Aktenzeichen 7 Sa 238/21
BetrVG § 37 Abs. 2
BGB § 134
Leitsatz
Es verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG und führt zur Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung, wenn einem Betriebsratsvorsitzenden ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen wird, der ihm ohne diese Funktion nicht überlassen worden wäre und auch sonst kein sachlicher Grund dafür ersichtlich ist. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
4 Ca 74/21 2021-05-27 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 27.05.2021 – 4 Ca 74/21 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Berufung ist zulässig.
1. Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden hinsichtlich der Feststellungsklage, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung setzt sich auch hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes auseinander.
2. Soweit der Kläger auch in der Berufung den erstinstanzlichen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Firmen-PKW zur Verfügung zu stellen, weiterverfolgt, geht das Gericht wie auch schon die erste Instanz davon aus, dass das Ziel des Antrages die Überlassung eines Dienstwagens zu denselben Bedingungen wie beim vormals überlassenen Dienstwagen ist. Es geht dem Kläger insbesondere also um das Recht zur privaten Nutzung.
II. Die Berufung ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung aus der BV 2011, aus dem Arbeitsvertrag, dort Ziffer V.1. des Arbeitsvertrages vom 17.06.2016 oder der Dienstwagenüberlassungsvereinbarung vom 09.07.2018.
Das Erstgericht ist insoweit mit zutreffender Begründung zum zutreffenden Ergebnis gelangt.
Es ist keine kollektivrechtliche Anspruchsgrundlage ersichtlich. Das Erstgericht hat die Regelung in der BV 2011 mit der Zuteilung eines Dienstwagens für den Betriebsratsvorsitzenden bei Bedarf zutreffend nach § 78 Satz 2 BetrVG iVm § 134 BGB für nichtig und unwirksam erachtet. Dem widerspricht die Berufung auch nicht. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes dazu und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen führt das Gericht noch aus:
Es ist auch hier mit dem Erstgericht keine individualvertragliche Anspruchsgrundlage ersichtlich. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung nach dem Arbeitsvertrag vom 17.06.2016. Die Parteien haben in Ziffer V.1. dieses Arbeitsvertrages vereinbart, dass der Kläger einen Firmen-Pkw gemäß der aktuell gültigen Firmenrichtlinie unter Anerkennung der Bestimmungen der Dienstwagenüberlassung erhält. Sieht man darin mit dem Erstgericht keine konstitutive Vereinbarung der Überlassung eines Dienstwagens, so ergibt sich der geltend gemachte Anspruch unstreitig nicht aus der BV 2011. Diese ist insoweit nichtig, als sie den Betriebsvorsitzenden zum Kreis der Berechtigten macht. Sieht man mit dem Kläger darin eine konstitutive Vereinbarung der Überlassung eines Dienstwagens, so ist diese ebenfalls nichtig und unwirksam wegen Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG iVm § 134 BGB.
1. Nach § 78 Satz 2 BetrVG darf ein Mitglied des Betriebsrats wegen seiner Tätigkeit nicht benachteiligt und nicht begünstigt werden. Dies zielt darauf ab, die innere und äußere Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern zu wahren, BAG, Beschluss vom 29.08.2018 – 7 AZR 206/17 -, Rn. 33, zitiert nach juris. Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht.
2. Danach ist Ziffer V.1. des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Überlassung eines Dienstwagens nichtig. Der Kläger zählt unstreitig nicht zum Kreis der berechtigten Arbeitnehmer nach der BV 2011 mit den Mitarbeitern im Vertriebsaußendienst oder im Kundendienstteam. Er zählt auch nicht zu den Bereichsleitern. Er zählt auch auf Grund eigenen Wunsches nicht mehr zum Kreis der AT-Mitarbeiter, denen bei der Beklagten ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen ist. Für ihn kommt ein Anspruch auf Dienstwagenüberlassung deshalb nur in Betracht, wenn es dafür einen Grund gibt, der sich nicht aus seiner Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender ergibt.
Die BV 2008 sah noch keinen Anspruch des Betriebsratsvorsitzenden auf Dienstwagenüberlassung vor. Auch mit dem Wechsel des Klägers in den AT-Bereich im Jahr 2008 gelangte der Kläger nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten, also der Außendienstmitarbeiter im technischen oder kaufmännischen Bereich. Die Ergänzung der BV 2011 im Nachgang zum Wechsel des Klägers in den AT-Bereich erfolgte, wie auch der Kläger selbst vorträgt, um den status quo, also seine Dienstwagenberechtigung im betrieblichen Recht abzubilden. Dies führt notwendig dazu, dass es Sache des Klägers ist, den Grund für einen weiteren Anspruch auf Dienstwagenüberlassung über den Zeitpunkt der Rückkehr in den Tarifbereich darzulegen. Dieser Grund ist aus dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich geworden.
