Arbeitsrecht

Diskriminierung wegen Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsverfahren

Aktenzeichen  1 Ca 204/18

Datum:
4.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53720
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Rosenheim
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
AGG § 6 Abs. 1 S. 2, § 15, § 22
SGB IX a.F. § 82 S. 2

 

Leitsatz

1. Der öffentliche Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch beim schwerbehinderten Arbeitnehmer durchzuführen, soweit der Bewerber nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist (BAG 12.09.2006 9 AZR 807/05 AP SGB IX § 81 Nr. 13; BAG 18.11.2008 9 AZR 643/07 AP SGB IX § 81 Nr. 16; BAG 11.08.2016 8 AZR 375/15 AP SGB IX, § 82 Nr. 2). Die fehlende Einladung zu dem Vorstellungsgespräch begründet bereits die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung (BAG 12.02.2005 9 AZR 635/03 AP SGB IX § 81 Nr. 7; BAG 18.11.2008 9 AZR 643/07 AP SGB IX § 81 Nr. 16; weitere Nachweise bei Neumann/Pahlen/Winkler, Sozialgesetzbuch IX – Rehabilitation und Teilnahme behinderter Menschen, 13. Aufl. § 165 SGB IX Rn. 5). (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Pflicht zur Durchführung eines Vorstellungsgesprächs mit dem schwerbehinderten Bewerber kann allerdings dann nicht bestehen, wenn die Mitteilung über die Schwerbehinderteneigenschaft  eindeutig zu spät erfolgt ist. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 24.875,48 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Klage ist zulässig; das Arbeitsgericht Rosenheim – … – ist zur Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG zuständig, weil es sich beim streitgegenständlichen Anspruch um einen Schadenersatzanspruch gemäß einer vom Kläger behaupteten Diskriminierung wegen Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsverfahren handelt, so dass die Rechtswegzuständigkeit gegeben ist. Als Arbeitnehmer gelten auch Stellenbewerber, weswegen die Norm des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG einschlägig ist. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 48 Abs. 1 a ArbGG, da sich die Stelle, auf die sich der Kläger beworben hat, in der Stadt … befand und demzufolge die örtliche Zuständigkeit gegeben ist.
2. Der Kläger hat die Schadenersatzklage innerhalb der Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG erhoben.
3. Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass zum einen unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls die Beklagte nicht verpflichtet war, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, weil der Kläger im Ergebnis die Schwerbehinderteneigenschaft verspätet mitgeteilt hat. In einer derartigen Situation kann eine Verletzung von § 82 S. 2 SGB IX (alte Fassung) nicht angenommen werden. Fernerhin ist darauf zu verweisen, dass auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruches nicht gegeben sind, weil der Kläger die Anforderungskriterien der ausgeschriebenen Stelle nicht erfüllt hat. Daher konnte die streitgegenständliche Klage keinen Erfolg haben.
II.
1. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers kann im streitgegenständlichen Rechtsstreit nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte der Pflicht des § 82 S. 1 SGB IX – in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung, da die streitgegenständlichen Vorfälle der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2017 sich ereignet haben, ist die bisherige Fassung anwendbar – nicht davon ausgegangen werden, dass eine Pflichtverletzung in diesem Sinne vorliegt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der öffentliche Arbeitgeber, somit auch die Beklagte, verpflichtet ist, die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch beim schwerbehinderten Arbeitnehmer durchzuführen, soweit der Bewerber nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist (BAG 12.09.2006 9 AZR 807/05 AP SGB IX § 81 Nr. 13; BAG 18.11.2008 9 AZR 643/07 AP SGB IX § 81 Nr. 16; BAG 11.08.2016 8 AZR 375/15 AP SGB IX, § 82 Nr. 2). Das Vorstellungsgespräch ist Pflicht für die personalverwaltende Dienststelle und betrifft alle Bewerber oder von der Bundesagentur für Arbeit vorgeschlagene Personen. Selbst wenn sich von vorneherein beim Entscheidungsträger über die Einstellung die Meinung bilden sollte, ein Bewerber sei so gut geeignet, dass andere schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl einbezogen werden sollten, müssen erst alle Bewerber und Vorgeschlagenen geladen und ihnen ein Vorstellungsgespräch gewährt werden, soweit es sich um schwerbehinderte Bewerber handeln sollte. Die fehlende Einladung zu dem Vorstellungsgespräch begründet bereits die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung (BAG 12.02.2005 9 AZR 635/03 AP SGB IX § 81 Nr. 7; BAG 18.11.2008 9 AZR 643/07 AP SGB IX § 81 Nr. 16; weitere Nachweise bei Neumann/Pahlen/Winkler, Sozialgesetzbuch IX – Rehabilitation und Teilnahme behinderter Menschen, 13. Aufl. § 165 SGB IX Rn. 5). Bewerber in diesem Zusammenhang ist dabei jeder, der eine Bewerbung eingereicht hat, ohne dass es auf die eventuelle Einreichung prüffähiger Unterlagen ankommen würde (BAG 11.08.2016 8 AZR 375/15 AP SGB IX, § 82 Nr. 2 Rn. 32 f).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 19.05.2016 8 AZR 470/14) ist davon auszugehen, dass die objektive Eignung des Bewerbers oder der Bewerberin kein Kriterium der vergleichbaren Situation oder der vergleichbaren Lage im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG ist und deshalb nicht Voraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG gemacht werden kann. Die Bestimmung des § 22 AGG sieht für den Rechtschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang die Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die Klagepartei Indizien im Beweis, die eine Benachteiligung wegen eines im § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei – hier die Beklagte – die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Der Kläger hat sich im streitgegenständlichen Rechtsstreit darauf berufen, dass er zwar mit seiner zunächst eingereichten Bewerbung nicht auf die Schwerbehinderteneigenschaft verwiesen habe, diese dann allerdings im Verlauf des Verfahrens – mithin am 21.11.2017 – nachgereicht habe, was letztendlich dazu geführt hätte, dass die Beklagte trotz des fortgeschrittenen Bewerbungsverfahrens verpflichtet gewesen wäre, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, unabhängig von der Frage, ob er die Anforderungen hinsichtlich der ausgeschriebenen Stelle voll erfüllt hätte oder ob möglicherweise irgendwelche Zweifel daran bestanden hätten, denn durch die Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch wäre ihm die Möglichkeit genommen worden, seine fachlichen Fähigkeiten im Rahmen des Bewerbungsgesprächs darzulegen.
3. Im streitgegenständlichen Rechtsstreit besteht die Besonderheit, die § 82 S. 2 SGB IX (alte Fassung) nicht geregelt hat, und zwar dahingehend, dass der Kläger mit der Einreichung der Bewerbungsunterlagen zwar alle üblicherweise vorzulegenden Kriterien erfüllt hat, die für die ausgeschriebene Stelle von Interesse waren, vom Lebenslauf bis zur von ihm vorgetragenen persönlichen Eignung, die Schwerbehinderteneigenschaft hat er allerdings erst per E-Mail am 21.11.2017 der Beklagten zugeleitet. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kann davon ausgegangen werden, dass bei dieser Mail, unabhängig von der Frage, ob der Kläger ihr als Anhang eine Kopie des Schwerbehindertenausweises übermittelt hat oder lediglich auf den Status als Schwerbehinderter hingewiesen hat, davon auszugehen ist, dass in diesem E-Mail ordnungsgemäß über das Bestehen der Schwerbehinderteneigenschaft unterrichtet wurde. Dass der Kläger hier vom Grad der Behinderung gesprochen hat, der früheren Bezeichnung des Schwerbehindertenstatus, ist unschädlich, weil auch dieser Begriff für die Arbeitgeberseite eine ausreichende Wissensgrundlage darstellte, dass es sich beim Kläger um einen schwerbehinderten Bewerber gehandelt hat. Damit waren zwar die formellen Voraussetzungen seitens des Klägers in Bezug auf den Hinweis auf die bei ihm bestehende Schwerbehinderteneigenschaft gegeben, die Pflicht zur Durchführung eines Vorstellungsgesprächs mit dem Kläger kann allerdings nach Auffassung des erkennenden Gerichts bereits deshalb nicht bestehen, weil diese Mitteilung eindeutig zu spät erfolgt ist.
4. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass regelmäßig bei Bewerbung von schwer-behinderten Personen die Schwerbehinderteneigenschaft entweder ausdrücklich in der Bewerbung erwähnt wird, damit der öffentliche Arbeitgeber das Bewusstsein dafür schärfen kann, die Person müsse zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden oder, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft – aus welchen Gründen auch immer – sich nicht aus dem Lebenslauf in dem Sinne ergibt, dass tabellarisch mitgeteilt wird, ab welchem Zeitpunkt eine Schwerbehinderteneigenschaft behördlich anerkannt wurde oder aus dem Anschreiben bei der Bewerbung oder den sonst vorgelegten Unterlagen, beispielsweise durch Kopie des Schwerbehindertenausweises, keinerlei Indizien hierfür in den Bewerbungsunterlagen vorhanden sein sollten, ist darauf abzustellen, dass dann, wenn der Bewerber im öffentlichen Dienstrecht auf jeden Fall zum Vorstellungsgespräch geladen werden müsste, er die bisher fehlende Schwerbehinderteneigenschaft unverzüglich nachzureichen hat. Zwar ist diese Obliegenheit zur Nachreichung nicht gesetzestechnisch geregelt worden, sie ergibt sich allerdings nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus dem Gesamtzusammenhang.
a) Solange der oder die schwerbehinderte Bewerber/in den Status nicht mitgeteilt hat, kann die öffentliche Dienststelle, von Ausnahmesituationen einmal abgesehen, wenn möglicherweise die Schwerbehinderteneigenschaft den Entscheidungsgremien aufgrund vergangener Kontakte bekannt sein sollte, nicht davon ausgegangen werden, dass hier die Dienststelle oder das Gremium, welches die Auswahl durchführt, wissen könnte, dass eine Schwerbehinderteneigenschaft vorliegt. Wenn die Schwerbehinderteneigenschaft einer Bewerberin oder eines Bewerbers unverzüglich nach Eingang der Bewerbungsunterlagen nachgereicht wird, besteht keinerlei Grund dahingehend, dass von der Bestimmung des § 84 S. 2 SGB IX (alte Fassung) abgewichen werden sollte. Im streitgegenständlichen Rechtsstreit besteht allerdings die Besonderheit, dass der Kläger erhebliche Zeit nach Eingang der Bewerbungsunterlagen – mithin erst am 21.11.2017 – die Beklagte in Kenntnis von seiner Schwerbehinderteneigenschaft setzte. Dem Kläger musste als ehemaliger Verwaltungsbeamter einer Gemeinde und Bürgermeister einer Gemeinde – wenn auch einer kleineren – bekannt sein, dass das Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienstrecht (wie im Übrigen auch zumeist in der Privatwirtschaft) an zeitliche Vorgaben geknüpft ist und dass regelmäßig so verfahren wird, wie die Beklagte es gehandhabt hat, dass zunächst nach Abschluss des Bewerbungsschlusses alle eingegangenen Bewerbungen gesichtet werden und dann für diejenigen Bewerberinnen und Bewerber, die man für geeignet hält, Bewerbungsgespräche durchgeführt werden. Daher wäre der Kläger, wenn er den fehlenden Hinweis auf seine Schwerbehinderteneigenschaft bemerkt hat, gehalten gewesen, unverzüglich diesen ergänzenden Hinweis der Beklagten zuzusenden. Dies hat der Kläger bis zu einem Zeitpunkt unterlassen, zu dem intern das Bewerbungsverfahren weitgehend abgeschlossen war.
