Arbeitsrecht

Bundespersonalvertretungsrecht, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Dienstpostenbesetzung, Antragsberechtigung einzelner Personalratsmitglieder (bejaht), Unwirksamkeit eines Beschlusses des Gesamtpersonalrats (verneint)

Aktenzeichen  M 14 PE 21.3325

Datum:
23.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26833
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPersVG: § 39 Abs. 1 S. 3, § 108 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Gegenstandswert wird auf 2500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines vom Gesamtpersonalrat (GPR) beim … … … … … gefassten Beschlusses zur Verweigerung der Zustimmung zu einer Dienstpostenbesetzung.
Im März 2021 wurde der Dienstposten der Sachgebietsleitung 3.1.5.a am Standort J … des … hausintern zur Besetzung ausgeschrieben. Die Stellenausschreibung erfolgte mit der Wertigkeit A13 und einem Funktionsvorbehalt, nach dem der Arbeitsplatz mit einer Beamtin/einem Beamten zu besetzen sei und Bewerbungen von Tarifbeschäftigten erst Berücksichtigung finden könnten, wenn sich keine geeignete Beamtin/kein geeigneter Beamter finde. Die Personalabteilung des … entschied sich für die Besetzung des Dienstpostens mit dem Regierungsinspektor Andy B., der sich als Einziger auf die Ausschreibung beworben hatte. Der GPR wurde mit Vorlage vom 7. April 2021, ergänzt durch eine Stellungnahme vom 31. Mai 2021, um Zustimmung zur Personalauswahl nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG; hier a.F.) gebeten. Mit E-Mail vom 6. Mai 2021 sicherte die Personalverwaltung dem GPR zu, dass sie sich nicht auf einen ergebnislosen Fristablauf und eine damit eintretende Zustimmungsfiktion berufen werde.
Der GPR beim … besteht derzeit aus zehn Beamten und fünf Tarifbeschäftigten. Die Antragsteller zu 1), 2), 4) und 5) sind Mitglieder des GPR in der Gruppe der Beamten, der Antragsteller zu 3) ist dort das erste Ersatzmitglied aus der Liste des Verbands der Beschäftigten des gewerblichen Rechtsschutzes (VBGR).
Am 23. Juni 2021 fand zwischen 9:30 und 15:00 Uhr eine Sitzung des GPR im Haupthaus des … in M … statt, bei der der Antragsteller zu 3) das verhinderte ordentliche Mitglied M. vertrat. Der Tagesordnungspunkt 5.2.1 dieser Sitzung lautete „Gehobener Dienst, Besetzung des Arbeitsplatzes der Sachgebietsleitung 3.1.5.a“ und betraf die Besetzung des Dienstpostens des Leiters des Sachgebiets 3.1.5.a am Standort J … des … Über die Vorlage, Herrn B. den Dienstposten zu übertragen, wurde in der Gruppe der Beamten abgestimmt. Zunächst (Teil 1) erfolgt eine Abstimmung über den Antrag auf Zustimmung zu der geplanten Stellenbesetzung. Von den zehn Mitgliedern der Gruppe der Beamten stimmten fünf – alle Antragsteller – gegen die Vorlage, die anderen fünf Mitglieder dafür, was zur Stimmengleichheit (5:5) führte. Bei einer weiteren Abstimmung (Teil 2), die die Verweigerung der Zustimmung und ihre Begründung nach § 78 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 BPersVG zum Inhalt hatte, ergab sich in der Gruppe der Beamten ebenfalls ein Gleichstand der Stimmen (5:5).
Der Antragsteller stellten am 23. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht M … einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und beantragen,
1. dem … zu untersagen, aufgrund der fehlenden Begründung der Ablehnung des GPR die Stelle eines Sachgebietsleiters in J … (Sachgebiet 3.1.5a) zu besetzen
2. den GPR zu verpflichten, eine Begründung der ablehnenden Mitglieder der Gruppe der Beamten zu der Ablehnung mitzusenden.
Sie führen zur Begründung aus, der Abstimmung über die Zustimmung zur Stellenbesetzung sei eine weitere Abstimmung über die Begründung der Ablehnung gefolgt, bei der es erneut zur Stimmengleichheit gekommen sei. Der Beamtensprecher habe danach angekündigt, dem … mitzuteilen, dass die Vorlage zur Besetzung der Sachgebietsleitung 3.1.5.a keine Mehrheit gefunden habe und es für ein Ablehnungsschreiben an das … keine Begründung des GPR geben werde. Ohne Begründung sei eine Ablehnung einer Vorlage aber ohne Wirkung und das … könne die Vorlage umsetzen.
