Arbeitsrecht

Erfolglose Klage auf Neuberechnung der Besoldung eines Majors

Aktenzeichen  M 21 K 15.2367

Datum:
27.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AGG AGG § 15 Abs. 4
BBesG BBesG a.F. § 27, § 28
SoldGG SoldGG § 1 Abs. 1, § 12 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig aber unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 16. Mai 2012 und der Beschwerdebescheid vom 10. Juli 2012 sind rechtmäßig; der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Im – vom Kläger geltend gemachten – Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich Juni 2009 richtete sich die Besoldung des Klägers als Soldat nach §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BBesG a. F.). Jedenfalls in Bezug auf Beamte führten die §§ 27 und 28 BBesG a. F zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinne einer Altersdiskrimierung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst a der RL 2000/78/EG (EuGH, U. v. 19.6.2014 – Specht, C-501/12 – NVwZ 2014, 1294; BVerwG, U. v. 30.10.2014 – 2 C 3.13 – BVerwGE 150, 255).
Ob eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung durch die §§ 27, 28 BBesG a.F. auch für Soldaten anzunehmen ist oder ob insoweit die Bereichsausnahme des Art. 3 Abs. 4 der RL 2000/78/EG Anwendung findet, kann vorliegend dahinstehen, da der Kläger selbst im Falle der für ihn günstigen Annahme des Vorliegens einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung keinen Anspruch auf höhere Besoldung besitzt.
1. Eine modifizierte Anwendung der Besoldungsregeln dergestalt, dass dem Kläger rückwirkend ein Betrag in Höhe des Unterschieds seiner tatsächlichen Besoldung und der Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe gezahlt wird, scheidet sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH als auch nach der des Bundesverwaltungsgerichts aus (EuGH, a.a.O., Rn 87 ff; BVerwG, a.a.O.).
Zwar hat der Europäische Gerichtshof grundsätzlich entschieden, dass die Wahrung eines Gleichheitssatzes, wenn das nationale Recht unter Verstoß gegen das Unionsrecht eine unterschiedliche Behandlung mehrerer Personengruppen vorsehe und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden seien, nur dadurch gewährleistet werden könne, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt würden wie die, in deren Genuss die Angehörigen der privilegierten Gruppe kämen (vgl. EuGH, U. v. 26.1.1999 – C-18/95 – Terhoeve, C-18/95 – EuGRZ 1999, 124). Diese Rechtsprechung ist vorliegend jedoch nicht anwendbar, denn es gibt keine privilegierte Gruppe in oben genanntem Sinne. Die §§ 27, 28 BBesG galten vielmehr für jeden Beamten bei seiner Einstellung, so dass die sich daraus ergebenden diskriminierenden Aspekte auch alle Beamten gleichermaßen betreffen. Daher ist das Bezugssystem der Besoldungsstufen auf der Grundlage der §§ 27, 28 BBesG nicht anwendbar, so dass eine (rückwirkende) Eingruppierung des Klägers in die Endstufe seiner Besoldungsgruppe ausscheidet.
2. Auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch kann der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Ansprüche herleiten. Dieser Anspruch setzt voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt. Ferner muss der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert sein. Schließlich muss zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen (stRspr; vgl. statt vieler EuGH, U. v. 19.6.2014, – Specht, C-501/12 -, NVwZ 2014, 1294).
Der vorliegende Verstoß gegen das Unionsrecht ist in dem vom Kläger geltend gemachten Zeitraum noch nicht hinreichend qualifiziert gewesen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die einschlägige Rechtsprechung des EuGH offenkundig verkannt wird (EuGH, U. v. 25.11.2010, – Fuß, C-429/09 – NZA 2011, 53). Ein solcher Verstoß kann aber erst für den Zeitraum ab Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennings und Mai am 8. September 2011 angenommen werden, denn (erst) in diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG in Bezug auf ein mit §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden (BVerwG, U. v. 30.10.2014 – 2 C 3/13 -, BVerwGE 150, 255). Daher scheidet der unionsrechtliche Haftungsanspruch jedenfalls mangels Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Unionsrecht aus.
3. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nach § 12 Abs. 1 oder § 12 Abs. 2 SoldGG besteht ebenfalls nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Vorschrift für Fälle der Altersdiskriminierung überhaupt Anwendung finden kann, da das Merkmal des Alters in § 1 Abs. 1 SoldGG keine Anwendung findet. Jedenfalls würde ein Schadensersatzanspruch aber an der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 SoldGG scheitern. Danach muss der Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, wobei die Frist ab dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Ist die Rechtslage allerdings unsicher und unklar, beginnt diese Ausschlussfrist erst mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung (BVerwG, a.a.O.). Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist vorliegend am 8. September 2011 durch die Verkündung des Urteils durch den EuGH geklärt worden. Das Schreiben des Klägers vom 22. Dezember 2011, mit dem er seinen Anspruch auf Bemessung seines Grundgehalts nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe geltend gemacht hat, erfolgte damit erst nach Ablauf der nach § 12 Abs. 3 SoldGG maßgeblichen Frist.
Hieran vermag auch der Umstand, dass der Kläger von der Entscheidung des EuGH erst mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 Kenntnis erlangt hat, nichts zu ändern. § 12 Abs. 3 SoldGG knüpft den Fristbeginn an die Kenntniserlangung der Benachteiligung. Diese liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn der Betroffene die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt, hier also Verknüpfung der Besoldung mit dem Lebensalter. Dass er aber aus der Kenntnis dieser Umstände die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Lediglich für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme geboten. In diesen Fällen ist der Zeitpunkt der objektiven Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidung maßgeblich, wobei es dann allerdings auf die positive Kenntnis von der objektiven Klärung der Rechtslage beim einzelnen Beamten oder Soldaten nicht mehr ankommt. Zweck der Frist des § 12 Abs. 3 SoldGG ist es, innerhalb einer kurzen Zeitspanne Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeizuführen (vgl. für die Parallelvorschrift des § 15 Abs. 4 AGG: BGH, U. v. 23.7.2015 – III ZR 4/15 -, NVwZ 2016, 90; VG München, U. v. 14.6.2015 – M 5 K 15.1829 – juris Rn. 18). Stellte man aber auf die tatsächliche Kenntnis des einzelnen Beamten von der höchstrichterlichen Entscheidung ab, würde die Frist des § 12 Abs. 3 SoldGG entgegen ihrem Zweck zu jeweils individuellen Zeitspannen und damit zu maximaler Rechtsunsicherheit führen.
4. Da § 15 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine identische Frist für Schadensersatzansprüche nach dem AGG vorsieht, ist ein solcher Anspruch unabhängig von der Frage, ob das AGG Anwendung findet, ausgeschlossen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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