Aktenzeichen M 12 K 18.35
Art. 103 Abs. 5, Art. 103 Abs. 9
LbV § 44 Abs. 2
Leitsatz
Besondere Fachkenntnisse müssen zwingend für die Erfüllung der dem Beamten übertragenen Aufgaben gefordert werden, weil sie tatsächlich für die Besetzung des Dienstpostens notwendig waren. Maßgebend ist die Übertragung eines ganz bestimmten Dienstpostens als Amt im funktionalen Sinne. Es genügt nicht, dass die besonderen Fachkenntnisse für die Laufbahn des Beamten oder für das Amt förderlich oder nützlich sind, oder dass sie den Beamten für dieses Amt besonders geeignet erscheinen lassen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Hinsichtlich der bei Klageerhebung begehrten Verpflichtung des Beklagten, die Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der Zeit vom 30. Januar 1989 bis 30. September 1989 beim … …-museum als ruhegehaltsfähige Dienstzeit neu festzusetzen, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, da die Hauptsache insoweit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
2. Im Übrigen ist die Klage teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
a) Soweit die Klägerin die Zahlung des sich aus der Berücksichtigung der im Klageantrag angegebenen Zeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeit ergebenden erhöhten Ruhegehalts begehrt, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Zahlung des erhöhten Ruhegehalts ist bereits gesetzliche Folge der – im Erfolgsfall der Klage vorzunehmenden – Neufestsetzung des Ruhegehalts der Klägerin unter Berücksichtigung der angegebenen Zeiten als ruhegehaltsfähig. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte ein sich hieraus ergebendes erhöhtes Ruhegehalt tatsächlich nicht zahlen würde, sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
b) Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, die Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der unter Nr. 1b des Klageantrags genannten Zeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeit neu festzusetzen (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2017 ist insoweit vielmehr rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
(1) Eine Berücksichtigung der von der Klägerin im Klageantrag unter Nr. 1b angegebenen Zeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeit kann schon deshalb nicht auf Art. 22 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz – BayBeamtVG) gestützt werden, da es sich hierbei um eine Sonderregelung für Professorinnen und Professoren handelt. Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin als … nicht. Eine analoge Anwendung scheitert bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.
(2) Die Zeit der Hochschulausbildung der Klägerin wurde bereits in dem gem. Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG höchstmöglichen Umfang von drei Jahren als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt.
Die begehrte Berücksichtigung weiterer Zeiten der Hochschulausbildung vom 1. Oktober 1973 bis 30. Juli 1976 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit kann auch nicht auf Art. 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG gestützt. Nach dieser Übergangsregelung werden zwar Zeiten der Hochschulausbildung im Umfang der tatsächlichen Studiendauer, höchstens jedoch bis zur Regelstudienzeit einschließlich Prüfungszeit, berücksichtigt. Dies setzt jedoch gem. Art. 103 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG voraus, dass das Beamtenverhältnis oder ein unmittelbar vorangehendes anderes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, aus dem der Beamte oder die Beamtin in Ruhestand tritt, bereits am 31. Dezember 1991 bestanden hat. Das Beamtenverhältnis der Klägerin wurde erst mit Wirkung vom 14. Februar 1996 begründet und bei dem davor bestehenden Arbeitsverhältnis beim … …-museum hat es sich auch nicht um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, sondern um ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 103 Abs. 9 i.V.m. Abs. 5 BayBeamtVG. Danach sind die Voraussetzungen des Abs. 5 auch dann erfüllt, wenn dem Beamtenverhältnis, aus dem der Ruhestandseintritt erfolgt, mehrere öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang mit dem am 31. Dezember 1991 bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorangegangen sind. Einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht gem. Art. 103 Abs. 9 Satz 2 BayBeamtVG zwar ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 und des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gleich. Bei dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin beim … …-museum hat es sich jedoch nicht um ein derartiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Die Klägerin war – wie sich bereits aus dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 26. September 2016 ergibt – als Beschäftigte des … …-museums nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI befreit. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI betrifft ausschließlich Lehrer und Erzieher an nicht öffentlichen Schulen und ist bereits aufgrund dessen nicht einschlägig.
Schließlich kann eine Berücksichtigung der Zeit der Hochschulausbildung vom 1. Oktober 1973 bis 30. Juli 1976 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit auch nicht auf Art. 19 Nr. 3 Buchst. a BayBeamtVG gestützt werden, da Kenntnisse, die auf Hochschulen erworben werden, hierfür nicht ausreichen (Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Stand: Juli 2018, § 11 BeamtVG, Rn. 159). Derartige Ausbildungszeiten können nur nach Art. 20 BayBeamtVG bzw. den einschlägigen Übergangsregelungen berücksichtigt werden (s.o.).