Der Antrag an das Verwaltungsgericht sei gestellt worden, um dies zu verhindern, weil bei Ernennung des Beamten zum Sachgebietsleiter das Rechtsschutzbedürfnis verloren ginge.
Die Antragsteller hätten gegen die Vorlage gestimmt, weil es sich ihrer Meinung nach um einen Fall des § 78 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 BPersVG gehandelt habe. Die Maßnahme verstoße gegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 25.11.2011 – 2 BvR 2305/11). Durch den Funktionsvorbehalt im Ausschreibungstext seien die Tarifbeschäftigten von einer Bewerbung abgehalten worden. Infolgedessen seien diese benachteiligt worden, ohne dass dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sei. Gegen die Stellenbesetzung spreche ferner, dass der zum Zug kommende Beamte dienstlicher Vorgesetzter seiner Ehefrau würde. Die vom … geplante Vorgehensweise, dass der Beamte für dienstliche Beurteilungen seiner Ehefrau nicht zuständig sein solle, könne die Problematik nicht ausräumen, weil die Funktion des dienstlichen Vorgesetzten nicht auf die Abfassung einer dienstlichen Beurteilung beschränkt sei.
Die zweifache Abstimmung über eine Vorlage der Amtsleitung werde für rechtswidrig gehalten. Ein Beschluss über die der Dienststelle mitzuteilenden Zustimmungsverweigerungsgründe sei nicht zu fassen, schon gar nicht mit einem höheren Quorum als im BPersVG vorgesehen. Die Verweigerung einer Zustimmung zu einer Vorlage der Amtsleitung müsse nach § 78 Abs. 5 BPersVG zusammen mit den diese tragenden Gründen erfolgen. Das Vorgehen des Vorstands des Gesamtpersonalrats sei rechtswidrig gewesen und führe dazu, dass bei Stimmengleichheit eine Vorlage der Dienststelle mangels Begründung entgegen der Bestimmung des § 39 Abs. 1 Satz 3 BPersVG nicht mehr abgelehnt werden könne. Die Abfassung des Schreibens zur Zustimmungsverweigerung mit Gründen hätte durch den Beamtensprecher erfolgen müssen, der sich die Position der Mitglieder des Personalrats, deren Abstimmungsverhalten zur Zustimmungsverweigerung geführt habe, zu eigen hätte machen müssen.
Die Beteiligte zu 1) stellt keinen Antrag. Sie trägt vor, es sei zutreffend, dass bis zuletzt im Organisations- und Dienstpostenplan des … kein Hinweis auf das Vorliegen eines Funktionsvorbehalts vorhanden gewesen sei. Die dortige Darstellung entfalte jedoch keine konstitutive Wirkung. Eine aktuelle Überprüfung durch das Organisationsreferat habe bestätigt, dass der Dienstposten einem Funktionsvorbehalt unterliege und der Hinweis in der Ausschreibung inhaltlich korrekt gewesen sei.
Der Beteiligte zu 2) beantragt,
die Zurückweisung des Antrags ohne vorherige Anhörung vor der Kammer.
