Arbeitsrecht

Einsatz von Grundeigentum bei Gewährung von Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  Au 2 K 16.353

Datum:
14.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 166 Abs. 1
ZPO ZPO § 115 Abs. 3
SGB XII SGB XII § 90 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8, 9
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 3 S. 1 u. 2

 

Leitsatz

Grundbesitz im Ausland ist kein Schonvermögen im Rahmen der Prozesskostenhilfegewährung. Es ist zur Prozessfinanzierung zu verwerten, wenn dies zumutbar ist. Unberücksichtigt bleibt insoweit lediglich ein angemessenes Hausgrundstück im Sinn des § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO iVm § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das unter anderem von dem Antragsteller allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger und begehrt Prozesskostenhilfe für ein Verwaltungsstreitverfahren, in welchem er die Genehmigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ verlangt.
Der Kläger stellte am 16. Oktober 2015 einen Antrag auf Genehmigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ und führte im Formblatt an, vom 9. März 2006 bis 5. Mai 2009 an der Technischen Fachhochschule in … Bauwesen studiert zu haben. Er legte hierzu ein Diplom vom 5. Mai 2009 vor, wonach er ein „Spezialisiertes Diplom-Fachstudium Polytechnik: Fachrichtung Bauwesen, Schwerpunkt Bauunternehmertum“ absolviert und den Fachtitel „Fachspezialist, Ingenieur des Bauwesens“ (strucni specijalist inzenjer gradevinarstva) erworben habe. Nach den Angaben zur Qualifikation („Diploma Supplement“) handelt es sich um ein außerordentliches, viersemestriges Studium. Aus dem beigefügten Lebenslauf geht ferner hervor, dass der Kläger an der Universität …, Fakultät für Bauwesen, im Zeitraum von 1991 bis 8. Dezember 1998 die Berufsausbildung eines Ingenieurs des Bauwesens erlangt habe.
Auf Anfrage des Beklagten legte der Kläger am 30. Dezember 2015 das von ihm am 8. Dezember 1998 erworbene Diplom vor. Danach hat er an der „Universität in …, Fakultät für Bauwesen, das Studium der höheren Berufsqualifikation mit einer Regelstudienzeit von fünf Semestern abgeschlossen“. Die Fakultät für Bauwesen bescheinige dem Kläger, „alle vorgeschriebenen Prüfungen bestanden und alle weiteren Verpflichtungen des Fachstudiums, Allgemeine Fachrichtung, erfüllt und die höhere Berufsqualifikation sowie den Fachtitel Ingenieur des Bauwesens (inzenjer gradevinarstva) erworben“ zu haben. Ferner legte er eine Bescheinigung des Ministeriums für Bauwesen und Raumplanung vom 5. Juli 2013 über die erfolgreich abgelegte Fachprüfung zur Ausübung von Tätigkeiten im Bereich der Raumplanung und des Bauwesens vor. Danach habe der am 2. Juli 2013 „die Fachprüfung im Fachbereich Bauwesen zur Ausübung von Tätigkeiten als Mitwirkender an Bauprojekten abgelegt“. Nach einer weiteren Bescheinigung der Technischen Fachhochschule in … vom 12. April 2013 entspricht der vormals (8.12.1998) als Ingenieur des Bauwesens erworbene Fachtitel gemäß den geltenden aktuellen Gesetzesverordnungen dem Fachtitel „Facherststufler (Baccalaureus) Ingenieur des Bauwesens“.
Nach Auskunft der ANABIN, Datenbank der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen, werde mit der Bezeichnung „inzenjer gradevinarstva“ der Abschluss eines regulär fünfsemestrigen, auf einer zwölfjährigen Schulbildung aufbauenden praxisbezogenen Studiums im Bauwesen belegt. Die Dauer liege unterhalb der dreijährigen Regelstudienzeit eines deutschen Bachelorabschlusses, so dass die Genehmigung zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur daher nicht empfohlen werden könne. Zu dem Titel „strucni specijalist inzenjer gradevinarstva“ wird ausgeführt, dass dadurch der Abschluss eines regulär zweieinhalbjährigen, berufsorientierten Kurzstudiums im Rahmen des traditionellen kroatischen Studiensystems, d. h. vor Umsetzung des Bologna-Prozesses, belegt werde. Zu diesen Kurzstudiengängen gebe es in Deutschland keine Entsprechung. In beruflicher Hinsicht käme als Bezugsqualifikation vermutlich am ehesten der Bautechnische Assistent, in akademischer Hinsicht das Vordiplom in Betracht.