(2) Die weiteren im Klageantrag unter Nr. 1b genannten Beschäftigungszeiten können ebenfalls nicht nach Art. 19 Nr. 3 Buchst. a BayBeamtVG als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Nach Art. 19 Nr. 3 Buchst. a BayBeamtVG kann die Zeit, während der ein Beamter oder eine Beamtin auf wissenschaftlichem Gebiet besondere Fachkenntnisse erworben hat, die die notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Amtes bilden, als ruhegehaltsfähige Dienstzeit höchstens bis zur Hälfte und in der Regel nicht über zehn Jahre hinaus berücksichtigt werden.
Besondere Fachkenntnisse müssen zwingend für die Erfüllung der dem Beamten übertragenen Aufgaben gefordert werden, entweder allgemein aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder im Einzelfall aus anderen Gründen, weil sie tatsächlich für die Besetzung des Dienstpostens notwendig waren (BVerwG vom 26.1.1961 – II C 154/59 ZBR 1961, 183; vom 17.1.1961 – II C 29/60 – ZBR 1961, 184; v. 16.9.1965 – Az. II C 64/63 – ZBR 1966, 90; vom 26.5.1966 – II C 43.63 – ZBR 1966 S. 309). Maßgebend ist nicht das statusrechtliche Amt, sondern die Übertragung eines ganz bestimmten Dienstpostens als Amt im funktionalen Sinne. Es genügt nicht, dass die besonderen Fachkenntnisse für die Laufbahn des Beamten oder für das Amt förderlich oder nützlich sind, oder dass sie den Beamten für dieses Amt besonders geeignet erscheinen lassen. Vielmehr bilden nur solche Fachkenntnisse die notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung eines Amtes, wenn dieses dem Beamten ohne sie nicht übertragen oder er andernfalls nicht in das Beamtenverhältnis berufen worden wäre (BayVGH, U.v. 27.6.2013 – 3 B 12.883 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze waren die besonderen Fachkenntnisse, die die Klägerin auf wissenschaftlichem Gebiet erworben hat, nicht die notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Amtes im … …-museum.
Die von der Klägerin während ihrer Tätigkeit bei der Universität A., der Bayerischen Akademie …, dem Deutschen S., dem Deutschen B. und/oder der LMU München erworbenen besonderen Fachkenntnisse waren aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften nicht gefordert. Nach § 44 Abs. 2 der damals maßgeblichen Verordnung über die Laufbahnen der bayerischen Beamten (Laufbahnverordnung – LbV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. März 1996 wurde die Befähigung für eine Laufbahn besonderer Fachrichtungen (hier: bei Museen und Sammlungen nach Nr. 13 der Anlage 2 der LbV) im höheren Dienst durch das mit der vorgeschriebenen Prüfung abgeschlossene Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule in einer der Fachrichtungen nach Anlage 2 (hier: …) und eine hauptberufliche Tätigkeit nach Abschluss des Studiums von mindestens drei Jahren, bei zusätzlichem Nachweis der Promotion von mindestens zwei Jahren nach der Promotion erworben. Sowohl die Zeiten des Studiums im Umfang von maximal drei Jahren (s.o.) als auch die geforderten Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit von drei Jahren nach Abschluss des Studiums wurden im streitgegenständlichen Bescheid bereits als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt.
Die in den im Klageantrag unter Nr. 1b genannten Beschäftigungszeiten erworbenen Fachkenntnisse wurden auch nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zwingend gefordert, weil sie tatsächlich für die Besetzung des Dienstpostens notwendig gewesen wären. So wurde in der Vormerkung vom 8. Februar 1996 lediglich festgestellt, dass die Klägerin die Befähigung für die Laufbahn des höheren Dienstes bei den Museen und Sammlungen besitzt, und der Zeitpunkt des Erwerbs der Laufbahnbefähigung auf den 1. Februar 1989 festgelegt. Weitergehende besondere Fachkenntnisse über die Laufbahnbefähigung hinaus wurden weder gefordert noch festgestellt.