Er führt aus, die VwGO sei nicht anwendbar, der Antrag nach § 123 VwGO daher unstatthaft. Die Antragsteller seien zudem nicht antragsbefugt, was sich aus einer Parallelität zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (B.v. 7.6.2016 – 1 ABR 30/14 – juris Rn. 16) ergebe. Erhalte die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme keine ausreichende Mehrheit, führe die dies nicht automatisch zu der nach § 78 Abs. 5 BPersV geforderten Mehrheit für die Zustimmungsverweigerung. Ein „Ja“ zur Zustimmungsverweigerung hätte vielmehr einer Stimmenmehrheit bedurft. Eine Glaubhaftmachung von Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch liege offensichtlich nicht vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vom … vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1. Die von den Antragstellern gestellten Anträge auf vorläufige Maßnahmen nach § 123 Abs. 1 VwGO sind im Personalvertretungsrecht nicht statthaft. Die Anträge sind vielmehr als im Personalvertretungsrecht allein statthafte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 106 Abs. 2 BPersVG (in der Fassung v. 15.6.2021) i.V.m. § 85 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und § 935 Zivilprozessordnung (ZPO) auszulegen. Auch in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten besteht Raum für vorläufigen Rechtsschutz im Wege einstweiliger Verfügungen. Allerdings ergeben sich aus der besonderen Natur des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens Einschränkungen, die dazu führen, dass die von den Antragstellern gestellten Anträge keinen möglichen Verfahrensgegenstand darstellen, sondern vielmehr auszulegen sind. Das Personalvertretungsrecht wird wesentlich durch die Regelung des Ablaufs verwaltungsinterner Entscheidungsverfahren gekennzeichnet, die die Beschäftigten in der Dienststelle betreffen. Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist die Maßnahme selbst, d.h. ihre Durchführung, Unterlassung oder Rückgängigmachung, und auch die Überprüfung rechtlicher Folgen, die eine unterlassene Beteiligung für die Rechtmäßigkeit oder Rechtsbeständigkeit der Maßnahme hat, kein möglicher Verfahrensgegenstand. Ein Mehr als in der Hauptsache möglich wäre, kann auch im Wege einer einstweiligen Verfügung nicht an Rechtsschutz gewährt werden. Ausgehend davon, dass es sich bei personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten um innerorganisatorische Streitigkeiten handelt, scheidet auch die zwangsweise Durchsetzung von Rechten aus (BVerwG, B.v. 15.3.1995 – 6 P 28.93 – juris Rn. 23; OVG des Saarlandes, B.v. 11.8.2015 – 5 B 131.15 – juris Ls. d und Rn. 37 ff. m.w.N.).
Die Anträge der rechtsanwaltlich nicht vertretenen Antragsteller sind daher dahin auszulegen, dass sie im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses des Gesamtpersonalrats vom 23. Juni 2021 zum Tagesordnungspunkt 5.2.1, Teil 2 begehren. Auch wenn mit dem so ausgelegten Antrag nicht die Untersagung der Dienstpostenbesetzung verbunden ist, bestünde bei stattgebender gerichtlicher Entscheidung eine objektiv-rechtliche Verpflichtung der Beteiligten zu 2) zur Unterlassung oder Rückgängigmachung einer Stellenbesetzung (Rehak in Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., BPersVG, 85. Update 07/2021, § 83 a.F. Rn. 52).
2. Für den Antrag auf einstweilige Verfügung ist das Verwaltungsgericht M …, Fachkammer für Personalvertretungsrecht des Bundes, zuständig, obwohl es um eine Dienstpostenbesetzung in der Dienststelle J … des … geht. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 108 Abs. 1 Nr. 3, § 109 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, die örtliche aus § 108 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Nach der letztgenannten Vorschrift ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat. Der Hauptsitz des … ist in M … (vgl. den Internetauftritt des …, dort den Abschnitt „Wir über uns“).
3. Wegen der Dringlichkeit, die die Einberufung der ehrenamtlichen Richter nicht zulässt, kann die Vorsitzende über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung alleine und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 108 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG und § 937 Abs. 2, § 944 ZPO). Die Dringlichkeit der Angelegenheit ergibt sich daraus, dass dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde, nachdem die streitgegenständliche Dienstpostenbesetzung endgültig vollzogen ist. Eine lediglich befristete Übertragung des Dienstpostens oder eine Rückgängigmachung der Stellenbesetzung dürfte erheblichen beamtenrechtlichen Problemen begegnen.
4. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses des Gesamtpersonalrats vom 23. Juni 2021 zum Tagesordnungspunkt 5.2.1, Teil 2 hat keinen Erfolg.
4.1. Der Antrag ist zwar zulässig.
4.1.1. Die Antragsberechtigung der Antragsteller ist zu bejahen. Sämtliche Antragsteller haben ein berechtigtes Interesse an der Überprüfung des streitgegenständlichen Beschlusses des GPR. Alle Mitglieder des GPR, auch Ersatzmitglieder, soweit sie an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben, sind zur Abwehr rechtswidriger Beschlüsse des Plenums als Antragsteller im Beschlussverfahren legitimiert. Aufgrund der ihnen obliegenden Pflichten sind sie für das gesetzmäßige Handeln ihrer Personalvertretung mitverantwortlich. Unter diesem Blickwinkel sind sie berechtigt, zur Nachprüfung der Gesetzmäßigkeit eines Beschlusses ein gerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten (ganz h.M., vgl. BVerwG, B.v. 16.9.1977 – VII P 10.75 – juris Ls. 3 und Rn. 43 f.; BayVGH, B.v. 4.2.2004 – 18 P 03.692 – juris Rn. 17 ff.; Ramm in Lorenzen/Gerhold/ Schlatmann u.a., BPersVG, 85. Update 07/2021, § 83 a.F. Rn. 27). Eine Parallele zum Betriebsverfassungsrecht lässt sich entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) in diesem Punkt nicht ziehen.
