Arbeitsrecht

Entlassung eines Beamten wegen mangelnder Bewährung während der Probezeit

Aktenzeichen  M 5 K 16.453

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 12, Art. 55
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28, Art. 45
BayPVG BayPVG Art. 76
BayBG BayBG Art. 56

 

Leitsatz

1. Grundlage für die Feststellung der fachlichen Bewährung während der Probezeit ist in erster Linie die Probezeitbeurteilung.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Feststellung der Bewährung während der Probezeit kommt als Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit der Charakter einer Prognose im Hinblick darauf zu, dass der Beamte aufgrund der während der Probezeit erbrachten Leistungen, seines während der Probezeit gezeigten Verhaltens oder sonstiger während der Probezeit bekannt gewordener Umstände voraussichtlich auf Dauer den an einen Beamten seiner Laufbahn zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen gewachsen sein wird.  (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine mangelnde Bewährung während einer Probezeit liegt nicht erst dann vor, wenn endgültig die fehlende Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung erwiesen ist, sondern schon dann, wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Beamte den an ihn zu stellenden Anforderungen persönlich oder fachlich gewachsen sein wird.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Entlassungsverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 17. August 2015 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
Rechtlicher Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung ist im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetzes/BeamtStG) i. V. m. Art. 12 Abs. 5 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetzes/LlbG). Danach können Beamtinnen und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Allerdings besteht für den Dienstherrn im Rahmen der „Kann – Regelung“ des § 23 Abs. 3 BeamtStG kein Handlungsermessen mehr, wenn die mangelnde Bewährung eines Beamten auf Probe feststeht, vgl. Art. 12 Abs. 5 LlbG.
Diese Entscheidung ist gerichtlich nur dahingehend überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden fachlichen Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BVerwG, U.v. 18.7.2001 – 2 A 5/00 – ZBR 2002, 184). Die beamtenrechtliche Probezeit soll dem Beamten die Möglichkeit geben, während des gesamten Laufs der Probezeit seine Eignung und Befähigung zu beweisen. Eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung ist sachlich bereits dann gerechtfertigt, wenn sich während der Probezeit Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten ergeben (BVerwG, U.v. 29.9.1960 – II C 79.59 – BVerwGE 11, 139/140). Der Feststellung der Bewährung während der Probezeit kommt als Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit der Charakter einer Prognose im Hinblick darauf zu, dass der Beamte aufgrund der während der Probezeit erbrachten Leistungen, seines während der Probezeit gezeigten Verhaltens oder sonstiger während der Probezeit bekannt gewordener Umstände voraussichtlich auf Dauer den an einen Beamten seiner Laufbahn zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen gewachsen sein wird. Eine mangelnde Bewährung liegt also nicht erst dann vor, wenn endgültig die fehlende Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung erwiesen ist, sondern schon dann, wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Beamte den an ihn zu stellenden Anforderungen persönlich oder fachlich gewachsen sein wird (Zängl in: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2016, § 23 BeamtStG Rn. 136 m. w. N.). Bei der Feststellung der Bewährung oder mangelnden Bewährung, die von den zahlreichen Anforderungen des konkreten Aufgabengebiets sowie von der Beurteilung der Persönlichkeit des Beamten abhängt, handelt es sich um ein an den Anforderungen der konkreten Laufbahn auszurichtendes, persönlichkeitsbedingtes Werturteil. Letztlich kann nur die Dienstbehörde sachverständig und zuverlässig beurteilen, welche fachlichen und persönlichen Anforderungen an ein konkretes Aufgabengebiet zu stellen sind und ob ein Beamter diesen Anforderungen gewachsen ist (VG München, U.v. 9.6.2015 – M 5 K 14.1598 – juris).