Daraufhin lehnte die Regierung von … den Antrag mit Bescheid vom 5. Februar 2016, zugestellt am 11. Februar 2016, ab. Die geforderte Gleichwertigkeit im Sinne des Ingenieurgesetzes sei aufgrund der nicht eingehaltenen Mindeststudienzeit von drei Jahren nicht gegeben.
Hiergegen erhob der Kläger am 7. März 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage und beantragt (sinngemäß),
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides der Regierung von … vom 5. Februar 2016 die Genehmigung zur Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu erteilen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nach seinem abgeschlossenem fünfjährigen postgradualen Studium, der absolvierten staatlichen Fachprüfung sowie aufgrund seiner Berufserfahrung befugt sei, Bauarbeiten als Teilnehmer im Bauwesen (Ingenieur) sowie Arbeiten des beratenden Ingenieurs in der Republik Kroatien durchzuführen. Gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und aufgrund der Richtlinie 2005/36/EG müsse ihm die Genehmigung erteilt werden.
Mit bei Gericht am 17. März 2016 eingereichtem Formblattantrag beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Mit Schreiben vom 23. März 2016 trat die Regierung von … der Klage entgegen und beantragt für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
Die Gleichwertigkeit sei aufgrund der nicht eingehaltenen Mindeststudienzeit von drei Jahren nicht gegeben. Zur näheren Begründung wird auf die Auswertung der Ergebnisse der Recherche bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen Bezug genommen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Nach § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe nur dann, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat der Beteiligte sein Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 1 SGB XII gehört zum Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen des Beteiligten einschließlich seines Grundeigentums. Unberücksichtigt bleibt insoweit lediglich ein angemessenes Hausgrundstück im Sinn des § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das unter anderem von ihm allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird. Dagegen sind sonstige Immobilien oder unbebaute Grundstücke durch Beleihung oder durch – gegebenenfalls teilweisen – Verkauf uneingeschränkt als Vermögen einzusetzen. Diese Grundstücke sind durch § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII nicht geschützt (BayVGH, B. v. 28.12.2015 – 15 C 15.2378 – juris Rn. 3; BSG, B. v. 9.1.2015 – B 10 LW 1/14 BH – juris Rn. 5; BVerwG, B. v. 8.10.2013 – 2 PKH 6.13 u. a. – juris Rn. 2 ff.).
Nach diesem Maßstab muss der Kläger die Kosten der Prozessführung für seine Klage auf Verpflichtung zur Erteilung einer Genehmigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ selbst aufbringen. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Mietvertrags nutzt er an seinem Wohnort mit seiner Familie eine aus u. a. vier Zimmern bestehende rund 89 m² große Mietwohnung. Ferner verfügt er im Ausland über eine in seinem Alleineigentum befindliche Wohneinheit mit einer Größe von 73,51 m², dessen Wert er mit 73.510 EUR beziffert. Grundbesitz im Ausland ist jedoch kein Schonvermögen im Rahmen der Prozesskostenhilfegewährung. Es ist zur Prozessfinanzierung zu verwerten, wenn dies zumutbar ist (vgl. OLG Bamberg, B. v. 2.8.2013 – 4 U 38/13 – juris Rn. 26; OLG Stuttgart, B. v. 19.1.2006 – 5 W 66/05 – juris Rn. 9; OLG Koblenz, B. v. 19.12.2005 – 7 WF 1126/05 – juris Rn. 5). Dass das im Ausland befindliche Grundstück derzeit nicht verwertbar wäre, hat der Kläger nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
Damit kommt es auf die Einkommenslage im Übrigen sowie auf die Erfolgsaussichten der Klage nicht mehr entscheidungserheblich an.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).

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