4.1.2. Der Antrag ist auch von einem Rechtsschutzbedürfnis getragen. Die streitgegenständliche Dienstpostenbesetzung ist noch nicht vollzogen und könnte daher zum jetzigen Zeitpunkt noch verhindert werden.
4.2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach den gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend anwendbaren Vorschriften des Achten Buchs der ZPO kann eine einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), oder wenn die Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 940 ZPO). Die Gefährdung des Rechts bzw. die Notwendigkeit einer Regelung, d.h. der Verfügungsgrund, und der Verfügungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO). Darüber hinaus darf die einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als im Hauptsacheverfahren möglich ist und die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Allerdings kann es die Effektivität des Rechtsschutzes ausnahmsweise erfordern, durch eine einstweilige Verfügung der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, sofern wirksamer Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht erreichbar ist und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde, insbesondere wenn die Versagung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu einem endgültigen Rechtsverlust oder einem sonstigen irreparablen Zustand führt. Dabei sind strenge Anforderungen an die materiellen Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung zu stellen; der Antrag kann grundsätzlich nur dann Erfolg haben, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich erfolgreich wäre (BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 18 PC 20.2421 – juris Rn. 8).
Eine offensichtliche Begründetheit des Hauptsacherechtsbehelfs liegt hier nicht vor. Der in der Sitzung des GPR vom 23. Juni 2021 unter dem Tagesordnungspunkt 5.2.1., Teil 2 gefasste Beschluss ist nicht unwirksam.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind von einer Personalvertretung gefasste Beschlüsse in Anlehnung an die in den Regelungen der § 43 Abs. 3 und § 44 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze (nur dann) nichtig und damit unwirksam, wenn sie an einem schwerwiegenden Fehler leiden, der offenkundig ist. Nichtigkeit kann bei Beschlüssen der Personalvertretungen dann angenommen werden, wenn sie bei Berücksichtigung der Aufzählungen in § 44 Abs. 2 und 3 VwVfG, die insoweit Anhaltspunkte bieten, unter einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist. Ein Fehler ist besonders schwerwiegend im Sinn von § 44 Abs. 1 VwVfG zugrundeliegenden allgemeinen Grundsatzes, wenn er ein Handeln als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, das Handeln als verbindlich anzuerkennen. „Offenkundig“ ist die schwere Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung nur dann, wenn sie für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne Weiteres ersichtlich ist (BVerwG, B.v. 15.5.2020 – 5 P 5.19 – juris Rn. 9; B.v. 5.5.2020 – 5 P 3.19 – juris Rn. 13; Ramm in Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., BPersVG, 85. Update 07/2021, § 83 a.F. Rn. 30 f.).
Hiervon ausgehend ist der vom GPR in der Sitzung vom 23. Juni 2021 unter Tagesordnungspunkt 5.2.1, Teil 2 gefasste Beschluss weder hinsichtlich der zweifachen Beschlussfassung (4.2.1.) noch hinsichtlich der Dienstpostenbesetzung selbst (4.2.2.) unwirksam.
4.2.1. Die zweifache Beschlussfassung, einmal mit der Frage, ob die Zustimmung zu der Dienstpostenbesetzung erteilt, zum anderen mit der Frage, ob die Zustimmung hierzu verweigert und der Dienststelle die Begründung der die Zustimmung ablehnenden Mitglieder des GPR mitgeteilt wird, war zwar rechtswidrig, im Hinblick auf Teil 2 des Beschlusses aber nicht nichtig. Wird im Personalrat der Antrag der Dienststelle auf Zustimmung zu einer Maßnahme zur Abstimmung gestellt, ist hierüber abzustimmen. Im Fall der Stimmengleichheit gilt der Antrag auf Zustimmung nach § 39 Abs. 1 Satz 3 BPersVG als abgelehnt. Diese Ablehnung der Zustimmung stellt eine Zustimmungsverweigerung dar. Die Gründe hierfür hat der Personalrat der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle nach § 81 Abs. 2 Satz 3 BPersVG mitzuteilen. Die schriftliche Mitteilung der Entscheidung des Personalrats ist dabei Aufgabe des Vorsitzenden, die er in Gruppenangelegenheiten, wenn er nicht selbst dieser Gruppe angehört, gemeinsam mit einem der Gruppe angehörenden Vorstandsmitglied wahrnimmt. Dieses Procedere ist ausdrücklich in § 35 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BPersVG geregelt (vgl. auch Rehak in Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., BPersVG, 85. Update 07/2021, § 77 a.F. Rn. 57). Im Fall der Ablehnung der Zustimmung sind die wesentlichen Gründe anzugeben, die hierfür ausschlaggebend waren (vgl. VG Berlin, B.v. 17.7.1989 – VG FK (Bln) – A – 33.88 – Der Personalrat 1990, 187 f.). Die wesentlichen Gründe ergeben sich im vorliegenden Fall aus den von den Antragstellern im Vorfeld an den Vorstand des GPR übermittelten Schreiben.