Formale Grundlage für die Feststellung der fachlichen Bewährung ist in erster Linie die Probezeitbeurteilung (BayVGH, B.v. 30.11.2009 – 3 CS 09.1773 – juris; Zängl in: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2016, § 23 BeamtStG Rn. 146). Darauf bezieht sich auch die angefochtene Entlassungsverfügung sowie der Widerspruchsbescheid.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist gegen die streitgegenständliche Entlassungsverfügung rechtlich nichts zu erinnern.
a) Insbesondere haftet der Entlassungsverfügung kein formaler Mangel an.
Es kann offen bleiben, ob die Anhörung (Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG) vor Erlass der Entlassungsverfügung in der erforderlichen Form, insbesondere fristgemäß, durchgeführt wurde. Selbst wenn man insoweit einen Anhörungsmangel annehmen wollte, ist dieser gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG wirksam geheilt worden. Denn der Kläger hatte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (OVG NRW, B.v. 21.7.2010 – 13 B 665/10 – DVBl 2010, 1243). Das musste sich der Klagepartei aufgrund des mit Gründen und einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Entlassungsbescheids vom 17. August 2015 erschließen. Das Ministerium hat sich auch mit den vorgetragenen Gründen im Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 auseinander gesetzt. Damit war die vollwertige Gewährung des Rechts aus Art. 28 BayVwVfG im Widerspruchsverfahren sichergestellt (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 76, 80).
Der Hauptpersonalrat ist auf Antrag des Klägers nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) beteiligt worden. Dem Personalrat waren auch alle wesentlichen Umstände bekannt, die der beabsichtigten Entlassung des Klägers zugrunde lagen. Dem Hauptpersonalrat war im Anschreiben des Ministeriums vom 11. August 2015 das Ergebnis der Probezeitbeurteilung genannt worden. Das zuständige Mitglied der Personalvertretung hat die Personalakte eingesehen, worauf die Prozessvertretung des Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2016 hinweist.
Auch die in Art. 56 Abs. 5 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) genannten Entlassungsfristen sind eingehalten. Denn der Bescheid vom 17. August 2015 wurde bereits am 18. August 2015 der Klagepartei per Telefax zugestellt.
b) Der Entlassungsbescheid ist auch im Rahmen der dem Gericht zukommenden Prüfung materiell nicht zu beanstanden.
Das Staatsministerium hat den Kläger ohne Rechtsfehler wegen fehlender fachlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Aus der Begründung des Entlassungsbescheids sowie des Widerspruchsbescheids ergibt sich, dass der Beklagte nach der ihm als Dienstherr zukommenden Einschätzung davon ausgegangen ist, dass der Kläger sich während der Probezeit nach den insofern maßgeblichen Kriterien der fachlichen Eignung nicht bewährt hat, somit nach § 10 Satz 1 BeamtStG die Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nicht erfüllt und nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BeamtStG zu entlassen war.
Grundlage für die Feststellung der fachlichen Bewährung ist in erster Linie die Probezeitbeurteilung (vgl. Zängl in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Februar 2016, § 23 BeamtStG Rn. 146; Hüllmantel/Eck/Hoffmeier/Luber/Weißgerber, LlbG, 1. Auflage 2011, Art. 12 Rn. 27). Die Einwendungen des Klägers gegen die Probezeitbeurteilung vom 17. Juli 2015 wurden durch den Ministerialbeauftragen mit Schreiben vom 18. September 2015 zurückgewiesen und führten lediglich zu einer Ergänzung der Angaben zur Tätigkeit. Diese Änderung wurde mit der Probezeitbeurteilung vom 19. September 2015 umgesetzt.
Der Ministerialbeauftragte hat im Rahmen der fachlichen Überprüfung inhaltlich keine Mängel der Probezeitbeurteilung festgestellt. Auch im Rahmen der eingeschränkten Überprüfungskompetenz des Gerichts bei der Beurteilung der fachlichen Eignung des Klägers ergeben sich keine Rechtsmängel. So hat der Schulleiter in seiner Probezeitbeurteilung die fachlichen Mängel dargestellt und in einem Zusatzblatt zur Probezeitbeurteilung vom 17. Juli 2015 um Beispiele ergänzt. Der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge vernommene Schulleiter, R. C.T., hat die von ihm festgestellten Defizite der fachlichen Eignung des Klägers plastisch erläutert. So hat der R… erhebliche Mängel im Unterricht in den von ihm besuchten Stunden