Der Kläger macht hier geltend, bei dem Wechsel in den AT-Bereich sei es mit dem Firmenwagen schon darum gegangen, ansonsten nicht durchsetzbare Gehaltserhöhungen zu realisieren. Bei der Rückkehr in den Tarifbereich sei es dann darum gegangen, keine monetären Einbußen hinnehmen zu müssen, die anders nicht zu vermeiden gewesen wären. Diese Argumentation zeigt, dass der Kläger mit dem Wechsel in den AT-Bereich eine Erhöhung seiner Bezüge durchsetzte, die gerade an diesem Wechsel hing und anders nicht darzustellen war. Mit dem Wechsel zurück in den Tarifbereich auf Wunsch des Klägers musste diese Gehaltserhöhung konsequenterweise wieder in Wegfall geraten. Dies gesteht der Kläger ebenfalls zu. Einen überzeugenden Grund dafür, dass dies unterblieb, kann er nicht benennen. Er verweist historisch auf die Tatsache, dass die Beklagte zur Vermeidung der Situation, nur die Fachkräfte zu bekommen, die die Großindustrie nicht nehme, bei der Vergütung etwas getan werden musste. Das Gehaltsniveau sei bei der Beklagten höher gegenüber Firmen im Norden der Bundesrepublik und auch höher gegenüber den anderen europäischen Unternehmen des Konzerns. Er verweist ferner darauf, dass es bei dem Wechsel in den AT-Bereich auch darum ging, den großen Aufbau von Überstunden beim ihm zu vermeiden. Das zweite Argument ist untauglich als Grund dafür, dass ihm bei der Rückkehr in den Tarifbereich der Dienstwagen belassen wurde. Schließlich hatte er mit der Rückkehr in den Tarifbereich keinen Vertrag mehr, bei dem mit dem Gehalt die etwaigen Überstunden abgegolten waren und er konnte für Mehrarbeit nach den betrieblichen Regelungen Freizeitausgleich oder Vergütung geltend machen. Auch das erste Argument ist untauglich, da nichts dafür von ihm vorgetragen wurde, dass auch andere gute Fachkräfte neben ihm bei der Beklagten außerhalb des Kreises der Berechtigten nach der BV 2011 Dienstwagenüberlassungsvereinbarungen mit der Beklagten abgeschlossen hätten und einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt bekommen hätten in dem hier maßgeblichen Zeitraum um 2016. Die Beklagte hat den Kreis der Nutzer eines Dienstwagens mit Recht zur privaten Nutzung benannt. Mitarbeiter, denen über die tariflichen Ansprüche hinaus ein solcher Dienstwagen zugesagt worden wäre als „Gewinnungsprämie“ im Wettbewerb mit der Großindustrie um „die besten Köpfe“ finden sich nicht darunter. Mitarbeiter, denen über die tariflichen Ansprüche hinaus ein Dienstwagen zugesagt worden wäre als „Halteprämie“ im Wettbewerb mit der Großindustrie um „die besten Köpfe“ finden sich nach Aktenlage ebenfalls nicht darunter.
3. Auch die Dienstwagenüberlassungsvereinbarung vom 09.07.2018 ist nach § 78 Satz 2 BetrVG iVm § 134 BGB insoweit nichtig, als sie dem Kläger konstitutiv einen Rechtsanspruch auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung verschaffen soll. Der Kläger macht für den maßgeblichen Zeitraum 2018 schon gar keinen Grund dafür geltend, dass er außerhalb des Kreises der Berechtigten im Unternehmen der Beklagten als einziger Mitarbeiter einen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung haben sollte. Der Überlassung liegt weiterhin, wie von der BV 2011 als Festschreibung des status quo gewollt, zugrunde, dass es sich bei dem Kläger um den langjährigen Betriebsvorsitzenden im Betrieb der Beklagten in Sc… handelt.
Die Berufung des Klägers hat daher keinen Erfolg.
III. Der Kläger trägt die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen nach § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ArbGG.