DDR mit späterer Anerkennung als Industriekaufmann

Aktenzeichen  XII ZB 101/21

Datum:
15.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:151221BXIIZB101.21.0
Normen:
§ 4 Abs 1 S 2 Nr 1 VBVG vom 21.04.2005
§ 4 Abs 3 Nr 1 VBVG vom 27.07.2019
Spruchkörper:
12. Zivilsenat

Leitsatz

Die tatrichterliche Feststellung, dass eine 1989 in der ehemaligen DDR abgeschlossene Facharbeiterausbildung zum Wirtschaftskaufmann mit der Spezialisierungsrichtung Industrie mit späterer Anerkennung als Industriekaufmann keine besonderen, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Verfahrensgang

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 19. Januar 2021, Az: 19 T 176/20vorgehend AG Bernau, 24. August 2020, Az: 20 XVII 56/19

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 267 €

Gründe

1
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2
1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die vom Betreuer im Jahre 1989 in der ehemaligen DDR abgeschlossene Facharbeiterausbildung zum Wirtschaftskaufmann mit der Spezialisierungsrichtung Industrie mit Anerkennung als Industriekaufmann rechtfertige gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF einen erhöhten Stundensatz von 33,50 € bzw. eine erhöhte Fallpauschale nach der Vergütungstabelle B zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG.
3
Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 17. Juni 2020 – XII ZB 350/18 – FamRZ 2020, 1592 Rn. 16 mwN).
4
a) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Landgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen besonderer und für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse des Betreuers verneint.
5
Das Landgericht hat festgestellt, dass die vom Betreuer absolvierte Facharbeiterausbildung auf die Befähigung zur Wahrnehmung technisch-betriebswirtschaftlicher Aufgaben ausgerichtet war. Zudem sei sie auf Abläufe in der Industrie spezifiziert und konkret betrieblich ausgerichtet gewesen. Unter Würdigung des vom Betreuer vorgelegten Abschlusszeugnisses hat das Landgericht weiter festgestellt, dass die Ausbildung die Vermittlung von Kenntnissen in den Fächern Staatsbürgerkunde bzw. Marxismus/Leninismus, Betriebsökonomie/Sozialistisches Recht, Rechnungsführung/Statistik, Wirtschaftsmathematik, Spezielle Betriebsökonomie und Spezielle Rechnungsführung/Statistik sowie berufspraktischen Unterricht in den Fächern Betriebsorganisation, Arbeitskräfterechnung, Grundmittelrechnung, Beschaffung und Absatz und Finanzrechnung/Kostenrechnung zum Inhalt hatte. Die Auffassung des Landgerichts, dass es sich bei Fächern wie Marxismus-Leninismus, Wirtschaftsmathematik, Spezielle Betriebsökonomie, Spezielle Rechnungsführung/Spezielle Statistik nicht um betreuungsrelevante Fächer handele, hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Gleiches gilt für die Beurteilung des Landgerichts, dass Fachgebiete, welche betreuungsrelevantes Wissen beträfen, lediglich als unspezifischer Teilbereich der komplexen Ausbildung mitbehandelt worden seien, ohne dass – mangels besonderer Schwerpunktbildung mit Betreuungsrelevanz – davon ausgegangen werden könne, es seien dabei über ein bloßes Grundwissen deutlich hinausgehende Kenntnisse vermittelt worden. Aufgrund dieser Feststellungen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Rahmen der vorgenommenen Gesamtbetrachtung die nur in untergeordnetem Umfang betreuungsrelevanten Inhalte dieser Fächer als nicht zum Kernbereich der Ausbildung gehörend angesehen und die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse durch diese Ausbildung verneint hat (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 – XII ZB 558/14 – BtPrax 2015, 155 Rn. 5 f. und vom 22. August 2012 – XII ZB 319/11 – NJW-RR 2012, 1475 Rn. 15 ff.).
6
Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, es seien noch weitere tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, in welchem Umfang auch für die Betreuung nutzbare wirtschaftliche Kenntnisse Teil der Ausbildung des Betreuers waren, ergibt sich bereits aus den getroffenen Feststellungen des Landgerichts, dass die Prüfungsfächer allein schon nach deren Ausrichtung betreuungsrelevante Inhalte lediglich in untergeordnetem Umfang aufgewiesen haben.
7
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde vermag hieran auch die von der Senatsverwaltung in Berlin festgestellte Gleichwertigkeit der Facharbeiterausbildung mit der eines Industriekaufmanns nichts zu ändern. Denn unabhängig davon, ob die Ausbildung zum Industriekaufmann betreuungsrelevante Kenntnisse im Kernbereich vermittelt, ist im Rahmen der Festsetzung der Betreuervergütung stets eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vorzunehmen und in jedem Einzelfall der Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit festzustellen sowie in die Würdigung einzubeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind. Die vorzunehmende Prüfung beschränkt sich demnach ausschließlich auf den tatsächlichen Inhalt der vom Betreuer absolvierten Facharbeiterausbildung (vgl. auch Senatsbeschluss vom 22. August 2012 – XII ZB 319/11 – NJW-RR 2012, 1475 Rn. 15 ff.).
8
2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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