Arbeitsrecht

Eingruppierung – Beschäftigung als Ausbilder/in in einer Lehr-/Ausbildungswerkstatt

Aktenzeichen  4 AZR 274/20

Datum:
2.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:020621.U.4AZR274.20.0
Normen:
§ 26 Abs 1 TVÜ-Bund
Anl 1 Teil III Abschn 4 Entgeltgr 9a Fallgr 2 TV EntgO Bund
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Berlin, 3. September 2019, Az: 58 Ca 16132/18, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 5. März 2020, Az: 21 Sa 1902/19, Urteil

Tenor

I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. März 2020 – 21 Sa 1902/19 – teilweise aufgehoben.
II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. September 2019 – 58 Ca 16132/18 – teilweise abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Januar 2019 nach der Entgeltgruppe 9a TVöD/Bund zu vergüten.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.709,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2019 zu zahlen.
III. Der Kläger hat 20 % der Kosten erster Instanz zu tragen, die Beklagte 80 %. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers sowie sich daraus ergebende Differenzentgeltansprüche.
2
Der Kläger, der eine Ausbildung zum Fahrzeugschlosser absolviert hat, ist seit 1997 in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) beschäftigt. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ua. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für die Beschäftigten des Bundes (TVöD/Bund) und der Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund).
3
Ab dem 1. Oktober 2012 wurde dem Kläger, der die Ausbilder-Eignungsprüfung abgelegt hat, die Leitung der neu gegründeten Juniorwerkstatt des Bauhofs F auf Dauer übertragen. Er wird seither nach Entgeltgruppe 7 TVöD/Bund vergütet.
4
Der Bauhof ist unter anderem für die Wartung und Unterhaltung der technischen Anlagen und Wasserfahrzeuge zuständig. Er ist in mehrere Werkstätten mit insgesamt etwa 80 Beschäftigten untergliedert und verfügt über alle erforderlichen Gewerke. Es gibt dort eine Ausbildungswerkstatt, in der Industriemechaniker und Mechatroniker ausgebildet werden. Der praktische Unterricht in der Ausbildungswerkstatt erfolgt anhand von Ausbildungswerkstücken. Daneben besteht die vom Kläger geleitete Juniorwerkstatt, deren Einrichtung ausweislich ihres Konzepts der Vermittlung von Ausbildungsinhalten gemäß dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) dient. Die Auszubildenden sollen in der Juniorwerkstatt mit mehr Verantwortung durch komplexe Aufgaben betraut werden, um so den Erwerb von Handlungskompetenz noch stärker zu fördern und den Gegebenheiten der Wirtschaft anzupassen sowie die Auszubildenden umfassend auf ihr Berufsleben vorzubereiten. Das Konzept nennt die Gruppenarbeit, das Referat, das Lehrgespräch, das Selbststudium mit praktischen Übungen und die Präsentation als Beispiele für eingesetzte Lehrmethoden. Die Juniorwerkstatt ist nach dem Abbild einer real existierenden Firma, vergleichbar mit einer Werkstatt des Bauhofs aufgebaut, jedoch in die Ausbildungswerkstatt eingegliedert und dieser unterstellt. Vorgesetzter des Klägers ist der Ausbildungsleiter, der gleichzeitig Leiter der Ausbildungswerkstatt ist.
5
In der Juniorwerkstatt werden Auszubildende des dritten und vierten Ausbildungsjahres praktisch ausgebildet. Zu diesem Zweck werden der Juniorwerkstatt Aufträge des Bauhofs zugewiesen, die für die projektbezogene Ausbildung geeignet sind. Die Bearbeitung erfolgt unter Anleitung des Klägers durch eine der Juniorwerkstatt für die Dauer eines Projekts zugeordneten Gruppe von etwa fünf Auszubildenden. In dieser Zeit sind die Auszubildenden fachlich dem Kläger unterstellt. Im Übrigen bleiben sie dem Leiter der Ausbildungswerkstatt unterstellt und nehmen am dortigen theoretischen Unterricht sowie am Berufsschulunterricht teil. Bei der Erledigung der Aufträge werden die Auszubildenden von einem Facharbeiter, bis zu fünf sog. Jungfacharbeitern sowie bei Planungsaufgaben zeitweise von dual Studierenden unterstützt. Bei den Jungfacharbeitern handelt es sich um ehemalige Auszubildende, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung aufgrund tarifvertraglicher Regelungen befristet für zwei Jahre weiterbeschäftigt werden.
6
Die Juniorwerkstatt verfügt über ein Büro für den Kläger und einen Bürocontainer mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen für die Projektarbeit. Projektbesprechungen und Unterweisungen sowie Tätigkeiten, für die eine Werkstatt erforderlich ist, finden in den Räumlichkeiten der Ausbildungswerkstatt statt. Der Kläger nimmt an den Ausbilderberatungen der Ausbildungswerkstatt teil. Der Kläger ist durchschnittlich etwa drei Stunden täglich in seinem Büro tätig. Im Übrigen pendelt er zwischen dem Bürocontainer und der Ausbildungswerkstatt oder fährt mit den Auszubildenden auf die Außenbaustellen. Aufträge des Bauhofs außerhalb der Projektarbeit erledigt der Kläger nur ausnahmsweise bei Havarien oder in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit.
7
Mit Schreiben vom 29. März 2015 hat der Kläger unter Berufung auf § 26 TVÜ-Bund eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9a TVöD/Bund ab dem 1. Januar 2014 geltend gemacht. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 30. August 2018 ab.
8
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die von ihm auszuübende Tätigkeit erfülle das Tätigkeitsmerkmal der Fallgruppe 2 der Entgeltgruppe 9a Teil III Abschnitt 4 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund (Entgeltgruppe 9a TV EntgO Bund). Er werde ausschließlich als Ausbilder in einer Ausbildungswerkstatt beschäftigt. Dort vermittle er Ausbildungsinhalte nach dem Ausbildungsrahmenplan und festige die in den ersten beiden Ausbildungsjahren erworbenen theoretischen Kenntnisse in der Praxis der projektbezogenen Ausbildungstätigkeit. Die Juniorwerkstatt sei eine reine Ausbildungswerkstatt, die allein dazu geschaffen worden sei, Auszubildende in der praktischen Arbeit zu unterweisen. Im Übrigen gehöre sie qua Eingliederung zur Ausbildungswerkstatt des Bauhofs.
9
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
        
1.    
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Januar 2019 nach Entgeltgruppe 9a des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich des Bundes (TVöD/Bund) zu vergüten;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.709,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2019 zu zahlen.
10
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Juniorwerkstatt handle es sich um keine Ausbildungswerkstatt im Tarifsinn. Die dort zu bearbeitenden Projekte dienten nicht allein der Ausbildung, sondern vornehmlich der Erledigung der der Juniorwerkstatt zugewiesenen Aufträge. Bei der Ausbildung handle es sich nur um eine Nebenfunktion. Der Kläger erteile den Auszubildenden lediglich neben seiner handwerklichen Tätigkeit Unterweisungen.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, die auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015 beschränkt war, zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.


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