Arbeitsrecht

Erfolglose Gegenvorstellung gegen Streitwertfestsetzung

Aktenzeichen  M 31 K 19.898

Datum:
11.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 680
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 63 Abs. 1 S. 1
VwGO § 188 S. 1, S. 2 Hs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Gegenvorstellung gegen die Streitwertfestsetzung ist  unzulässig, weil sie in der geschriebenen Rechtsordnung keine Grundlage findet (Anschluss an BVerwG BeckRS 2009, 33458). (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach vorläufiger Einschätzung erfasst der Begriff  „Jugendhilfe“ i.S.d. § 188 Satz 2 Hs. 1 i.V.m. Satz 1 VwGO nicht auch alle Angelegenheiten mit mittelbarem Bezug zu fürsorgerischen Maßnahmen, insbesondere die Zuschussgewährungen für Kindertageseinrichtungen, die nur nach Maßgabe des Haushaltsrechts erfolgen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Gegenvorstellung wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom … Februar 2019 hat der Vorsitzende Richter als Berichterstatter den Streitwert vorläufig auf 36.146 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Gegenvorstellung der Klägerin vom … März 2019, mit der eingewandt wird, das Verfahren sei nach § 188 Satz 2 Hs. 1 VwGO wegen seiner Zugehörigkeit zu dem Sachgebiet „Jugendhilfe“ gerichtskostenfrei. Daher sei der Streitwertbeschluss nebst Kostenrechnung von Amts wegen aufzuheben.
II.
1. Die – ausdrücklich als solche bezeichnete – Gegenvorstellung ist bereits unzulässig. Sie ist unstatthaft, weil sie in der geschriebenen Rechtsordnung keine Grundlage findet (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.2009 – 2 PKH 2.09 – juris Rn. 3). Das Rechtsmittel der Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG im Verwaltungsprozess nur gegen einen endgültigen Streitwertfestsetzungsbeschluss gemäß § 63 Abs. 2 GKG gegeben. Damit hat der Gesetzgeber aus Gründen der Eindämmung von Zwischenverfahren die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln insoweit abschließend einschränkend geregelt.
2. Zudem ist die Gegenvorstellung unbegründet und auch deshalb erfolglos. Es verbleibt bei der im Beschluss des Vorsitzenden Richters und Berichterstatters vom 27. Februar 2019 getroffenen vorläufigen Streitwertfestsetzung. Einer Berichtigung des Beschlusses von Amts wegen (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GKG) bedarf es im Lichte der Ausführungen im klägerischen Schriftsatz vom *. März 2019 nicht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich jedenfalls nach derzeitiger Rechtsauffassung des Vorsitzenden Richters und Berichterstatters, dessen Zuständigkeit für die Entscheidung über die vorläufige Streitwertfestsetzung sich aus § 87a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ergibt, um kein Verfahren aus dem Sachgebiet „Jugendhilfe“ i.S.d. § 188 Satz 2 Hs. 1 i.V.m. Satz 1 VwGO.
Nach § 188 Satz 2 Hs. 1 i.V.m. Satz 1 VwGO werden unter anderem in den Verfahren aus dem Sachgebiet „Jugendhilfe“ Gerichtskosten nicht erhoben, sodass eine Streitwertfestsetzung wegen sachlicher Kostenfreiheit (§ 2 Abs. 4 Satz 2 GKG) unterbleibt. Zu diesem Sachgebiet gehören nach allgemeiner Auffassung alle Streitigkeiten nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch und den Landesausführungsgesetzen, hier dem Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Um eine solche Streitigkeit handelt es sich indes vorliegend nach derzeitiger Rechtsauffassung nicht, da die streitbefangene Förderung von der Beklagten allein nach der Zuschussrichtlinie „… Förderformel“ für Kindertageseinrichtungen und nicht im Vollzug der Rechtsansprüche nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz erfolgt. Es handelt sich um eine Subventionierung unter dem Vorbehalt ausreichender Haushaltsmittel (vgl. Richtlinie i.d.F. vom 27.10.2015, Präambel und IV.).
Ob ein Rechtsstreit einem der Sachgebiete des § 188 Satz 1 VwGO zuzuordnen ist, beurteilt sich nach dem sachlichen Schwerpunkt. Wesentliches Indiz ist dabei die Zugehörigkeit der maßgeblichen Anspruchsnorm zum Sachgebiet einschließlich des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrensrechts (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.1974 – V C 18.74 – juris Rn. 17; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 188 Rn. 3). Wie vorstehend bereits ausgeführt, ist Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Förderung allein das Haushaltsrecht in Gestalt der Zuschussrichtlinie der Beklagten, nicht aber das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, auch wenn mit diesem ein rechtsnatürlicher Sachzusammenhang besteht. Zudem fußt das behördliche Verfahrensrecht hier gemäß IV. der Richtlinie grundsätzlich auf dem Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz und nicht auf dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch, sodass sich auch daraus keine Anknüpfung zum Sozialverwaltungsrecht i.S.d. § 188 VwGO ergibt. Der Umstand, dass die freiwillige Förderung der Beklagten für Zwecke verwendet werden soll, die ein in § 188 Satz 1 VwGO genanntes Sachgebiet betreffen, führt nicht dazu, dass im Rechtsstreit, der diese Förderung betrifft, § 188 Satz 2 Hs. 1 VwGO Anwendung findet (vgl. HessVGH, B.v. 8.5.1995 – 6 TJ 1169/95 – juris).
