Arbeitsrecht

Einzelvertragliche Vergütungsabrede eines Chefarztes im Bereich des BAT-KF – Bezugnahmeklausel

Aktenzeichen  5 AZR 163/10

Datum:
29.6.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 242 BGB
§ 1 Abs 1 Buchst a BAT-KF
Anl 1 BAT-KF
Anl 6 BAT-KF
Anl 7 BAT-KF
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Düsseldorf, 8. April 2009, Az: 3 Ca 7927/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 23. Oktober 2009, Az: 9 Sa 590/09, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Oktober 2009 – 9 Sa 590/09 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. April 2009 – 3 Ca 7927/08 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte – Kirchliche Fassung (TV-Ärzte-KF) beanspruchen kann.
2
Der beklagte Verein ist Träger des F in D. Der Kläger ist dort seit dem 1. Januar 1991 als leitender Abteilungsarzt der Abteilung Kinderheilkunde tätig.
3
Im Dienstvertrag vom 5. Dezember 1990 vereinbarten die Parteien ua.:
        
„§ 1 Dienstverhältnis
        
…       
        
2.    
Für das Dienstverhältnis gelten die Abschnitte I bis III, V, VII und VIII, sowie X und XI des Kirchlichen Arbeitsvertragsrechts für Angestellte – Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.02.1961 – in der jeweils im Bereich des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland geltenden Fassung (BAT-KF), soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist.
        
…       
        
        
§ 5 Vergütung, Einräumung des Liquidationsrechts
        
1.    
Für seine dienstliche Tätigkeit erhält der leitende Abteilungsarzt eine Grundvergütung nach Vergütungsstufe BAT-KF I in der 8. Lebensaltersstufe, zuzüglich des Ortszuschlages in der Tarifklasse I b sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend der tariflichen Regelung in der jeweils gültigen Fassung. …
        
2.    
Der leitende Abteilungsarzt erhält die Erlaubnis, das ärztliche Honorar für die nach § 7 BPflV gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen bei denjenigen Patienten zu erheben, die diese Leistungen gewählt und mit den Krankenanstalten vereinbart haben, sowie die Erlaubnis, das Gutachterhonorar bei Aufnahme zur Begutachtung zu erheben. Diese Erlaubnis räumt das D dem leitenden Abteilungsarzt jedoch nur gegen Zahlung eines Nutzungsentgeltes ein, das mindestens die diesen Bereichen entstehenden Personal- und Sachkosten decken muß und darüber hinaus dem Ausgleich der durch die Einräumung gewährten Vorteilen dient.“
4
Der Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) ist das kirchliche Regelungswerk, das mit Angestellten der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche sowie deren Diakonischen Werke vereinbart ist. Die Arbeitsrechtliche Schiedskommission beschloss am 22. Oktober 2007 über die Gestaltung des BAT-KF wie folgt:
        
„1.     
Der BAT-KF und der MTArb-KF werden gemäß der Vorlage Nr. 13/2007 einschließlich der Übergangsregelungen, wie sie Gegenstand der Abstimmungen der Arbeitsrechtlichen Kommission Rheinland/Westfalen/Lippe waren, geändert.
        
2.    
Die Änderungen und die Übergangsregelungen treten am 1. Juli 2007 in Kraft.
        
…“    
        
5
Der BAT-KF in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung (BAT-KF nF) bestimmt ua.:
6
        
„§ 1   
        
Geltungsbereich
        
(1)     
Diese Arbeitsrechtsregelung gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nachfolgend Mitarbeitende genannt, die im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche sowie ihrer Diakonischen Werke tätig sind.
        
        
Diese Arbeitsrechtsregelung gilt nicht für
        
        
a)    
Chefärztinnen oder Chefärzte, wenn ihre Arbeitsbedingungen einzelvertraglich besonders vereinbart sind oder werden,
        
        
…       
        
        
(3)     
Die Arbeitsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte sowie der Zahnärztinnen und Zahnärzte an Krankenhäusern richten sich ausschließlich nach Anlage 6 (TV-Ärzte-KF). Die Überleitung der vorhandenen Mitarbeitenden richtet sich ausschließlich nach der Anlage 7 (TVÜ-Ärzte-KF).“
7
In der Arbeitsrechtsregelung zu Übergangsregelungen im Zuge der Neufassung des BAT-KF und MTArb-KF vom 22. Oktober/21. November 2007 (im Folgenden: Arbeitsrechtsregelung) heißt es ua.:
        