An der Gewinnung der Klägerin bestand zwar sicherlich ein erhebliches dienstliches Interesse. Es kann jedoch weder der Vormerkung vom 8. Februar 1996 noch an anderer Stelle den Personalakten entnommen werden, dass die Klägerin ohne die in den unter Nr. 1b des Klageantrags aufgeführten Beschäftigungszeiten erworbenen Fachkenntnisse mit der von der Klägerin ausführlich dargestellten wissenschaftlichen Bandbreite nicht in das Beamtenverhältnis übernommen oder ihr das Amt beim … …-museum nicht übertragen worden wäre. Dass die besonderen Fachkenntnisse für die Laufbahn der Klägerin und für das Amt förderlich und nützlich gewesen sein dürften und sie für dieses Amt möglicherweise besonders geeignet erscheinen haben lassen, genügt für eine Anerkennung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit nicht (s.o.). Dass die als ruhegehaltsfähig beantragten Zeiten teilweise bei der Berechnung der Jubiläumsdienstzeit berücksichtigt wurden, führt zu keiner anderen Einschätzung, da hierfür lediglich ein Ausbildungs- oder hauptberufliches Beschäftigungsverhältnis bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn erforderlich ist. Rückschlüsse darauf, dass die hierbei erworbenen Kenntnisse notwendige Voraussetzung für das von der Klägerin im Beamtenverhältnis wahrzunehmende Amt beim … …-museum gewesen wären, lassen sich hieraus nicht ableiten. Vielmehr lässt sich den Behördenakten an keiner Stelle entnehmen, dass für das von der Klägerin wahrgenommene Amt jemals besondere Fachkenntnisse auf wissenschaftlichem Gebiet über die Laufbahnbefähigung hinaus gefordert worden wären. Darüber hinaus sah bereits
§ 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG a.F., der im Zeitpunkt der Übernahme in das Beamtenverhältnis am 14. Februar 1996 galt, vor, dass die Entscheidung über die Berücksichtigung von Zeiten nach § 11 BeamtVG a.F. in der Regel bei der Berufung in das Beamtenverhältnis getroffen werden soll. Sinn und Zweck der Vorschrift bestehen darin, der Beweissicherung zu dienen und dem Beamten eine sichere Grundlage für die Berechnung seiner späteren Versorgung zu verschaffen (BVerwG, U.v. 25.3.1982 – 2 C 4/81 – RiA 1982, 168). Die für die Entscheidung über die Ruhegehaltfähigkeit bestimmter Zeiten notwendigen Feststellungen können zu einem frühen Zeitpunkt ungleich einfacher getroffen werden. Doch kann die Entscheidung auch noch nach der Berufung in das Beamtenverhältnis getroffen werden. Nur muss sie spätestens bis zum Eintritt des Versorgungsfalls ergehen (BVerwG, U.v. 25.3.1982 a.a.O.; Plog-Wiedow, BeamtVG, § 49 Rn. 98; GKÖD, BeamtVG, § 49 Rn. 29). Eine solche Entscheidung ist jedoch bei Berufung in das Beamtenverhältnis nicht getroffen worden.
Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Fachkenntnisse der Klägerin zwar gefordert, dies aber nicht dokumentiert worden sei, sind nicht ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere nicht schlüssig daraus, dass trotz anderer Konservatoren mit gleicher Ausbildung beim … …-museum die Aufgabenstellung in Bezug auf die Sammlung … nicht in zufriedenstellender Weise bewältigt werden konnte, so dass es auch Unzufriedenheit bei der Mäzenin gegeben hat. Schließlich hat die Klägerin selbst angegeben, dass ihre Stelle eigens neu geschaffen wurde, so dass die von der Klägerin geschilderten Probleme schlicht mangelnden zeitlichen Möglichkeiten der vorhandenen Konservatoren zur Beschäftigung mit der umfangreichen neuen Sammlung … geschuldet gewesen sein dürften anstatt deren fehlenden besonderen Fachkenntnissen. Dass gerade die Klägerin für die Wahrnehmung des Amtes besonders geeignet erschien, dürfte darüber hinaus wesentlich auch mit ihrer bereits jahrelangen Beschäftigung mit der Sammlung … im Angestelltenverhältnis zusammenhängen, deren Zeiten vollumfänglich als ruhegehaltsfähig berücksichtigt wurden. Auch die Präferenz der Mäzenin für die Klägerin belegt nicht, dass deren besondere Fachkenntnisse notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Amtes gewesen wären, zumal es sich bei der Mäzenin nicht um den Dienstherrn der Klägerin gehandelt hat.
Nachdem weder von Rechts- und Verwaltungsvorschriften noch vom Dienstherrn im Einzelfall zwingend besondere wissenschaftliche Fachkenntnisse für die Erfüllung der der Klägerin übertragenen Aufgaben gefordert wurden, besteht kein Anspruch auf Anerkennung der von der Klägerin geltend gemachten Zeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten.
3. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, beruht die Kostenentscheidung auf § 161 Abs. 2 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, da er dem Klagebegehren insoweit entsprochen und sich in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist die Entscheidung unanfechtbar; im Übrigen gilt die umseitige Rechtsbehelfsbelehrung.