Der bestehende Sachzusammenhang der streitbefangenen zusätzlichen freiwilligen kommunalen Leistung mit der gesetzlichen Förderung von Kindertageseinrichtungen hat nach vorläufiger Rechtsauffassung auch mit Blick auf das in Rechtsprechung und Literatur bestehende weite Verständnis des Begriffs „Jugendhilfe“ nach § 188 Satz 1 VwGO vorliegend nicht die Anwendbarkeit dieser Vorschrift zur Folge. Das Gericht teilt vorläufig nicht die in Rechtsprechung und Literatur vorzufindende Auffassung, dass ein solches weiteres Verständnis des Begriffs „Jugendhilfe“ auch alle Angelegenheiten mit mittelbarem Bezug zu fürsorgerischen Maßnahmen, insbesondere die Zuschussgewährungen für Kindertageseinrichtungen, die nur nach Maßgabe des Haushaltsrechts erfolgen, erfasst (vgl. insbesondere OVG Koblenz, U.v. 17.1.2017 – 7 A 10057/16.OVG – juris Rn. 52; Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider/Bier, Stand 25. EL September 2018, § 188 Rn. 11 m.w.N.). Gerichtskostenfrei ist eine Klage voraussichtlich zumindest dann nicht, wenn diese – wie hier – ausschließlich auf eine freiwillige (kommunale) Gewährung einer Förderung für eine Kindertageseinrichtung abzielt. Freiwillige kommunale Zuwendungen, die von einer privaten Einrichtung für Maßnahmen i.S.d. § 188 Satz 1 VwGO verwendet werden sollen, sind diesen Sachgebieten nicht zuzurechnen. Vielmehr handelt es sich nach derzeitiger Rechtsauffassung um einen Subventionsrechtsstreit, wie er auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen geführt werden könnte, wenn sie für ihre nicht den Fürsorgebereich betreffenden Zwecke Fördermittel der öffentlichen Hand erstreiten wollen.
Auch der Verweis der Klägerin im Schriftsatz vom … März 2019 auf die – allerdings ohne vertiefende Begründung lediglich unter Angabe der Vorschrift des § 188 Satz 2 VwGO ergangene – Kostenentscheidung im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Oktober 2013 (12 BV 13.650 – juris Rn. 31) gebietet keine andere vorläufige Bewertung. Die Klägerin jenes Verfahrens berief sich zur Begründung des von ihr geltend gemachten Rechtsanspruchs auf Defizitübernahme maßgeblich auf Vorschriften des Achten Buchs Sozialgesetzbuch und des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes, während daneben eine Förderung im Rahmen der Vergabe kommunaler Fördermittel nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1, Art. 57 Abs. 1 Satz 1 GO im Ermessenswege streitgegenständlich lediglich ergänzend inmitten stand. Mit Blick auf die vorrangig als anspruchsbegründend geltend gemachten und vom Gericht im Urteil auch als solche geprüften Vorschriften des dortigen Rechtsstreits (Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 BayKiBiG, § 74 SGB VIII) war sonach in jenem Verfahren auch nach hiesiger Auffassung ein Fall des § 188 Satz 2 Hs. 1 i.V.m. Satz 1 VwGO gegeben. Vorliegend hingegen stehen entsprechende gesetzliche Ansprüche nach derzeitiger rechtlicher Bewertung der Streitsache nicht im Raum, da dem Rechtsstreit – soweit ersichtlich – maßgeblich Fragen der Anwendung und Auslegung der Zuschussrichtlinie „… Förderformel“ zugrunde liegen.
Damit handelt es sich nach vorläufiger Auffassung um einen subventionsrechtlichen Rechtsstreit in einem lediglich sozialrechtlichem Kontext, bei dem es im Übrigen auch Sinn und Zweck des § 188 Satz 2 Hs. 1 i.V.m. Satz 1 VwGO nicht gebieten, diesen gerichtskostenfrei zu stellen. In den Sachgebieten des § 188 Satz 1 VwGO wird maßgeblich deshalb Gerichtskostenfreiheit gewährt, weil dort mittellose oder minderbemittelte Kläger häufiger vorkommen und es um Leistungen geht, die Fürsorgemaßnahmen zum Gegenstand haben. Aus diesem Grund fallen auch bei einem weiten Verständnis der Norm – wie ausgeführt – voraussichtlich nicht alle Verfahren, die letztlich einen nur mittelbaren Zusammenhang mit den Sachgebieten der Vorschrift haben, unter diese Gerichtskostenfreiheit. Das Ziel der kostenrechtlichen Vereinfachung in Gestalt einer gesetzlichen Pauschalregelung der Gerichtskosten(-freiheit) bezogen auf die sozialverwaltungsrechtliche Art der Streitigkeit, das mit § 188 Satz 2 Hs. 1 i.V.m. Satz 1 VwGO verfolgt wird (vgl. BVerwG aaO), erfordert zwar gerade keine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsschutzsuchenden im Einzelfall, gebietet aber voraussichtlich ebenfalls nicht die (mittelbare) Zuordnung sämtlicher Rechtsstreitigkeiten über freiwillige (kommunale) Fördermaßnahme für Kindertageseinrichtungen, die zu und neben die gesetzlichen Ansprüche nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz treten, zu diesem Kostenprivileg.
Es verbleibt daher bei der im Beschluss vom 27. Februar 2019 verfügten vorläufigen Streitwertfestsetzung nebst entsprechender Kostenrechnung.
Einer Kostenentscheidung bedarf es für das Verfahren der Gegenvorstellung nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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