b) Aufgrund der ausgeschriebenen Stelle musste dem Kläger klar sein, dass das Bewerbungsverfahren zeitnah durchgeführt wird, weil es im öffentlichen Dienst üblich ist, den Vermerk zu setzen, ab wann – was das Datum betrifft – die Stelle neu besetzt wird. Weil dieser Umstand in der Stellenausschreibung nicht genannt war, kann davon ausgegangen werden, dass dem objektiven Leser der Stellenanzeigen – mithin auch dem Kläger – klar sein musste, dass nach Bewerbungsschluss die eingehenden Bewerbungen zeitnah gesichtet werden und mit denjenigen, die für die Stelle als geeignet erachtet werden, in absehbarer Zeit die Bewerbungsgespräche durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist regelmäßig im öffentlichen Dienst von einer Frist von vier bis etwa acht Wochen auszugehen. Fernerhin kann in Anbetracht der bisherigen Tätigkeiten des Klägers davon ausgegangen werden, dass ihm die gemeinderechtlichen Gegebenheiten bekannt waren, dass die formellen Einstellungen durch den Stadtrat bzw. den Gemeinderat vorgenommen werden und in dieser Situation im Allgemeinen die Verwaltung den bestgeeignetsten Bewerber vorschlägt. Durch die Erforderlichkeit einer Gemeinderats- oder Stadtratssitzung verschiebt sich damit die arbeitsrechtliche Einstellung oder die beamtenrechtliche Einstellung noch um einige Wochen.
c) Ohne dass es auf eine genaue zeitliche Festlegung ankommen würde, vertritt das Arbeitsgericht den Standpunkt, dass regelmäßig eine Frist von zwei bis drei Wochen nach Eingang der Bewerbung, in welcher ein objektiv schwerbehinderter Bewerber nicht auf seinen Status hingewiesen hat, es ausreichendsein mag, nachträglich diesen Umstand der Dienststelle mitzuteilen, damit dann im Bewerbungsverfahren mit dem jeweiligen schwer-behinderten Bewerber das Vorstellungsgespräch im Sinne von § 82 S. 2 SGB IX (alter Fassung) durchgeführt werden kann. Wenn allerdings dieser Zeitpunkt nahezu zwei Monate nach Eingang der Bewerbung liegt, die Stelle nicht so ausgeschrieben ist, dass ein wesentlich späteres Datum genannt ist, zu dem die Einstellung vorgenommen wird, kann davon ausgegangen werden, dass in einer solchen Situation die nachträgliche Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht mehr dazu führen kann, dass auch bei einem weitgehend abgeschlossenen Bewerbungsverfahren noch das Einstellungsgespräch mit dem jeweiligen Arbeitnehmer, der verspätet auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hinweist, durchzuführen wäre. Bereits aus diesen Gründen geht das Arbeitsgericht davon aus, dass der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht bestehen kann.
III.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Bewerbers bei einem behaupteten Verstoß gegen Verpflichtungen des öffentlichen Arbeitgebers durch Einladung zum Vorstellungsgespräch kann auch deshalb nicht stattgegeben werden, weil es sich beim Kläger im Ergebnis nicht um einen geeigneten Bewerber im Sinne der Stellenausschreibung der Beklagten gehandelt hat.
a) Zwar ist davon auszugehen, dass der Begriff des Bewerbers im Sinne des § 82 S. 2 SGB IX (alter Fassung) dem Bewerberbegriff nach § 6 Abs. 1 S. 2 1. Alternative AGG entspricht; diese Bestimmung enthält den formalen Bewerberbegriff, wonach derjenige Bewerber ist, der eine Bewerbung eingereicht hat. Der offensichtlich fachlich nicht geeignet nach § 82 S. 3 SGB IX (alter Fassung) ist ein schwerbehinderter Mensch immer dann, wenn er insoweit unzweifelhaft nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht; bloße Bedenken an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen könnten. Wenn Unsicherheiten über die Eignung bestehen, soll der schwerbehinderte Mensch die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen (BAG Urteil vom 11.08.2016 8 AZR 375/15).
b) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Kläger nicht den Voraussetzungen der Stellenanzeige der Beklagten entsprochen hat. Die Stellenausschreibung hat als Einstellungsvoraussetzung angegeben, dass der Bewerber/die Bewerberin Beamter oder Beamtin der dritten Qualifikationsebene wäre, Fachrichtung Verwaltung und Finanzen, allgemeine innere Verwaltung bzw. Verwaltungsfachwirt/in mit der Angestelltenprüfung II, es wurde Verhandlungsgeschick gefordert, ein hohes Maß an Kommunikationsstärke, das Vermögen, mit Konflikten umgehen zu können und eine entscheidungsfreudige, verantwortungsbewusst handelnde Person mit sicherem sowie kundenorientiertem Auftreten gesucht. Bereits bei dem Erfordernis, dass eine Beamtin oder ein Beamter in der dritten Qualifikationsebene gesucht wurde, ist darauf zu verweisen, dass der Kläger zumindest zu dem Zeitpunkt, als er sich um die Stelle beworben hat, nicht in einem Beamtenverhältnis gestanden hat. Der Kläger war zwar zu früheren Zeitpunkten, wie sich aus seinem Lebenslauf ergibt, Beamter im kommunalen Dienst und auch die Zeit, in der er Bürgermeister der Gemeinde Eggstätt war, ist so zu behandeln, dass es einem Beamtenverhältnis entspricht, allerdings liegen die letzten Beamtenverhältnisse des Klägers oder gleichgeordnete Dienstverhältnisse wie derjenige des Bürgermeisters bereits erhebliche Zeit zurück.
c) Hier kann allerdings dahingestellt bleiben, ob der Bereich des Beamtenverhältnisses eine unabdingbare Voraussetzung war, was bedeutet, dass ausschließlich Bewerberinnen und Bewerber in Frage gekommen sind, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Bewerbung sich in einem Beamtenstatus befunden haben oder die Stellenanzeige so auszulegen ist, dass auf frühere Zeiten, die in diesem Bereich im Rahmen eines Beamtenverhältnisses absolviert wurden, darunter rechnen sollten. Die damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen müssen nicht näher erörtert werden, weil der Kläger die weiteren Qualifikationen, die in der Stellenausschreibung gefordert wurden, nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht erfüllt hat.
2. Zwar kann in Anbetracht der bisherigen Tätigkeit des Klägers, seiner Ausbildung und vor allem seinen praktischen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass er über Verhandlungsgeschick verfügt, ebenso über ein hohes Maß an Kommunikationsstärke, weil er spätestens bei der Bürgermeistertätigkeit sie bewiesen hat, den Umgang mit Konflikten, was bei einem Verwaltungsbeamten und bei einem späteren Bürgermeister ebenfalls unterstellt werden kann, hat der Kläger ebenfalls erfüllt, gleichermaßen die Entscheidungsfreudigkeit und das verantwortungsbewusste Handeln mit einem kundenorientiertem Auftreten dürften beim Kläger durchaus vorgelegen haben. Allerdings ist darauf zu verweisen, dass die mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht sowie idealerweise die praxiserprobte Führungskompetenz in diesem Bereich beim Kläger nicht vorhanden ist. Zutreffend hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das zwingende Merkmal für die ausgeschriebene Stelle die möglichst mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht gefordert wurde. Sachlich richtig hat die Beklagte in diesem Zusammenhang ebenfalls vorgetragen, dass der Kläger im Rahmen seiner Bewerbung keine Erfahrung praktischer Art in der unteren Bauaufsicht dargestellt und/oder nachgewiesen hätte. In Anbetracht des Zuschnitts der ausgeschriebenen Stelle ist davon auszugehen, dass in diesem Zusammenhang nicht ein „besonderes Interesse“ für Baurecht ausreichen kann und auch nicht der Umstand, dass in der bisherigen beruflichen Tätigkeit das Baurecht den Kläger „begleitet“ hat, wie er es ausgefüllt hat, sondern die Qualifikationsanforderungen der ausgeschriebenen Stelle sind so zu sehen, dass es sich beim Bewerber/bei der Bewerberin um eine Person handeln musste, der oder die über einige Jahre praktische Erfahrung der Materie im Genehmigungsbereich verfügt. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Kläger als Geschäftsführer/Geschäftsleiter und dann als Bürgermeister im Baubereich tätig war, allerdings sieht das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung so vor, dass mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht gefordert war, was bedeutet, dass hiermit das Genehmigungsverfahren aus der Sicht einer größeren Stadt oder eines Landratsamts gemeint war.