„§ 1   
        
Geltungsbereich
        
(1)     
Diese Arbeitsrechtsregelung gilt für Mitarbeitende, die am 30. Juni 2007 in einem Arbeitsverhältnis, für das der BAT-KF oder der MTArb-KF Anwendung findet stehen, das am 1. Juli 2007 fortbesteht. …
        
§ 2     
        
Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen
        
(1)     
Für die Eingruppierung der Mitarbeitenden wird ihre Vergütungs- bzw. Lohngruppe einer Entgeltgruppe nach der Anlage 1 bzw. Anlage 2 zugeordnet. Abweichend von Satz 1 gilt für Ärztinnen/Ärzte und Zahnärztinnen/Zahnärzte die Anlage 6 und 7 BAT-KF. …
        
§ 11   
        
Mitarbeitende nach Anlage 6 BAT-KF
        
Die Überleitung der vorhandenen Ärztinnen/Ärzte und Zahnärztinnen/Zahnärzte an Krankenhäusern richtet sich ausschließlich nach der Anlage 7 zum BAT-KF (TVÜ-Ärzte-KF). §§ 1 bis 10 finden keine Anwendung. …“
8
Nach der Anlage 1 der Arbeitsrechtsregelung ist die VergGr. I der (neuen) Entgeltgruppe 15Ü zugeordnet.
9
Der TV-Ärzte-KF als Anlage 6 zum BAT-KF nF bestimmt ua.:
        
„§ 1   
        
Geltungsbereich
        
(1)     
Dieser Tarifvertrag gilt für Ärztinnen und Ärzte einschließlich Zahnärztinnen und Zahnärzte (nachfolgend ‚Ärzte’ genannt), die an Krankenhäusern im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche sowie ihrer Diakonischen Werke tätig sind.
        
(2)     
Dieser Tarifvertrag gilt nicht für Chefärztinnen und Chefärzte, deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich geregelt sind.
        
…       
        
        
§ 11   
        
Eingruppierung
        
Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:
        
Entgeltgruppe
Bezeichnung
        
        
        
…       
        
        
        
Ä 4     
Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.“
        
        
10
In dem Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte in den TV-Ärzte-KF (TVÜ-Ärzte-KF) als Anlage 7 zum BAT-KF nF heißt es ua.:
        
„§ 1   
        
Geltungsbereich
        
(1)     
Dieser Tarifvertrag gilt für Ärztinnen und Ärzte einschließlich Zahnärztinnen und Zahnärzte (nachfolgend ‚Ärzte’ genannt), deren Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 2007 hinaus fortbesteht, und die am 1. Juli 2007 unter den Geltungsbereich des BAT-KF fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses.
        
(2)     
Nur soweit nachfolgend ausdrücklich bestimmt, gelten die Vorschriften dieses Tarifvertrages auch für Ärzte, deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber im Sinne des Absatzes 1 nach dem 1. Juli 2007 beginnt.
        
§ 2     
        
Überleitung in den TV-Ärzte-KF
        
Die von § 1 Absatz 1 erfassten Ärzte werden am 1. Juli 2007 gemäß den nachfolgenden Regelungen in den TV-Ärzte-KF übergeleitet.
        
§ 3     
        
Eingruppierung
        
(1)     
…       
        
        
Ärzte der Vergütungsgruppe I BAT-KF werden in die Entgeltgruppe 4 eingruppiert.“
11
Der Beklagte vergütete den Kläger ab dem 1. Juli 2007 nach der Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, ab dem 1. Juli 2007 Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä4, Stufe 3 TV-Ärzte-KF zu haben. Das ergebe sich zumindest aus einer ergänzenden Auslegung der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung.
13
Der Kläger hat beantragt
        
festzustellen, dass der Beklagte rückwirkend ab 1. Juli 2007 verpflichtet ist, an ihn ein Gehalt nach der Entgeltgruppe Ä4 Stufe 3 gemäß den Anlagen 6 (TV-Ärzte-KF) und 7 (TVÜ-Ärzte-KF) des BAT-KF der Diakonischen Einrichtungen im Rheinland, Westfalen und Lippe in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen.
14
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Nach der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung könne der Kläger Vergütung (nur) nach Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF beanspruchen. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme schon mangels einer Regelungslücke nicht in Betracht.
15
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben