Arbeitsrecht

Entlassung aus Anpassungslehrgang zur Anerkennung einer im Ausland erworbenen Lehrerqualifikation

Aktenzeichen  M 5 K 17.457

Datum:
19.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153543
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 76 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 4
EGRiLV-Lehrer § 11 Abs. 4, § 14
BayVwVfG Art. 35, Art. 46

 

Leitsatz

1 Die Unterrichtung des Betroffenen von der beabsichtigten Maßnahme entsprechend Art. 76 Abs. 1 S. 4 BayPVG verfolgt den Zweck, den Beschäftigten zu dem nach dem Personalvertretungsgesetz in seiner Entscheidungsfreiheit liegenden Entschluss zu veranlassen, ob die Personalvertretung in seiner Angelegenheit tätig werden soll oder nicht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Unterbleibt diese Unterrichtung, ist dieser Fehler auch nach dem in Art. 46 BayVwVfG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken nicht unbeachtlich. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Bescheide der Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern vom 16. Dezember 2016 sowie 28. Juni 2017 werden insoweit aufgehoben, als darin die Entlassung der Klägerin mit Wirkung zum 17. Februar 2017 aus dem Anpassungslehrgang verfügt ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu 1/3, der Beklagte zu 2/3 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit der Bescheid der Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern vom 16. Dezember 2016, ergänzt durch Bescheid vom 28. Juni 2017, die Entlassung der Klägerin aus dem Anpassungslehrgang mit Wirkung zum 17. Februar 2017 verfügt, sind diese Bescheid rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO). Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, da die angefochtenen Bescheide keine über die Entlassung hinausgehende Regelung enthalten. Der entsprechende Hinweis ist auch nicht rechtswidrig.
1. Die mit den streitgegenständlichen Bescheiden verfügte Entlassung aus dem Anpassungslehrgang ist rechtswidrig erfolgt. Denn die erforderliche Mitwirkung des Personalrats ist nicht eingehalten worden.
Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat die Zeugnisanerkennungsstelle die Entlassung der Klägerin aus dem Anpassungslehrgang mit Wirkung zum 17. Februar 2017 verfügt. Die rechtlich unpräzise Formulierung im Bescheid vom 16. Dezember 2016, dass die Zuweisung „widerrufen“ werde, wurde von der Klägerin als Entlassung aus dem Anpassungslehrgang verstanden. Dieses Regelungsziel wurde im Ergänzungsbescheid vom 28. Juni 2017 durch den Beklagten klargestellt.
Bei dem Anpassungslehrgang handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis im Sinn von Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG). Bei der Entlassung aus einem solchen Dienstverhältnis – ausgenommen auf Antrag des Betroffenen – wird der Personalrat nach Art. 76 Abs. 1 Satz 3 BayPVG beteiligt, wenn der Beschäftigte das beantragt. Der Beschäftigte ist rechtzeitig von der beabsichtigten Maßnahme in Kenntnis zu setzen (Art. 76 Abs. 1 Satz 4 BayPVG).
Der Anpassungslehrgang nach der EG-Richtlinienverordnung für Lehrer (EGRiLV-Lehrer) vom 23. Juli 1992 (GVBl S. 245), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), stellt ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis im Sinn von Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayPVG dar. Ziel des Anpassungslehrgangs ist der Ausgleich von Defiziten der in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworbenen Qualifikation gegenüber den entsprechenden Qualifikationen in Deutschland. Die fehlenden inländischen Qualifikationsmerkmale sollen in diesem Lehrgang nacherworben werden (§ 9 EGRiLV-Lehrer). Der Anpassungslehrgang stellt damit eine Sonderform der Ausbildung dar. Er ist sowohl formal wie auch inhaltlich der Ausbildung von Lehramtsbewerbern als Referendare im Beamtenverhältnis auf Widerruf angenähert. Der Lehrgang wird ausdrücklich in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleistet, für das die Lehrerdienstordnung und einschlägigen Vorschriften der für das betreffende Lehramt maßgeblichen Zulassungs- und Prüfungsordnung maßgeblich sind (§ 10 EGRiLV-Lehrer). Auch der mit der Klägerin am 19. September 2016 geschlossene Arbeitsvertrag, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten zusätzlich konkretisiert, bestimmt in Nr. 2, dass der Anpassungslehrgang eigenverantwortlichen Unterricht umfasst, die regelmäßige Teilnahme am Studienseminar sowie eigenverantwortliche Hospitation wie vergleichbare Beamte auf Widerruf im zweiten Jahr des Vorbereitungsdienstes. Auch das in Nr. 4 des Vertrags vereinbarte Entgelt richtet sich nach der Höhe der Bezüge im Vorbereitungsdienst für das jeweilige Lehramt. Auch wenn ein Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossen wurde, bleibt der Anpassungslehrgang ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis. Das ist in Nr. 1 des Vertrages festgehalten. Insoweit wird der Regelungsgehalt von § 9 EGRiLV-Lehrer wiederholt.
Auch Sinn und Zweck der Vorschriften über die Personalratsbeteiligung nach Art. 76 BayPVG bedingen, diese nicht eng, sondern beteiligungsfreundlich auszulegen (vgl. BVerwG, B.v. 13.10.2009 – 6 P 15/08 – juris Rn. 32). Denn es geht bei der Entlassung während des Ausbildungsverhältnisses um eine für den Betroffenen bedeutsame Angelegenheit, die sich möglicherweise existentiell – da den weiteren beruflichen Werdegang maßgeblich betreffend – auswirken kann.
Da der zuständigen Behörde bei der vorzeitigen Entlassung aus dem Anpassungslehrgang nach Art. 11 Abs. 4 EGRiLV-Lehrer ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, ist das Beteiligungsrecht auf Antrag des Betroffenen eröffnet (Ballerstedt/Schleicher/Faber, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand: Juni 2017, Art. 76 Rn. 129 ff.).
Die Unterrichtung des Betroffenen von der beabsichtigten Maßnahme entsprechend Art. 76 Abs. 1 Satz 4 BayPVG ist dem Dienstherrn als selbstständige Pflicht neben einer beamtenrechtlichen oder verwaltungsverfahrensrechtlich vorgeschriebenen Anhörung aufgegeben. Sie hat nicht – wie die Anhörung – zum Ziel, dem Beschäftigten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem Dienstherrn zu dem ihm mitgeteilten Sachverhalt zu äußern. Vielmehr verfolgt sie den davon getrennten Zweck, den Beschäftigten zu dem nach dem Personalvertretungsgesetz in seiner Entscheidungsfreiheit liegenden Entschluss zu veranlassen, ob die Personalvertretung in seiner Angelegenheit tätig werden soll oder nicht. Dem Beschäftigten muss daher durch die Unterrichtung kenntlich sein, dass er die Entscheidung über sein personalvertretungsrechtliches Antragsrecht nunmehr zu treffen hat (BVerwG, U.v. 24.11.1983 – 2 C 27/83 – BVerwGE 68, 197, juris Rn. 19; U.v. 9.12.1999 – 2 C 4/99 – BVerwGE 110, 17, juris Rn. 23). Eine solche Unterrichtung der Klägerin ist vorliegend nicht erfolgt.
Dieser Fehler ist auch nach dem in Art. 46 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken nicht unbeachtlich. Denn die Klagepartei hat ausdrücklich angegeben, dass sie von ihrem Antragsrecht auf Beteiligung der Personalvertretung Gebrauch gemacht hätte, wenn hierauf vom Dienstherrn hingewiesen worden wäre. Es ist nicht auszuschließen, dass nach Stellung dieses Antrags der Personalrat Einwendungen erhoben und dies zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (BVerwG, U.v. 24.11.1983 – 2 C 27/83 – BVerwGE 68, 197, juris Rn. 21; U.v. 9.12.1999 – 2 C 4/99 – BVerwGE 110, 173, juris Rn. 29 f.). Eine Mitwirkung des Personalrats kann nicht nachgeholt werden, da das Verwaltungsverfahren der Entlassung der Klägerin aus dem Anpassungslehrgang abgeschlossen ist (Ballerstedt/Schleicher/Faber, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand: Juni 2017, Art. 76 Rn. 135).
2. Soweit sich die Klage gegen die Formulierung im Bescheid vom 16. Dezember 2017 richtet, dass der Anpassungslehrgang nach Erwerb der erforderlichen Sprachkenntnisse gemäß § 14 „Satz 2“ (richtig: Absatz 2) EGRiLV-Lehrer wieder aufgenommen werden könne, liegt hierin keine Regelung, gegen die sich die Klägerin mit einer Anfechtungsklage wehren könnte. Vielmehr ist das nur als Hinweis auf die bestehende Regelung des § 14 Abs. 2 EGRiLV-Lehrer zu sehen. Die Aufnahme dieses Hinweises (wenn man die Klage insoweit als Leistungsklage versteht) ist nicht rechtswidrig.
Maßgeblich ist die Sicht eines verständigen objektiven Betrachters, ob dem Text sowohl nach der äußeren Form als auch nach dem Wortlaut eine Regelungswirkung zukommt (vgl. NdsOVG, B.v. 12.12.2016 – 11 ME 214/16 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 20.8.2012 – 6 ZB 11.2233 – juris Rn. 6; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 35 Rn. 54).
Eine solche Regelungswirkung der Formulierung, dass der Anpassungslehrgang nach Erwerb der erforderlichen Sprachkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 EGRiLV-Lehrer wieder aufgenommen werden könne, kann vorliegend unter dem Blickwinkel eines objektiven Betrachters nicht abgeleitet werden. Schon vom äußeren Erscheinungsbild ist der strittige Text anders als der „Widerruf der Zuweisung“ (damit ist die Entlassung gemeint) nicht unterstrichen. Das spricht für ein anderes Ziel dieses Satzes. Zudem ergeht über die Meldung und Zulassung zum Anpassungslehrgang und damit auch die Fortsetzung eine gesonderte Entscheidung nach § 12 EGRiLV-Lehrer. Dabei sind die Voraussetzungen für die Zulassung nachzuweisen. Die Zulassung kann nach § 12 Abs. 2 und 3 EGRiLV-Lehrer versagt werden. Der Klägerin war diese Verfahrensweise aufgrund der vor Kurzem erfolgten Zulassung mit Bescheid vom 4. August 2016 ausdrücklich bekannt. Insbesondere kann in der Formulierung keine selbstständig angreifbare Anordnung gesehen werden, für die weitere Zulassung zum Anpassungslehrgang bestimmte Unterlagen vorzulegen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 EGRiLV-Lehrer). Abgesehen davon, dass die Forderung zur Vorlage bestimmter Unterlagen/Nachweise wohl eine nicht selbständig anfechtbare Verfahrenshandlung sein dürfte (§ 44a VwGO), ist der strittige Text inhaltlich auch nicht hinreichend konkret, sodass ihm eine Regelungswirkung beizumessen sein könnte. Denn durch welchen konkreten Nachweis die geforderten Sprachkenntnisse belegt werden, ist nicht dargestellt. Vielmehr ist das sehr offen formuliert und verweist lediglich allgemein auf § 14 Abs. 2 EGRiLV-Lehrer. Das unterstreicht den bloß hinweisenden Charakter.
Die Aufnahme eines Hinweises auf die geltende Regelung des § 14 Abs. 2 EGRiLV-Lehrer für die Wiederaufnahme des Anpassungslehrgangs ist auch nicht rechtswidrig. Denn ausreichende Sprachkenntnisse für die Berufsausübung werden in Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 (ABl L 255 vom 30.9.2005, S. 22), zuletzt geändert durch Beschluss vom 13. Januar 2016 (ABl L 134 vom 24.5.2016, S. 135), nach Anerkennung der Qualifikation gefordert. Ebenso Recht hat dieser Grundsatz zu gelten, wenn vor der Anerkennung der Qualifikation ein Anpassungslehrgang zu absolvieren ist. Wenn schon im Fall der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Qualifikation ausreichende Sprachkenntnisse gefordert werden, müssen auch bei einem der Anerkennung vorgeschalteten Verfahren wie dem Anpassungslehrgang oder der Eignungsprüfung nach Art. 14 der Richtlinie 2005/36/EG entsprechende Sprachkenntnisse nachgewiesen werden. Insoweit unterscheidet sich die in einem anderen Land mit anderer Amtssprache/Unterrichtssprache absolvierte Ausbildung wesentlich bei der Lehrerausbildung (Art. 14 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2005/36/EG). Denn der Anpassungslehrgang dient nicht in erster Linie dem Spracherwerb, sondern der fachlich-didaktischen Ergänzung der erworbenen Qualifikation. Das Spracherfordernis statuiert Art. 7 Abs. 4 Satz 2 des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes (BayLBG). Dort ist als Voraussetzung für die Anerkennung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erworbenen Lehrerqualifikationen festgelegt, dass für diesen Bewerberkreis der Nachweis der für den Unterricht erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse notwendig ist. Das formuliert § 14 EGRiLV-Lehrer weiter aus. Gerade im vorliegenden Fall, in dem der Dienstherr der Auffassung ist, dass die Bewerberin nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt und daher eine Entlassung aus dem Anpassungslehrgang angeordnet hat, kann ein Hinweis auf § 14 Abs. 2 EGRiLV-Lehrer nicht als rechtswidrig angesehen werden.
3. Entsprechend dem Anteil des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens hat die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3 der Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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