3. Zwar trifft den öffentlichen Arbeitgeber – hier die Beklagte – in einem Rechtsstreit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der oder die schwerbehinderte Bewerber/in offensichtlich fachlich nicht geeignet ist, allerdings muss der öffentliche Arbeitgeber bereits nach Eingang der Bewerbung prüfen und entscheiden können, ob er einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss oder nach § 82 S. 3 SGB IX (alte Fassung) von der Verpflichtung zur Einladung befreit ist. Diese Prüfung und Entscheidung muss der oder die schwerbehinderte Bewerber/in dem öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Angaben zu seinem/ihren fachlichen Leistungsprofil in der Bewerbung bzw. dem beigefügten Bewerbungsunterlagen ermöglichen.
a) Kommt der oder die Bewerber/in dieser Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nach, geht es regelmäßig zu seinen/ihren Lasten; auch in einem solchen Fall besteht für den öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (BAG Urteil vom 11.08.2018 8 AZR 375/15). Diese Rechtsgrundsätze auf den streitgegenständlichen Rechtsstreit umgesetzt bedeutet, dass es im Bewerbungsverfahren aus Sicht des Klägers nicht ausreichend war, darauf zu verweisen, dass er von April 1992 bis April 2008 der erste Bürgermeister er Gemeinde Eggstätt war, von August 1985 bis April 1992 der geschäftsleitende Beamte der Gemeinde Eggstätt und von September 1982 bis August 1995 zuerst stellvertretender, dann Sachgebietsleiter im Landratsamt München, Sachgebiet Ausländeramt war, sondern es hätte erfordert, dass der Kläger Kriterien dafür vorgetragen hätte, dass er über mehrjährige Erfahrung in der unteren Bauaufsicht verfügt sowie idealerweise auch über praxiserprobte Führungskompetenz in diesem Bereich. Soweit der Kläger darauf verwiesen hat, dass das Adjektiv „möglichst“ darauf verweist, dass im Zweifelsfall oder bei Nichtvorhandensein geeigneter Bewerber/innen die Beklagte möglicherweise auch jemanden eingestellt hätte, bei dem oder der diese geforderte Tätigkeit noch nicht so ausgeprägt vorhanden waren, aber möglicherweise die Führungskompetenz, ist darauf zu verweisen, dass dieses Wort „möglichst“ bei Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst nahezu die Regel sind.
b) Das „möglichst“ ist entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht so zu verstehen, dass von den danach genannten Qualifikationsanforderungen im Einzelfall (auch) abgesehen werden sollte, sondern ist in dem Sinn aufzufassen, dass dies dieselbe Bedeutung hat wie das Wort „regelmäßig“. Es mag zwar ggf. in bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes vorkommen, dass Qualifikationen gesucht sind, bei denen nicht allzu viele Bewerbungen oder kaum Bewerbungen im Sinne der ausgeschriebenen Stelle eingehen, weil sie entweder spezielles Fachwissen erfordern, das bewerbungstechnisch schlecht repräsentiert ist oder andere Gründe vorliegen, dass möglicherweise die Bewerberauswahl dann auch unter Personen getroffen werden kann, die das geforderte Anforderungsprofil nicht hinreichend in ihrer praktischen Erfahrung repräsentieren. Wenn es sich allerdings um eine Verwaltungsstelle handelt, hier der dritten Qualifikationsebene, die Erfahrung in der unteren Bauaufsicht erfordert, ist davon auszugehen, dass das Wort „möglichst“ so auszulegen ist, dass es als „regelmäßig“ auszulegen ist, weil in diesem Bereich sämtliche Beamtinnen und Beamte, ggf. auch Angestellte, die in der unteren Bauaufsichtsbehörde bereits jahrelang tätig waren und möglicherweise Zusatzqualifikationen erworben haben, bei entsprechender praktischer Erfahrung auch für die Stelle des Leiters der Abteilung in Betracht kommen können. Daher ist davon auszugehen, dass es sich hier nicht um eine „exorbitant“ hochqualifizierte und auf dem Bewerbermarkt sehr selten repräsentierte Stelle handelt, sondern das „möglichst“ bringt zum Ausdruck, dass dies regelmäßig das Erfordernis der entsprechenden Qualifikation ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Stellenausschreibung klar zum Ausdruck brachte, dass die praktische Erfahrung der Tätigkeit in der unteren Baubehörde im Genehmigungsbereich erforderlich ist und auch die Führungsqualität vorliegen muss.
4. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls geht das erkennende Gericht zwar davon aus, dass aufgrund der bisherigen Tätigkeit des Klägers die Führungsqualität und die Möglichkeit, effizient ein Team in dieser Größenordnung zu führen, beim Kläger durchaus anzunehmen gewesen wäre, weil er mit seiner bisherigen Tätigkeit und insbesondere der Tätigkeit als Bürgermeister der Gemeinde … unter Beweis gestellt hat, dass er in der Lage ist, kleinere Verwaltungseinheiten sachgerecht zu führen und zu bürgerfreundlichen und vertretbaren Ergebnissen zu kommen. Allerdings bestehen, was der Kläger nicht hinreichend seine Überlegung eingestellt hat, signifikante Unterschiede zwischen der allgemeinen Verwaltungstätigkeit einer kleinen Gemeinde als Geschäftsleiter und dann als erster Bürgermeister und der Tätigkeit der Leitung der unteren Bauaufsichtsbehörde einer kreisangehörigen Gemeinde, welche im konkreten Fall die größte im Landkreis … ist und dieser Gemeinde wurden Tätigkeiten, die üblicherweise durch das Landratsamt im Bauaufsichtsrecht und Baugenehmigungsrecht durchgeführt wurden, kraft Organisationsentscheidung übertragen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Leiter des Sachgebiets Bauen und Wohnen bei der Beklagten über eine Qualifikation und Verwaltungspraxis im Baurecht verfügen muss, die dadurch gekennzeichnet ist, dass durch jahrelange Praxis das Genehmigungsverfahren sowohl bei einfacherer Tätigkeit, etwa von Ein- und Zweifamilienhäusern, wie auch bei schwierigeren Tätigkeiten des Genehmigungsverfahrens, etwa bei gewerblichen Bauten und größeren Bauprojekten im Bereich der Wohnungserstellung, zu beherrschen sind. Dazu gehören auch die Kriterien der Zusammenarbeit mit den die Bauvorhaben einreichenden Personen und die Abwicklung des Genehmigungsverfahrens der jeweiligen Bauprojekte. Die ausgeschriebene Stelle setzt also voraus, dass das Verwaltungsverfahren im Baubereich beherrscht wird, die Führungserfahrung dieser Stelle erfordert auch, einige Mitarbeiter zielorientiert leiten zu können und insbesondere bei Zweifelsfragen hier die Leitlinie des Vorgehens vorgeben zu können.