Da bereits die Ablehnung der Zustimmung eine Zustimmungsverweigerung darstellt, bedarf es – anders als der Beteiligte zu 2) meint – nicht nochmals einer eigenen Beschlussfassung über die Zustimmungsverweigerung (vgl. VG Berlin, B.v. 17.7.1989 – VG FK (Bln) – A – 33.88 – Der Personalrat 1990, 187 f.). Wären stets zwei Beschlüsse zu fassen, einmal über die Erteilung der Zustimmung, einmal über deren Verweigerung und die diesbezügliche Begründung, führte dies dazu, dass im Fall der Stimmengleichheit – wie hier – eine Ablehnung der Zustimmung im Endergebnis nicht durchsetzbar wäre und keinen Erfolg hätte, weil der Antrag auf Verweigerung der Zustimmung infolge der Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 3 BPersVG als abgelehnt gelten würde.
Die rechtswidrige doppelte Beschlussfassung ist aber nicht nichtig und damit nicht unwirksam. Zwar stellt der Umstand der doppelten Beschlussfassung einen schwerwiegenden Fehler dar, weil damit im Fall der Stimmengleichheit die Rechte einzelner Personalratsmitglieder vereitelt werden. Der Fehler war jedoch im Zeitpunkt der Beschlussfassung ebenso wenig offenkundig wie jetzt. Er ist für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter nicht ohne weiteres klar erkennbar im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht stellt für die Frage der Erkennbarkeit insbesondere darauf ab, ob eine eindeutige Rechtsprechung zu der jeweiligen Frage existiert (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2020 – 5 P 3.19 – juris Rn. 27). Dies ist hier nicht der Fall. Rechtsprechung und Literatur haben die Frage der doppelten Beschlussfassung zur Ablehnung der Zustimmung einerseits und zu ihrer Verweigerung andererseits sowie der Konsequenzen der Regelung des § 39 Abs. 1 Satz 3 BPersVG bisher – soweit ersichtlich – kaum behandelt. Die Folgen dieses Vorgehens drängen sich zudem nicht auf, sondern erschließen sich erst bei eingehender Überlegung und sind nicht offenkundig.
4.2.2. Die Unwirksamkeit des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 5.2.1, Teil 2 ergibt sich auch nicht aus der getroffenen Personalentscheidung selbst. Zwar war im Organisations- und Dienstpostenplan des … kein Hinweis auf einen Funktionsvorbehalt enthalten. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beteiligten zu 1) unterliegt der inmitten stehende Dienstposten jedoch aus sachlichen Gründen einem Funktionsvorbehalt, sodass der Hinweis in der Ausschreibung inhaltlich korrekt war.
Auch der Umstand, dass der auserwählte Bewerber künftig Dienstvorgesetzter seiner Ehefrau sein wird, führt nicht zur Unwirksamkeit des im GPR gefassten Beschlusses. Ungeachtet der Fragen, ob dieser Umstand überhaupt auf den Beschluss durchschlägt und überdies einen schwerwiegenden Fehler begründet, wäre ein solcher jedenfalls nicht offensichtlich.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.
Der Gegenstandswert für das vorliegende Verfahren war wegen der Einschaltung einer Rechtsanwaltskanzlei durch den Beteiligten zu 2) festzusetzen. Er richtet sich hier mangels einschlägiger spezieller Bewertungsvorschriften und sonstiger Anhaltspunkte nach billigem Ermessen und liegt zwischen 5.000 und 500.000 € (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG). Billigem Ermessen entspricht es, den Gegenstandswert in Hauptsachen unter Rückgriff auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5.000 € festzusetzen, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Gegenstandswerts keine weiteren Anhaltspunkte enthält. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist der jeweilige Betrag um die Hälfte zu kürzen.


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