erkannt sowie gravierende Fehler bei den Leistungsnachweisen und der Disziplin in den vom Kläger unterrichteten Klassen. Der Zeuge hat ergänzend zu den umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen (Probezeitbeurteilung vom 17.7.2015 mit Zusatzblatt, Stellungnahme im Einwendungsverfahren vom 3.9.2015) angegeben, dass er dem Kläger nach seinem Amtsantritt als Schulleiter zunächst unvoreingenommen („neutral“) gegenüber getreten sei. Er habe dem Kläger zu verstehen gegeben, dass die Leistungen des Probebeamten von der R. A.L., die die Schule seit dem 20. März 2012 bis zur Amtsübernahme durch den Zeugen als kommissarische Schulleiterin fungiert habe, kritisch gesehen würden. Es dürfe im Schuljahr 2014/15 „nichts mehr passieren“. Die Mängel seien jedoch so ausgeprägt gewesen, dass der Schulleiter trotz des Bewusstseins der Folgen für den Kläger zu dem Urteil gelangt sei, dass der Beamte fachlich nicht geeignet sei. Gegen diese Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums ist rechtlich nichts einzuwenden. Bei seinem Urteil wurden auch die Erkenntnisse der kommissarischen Schulleiterin mit einbezogen, die die Probezeitbeurteilung vom 18. Mai 2012 mit dem Gesamturteil „noch nicht geeignet“ erteilt hat.
Soweit der Kläger dagegen insbesondere vorträgt, er sei nicht bzw. nicht hinreichend auf die angeblich eklatanten Mängel hingewiesen worden, so ist das durch die Aussage des Zeugen und dessen schriftliche Stellungnahmen widerlegt. Der Schulleiter hat wiederholte Unterrichtsbesuche durchgeführt und die Defizite benannt. Auch die bis zu dessen Amtsübernahme als kommissarische Schulleiterin tätige R. A.L. hat deutliche Defizite angemahnt (vgl. auch deren Stellungnahme im Einwendungsverfahren vom 4.9.2015). Damit ist auch die Tatsachengrundlage in rechtlich nicht zu beanstandender Weise genannt. Bereits die Probezeitbeurteilung vom 18. Mai 2012 musste dem Kläger vor Augen führen, dass fachliche Mängel bei seiner Leistung gerügt wurden. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass hinsichtlich der Einwendungen des Klägers auch gegen diese Beurteilung in den vorgelegten Akten eine Würdigung der Einwendungen durch den Ministerialbeauftragten fehlt. Denn den Einwänden des Lehrers steht eine umfangreiche Stellungnahme der Konrektorin vom 8. Juli 2012 gegenüber, in der erhebliche und umfangreiche Defizite aufgeführt sind. Die seinerzeitige kommissarische Schulleiterin hat daher zahlreiche Unterrichtsbesuche beim Kläger vorgenommen und die Pflicht eingeführt, jeden Leistungsnachweis vor dem Stellen in der Klasse wie auch dessen Korrektur dem Fachvorsitzenden vorzulegen. Allein diese sehr ungewöhnliche und aufwändige Verpflichtung musste dem Lehrer vor Augen führen, dass bei Erstellung und Korrektur der Leistungsnachweise erhebliche Mängel vorlagen.
Auch wenn in der gesonderten Leistungsfeststellung vom 13. Juni 2013 die Leistungen des Klägers von der kommissarischen Schulleiterin in der Weise bewertet wurden, dass diese die Mindestanforderungen für das Vorrücken in die nächste Erfahrungsstufe rechtfertigten, bedingt das nichts anderes. Denn der Beklagte hat hierzu im Schriftsatz vom 21. März 2016 unter Bezugnahme auf die Konrektorin ausgeführt, dass sich seinerzeit die Leistungen des Klägers vorübergehend verbessert hätten. Im weiteren Verlauf wurden jedoch vom Schulleiter erhebliche Mängel in nahezu allen für die Tätigkeit eines Lehrers relevanten Bereichen festgestellt. Das hat zu dessen rechtlich nicht zu beanstandender Bewertung geführt, dass der Kläger fachlich nicht geeignet ist.
Soweit vorgetragen wird, dass für den Kläger zu Unrecht nicht eine Probezeiteinschätzung nach Art. 55 Abs. 1 LlbG erstellt worden sei, kann das zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn eine solche Probezeiteinschätzung – die seinerzeit auch nicht von Klägerseite beantragt wurde – wäre zeitlich noch vor der Probezeitbeurteilung vom 18. Mai 2012 gelegen. Denn eine solche Einschätzung ist nach der Hälfte der Probezeit zu erstellen. Einwände, dass dem Kläger durch ein Fehlen einer Probezeiteinschätzung das Vorhandensein von erheblichen Mängeln in der verlängerten Probezeit nicht vor Augen geführt worden sei, können daraus nicht abgeleitet werden.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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