5. Im Ergebnis zutreffend hat der Kläger in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass er als geschäftsleitender Beamter wie auch als Bürgermeister im Baurecht durchaus eingebunden war, allerdings besteht ein struktureller Unterschied zwischen seiner bisherigen Tätigkeit im Baurecht im Rahmen einer kleineren Gemeinde und dem Genehmigungsverfahren von Bauvorhaben in der Stadt der Beklagten.
a) Während es sowohl beim geschäftsleitenden Beamten einer kleineren Gemeinde und dann im Amt des Bürgermeisters im Wesentlichen darum gegangen ist, bei Bauanfragen zu klären, ob das gemeindliche Einvernehmen geteilt wird oder nicht, da dann, wenn das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt wird, im allgemeinen das Bauvorhaben kaum zu realisieren sein wird. In diesem Zusammenhang wird zwar mitunter auch in der Praxis es so gehandhabt, dass entweder der geschäftsleitende Beamte oder der Bürgermeister dieser Gemeinde auch Anhaltspunkte dahingehend gibt, wie möglicherweise das Baugenehmigungsverfahren gesehen wird – außerhalb des Bereichs des gemeindlichen Einvernehmens – und die Aufgabe von kleineren Gemeinden ist es auch, Bauinteressenten auf Probleme im rechtlichen Verfahren hinzuweisen und möglicherweise klarzustellen, welche Bauvorhaben genehmigungsfähig sind oder nicht. Dieser Umstand ist allerdings mehr allgemein beratend und nicht geprägt von der Genehmigungspraxis; diese liegt bei kreisangehörigen Gemeinden beim Landratsamt oder bei Gemeinden, die – wie die Beklagte – in diesem Bereich dem Landratsamt gleichgestellt sind, weil die Aufgaben übertragen wurden, bei der entsprechenden Stadt.
b) Der Kläger wird nicht verkennen können, dass insofern ein erheblicher struktureller Unterschied der Tätigkeiten anzunehmen ist. Während beim gemeindlichen Einvernehmen mitunter politische Entscheidungen zu treffen sind, Abwägungsfragen, ob für ein bestimmtes Grundstück die Gemeinde das Baurecht bejaht oder nicht, was insbesondere im Außenbereich und auch von Bedeutung ist, wo kein Planbereich vorliegt, zu treffen sind, geht es beim Genehmigungsverfahren primär um die rechtlichen Gegebenheiten und der Leiter der Abteilung, der mit der streitgegenständlichen Stelle ausgeschrieben war, muss in der Lage sein, durch detaillierte und vertiefte Kenntnisse des Bauordnungsrechts Zweifelsfragen im Genehmigungsverfahren entscheiden können. Derartiges Fachwissen, ausgewiesen durch bereits bisherige längere Tätigkeit, konnte der Kläger nicht nachweisen. Es mag zwar sein – wie bereits ausgeführt – dass der Kläger die entsprechende Führungskompetenz und die allgemeine Verwaltungskompetenz hatte, da er dadurch durch seine bisherigen Tätigkeiten ausgewiesen wurde, die besonderen Kenntnisse, in vertiefter Art und Güte im Bauordnungsrecht und teilweise auch im Bauplanungsrecht, sind beim Kläger objektiv nicht vorhanden. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Kläger den Standpunkt vertreten hat, die Materie des Baurechts habe ihn in all seinen Ausprägungen immer „besonders interessiert“ und er habe sich über diese Bereiche Wissen angeeignet. Es soll nicht verkannt werden, dass beim Kläger aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit ein Grundwissen im Bauplanungsrecht und auch im Bauordnungsrecht vorhanden ist, mit der ausgeschriebenen Stelle wurde allerdings ein Spezialist und Teamleiter für das Genehmigungsverfahren gesucht, ein Bereich, bei dem es dem Kläger an der praktischen Tätigkeit und der hierdurch erworbenen Erfahrung mangelte. Daher war letztendlich der Kläger als objektiv nicht geeigneter Bewerber anzusehen, was zur Folge hat, dass der geltend gemachte Schadenersatzanspruch dem Grunde nach nicht bestehen konnte.
6. Aufgrund der dargelegten Umstände musste hinsichtlich der Höhe des vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruchs auf die damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen nicht mehr näher eingegangen werden. Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
IV.
1. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als der Unterliegende hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Die Streitwertfestsetzung ergeht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 3 ZPO. Als Streitwert ist festzusetzen derjenige Betrag, den der Kläger im Klageantrag beziffert hat.


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